Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich.

Bezugspreis: In der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts- verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Inseratannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnummer 9.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

^9 51.

Freitag, den 1 . März 1912.

87. Jahrgang.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung

betreffend die Anmeldung unfallversicherungs­pflichtiger Betriebe und Tätigkeiten.

Nach Artikel 49 des Einführungsgesetzes zur Reichs­oersicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (Reichs-Gesetzbl. 1911 S. 839) hat jeder Unternehmer eines Betriebes oder von Tätigkeiten, die erst die Reichsversicherungs­ordnung der Unfallversicherung unterstellt binnen einer vom Reichsversicherungsamte zu bestimmenden Frist das Unternehmen unter Angabe seines Gegenstandes und seiner Art sowie der Zahl der durchschnittlich in ihm beschäftigten versicherungspslichtigen Personen bei dem Versicherungsamt, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat, anzumelden.

Die Frist für die Anmeldung ist von dem Reichs­versicherungsamt auf die Zeit bis zum 15. März 1812 einschließlich festgesetzt worden.

Ist die Anmeldung versäumt oder unvollständig, so hat das Versicherungsamt selbst die Angaben nach eigener Kenntnis der Verhältnisse aufzustellen oder zu ergänzen. Das Versicherungsamt ist befugt, die Unter­nehmer durch Geldstrafe bis zu 100 Mark anzuhalten, binnen einer gesetzten Frist Auskunft zu erteilen (Ar­tikel 50 des Einführungsgesetzes zur Unfallversicherungs­ordnung).

Anzumelden sind folgende Betriebe und Tätigkeiten:

1. Apotheken,

2. Gerbereibetriebe,

3. Gewerbebetriebe, in denen 3) Bau- und

b) Dekorateurarbeiten ausgeführt werden,

4. Steinzerkleinerungsbetriebe,

5. Betriebe von Badeanstalten,

6. gewerbsmäßige Binnenfischerei-, Fischzucht-, Teichwirtschaft und Eisgewinnungsbetriebe,

7. das Halten von Fahrzeugen auf Binnengewässern,

8. gewerbsmäßige Fahr-, Reittier- und Stall­haltungsbetriebe,

9. das Halten von anderen Fahrzeugen als Wasser­fahrzeugen, wenn sie durch elementare oder tierische Kraft bewegt werden,

10. das Halten von Reittieren,

11. a) Betriebe zur Beförderung von Personen oder

Gütern,

b) Holzfällungsbetriebe,

c) Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware,

wenn sie mit einem kaufmännischen Unter­nehmen verbunden sind, das über den Um­fang des Kleinbetriebs hinausgeht.

Die Anmeldung hat bei dem Oberamt, das bis auf weiteres die Befugnisse des Versicherungsamts wahr­zunehmen hat, zu erfolgen. Sie muß enthalten:

a. für unfallversicherungspflichtige Betriebe: den Gemeindebezirk (nötigenfalls Straße und Haus-Nr.); den Namen des Unternehmers (Firma); den Gegen­stand des Betriebs (z. Beispiel: Fahr- und Reittier­haltungsbetrieb); die Art des Betriebs (Handbetrieb oder Betrieb mit elementarer oder tierischer Kraft); die Zahl der durchschnittlich beschäftigten versicherungs­pflichtigen Personen; etwaige Bemerkungen (insbeson­dere Angabe, oh bereits Mitglied einer Berufsgenossen­schaft und welcher);

b. für Tätigkeiten bei nichtgewerbsmäßigem Halten von Fahrzeugen und Reittieren: den Gemeindebezirk (nötigenfalls Straße und Haus-Nr.); den Namen des Unternehmers; die Art der Tätigkeiten (z. Beispiel: Halten einer Segel-, Motorjacht, eines Reitpferds); Zahl der durchschnittlich beschäftigten versicherungspflich- Men Personen; etwaige Bemerkungen (insbesondere Angabe, ob bereits Mitglied einer Berussgenossenschaft und welcher).

Die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung haben den beteiligten Kreisen an der Hand der im Amtsblatt des Ministeriums des Innern (zu vergl. Am^bl. 1912 S. 33) veröffentlichten Anleitung des Reichsversicherungsamts nach Tunlichkeit behülflich zu sein.

Calw, den 29. Februar 1912.

K. Oberamt:

Binder.

Bekanntmachung.

Der Viehmarkt in Teinach am 5. ds. Monats ist gestattet worden. Die Bedingungen, unter welchen der Zutrieb erfolgen darf, werden morgen veröffentlicht. Calw, den 1. März 1912.

K. Oberamt: Amtmann Rippmann.

Deutsches Reich.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 29. Februar 1912.

Präsident Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr. Die Beratung des Etats des Reichs­amts des Innern wird fortgesetzt.

Abg. Bassermann (natl.): Die Schaffung eines Reichsverwaltungsgerichts wird auf die Dauer nicht von der Hand zu weisen sein. Die deutsche Industrie hat einen Siegeszug durch die Welt gemacht. Wir wollen die Sozialpolitik maßvoll und besonnen fortsetzen. Ge­folgert werden muß, daß das Vereinsgesetz in freiheit­lichem Sinne angewendet werden wird. Bei der Reichsversicherungsordnung verlangen wir eine Herab­setzung der Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre und einen größeren Wöchnerinnenschutz. Größeres Entgegenkom­men des Staates der Frauenbewegung gegenüber ist nicht zu vermeiden, sonst könnte die ganze Bewegung in das radikale Fahrwasser geraten. Auch für den Mittel­stand und das Handwerk werden wir eintreten. Be­sonders dankbar wären wir für eine Auskunft darüber, wie es mit der Ausdehnung des 8 100 q der Gewerbe­ordnung steht. In der Beamtenbesoldung sind noch manche Härten zu beseitigen, namentlich den Alters­pensionären gegenüber. Daß viele Beamte sozialdemo­kratisch wählen, entspricht nicht antimonarchischer Gesinnung, sondern vielfach der Not. Die Sozial­demokratie mit Gewalt Niederhalten zu wollen, wäre ein frivoles Spiel mit den Interessen des Deutschen Reiches. Die Niederschießung von Volksangehörigen führt zu Attentaten, führt zur Revolution. (Sehr richtig! links.) Mit Ausnahmegesetzen wird nichts er­reicht. Die Wahlkreiseinteilung muß geachtet werden. Bei der neuen Steuerpolitik anläßlich der Wehrvorlagen muß eine nochmalige Verletzung des sozialen Ausgleichs vermieden werden. An den 4^ Millionen sozialdemo­kratischer Stimmen dürfen wir nicht achtlos vorüber­gehen. Man muß liberal regieren. Wir wünschen eine starke Monarchie und eine Regierung, stark genug, Reformen durchzuführen. Doormann (F. V.): Die Ausführungen Wassermanns Uber die Sozialdemokratie können wir unterschreiben, wir meinen jedoch, daß ge­rade das energische Vordringen der Sozialdemokratie den bürgerlichen Parteien das Gewissen schärft. Be­sonders die Volkspartei ist nur zögernd an die Sozial­politik herangetreten. Das war von unserer Seite ein Irrtum. Die Arbeiterschutzgesetzgebung muß weiter aus­gebaut werden. Alle Ausschreitungen in der Koalitions­frage, insbesondere den Terrorismus, verurteilen wir aufs schärfste. Wenn auch beim Handwerkerstand ein Abbröckelungsprozeß unverkennbar ist, so wird dieser Stand doch stark genug sein, sich zu erhalten. Die Heranziehung der Großbetriebe zu den Kosten der Lehr­lingsausbildung ist in gewissen Grenzen berechtigt. Sind wir auch zu weitem Entgegenkommen gegenüber dem Handwerkerstande bereit, so muß sich das Handwerk in erster Linie doch selbst helfen. Staatssekretär Delbrück: Der Radikalismus erschwert den Fort­schritt, ob er von rechts oder von links kommt. Wenn jemand etwas für das deutsche Volk getan hat, dann sind es die Parteien, die das einmal für richtig Er­kannte auch durchsetzten, selbst zu ihrem Schaden. Die verbündeten Regierungen haben die sozialpolitischen Fragen gefördert, soweit mit den gegebenen Mitteln etwas erreichbar war. Die Behauptung, es sei ein Stillstand in unserer Sozialpolitik eingetreten, ent­spricht nicht den Tatsachen. In der letzten Zeit sind wichtige sozialpolitische Gesetze zustande gekommen. Rückständig geblieben ist die Versicherung der Feuer­wehrleute, der Krankenpfleger usw. Ein entsprechender Entwurf ist fertiggestellt. Die Arbeitslosenversicherung wird nur auf kommunaler Grundlage vollzogen werden können. Ein Maximalarbeitstag läßt sich nicht allge­mein durchführen. Wir werden uns die Frage vorlegen müssen, ob die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Freiheit, zum Schutz gegen Hebelgriffe des Staates passen und ausreichen gegenüber Hkn zunehmen­

den Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit durch die immer größer werdende Macht der Organisationen. Freiherr v. Eamp (Reichsp.): Die Landwirtschaft ver­langt weiteren Schutz. Unsere Bauern sind noch lange nicht auf Rosen gebettet. Auch ich glaube, daß man die Sozialdemokratie nicht mit Gewalt zurückdrängen soll, aber eine scharfe Bekämpfung des sozialdemokratischen Terrorismus ist notwendig. Durch die Seßhaftmachung der Arbeiter wird die Sozialdemokratie am besten zu­rückgedrängt. Das Handwerk muß geschützt werden, gegen den Bauscknnindel muß energisch vorgegangen wer­den. Will (Elsässer): Der Enadenfonds des Kaisers wurde von der Kommission des elsässischen Landtages abgelehnt, weil man sich weigerte, die Akten vorzulegen. Der Fonds soll jahrelang zu Zuschüssen für das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Straßburg verwendet worden sein.

Darauf wird die Weiterberatung auf Freitag 1 Uhr vertagt. Schluß 6 Uhr.

*

Schwarzenfels (Oberpfalz), 29. Febr. Von drei Handwerksburschen, die hier ankamen, waren zwei sterbenskrank. Der eine starb auf der Straße, der andere, der sich in Krämpfen wandt, wurde in ein' Haus geschafft. Der dritte entfloh, wurde aber ein­geholt und verhaftet. Man glaubte zuerst, er habe seine Kameraden vergiftet. Wie sich aber heraus­stellte, hatten die drei Gesellen in Untersteinach einen Kahn gestohlen und waren auf ihm die Nab hinab­gefahren. Unterwegs, kurz vor Schwarzenfels, hat­ten sie Wasserschierling gegessen, den sie für Salat hielten.

Augsburg, 29. Febr. Kurz vor Arbeitsschluß brach gestern abend in der Spinnerei Wertach ein furchtbares Schadenfeuer aus, das sich in wenigen Minuten über das ganze Hauptgebäude ausdehnte. Das gegen achtzig Meter lange, aus Parterre und zwei Stockwerken bestehende Gebäude bildete ein einziges Flammenmeer. Trotz der angestrengtesten Tätigkeit der Feuerwehr ging es mit allen Spinnerei­maschinen völlig verloren. 800 Arbeiter sind dadurch brotlos geworden.

Stadt und Bezirk.

Calw, den 1. März 1912.

Vom Rathaus.

Oesfentliche Sitzung des Eemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz am Donnerstag, 29. Febr.

Stadtschultheiß Conz eröffnet die Sitzung gegen 1^5 Uhr nachmittags. Eine kleinere Korrektur am Altheng st etter Weg, dort, wo der Weg vom Hohen Felsen einmündet, ist vorzunehmen. Die 16 betragende Steigung soll etwas abgehoben werden. Zwei Projekte waren dem Eemeinderat unterbreitet. Er entschied sich zunächst für die eigentliche Abgrabung; die Führung der Kurve soll erst nach gemeinderätlicher Besichtigung festgestellt werden . Längere Zeit nahm die Beratung der Eingabe um Gas- und Wasser­zuleitung im Hirsau er Weg in Anspruch. Sie soll bis zum Schönlen'schen Magazin geführt werden. Die Leitung von Gas und Wasser zusammen ist im Kostenvoranschlag auf insgesamt 4500 Mark berechnet (Gasleitung 490 laufende Meter, Wasserleitung 300 laufende Meller). Die Unterhandlungen mit den An­liegern und Abnehmern haben dahin geführt, daß Herr Schönlen, von dem der Anstoß zur Ausführung der Lei­tung herrührt, sich bereit erklärt hat, die Hälfte der Kosten, 2250 Mark, zu übernehmen unter der Voraus­setzung, daß, wenn weitere Anschlüße dorthin kommen, ihm wieder Ersatz geleistet wird, bis sein Betrag sich auf den sonst üblichen, ein Drittel der Kosten, vermin­dert hat. Die Deckenfabrik würde sich zu einem Beitrag von 200 Mark verstehen; weiter war nichts zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit, führte der Vorsitzende aus, würde man den Weg selbst auch verbessern, die Vor­anschläge hierzu sind in Vorbereitung. Die Debatte ergab die Zustimmung zu dem Plan an sich. Ausgesetzt wurde von einzelnen Rednern an dem 200 Mark-Beitrag der Deckenfabrik, der zu nieder sei. Die Deckenfabrik erklärte, über 200 Mark mit ihrem Beitrag nicht hinauf­zugehen, andernfalls verzichtet sie auf ihren Anschluß an die Leitung. Mit 9 Stimmen gegen eine wurde dieser Antrag zum Beschluß erhoben, und demgemäß wird die Leitung gebaut werden. Beschlossen wird weiterhin