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1877.

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Erscheint Dienstag, Donnerst., DamStag und Sonntag «tt der wöch. Beilage »Der SonntagS- S-st".

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Wr. 3

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Samstag, den 5. Januar

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1907

Amtliches.

Als Gerichtsvollzieher der Gemeinde Eirztal wurde Karl Franz Girrbach, Holzhauer in Gompel- scheuer, gewählt und bestätigt.

Uebertragen wurde die evangelische Pfarrei Schömberg, Dekanats Neuenbürg, dem U. Stadtpfarrer Weitbrecht in Murrhardt.

Im rrerren Jahr.

(Nachdruck verboten.)

In drei Wochen haben wir bereits den Wahltag für deu deutschen Reichstag. DaS ist eine kaappe Frist für eine wirksame Wahlagitation, aber sie mutz genügen, da keim längere vorhanden ist, ste kann auch bet dem allgemein konstatierten frischen Aufschwung im deutschen Börgertom auSrrichen. Zu einem stegreichen Wahlkampf gehört ja doch in der Hauptsache nur ein-: daß am 25. Januar Manu für Mann, wer nicht durch schwere Kraukbeit auS Hans gebannt ist, zur Wahlurne eilt. Alle anderen Ent­schuldigungen find nicht stichhaltig, dürfen nicht gelten, müssen fortftllen.

Im alten Jahre ist viel von Schwarzseherei gesprochen,' daß ste vorhanden und nicht immer ohne jeden Grund war, daS kann nicht in Abrede gestellt werden. Um so erfreu­licher ist rS, daß dieser Pessimismus sich nicht auf daS be­vorstehende Wahlergebnis erstreckt; wir schauen viel feste Zuverficht, und wir haben auch einen berechtigten Grund dafür in dem Ausfall der Ersatzwahlen zum Reichstage seit 1903. Da ist manches ganz anders gekommen, als erwartet worden war, da hat sich schon erwieseu, waS ein kräftiges Aufraffe» fertig bringen kann. Und dies Aufraffeu soll am 25. Januar vervielfacht, zehnfach verstärkt von Neuem wiederkehren I

Es ist in der extremen Wahlagitation viel vou deu neuen Reichsßeuern die Rede. Daß die unabweisbar waren und darum kommen mußten, daS weiß ein Jeder. Aber eS ist nicht gesagt, daß eS für die Zukunft nun in Einem so weitergeheu wird, und wir brauchen deswegen auch keine besonderen Befürchtungen zu hegen. Die verbündeten Re­gierungen haben jetzt Wege« der abgelehoteu Forderung für Deutsch-Mdwestafrlka den Reichstag aufgelöst, sie werden -sich aber hüten, wegen einer Steuerfrage au LaS Volk zu appelliere». Wir dürfen vielmehr anuehmro, daß eine der- jüngle und energische Volksvertretung gemeinsam mit der Reichsregieruug eine wirkliche Reform in Fiuavzsachen au- bahnen wird, die die vorhandenen nicht angebrachten Lasten auSmerzt. Die Praxis ist die beste Lehrmetsteriu, und ste wird auch bei verschiedenen der neuen Bestimmungen, z. B. bei der Besteuerung der Eisenbahofahrkarten, zeigen, daß nicht AllrS so bleiben kann, wie eS im letzten Frühjahr be­schlossen ist. Ein wirklich volkstümlicher Reichstag, wie wir ihn vom 25. Januar erhoffen, kiun also die Wünsche deS deutschen Volke?, in Finanz- und Stellersachen nur fördern, nie wird er ste hemmen. Daß wir unS nicht auf den wohlfeilen, aber undurchführbaren Standpunkt, über­haupt keine ReichSauSgaben zu machen, stellen können, weil wir dann auch keine Steuern gebrauchen, steht ein Jeder ein.

Wir find überzeugt, daß das deutsche Bürgertum reif genug ist, um selbst zu urteilen, daß eS keine Lust hat, sich graulich machen zu lassen. Wir sind ferner überzeugt, daß es offene Augen hat, um zu sehen, WaS vorgeht. Wir wollen und dürfe» nicht verhehlen, daß man in unseren Volks- kreisen vou der Politik des grünen TischeS gerade nicht erbaut ist und lebhaft wünscht, es möchte auch in andere Verwaltungszweige eiu frischer, energischer und Praktischer Zug kommen, vou der Art, wie ihn Bernhard Deroburg in die Kolouialverwaltung gebracht hat. In Deutschland werden in so manchen Dingen nach alter Urberlitfer«ng viel zv viel Umständlichkeiten gemacht, die mau anderswo nicht mehr kennt, und eS ist ja in erfreulicher Weise schon ernsthaft begonnen, hier Besserung zu schaffen. Daß das Begonnene energisch gefördert werde, darauf kanu gerade eiu kräftiger Reichstag hiuwirkev.

In unser Volksleben ist in der neusten Zeit iu einzelnen Gesellschaftskreisen mehr Selbstüberhebung ringerisseo, als berechtigt und nützlich ist. Wir können nie eine allgemeine Gleichheit erlangen, von der auch die großen Republiken Frankreich und Nord-Amerika himmelweit entfernt find, aber wir müssen uuS entschieden zu einer rechten Würdig­ung jedes ernsten Schaffen? aufschwiugen. Ebensowenig wie die Menschheit z. B. beim Baron aofängt, fängt ste auch beim Automobilbefitzer an. Wenn die scharfe Luft auch diesen Mißstäudru eiu Ende machte, mit diesem Eigen­dünkel aufräumte, so würde daS eiu unendlicher Segen sein.

Reichskanzler Fürst Bülow an die bürgerlichen Parteien.

Der Reichskanzler Fürst Bülow hat au den Vorstand des .ReichSverbandeS gegen die Sozial­demokratie", z. H. deS Generalleutnants v. Liebert, uachfolgeodeS Schreiben gerichtet:

»Berlin, Silvester 1906.

In einem Schreiben des Reichsverbauds zur Be­kämpfung der Sozialdemokratie vom 18. Dez. ds. IS. ist mir nahegelegt worden, vor der ReichStagswahl noch eine Aufklärungskundgebuug zu erlassen. JL komme dieser Anregung gerne nach und bitte, für die öffentliche Verbreitung dieser Antwort Sorge zu tragen.

Die parlamentarische Lage, die ich bei meinem Amtsantritt vorfaud^ war nicht wesentlich ver­schieden von der im letzten Reichstage: die bürgerliche Linke in drei, vier Gruppen gespalten; die Rechte, die einiger war, aber an Zahl ebenso schwach, wie die Liberalen zusammen; iu der Mitte die stärkste Partei, das Zen­trum, schon damals nahezu im stände, entweder neben den Polen, Welfen usw. mit des Sozialdemokraten oder mit den Konservativen und dem rechten Flügel der Liberalen eine Mehrheit zu bilden. Eine andere Möglich­keit, als die, mit dem Zentrum Geschäfte zu erledigen, gab eS, namentlich seit der Wahl vou 1903, nicht. Der Reichskanzler war auf die Mit­arbeit dieser Partei angewiesen; er mußte versuchen, ihre Zustimmung zu deu im Interesse deS Landes notwendigen wirtschaftlichen and nationaler: Vortagen zu erlangen. Daß er dem Zentrum zuliebe staatliche Hoheit S- rechte preisgegebeu oder sich iu religiöseu und kulturellen Fragen schwach gezeigt hat, bestreite ich. Jedenfalls darf nicht vergessen werden, daß die w i ch- tigsteu Aufgaben, die Stärkung der Seewehr, die Handelsverträge, die Ftuavzreform, nur mit Hilfe deS Zentrums zu lösen waren und gelöst worden find.

Ich habe diesen Zustand der Abhängigkeit der parlamentarischen Ergebnisse von dem guten Willen einer Partei iu dem vielgestaltete» deutschen Parteigetriebe immer als nicht unbedenklich empfunden. Ihn zu ändern, hatte ich solange keinen Grund, als daS Zentrum sich bereit zeigte, mit deu verbündeten Regierungen positive Arbeit zu leiste», und der Versuchung, seine Parlamentarische Stärke zu mißbrauchen, nicht nachgab. Aber bereits im Frühjahr des abgelaufeneu JahreS Warden dreidriugend nötige Forderungen: Eisenbahn nach Keetmauns- hoop, Entschädigung der Farmer, Errichtung eines Kolonial­amts durch eiue vom Zentrum und Sozialdemo­kratie geführte Oppositionsmehrheit ver­worfen. Damals konnte ich, vou schwerer Krankheit noch nicht erholt, nicht eingreifev, aber es reifte iu mir der Ent­schluß, jedem neuen Versuch solcher Macht­proben bei ernsten und wichtiger- Angelegen­heiten deS Reichs mit aller Kraft entgegen- zutreten. Neben der notwendigen Autorität der Regierung und ihrer Stellung über den Parteien schien mir auch ein gewisser Wandel iu den doktrinären Anschau- uungeu der Vertreter deS liberalen Bürger­tums und der steigende Widerwillen gegen daS sozialistische Treiben die Hvffaung zu recht- fertigen, daß eiue Aeuderuug der Parlamen­tarischen Lage durch daS deutscheBolk selbst möglich sei.

Ja Deutschland gibt es keine einheitliche liberale Partei, die deu klaren Willen und die Fähigkeit gezeigt hätte, positive Politik zu machen. ES ist j-tzt nicht der Augenblick, Fehler, die begangen, Gelegen­heiten, die versäumt worden find, nachträglich zu recht­fertigen; jedenfalls haben eS iuuere Uneinigkeit, negativer Doktrinarismus, Uebertreib uvg der Prinzipien und Unterschätzung deS Prak­tisch Erreichbaren nicht zu dem vom Liberalismus er­strebten Einfluß auf die RegierungSgeschäftr kommen lassen. Erst im letzten Jahrzehnt hat sich darin manche? geändert; ich denke au Eugen Richter, den Kampf gegen die Sozial­demokratie, au die fortschreitende Neberwiodung der Man« chesterdoktriu, vor allem au daS wachsende Verständ­nis für die großen nationalen Fragen. Manche- wird noch zu lerne« sein: Maßhalten, richtiges Augenmaß und Blick in die Nähe, Sinn für die historische Kontinuität und die realen Bedürfnisse.

Ich glaube ouu keineswegs, daß auS deu Wahlen

eiue große gereinigte liberale Partei hervorgeheu und etwa den Platz deS Zentrums eiuuehmeu könnte. Wohl aber könnten dieParteieu der Rechten, die uatiooal- liberale Partei und die weiter linksstehen­den freisinnigen Gruppen bei zielbewußtem Vor­gehen im Wahlkampf so viel Boden gewinnen, um eine Mehrheit von Fall zu Fall za bilden. Deu starken Gegeosatz, der bisher zwischen deu Parteien der Rechten und denen d.r bürgerlichen Linken iu wirtschaft­lichen Fragen bestanden hat, halte ich für kein unüber­windliches Hindernis. Der unbedingt notwendige Schutz der Landwirtschaft ist iu deu neuen Handels­verträge« auf Jahrzehnte hinaus gesichert, and mancher freisinnige Manu hat schon unter vier Augen zugegeben, daß diese auf die städtischen Interessen nicht ungünstig ge­wirkt haben; jedenfalls müssen die Gegner der Handels­verträge anerkrnneu, daß sich Handel und Industrie eines fortdauernden Aufschwungs erfreuen. Andererseits führt bereits eine gute Brücke über daS trennende Wasser, Die konservative Partei und hie Nati oualliberaleu find in allen große» Fragen, wo es sich um Wohl und Wehe der Nation, ihre Einheit, ihre Machtstellung handelt, zuverlässig gewesen. Die Nation ging ihueu über die Partei. Das ist ihr Ruhm, deu werden sie behaupten. Je mehr auf der Linken die KeuutntS der großen nationa­le u B e d ü r f u i s s e für oea kolonialen Besitz, für Heer und Flotte zuuimmt, umso breiter und fester kauu die Brücke werden, und wohl würden fich auch die national- gesinnten Elemente, die im Zentrum vorhanden find, mit allen andere» bürgerlichen Parteien iu solchen Fragen leichter zusammenfiadeu, wenn mit dem Fortfall der Möglichkeit einer schwarz-roten Majorität der FraktionS- egoismus deS Zentrums der Handhabe beraubt wäre, sich rücksichtslos gegen dir Regierung geltend zu machen.

Die bedenklichste Folge davon, daß sich daS Zentrum der sozialistisches Stimme» zur Bild- uug eines oppositionellen Blocks bedienen konnte, war die Bedeutung, die dadurch die Sozialdemo­kraten selbst im verflossenen Reichstag erlangten. Da bietet sich eiu weiteres, hochwichtiges Feld gemeinsamer Sorgen und Arbeit aller nationalen Elemente. Eatgegen der leider iu eiutgen liberalen Köpfen noch herr­schenden Idee, daß die Reaktion im Reich von rechts her drohe und Seite au Seite mit der Sozialdemokratie zu bekämpfen sei, liegt nach meiner festen Urbrrzrugung die wahre Reaktion oder die wahre Gefahr der Reaktion bei der Sozialdemo­kratie. Nicht nur find ihre kommunistischen Zu - kunftsträame kulturfeindlich, die Mittel zu ihrer Verwirklichung brutaler Zwang alles, waS sich etwa irgendwo in Deutschland au reaktionärer Gesinn­ung findet, gewinnt Kraft und Recht durch die sozialistische Naterwühluug der Begriffe vou Obrigkeit, Christentum, Religion und Vaterland. Auf deu wildgewordeuen Spieß­bürger und Phrasentruvkeneu Gleichmacher RobeSpierre folgte der Degen BouaParteS. Er mußte kommen, um daS französische Volk vou der Schreckensherrschaft der Jakobiner und Kommunisten zu befreien.

Als nun daS Zentrum sogar bei einer Gelegen­heit, die die deutsche Waffenehre und unser Ansehen vor der Welt berührte, und unmittelbar nach der freimütigen Aussprache über unerträgliches Einmischen in den inneren Kolonialdienst eigen­willig deu Verbündeten Negierungen eiue nnaunehmbareKlausel auszuaötigeu suchte, und als es daun mit Hilfe der Sozialdemokratie einen sachgemäßen freisinnigen Antrag niederstimmte, mußte von dem verfassungsmäßigen Mittel zur Wahr­ung der Autorität der Regierung Gebrauch gemacht und der Reichstag aufgelöst werden. Die Abstimm­ung vom 13. Dezember war ein Schlag gegen die Be rbüodeteuRegi er llngeuuuddie nationale Würde. Ich arbeite mit jeder Partei, welche die großen uattoualeu Gesichtspunkte achtet. Wo diese Gesichtspunkte mißachtet werden, hört die Freundschaft auf. Nie­mand in Deutschland will eiu persönliches Re­giment. Die große Mehrheit deS deutschen Volke- will aber erst recht keiuParteiregtmeut. ES ist deutsche Eigenart, deutsches Schicksal, daß wir unsere Politische Stellung bis zur Staude der Gefahr lieberuach Gefühlen «ud allgemeine» Be-