Sache vor die Stadtdirrktiou gelangte, wurde Anzeige au die Staatsanwaltschaft erstattet. Bereits am 26. September 1906 haben sich die Knaben Bruno, Max und Albiu schutz- suchrod an daS Stadtpolizeiamt gewendet und gebeten, den Vater zu veranlassen, sich und ihrer Mutter eine andere Behandlung zuteil werden zu lassen. Die Kinder genossen keine richtige und namentlich nicht die gesetzlich sorge- schriebeue Schulbildung.
Die Verhandlung schwächte di« in der Anklage er- hobeueu Tatsachen einigermaßen ab, namentlich da auch Albiu und Max Steindel ihre Zeugenaussagen verweigerten. — Der Antrag drS StaatSauwaltS lautete auf ein Jahr Gefängnis. — Der Verteidiger drS Angeklagten, RechtSauwalt Laibliv, macht hauptsächlich geltend, daß die Tatsachen schon jahrelang zurkckliegeo. Er bemerkt zum Schluß: Das Steiudel-Quartett wird niemals wieder spielen. — Nach länger als ein- ständiger Beratung verkündete der Gerichtshof hierauf folgendes Urteil: Der Angeklagte Steindel wird wegen fortgesetzter gefährlicher Körperverletzung feines Sohne» Aldi« und Wege» gefährlicher Körperverletzung seines Sohnes vrnno zu einer Gesamt-Gefängnisstrafe von 7 Monate« drei Lagen und de« Koste» des Verfahrens verurteilt.
In der Begründung wurde hervorgehobeu: Di« Knaben find beim Unterricht mißhandelt worden unter Ueber- schreituug deS väterlichen ZüchtigungSrrchtes. Der Fall mit dem Ofen ist nicht verjährt. ES handelt sich dabei um eine vorsätzliche Körperverletzung. Ebenso wurde in Anrechnung gezogen der Schlag gegen Albtus Fuß und der Stoß gegen Albtus Fuß. Auch daS Klavier sei ein gefähr- liches Werkzeug. Ebenso wird in Anrechnung gezogen daS Schlagen Brunos uud AlbiuS mit eine« Spazirrstocke um Weihnachten 1906. Der Avgrkagte hat da» väterliche Züchtigungsrecht weit überschritten. Der Angeklagte war wegen einer fortgesetzten Vergehens der Körperverletzung gegen Albiu und eines Vergehens gegen Bruno zu bestrafen. Bei der Strafbemessung wurde die leichte Erreg- Lsrkeit deS Angeklagten mildernd iu Betracht gezogen. Erschwerend war, daß er seinen Söhnen jede Erziehung fehle« ließ. Ein Grund seine- Handelns war auch der, seine Kinder auSzur ätzen, allerdings auch, um sie hochzubriugeu.
Der Antrag auf Haftentlassung wurde abgelehnt, da der Angeklagte sluchtverdächttg sei.
ff Konstanz, 20. August. Metzger Schirmer iu Stephans feld, AmtS Ueberlruzev, hat den Dieust- knechtHegeim Streit erstochen. Der Täter ergriff die Flucht.
* München, 22. August. Eine le tchtsiuuigeKam- merzofe stellte auf dem Bahnhöfe eine Handtasche ihrer Herrschaft auf eine Bank und ging inzwischen spazieren. Ein Langfinger nahm die Tasche uud erbeutete damit Brillanten uud echte Perlen im Werte von beinahe 17000 Mark.
* Irankfmt a. M.» 22. August. Die elektrotechnische Lehranstalt deS Physikalischen Vereins in Frankfurt a. M. hält vom 23. bis 28. September d. I. iu Frankfurt einen KurS über Anlage uud Prüfung von Blitzableitern für Mechaniker, Spengler, Schlosser, D ach d ecker usw., sowie auch für Beamte der Bau- uud Feuerpolizei ab. Die Teilnehmer haben 30 Mk. UnterrichtSgrld zu entrichten Anmeldungen find au da» Sekretariat der Elektrotechnischen Lehranstalt in Frankfurt, Kettenhofweg 132/144, zu richten.
* Gverhausen, 21. August. Am 18. August fanden im Ruhrrevier eine Avzahl Bergarbe tterver- sammlaugen statt, die teilt vom christlichen Gewerks- verein, teils vom alten Bergaröeiterverbaud eiuberufeu worden waren. Ja allen Versammlungen wurden Reso
lutionen angenommen, die darin gipfelten, den Nettesten zu empfehlen, daS neue Statut abzulehoeu, falls die Forderungen der Bergleute, nämlich die Erhöhung deS Krankengeldes, Erhöhung der Pensionen, freie Arrztewahl uud Beibehaltung des Kindergelds, keine Berücksichtigung fänden.
. KRsMrMWsS'
* Kalkutta, 20. August. Dir Europäer find br - uuruhigt, weileiu übrreiueuEiugeboreueuwegeu Totschlags au einem englischen Pflanzer verhängtes Todesurteil in 7jährige Zuchthausstrafe umgewaudelt wurde. Sie sind der Ansicht, daß rin Urteil, daS im Verhältnis zur Schwere drS Verbrechens so milde auSfalle, auf die Eingeborenen keinen Eindruck mache uud dazu führe, daß die Tätlichkeiten gegen die Europäer zuuehmrv. Die Presse macht daS Urteil zum Gegenstand eingehender Erörterungen und weist die Regierung auf die Folgen solcher milden Urteile hin, die daS Leben der Europäer im Innern de- Lande- gefährden.
* Knancayo (Peru), 20. August. Die deutsche Presse hat wiederholt sestgrstellt, daß diedeutschenBehördeu sich der im AuS laude wohnenden Deutschen nicht immer mit der nötigen Energie aunehmen. In Huarcayo hat sich kürzlich folgender Fall ereignet. Ein vom Generalkommando deS Gardrkorps iu Berlin als halb- invalide pensionierter Deutscher, der sich hier mit dem Import deutscher Artikel beschäftigte, ging eiueS AberdS iu einen Laden, um Brot zu kaufen. Gleichzeitig mit ihm betraten drei angetrunkene Männer den Laden, drangen auf die Besitzerin de» Geschäfts rin und demolierten den Laben. Der Deutsche suchte sie durch Zureden zur Berunnft zu bringen, hatte aber nur den Erfolg, daß die Kerle von der Frau abließen und sich auf ihn warfen. DaS Ende war, daß einer der drei mit solcher Wucht eine Flasche auf ihn warf, daß sie an seinem Schädel zerschellte. Der Schwerverletzte wendet sich an die deutsche Gesandtschaft und lehnt, weil er auf deren Hilfe rechnet, die Unterstützung anderer Ausländer, die sich mit ihm solidarisch erklären, ab. Da tritt das Unerwartete ein I Es wird sestgrstellt, daß der Hilfesuchende keinen ordnungsgemäßen Auslaudsurlaub hat, daß er einige »Vorstrafen- wegen UeLrrtretuug einer städt. Hundeordnllllg und unbedeutender «oberer OrdnungSvergehru erlitten hat uud daß auch rin Verfahren wegen Bedrohung und Beleidigung geschwebt habe, und eS scheint nun, als ob er wegen dieser Dinge otcht die nötige Unterstützung findet. Dt« Uebeltäter find biS jetzt straffrei geblieben. Die Sache ist dem Berliner Auswärtigen Amt uuterbreitrt worden. Hoffentlich greift dieses schnell ein.
ff Kapstadt, 21. August. Im Kapporlameut führt« der Premierminister auS: Als Moreuga sich ergeben hatte, wurde er entwaffnet uud interniert; als aber die Feindseligkeiten iu Südwestafrika aufgehört hatten, konnte ihn die Kapregierung nicht länger iu Gewahrsam halten. Nach längeren Verhandlungen mit Deutschland wurde vereinbart, daß Moreuga iu der Kapkolouie bleiben solle, solange er sich wohl verhalte. Er durste aber die Grenze nicht ohne behördlichen Paß überschreiten. Auf eigenen Wunsch wurde ihm Npiugtou als Aufenthaltsort zugewieseo. AIS er sich von dort entfernte, verfolgte ihn die Kappolizei, konnte ihn aber wegen der Wegschwierigkriten nicht erreichen. Die Kapregieruvg gebe aber der deutschen ReichSregierang die Versicherung, daß sie ihr möglichste» tun werde, um den Deutschen za helfen. Der Gouverneur von Deutsch-Süd- westafrika habe der Kapregiernug für die getroffenen Maßregeln telegraphisch gedankt.
Merkei. 3 Touristen auS Luzern unternahmen vergangenen Mittwoch eine Besteigung der Jungfrau, stürzten von der Rottalstaffel ab. Ihre Leichen wurden erst nach mehrtägigem Suchen gefunden,
konnten aber wegen Lawinengefahr nicht geborgen werden. — Auf dem M allui tzer Tauern gerieten am 17. Aug. ein Schneidermeister auS Malluitz, dessen Gattin, sowie sein Gehilfe in. einen Schueestarm. Das Ehepaar blieb entkräftet liegen und verschmachtete. Der Geselle schleppte sich iu das TaurruhanS und wurde schwer krank mit beiden Leichen von einer RrttungLkolonne zu Tal gefördert. — Am 17. dS. wurde io Köln eiu 11jährige», au Genickstarre leidendes Kind im Augvsta Krankenhaus eiugeliefert. Am 19. dS. starb eiu 3jährigrSMädchen ebenfalls au Genickstarre.
" Vermischtes.
8 NiStanttltt eines Kugagements. Der Kaufmann K. in Magdeburg hatte den Kommis H. iu Kiel zum 1. Oktober 1906 engagiert. H. schrieb jedoch im letzten Augenblick an K., daß er die Stellung nicht autretea könne, ohne weitere Gründe anzugeben. Kaufmann K. veröffentlichte nun in der Zeitschrift der deutschen Eisruwareuhäud- lrr eine Anzeige mit dem Bild drS H. und bemerkte in dem durchaus sachlich gehaltenen Text, daß er gegen ei« derartige» rücksichtsloses Benehmen Vorgehen und den KommtS gerichtlich belangen wolle; er ersuchte um Angabe der Adresse drS H. DaS Inserat hatte den Erfolg, daß K. gegen H. eine Schadenersatzklage austreugen konnte und gewann. H. antwortete mit einer Privatklage wegen Beleidigung, die er sowohl gegen K., als auch gegen den Redakteur W. von der genannten Zeitschrift austrengtr, aber
? Schöffengericht und Strafkammer tu Kiel erkannten auf Freisprechung. Auf eingelegte Revision deS H. sprach auch der Senat deS OberlandeSgerichtS die Beklagten frei. Der Behauptung drS H., daß die Beifügung deS Bildes der Anzeige den Anschein eines Steckbriefes gebe, könne nicht beigepflichtet werden, denn ein solches Verfahren sei in der Fachpresse nicht ungewöhnlich. Der gebrauchte Ausdruck »rücksichtslos- sei auch nicht beleidigend, sondern für di:
- Handlungsweise des H. zutreffend. (B. W.)
i Neueste Nachrichten.
ff Sarmsheim, 22. August. Da» Feuer Hst während der Nacht keinen weiteren Umfang mehr angenommen, doch haben die LöschuogSarbeiten die Feuerwehren, namentlich die Stuttgarter Beruftfeuer- wehr vollauf in Anspruch genommen. Letztere kehrt im Laufe de» Vormittags nach Stuttgart zurück, auch die übrigen Löschmannschaften konnten von 8 Uhr au zurück- kehre u mit Ausnahme einer größeren Wache. Da» Feuer gl ostet noch. Menschen find bei dem Brand glücklicherweise nicht unigrkommen. Einem Bauern sollen 300 Mk. Bargeld verbrannt sein.
* Sarmsheim, 21. August, nachmitt. 3 ^ Uhr. (Telrph. Nachricht.) Insgesamt find von 100 Käufer aögeörauut uud zwar 60 Haupt- und 40 Nebengebäude. Der abgebrannte Teil beträgt etwa ein Dritttel deS ganzen OrteS. Heute vormittag 9 Uhr traf StaatSmioister Pischek zur Besichtigung desBraud- platzrS et». Der Fremdeustrom zur Brandstelle wird immer größer.
Zur Sage iu Marokko.
ff Maris, 21. August. Der Figaro meldet, General Drude habe gestern tu einem Telegramm an di« Regierung Verstärkungen erbeten.
ff Madrid, 21. August. »Heraldo- uud Korrespondenz;«- berichten auS Casablanca, gestern hätten die Marokkaner einen neuen Angriff unternommen. Die Meldung wer?e durch amtliche Deprscheu bestätigst.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lank, Mensteig.
F efefruchl.
Weine dich aus im Schmerz dann greif entschlossen zur Arbeit, Was die Träne nicht löst, löst, dich erquicket, der Schweiß.
Emanuel Geibel.
IsNcia.
Novelle von Hella Limpurg.
5) (Nachdruck verboten).
„Gnädige Gräfin entschuldigen," sagte dieser hastig, »der Dtevst ruft, ich sehe eine Ordonanz kommen — -
Und mit leichter Verneigung eilte er vorwärts, dem Soldaten eutgegrv.
„Kommen sie mit mir, Ihre Meldung ist eine wichtige.
»Zu Befehl, Herr Rittmeister; die Gefahr wächst von Staude zu Stunde. -
Droben iu seinem Zimmer schloß Nordeck sorgsam die Tür, weckte den noch immer schlafende» Hoffmaun und befahl dem Ulan:
»Nun rede» Sie, was ist vorgrfalleu?-
»Al» ich gestern abend etwa- umher schleuderte, traf ich hinterm Park eine absonderlich vermummte Gestalt und verbarg mich km Gebüsch, um zu beobachten, waS dieselbe tun werde. Nach uud nach wickelte sie sich auS den Tüchern heraus, nahm, vorsichtig umherspäheud, die Haube vom Kopf uud entpuppt« sich als eiu junger Manu, der dem Herrn Grafen hier ganz sonderbar ähnlich ist.
Rordrcks Aufmerksamkeit ward iu hohe« Grade erregt, er machte Hoffmaun «iu Zeichen, und der Ulan fuhr halblaut, um gegen etwaige Lauscher sich zu sichern, fort: »AlS der Manu sich umgrseheu uud erkannt hatte, daß alles um ihn her still blieb, schlich er auf einen Holluuderbusch zu, bog die Zweige auseinander und schloß eine biS dahin verborgene niedrige Türe auf. Doch — -
»Einen Augenblick, unterbrach Nordeck plötzlich uud zog seiueu Fund aus dem Parke hervor, »war der Schlüssel, Leu der Fremde benützte, etwa diesem hier ähnlich?-
Jawohl, Herr Rittmeister, so war er ; diese Schlüssel haben eine ganz absonderliche, hakenähuliche Form, sie gehören ohne Zweifel zusammen. AlS ich nun befürchten mußte, den Fremden iu seinem Versteck verschwinden zu sehe«, begann ich mit dem Säbel zu rasseln und pfeifend näher zu komme«, doch so, daß ich durch die Büsche noch den Mann beobachten konnte. 3m Nu hatte er abgeschlossen, den Schlüssel verborgen und die Umhüllungen wieder über- geworfen; als ich heran war, kauerte eiu altes Weib am Wege uud streckte, undeutlich murmelnd, mir bittend «ine unter Lumpen verborgene Hand zum Betteln eutgegrv. Nur au der Spitze deS Zeigefingers, von der die Lappen etwas verschoben waren, erkannte ich, daß es eine Weiße, vornehme Hand sein mußte, welche darunter steckte. -
»Jch danke Ihnen, Reumann,- sagte der Rittmeister eifrig, »Sie find ein geborener Polizist und haben uuS allen einen großen Dienst geleistet. Nun aber hören Sie. Ich will heute nacht nochmals wachen, uud wenn ich dann daS entdecke, WaS ich nun beinah sicher weiß, müssen wir bereits morgen früh handeln, wenn uuS die Feinde nicht zuvorkommen sollen. -
„Sie glauben au ernste Gefahr, Herr Rittmeister?" unterbrach Leutnant Hoffmaun seinen Vorgesetzten, doch dieser machte nur eine ungeduldige Bewegung und fuhr za dem Man gewendet fort: »Sie kennen also jene Stelle, wo der Verkleidete eine niedere Tür aufschloß. Weuu ich nun, etwa noch iu dieser Nacht oder morgen ganz früh am Tage den Befehl gebe, abznrückeu, würden Sie dieselbe wiedrrfindeu und sie besetzen können?"
»Ganz gewiß, Herr Rittmeister. - „Nun wohlan. Sie werden dann also die Stelle besetzen, von der wir sprachen und zwar, weuu ich nur
kurz befehle: Abrückeo. Und nun gehen Sir, aber hatten Sie reinen Mund gegen jedermann, verstanden?-
Der Soldat marschierte klirrenden TrittrS hinaus, uud nun erst wandte sich Nordeck tiefernst za Hoffmaun: »Wir find in sehr ernster Gefahr, Herr Kamerad, uud nur völliges Schweigen und große Vorsicht können unS vielleicht noch retten. -
»Aber, Herr Rittmeister, WaS ist vorgrfalleu? Ich bin völlig sprachlos über diese Plötzlich eingetreteue ernste Lage und bitte um Aufklärung. -
„Die kann ich Ihnen, Herr Leutnant, biS jetzt auch nicht iu vollem Umfange geben, denn ich weiß selbst nur erst wenig. Jedenfalls bin ich doch sicher, daß wir von den Franktireurs umgeben find, und weuu wir nicht sogleich unsere Vorkehrungen treffen, sehen wir die unseren nie mehr wieder.-
Er sprach mit furchtbarem Ernst, und auch Hoffmaun ward dadurch erregt; die Mattigkeit deS Champagner- rauschrs schwand vollständig, er blickte den Fretherru ge- spannt au.
„Ich habe nun meinen Plan fertig,- fuhr dieser ernst fort, »Sie müssen noch iu dieser Stande avreiteu und uuS Verstärkung herbeiholeu- —
»Ich soll fort," rief Hoffman» kleinlaut, „von hier? Und daS gerade jetzt, wo es so gemütlich wird?"
„Drr Dienst geht vor, Herr Leutnant, wir find nicht zum Spaß in Frankreich, uud ich glaube, auch Graf St. Rcc handelt weniger freundschaftlich uud „gemütlich- als Sie denken."
»Aber die schöne Gräfin Felicia,- wandte der Leutnant sehr kleinlaut ein; er kannte seiner Rittmeisters Art und Ton alS unabänderlich.
(Fortsetzung folgt.)