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1877.

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Dienstag, den 8. Januar

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1907

»

Tagespolitik.

Die Nordd. Ällg. Ztg schreibt zum Wahlkampf unter der Urberschrift: .Koloniale Baukosten": Der bisherige Abgeordnete Er^zberger ließ unter dem Titel: .Die ZeutrumSpolitik im Reichstag mit besouderer Berücksichtigung der Kolonialpolitik' eine Ueberstcht Über die Tätigkeit der ZentrumSfraktion 7u der letzten Legislatur­periode erscheinen. Hinter der scheinbaren Sachlichkeit seiner Darstellung stoßen wir auf eine Reihe von tatsächlichen Frrtümrru und besonders von logischen Schnitzern. So machte Erzbergrr eine Rechnung auf, wr-uach abzüglich der Kosten für die ostafiatischr Expedition daS Vaterland für die Kolonien bisher 815 Millionen Mark aufgebracht habe. Es passiert ihm dabei nur der Irrtum, daß er deu abgelehuteu Nachtragsetat für Südwestafrika mit 29 Mill., die noch nicht genehmigte Eisenbahn mit 21 Millionen, so­wie die Forderungen für den noch gar nicht verhandelten Haoptetat für 1907 mit 81 Millionen einstrllte. außerdem die Schätzungen für Unkosten der Post- und Telegraphen» Verwaltung von 7 Millionen, sowie die Ausgaben für die Mariurverwaltuug mit 20 Millionen als ob wir für die Kolonien bisher unseren Flotteuetat erhöht hätten, sowie Dampfersubveutioneu für die Ostafrikalinie, die doch zum größten Teil für die Entwicklung des deutschen Handels nach Britisch-Südafrika geschaffen wurde. Diese Kosten machen zusammen 152 Millionen, es blieben also nur 663 Millionen übrig, die daS Reich in 22 Jahren für die Kolonien aufbrachte, in einer Zeit, wo sich der nationale Wohlstand in Deutschland mindestens um 80 000 Millionen vermehrte. Ebenso kommt Eezberger za falschen Schluß­folgerungen bei der Gegenüberstellung der Ausgaben nud deS Gesamthasdels.' Die Nordd. Allg. Ztg. schließt: .Wollen wir ein Bild gebrauche», so müssen wir uns die Ausgaben für die Kolonien als Baukosten für ein Haus vorstellev. Solange gebaut wird, ist keine Verzinsung zu erwarten; ebenso wie eiu Haus brauchen unsere Kolonien lange Zeit zu ihrem Aufbau und die für sie ausgegebenes ^ Millionen enthalten große Summen für werbende Reichs- i Unternehmungen, die noch im Bau find, sich also noch nicht rentieren. Bei all dem ist noch im Auge zu behalten, daß Deutschland, das der Fläche nach die viertgrößte Kolonialmacht der Welt ist, selbst unter Eiurechnung der Kriegskosten für die Kolonialwirtschaft, bisher ver­hältnismäßig bessereResultate erzielt hat, als irgend ein anderes Land.'

Zum Wahlkampf schreibt die .Nordd. Allgem. Ztg.' weiter: Zweierlei Maß. Die Sozialdemokraten und

die ZeutrumSleute wetteifern in Flugschriften und Wahlreden gegen die kolonialfrenudltche» Parteien, um durch dir Er- zeuguog einer Gänsehaut Stimmung zu machen. Nach wie vor wird der alte Klatsch über die Grausamkeiten unserer Beamten breit getreten, mögen die Geschichten auch noch so alt und unwahr sein. Da auch die Zeutrumsbroschkre über die Tätigkeit der ZentrumSfraktion die von Roereu vorgebrachteu Schauergeschichten wiederholt, so erinnern wir an folgendes: Eine große Reihe der Roereuschev An­schuldigungen find absolut »verwiesen und stellten fich zum Teil als unwahr heraus. Seine Anschuldigung gegen Schmidt wiederholte Roereu, trotz wiederholter Aufforderung, iu der Orffeutlichkrit, wo er durch seine Immunität nicht gedeckt wäre, nicht, und gab somit Schmidt nicht die Mög­lichkeit, sich zu rehabilitieren. Was die Prügelstrafe betrifft, so erklärte der Kolouialdirektor mehrmals, daß die Schwarzen so behandelt werden müssen, wie eS der Würde der deutschen Nation und unserem Gerechtigkeitsgefühl entspricht. Ohne Strafen kommen wir iu deu Kolonien natürlich nicht aus. DaS deutsche Reich muß in deu Kolonien nicht nur die Kultur verbreiten, sondern auch regieren, den Schutz- befohlenen Respekt eiufiößen und deu deutschen Ansiedlern Sicherheit gewähren. Man kaun deu Eingeborenen nur solche Strafe» zudiktterev, welche für fie von Wirkung find. Hier muß eben Politik und Menschlichkeit soweit als möglich vereinigt werden. Röereu zeigte im Reichstage einen Kaüppel vor, mit dem die Eingeborenen geschlagen worden sein sollen. Mit dem Knüppel steht eS wahrscheinlich ebenso, wie mit der Patrone, die der Sozialdemokrat Bernstein nach den Breslauer Krawallen im Reichstage zeigte, die fich bei näherem Zusehen als nicht abgrschofsen herausstelltr. Warum erzählt man daun aber «nicht von den tatsächlich erwiesenen Grausamkeiten, die von den. .Eingeborenen gegen die Weißen begangen worden find? Wie sie unsere Krieger auf daS scheußlichste mißhandelte», bei lebendigem Leibe verstümmelten und den Halbtotes das Genick umdrrhteu, den weißen Frauen iu viehischer Weise Gewalt autateo und unschuldigen Kindern den Kopf an den Türpfosten zerschmetterten.

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Ja Bulgarien dauert der allgemeine Ausstaud der Eisenbahu-Angeßellten fort. Bisher gelang es nur, des Personenverkehr herzustelleu; der Güterverkehr stockt vollkommen. Der Schaden, den die Haudelskreise erleiden» ist erheblich. Es heißt, daß deu Ausständigen Geldunterstützavgen von ausländischen Arbeiterverbänden zugekommru seien.

LandssnachrichLen.

-n. Atteustekg, 6. Januar. Bon einer stattlichen An­zahl Bienenzüchter, die gestern hier zusammeotrafeo, wurde beschlossen, den Vorstand deS LaudesbieuevzüchtervereinS, Oberlehrer Wavdeltu Kirchheim, der von der D e u t s ch e u Par t e t als Kandidat für die Proporz-LaudtagSwahl vor- grschlagen wurde, dreimal auf deu Wahlzettel zu schreiben.

* Ztteuftet-, 7. Jan. Das Jahr 1906 brachte in der bürgerlichen Gemeinde 69 Geburten, 44 Todesfälle, 22 Eheschließungen. Ja der evangelischen Gemeinde wurden getauft: 63 Kinder, 36 Knaben, 27 Mädchen ; getraut 21 Paare; beerdigt 39 Personen, uämlich 3 Witwen, 9 Wit­wer, 8 Ehemänner, 9 Ehefrauen, 4 Ledige (1 mäuul., 3 weibl.) 2 Knaben, 6 Mädchen.

ss Aa>old> 5. Jan. (Korr.) Infolge ringetretrnen Glatt­eises haben sich hier verschiedene Unfälle ereignet. Privatier G. Kaodel, der erst vor wenigen Wochru das Fest der goldenen Hochzeit feierte, brach daS Bein; die zwanzig­jährige Tochter des Rosenwirts D. kam za Fall, wobei fie durch den siedenden Jahalt eines Gefässes verbrüht wurde.

Nagold, 5. Januar. (Korr.) In einer am Freitag abgrhalteueu Sitzung des HilfSvereius für die am 5. Aprll Verunglückten wurde die Höhe der jährlichen oder einmaligen Unterstützung festgestellt und das Ergebnis deu eiuzrlneu Beteiligten veröffentlicht. Später werden die bei der Ver­teilung der HilfSgrlder maßgebenden Gründe der Orffent- lichkeit bekannt gemacht werden und über die Rechnungs­führung öffentlich Rechenschaft abgelegt werden.

* Areudeustadt, 7. Jan. Der Ausschuß der Deutschen Partei Freudeustadt hat einer öffentlichen Bekanntmachung zufolge beschlossen, für die Verhältniswahl deS südlichen LandeSkreises einen besonderen Stimmzettel aufzastellev, auf dem der Name Max Walter von Aach dreifach steht. Walter selbst erläßt eine Erklärung, worin er fich tm allge­meinen zum Programm der Deutschen Partei bekennt.

* Doruya«, 4. Jan. Im benachbarten Leiustetten brannte vorletzte Nacht die erst vor einigen Jahren neu erbaute Sägmühle der Gebrüder Brouuer bis auf deu Grund nieder. Brandstiftung wird vermutet.

ss Siudelfingen OA. Böblingen, 6. Januar. Die bürger­lichen Kollegien beschlossen die Einstellung des Automobils erkehrS zwischenSisdelfiagen und Bahn­hof Böblingen nach einjährigem Betrieb auf 1. April 190? wegen zu großer Belastung deS städt. Etats, nachdem die Stadtgemeiude im Jahre 1906 aus eigenen Mitteln 7000 bis 8000 Mark zulegen mußte.

ss Stuttgart, 5. Jan. Gestern abend wurden im Haupt- Lahuhof 4 Schüler im Alter von 1114 Jahren, die nach

M Les.frucht. M

Schick nicht ins Leben spähend deine Blicke,

Das Glück erwartend mit der Sehnsucht Pein,

Bau dir zum Glück mit eigner Hand die Brücke,

Beglücke du, so wirst du glücklich sein. Viktor Blüthgen.

Das Forsthalls im TkllsrlsgkUlld.

Detektiv-Roman von F. EduardPflüger. ^ (Fortsetzung.)

»Nein, nie und nimmer tu ich das und wenn ich sehen würde, daß du mit eigener Hand die Mordwaffe heben würdest, ich würde es dennoch nicht glauben, daß du eine Berbrecheriu seiest. Deine Seele ist rein oder ich verstehe mich nicht mehr auf die Mensche», auf deu Ausdruck ihrer j Augen.'

Ich danke dir, meiu Freund, daS ist Balsam auf ! meine wunde Seele, ich danke dir um so mehr, als ich nicht ; iu der Lage bi», dich zu belohnen.' !

.Laß uns das Schicksal zwingen, Teuerste, laß uoS stärker sein alS das Unglück, das uos.augeublicklich umgibt.' ,

Ich bitte dich, wenn ich dir nur eiu klein wenig teuer ^ bin, so rette meinen Bruder.' ;

.Wie soll ich das machen, wie soll ich ihn, der iu so ! furchtbare Verbrechen verstrickt ist, über dessen Haupt das ! Netz Breitschwerts schwebt, jetzt noch retten. Ich kann ihn retten vor dem vollkommenen moralischen Rain, aber ich! kann ihu nicht retten vor dem Gesetz." -

Ein paar Worte bitte ich dich ihm zu telegraphieren, noch au diesem Abend, damit er sich iu Sicherheit bringt, s ich will ja daun gerne zu Grande gehen. Er war immer ! eine zarte, schwächlich e Natur und unsere teure Mutter sorgte fich um ihu. Er ist meine Tochter, sagte fie immer, und du bist mein Sohn, trotzdem er Ater war als ich. I Ich biu ihm alles gewesen seit dem Tode unserer Mutter

und jetzt bin ich hier aogrschmiedet und muß ihn versinken lassen.'

Es trat eine Pause rin. Hertha schluchzte heftig und schlug die gefesselten Hände vor die Augen. Rechenbach war tief bewegt. Dieser Schmerz um deu Bruder war so echt, daß er das Mädchen nur um so tiefer liebte, um dieses Gefühls willen. Aber er ahnte, daß dieser Bruder einer so reinen Zuneigung unwürdig sei, daß er durch seinen leichten Sinn, seinen Hang zum Verbrechen, diese- herrliche Mädchen mit in deu Abgrund zu reißen drohte.

.Hertha, höre mich au. Unsere Liebe ist so jung, so kurz, aber darum nicht weniger tief, vertraue mir. Du kamst einmal, Dein Geschick in meine Hände zu legen, laß mir das Recht, für Dich zu handeln, aber fordere nicht von mir, daß ich, eiu Mann des Gesetze-, etwas gegen das Gesetz tue . . .'

»So können wir eiuanorr nie gehören, niemals. Ich kann nie mehr froh werden, wenn ich meinen Bruder ver­liere und ich will Dir auch nicht gehören, wenn Deine Liebe so schwach ist, daß du mir au der Schwelle des Todes die einzige Bitte abschlageu kannst.'

Er sah fie entsetzt au.

.An der Schwelle des TodeS?"

Ja," hauchte fie, »glaubst du, daß ich noch weiter leben werde unter der Schmach, die mich betroffen, glaubst du, daß ich die Seeleuqaaleu übrrsteheu werde? O, du heiliger Gott, zeige mir doch deu Weg. den ich gehen soll, stelle mich doch nicht auf so schwere Prüfungen. Hier ist der Geliebte, au dem meine Seele hängt, wie der Tau­tropfen au der Rose, dort der Bruder, dessen Geschick die sterbende Matter iu meine Hand legte. Welchen Weg ich auch gehe, einen muß ich vernichten und wenn ich einen vernichte, so muß ich selber mit zu Grunde gehen, weil ich's nicht ertragen kann.'

Eiu furchtbarer Träuenstrom dnrchschkttelte die

schlanke Gestalt der schönen Gefangenen, Rechenbuch war verstummt. Der Ausbruch dieser gefolterten Seele hatte ihn aufs tiefste erschüttert. Gab eS denn keinen Weg, der zum Heil führte? Es maßte einen geben.

Willst du mir versprechen, Hertha, daß du keinen Versuch machen wirst Hand au dich zu legen, wenn ich deiueu Willen erfülle?'

.Ich will's versprechen und Gott vertrauen, daß er uns einen AoSweg finden läßt.'

.Daun bitte, diktiere mir die Depesche.'

.O du teurer, du einzig geliebter Manu I"

Sie sank vor ihm auf die Kaie und ehe er'S ver- hindern konnte, küßte fie seine Hände. Dann aber hob er fie zu fich empor, drückte ihr träueuüberströmteS Antlitz au seine Brust und überschüttete fie mit heißen Küssen. Er führte fie zu ihrem Sitz zurück, zog seine Brieftasche und wartete, daß sie ihm deu Text der Depesche diktieren sollte.

»Du wirst mich nicht unglücklich machen und ihu ausltefern?"

Er sah fie vorwurfsvoll au und fie fuhr fort, be­troffen von seinem Blick:

Ich will kein Versprechen von dir fordern, ich will dir ganz vertrauen.Erich von Winkelmanu, Frankfurt, Grüurburgweg 6. Alles verloren, ich verhaftet, Professor unter Polizeiaufsicht, flüchte.' Das ist der Text der De­pesche, nun chiffriere. Setze für jeden Buchstaben deu vorhergehenden, also statt B, A und S, B und schicke es ab.'

Verlaß dich auf mich und Gott verzeihe mir, wenn ich etwas UarrchteS tue, ich tu'- für dich, für unsere Liebe, für unser Glück.'

Er umarmte fie heiß und innig und eilte hinaus.