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50.

Donnerstag, den 29. Februar 1912.

87. Fahrgang.

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Deutsches Reich.

Rede des Reichstagsabg. Schrveickhardt.

(Wir geben nachstehend die Ausführungen nach dem stenographischen Bericht wieder, die der Vertreter unseres 7. württ. Reichstagswahlkreises anläßlich der Interpellationen über Aufhebung des Zolls auf Mais und Futtergerste in der Sitzung vom 22. Februar machte. Der Bericht verzeichnet an vielen StellenZurufe" und Zustimmung", welche Bemerkungen wir aber, weil für unsern Fall unnötig, gestrichen haben. D. R.)

Meine Herren, ich werde die Debatte wieder in etwas ruhigere Bahnen zu lenken versuchen. Wie ein roter Faden hat sich durch alle diese Verhandlungen die Behauptung hindurchgezogen, daß an der ganzen Misere des letzten Jahres niemand anders als das Großkapital und der Handel schuld seien. Das ist die Folge der Vorwürfe, welche während der Teuerungsdebatte in den Sitzungen vom 24. bis 26. Oktober letzten Jahres sowohl der Herr Reichskanzler wie auch der Herr preußische Landwirtschaftsminister gegen den Handel erhoben haben schwere Vorwürfe, welche auch in diesem Hause gestern und heute ein Echo gesunden haben, Vorwürfe, welche aber auch draußen im Lande in allen beteiligten Kreisen große Entrüstung hervorgerufen und in dem Resultat der Wahlen ihren Ausdruck gesunden haben. Welche Beweise sind denn von den Regierungsvertretern für ihre Behauptung vorgebracht worden? Der Herr preußische Landwirtschastsminister hat damals daraus hingewiesen, daß die Kartoffeln in Pommern mit 2,60 Mark pro Zentner bezahlt worden sind, während gleich­zeitig der Preis in Berlin bis zu 12 Mark gestiegen sei. Die Spannung scheint allerdings sehr groß; sie hat aber ihre Begründung darin, daß eben die Qualität der Kartoffel durchaus verschieden ist. Selbstverständ­lich gibt es in Pommern und in Ostpreußen ausgezeich­nete Kartoffeln; aber es ist doch ein großer Unterschied, ob die Kartoffeln in großen Mengen und in jeder beliebigen Qualität geliefert, oder ob hier in Berlin in einem Delikateßwarengeschäft am Kurfürstendamm ausgesucht feine Speisekartoffeln pfundweise verkauft werden. Daraus erklärt sich der große Preisunterschied und deshalb hat auch der Herr preußische Landwirt­schaftsminister mit dieser ganz willkürlichen Preis­statistik wenig Glück gehabt und nichts damit bewiesen. Mehr Berechtigung allerdings hat die Behauptung, daß der Handel etwas Nutzen gezogen oder zu ziehen versucht hat aus der Ermäßigung der Eisenbahntarife. Gewiß, ich gebe das ohne weiteres zu, daß es Fälle gegeben hat und mir sind solche auch zu Ohren gekommen, wo der Lieferant, der Händler, durch eine entsprechende Klausel in den Lieferungsverträgen den Vorteil dieser Frachtermäßigung für sich in Anspruch zu nehmen gesucht hat. Ich billige solche Verträge durchaus nicht, und Sie werden daraus erkennen, daß ich durchaus objektiv darüber urteile. Ich bin der Meinung, daß solche Lieferungsverträge, wenn sie noch unter der Herrschaft der alten Tarife geschlossen waren, auch unter dieser Voraussetzung hätten zur Ausführung gelangen müssen, und ich bin der Meinung, daß die Ermäßigung der Tarife dem Empfänger, das heißt denjenigen hätte zu­gute kommen müssen, welche die Futtermittel in ihrem eigenen Betriebe verwenden. Das war offenbar der Zweck der Ermäßigung der Tarife, der aber auf eine sehr einfache Weise hätte erreicht werden können, wenn die Eisenbahnverwaltungen eine diesbezügliche Bestim­mung in die Verordnung ausgenommen hätten; denn niemand wird den Eisenbahnverwaltungen das Recht bestreiten können, daß sie diese Frachtermäßigungen nur dann in Kraft treten lassen, wenn sie auch wirklich

ihren Zweck erfüllen, das heißt, wenn sie dem Empfänger zugute kommen. Es wäre vielleicht sehr gut gewesen, wenn bei Ausarbeitung und bei Erlaß dieser Verord­nung auch Sachverständige aus Handelskreisen zugezogen worden wären. Wenn die Frachtermäßigung von 50 Prozent nicht ganz in der Preisgestaltung ihren Aus- oruck gefunden hat, so war das nicht etwa auf die Willkür des Handels zurllckzuführen, sondern darauf, daß gerade zu jener Zeit die Preise infolge der schlechten Ernte und infolge der Knappheit an greifbarer Ware von Tag zu Tag, von Woche zu Woche gestiegen sind. Solche Ausnahmefälle und als solche darf ich die bezeichnen, die ich eben geschildert habe berechtigen aber noch keineswegs dazu, daß man so schwere Angriffe gegen Handel und Gewerbe richtet, wie das in der Teuerungsdebatte geschehen ist. Diese Angriffe sind zwar schon von meinem Parteifreunde Pachnicke zurück­gewiesen worden, sind aber gestern vom Regierungs­tische, wenn auch in etwas milderer Form, wie auch aus der Mitte des Hauses wiederum erhoben worden. Dadurch soll aufs neue der Schein erweckt werden, daß der Handel an der Verteuerung der Lebensmittel und der Futtermittel schuld sei. Meine Herren, ich habe, wie mein Freund Fegter, der Logik des Herrn Staats­sekretärs Dr. Delbrück nicht folgen können, als er daraus zu sprechen kam, daß im Jahre 1898 in Frankreich der Eetreidezoll abgeschafft wurde, und die Folge der Auf­hebung dieses Zolles gewesen sei, daß die Eetreidepreise gestiegen seien. Dafür werden wohl andere Gründe maßgbend gewesen sein, die ich in diesem Augenblick nicht kontrollieren kann. Ich bin der Ueberzeugung, wenn die regelmäßige Folge der Aushebung eines Zolles wäre, daß die Preise stiegen, daß dann von seiten der Herren Agrarier ein entsprechender Antrag schon längst gestellt worden wäre. Ich kann auch dem Herrn Staats­sekretär des Innern darin nicht beipflichten, daß, wenn der Zoll auf Mais aufgehoben würde, der Preisunter­schied von 3 Mark in die Tasche des Großhandels fallen würde. Wie sollte das möglich sein? Das könnte nur dann möglich sein, wenn der Handel in der ganzen Welt einen Ring bildete, alle Weltvorräte aufkaufte und die Preise willkürlich nach oben ausbaute. Derselben An­sicht scheint auch mein Vorredner, Herr Kollege Gebhart zu sein. Er hat nachzuweisen versucht, daß die Auf­hebung des Eerstenzolles eine ähnliche Wirkung haben würde. Kollege Eebhart hat es wohl nicht überlegt, daß auch andere Gründe maßgebend waren, daß damals die Eerstenpreise auf dem Weltmarkt gestiegen sind, und trotzdem der Zoll auf 1,30 Mark ermäßigt wurde, eine preissteigernde Wirkung bei uns ausgeübt haben, dieselbe Erscheinung, die ich vorhin schon angeführt habe, die bei Erhöhung der Maispreise eingetreten ist. Meine Herren, die Konkurrenz draußen im Lande sorgt ganz von selbst dafür, daß die Bäume des Handels nicht in den Himmel wachsen. Man scheint ja allerdings in Regierungskreisen keine Ahnung davon zu haben, in welch schwieriger Lage sich der Kleinhandel befindet. Großhandel und Kleinhandel, Herr Kollege, aber besonders der Kleinhandel, und auch dem sind gerade dieselben Vorwürfe gemacht worden. Ich habe ausdrück­lich die Aeußerung des Herrn preußischen Landwirt­schaftsministers angeführt, daß gerade dem Kleinhandel die Vorwürfe gemacht worden sind. Und gerade der Kleinhandel befindet sich infolge der Gesetzgebung der letzten Jahre und der Reichssinanzresorm wahrlich in keiner beneidenswerten Lage. Man scheint gar nicht zu wissen, mit welch bescheidenem Nutzen der Handel draußen sich begnügen muß, um sich der erdrückenden Konkurrenz zu erwehren. Die Konkurrenz, nicht zu vergessen auch die der Genossenschaften, Einkaufsvereine, Darlehenskassenvereine u. a., sorgt schon dafür, daß die Preise auf das denkbar niedrigste Niveau herabgedrückt werden. Wenn heute ein Artikel vielleicht 20 Mark wert ist und nur um 1 Prozent, also um 20 Pfennig, im Preise sinkt, und der einzelne sich dem Rückgang nicht sofort anschließt, wird er ohne weiteres außer Gefecht gesetzt. Ich erinnere Sie daran um nur ein Beispiel herauszugreifen, in welch außerordentlich bedrängter Lage die Vinnenmüllerei ist, welche sich zum großen Teil mit der Herstellung und dem Verkauf von Futtermitteln befaßt. Wir verlangen gewiß keine Sondergesetzgebung, keine Sondervorteile; aber wir verwahren uns auf das nachdrücklichste gegen die erhobenen Vorwürfe, wir ver­wahren uns dagegen, daß man Handel und Gewerbe als Sündenbock hinzustellen und verantwortlich zu machen sucht für die Fehler Ihrer Gesetzgebung. (Bravo! links.)

Aus dem Reichstag.

Berlin, 28. Februar 1912.

Am Bundesratstisch Staatssekretär Dr. Delbrück. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.25 Uhr. Nach erfolgter Wahl von sechs Mitgliedern für die Reichsschuldenkommission beginnt das Haus die zweite Lesung des Etats beim Etat des Reichs­amts des Innern.

Abg. Wurm (Soz.): Das Reichsamt des Innern ist das umfassendste Gebiet. Es umfaßt alles von der Maul- und Klauenseuche bis zum Weingesetz, von der Nahrungsmittelfälschung bis zur Sozialpolitik. Zu verwundern ist, daß die große Masse des Polkes ihren Unwillen über den Stillstand der Sozialpolitik nicht schärfer zum Ausdruck gebracht hat. Ohne den Druck von unserer Seite wäre überhaupt keine Sozialreform zustande gekommen. Arbeiterschutz und Sozialdemokratie sind zur selben Stunde geboren. Niemals haben wir den Standpunkt eingenommen: Alles oder nichts. Mayer-Kaufbeuren (Zentr.): Unser Exporthandel zeigt im letzten Jahre Rekordziffern und weist ein so schnelles Entwicklungstempo auf, daß wir unsern Haupt­konkurrenten England in nicht zu ferner Zeit über­flügeln dürften. Unser Eisenexport kommt dem Eng­lands ziemlich nahe. Der Elektrizitätswarenexport hat den Englands schon überflügelt. Der Anschluß des preußischen Fiskus an das rheinisch-westfälische Kohlen­syndikat ist volkswirtschaftlich so wichtig, daß der Reichs­tag daran nicht vorübergehen kann. Die Preiserhöhung für Kohle bedeutet eine Mehrbelastung der deutschen Volkswirtschaft um 75 Millionen für das Jahr und kommt einer großen Konsumsteuer gleich, die zwar nicht vom Parlament gemacht ist, wohl aber mit Zustimmung der preußischen Staatsregierung. Wir halten ein Reichspetroleummonopol für schädlich. Unter dem hohen Diskontsatz leidet die Liquidität der Banken. Das ist im allgemeinen Interesse bedauerlich. Unsere Land­wirtschaft hat trotz des Ausfalls an Futtermitteln ein starkes Steigen des Rindviehbestandes zu verzeichnen. Im Fleischkonsum sind wir dem englischen Volke gleich­gekommen. Unsere Industrie ist weit mehr belastet, als die des Auslandes. Darum müssen wir darauf sehen, daß sie konkurrenzfähig bleibt. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Pauli (kons.): Bei den staatlichen Liefe­rungen müssen die Handwerkergenossenschaften berücksich­tigt werden. Die Regierung sollte kleinstädtische und ländliche Unternehmungen durch Aufträge leistungs­fähig machen. Die Konsumvereine der Beamten dürfen sich nicht weiter ausdehnen. (Zuruf Bund der Land­wirte.) Ganz etwas anderes ist es, wenn sich Genossen­schaften bilden für Förderung der Produktion. Jene Genossenschaften aber reißen den Detailhandel an sich zum Schaden des Mittelstandes. (Lachen bei den Soz.) Unsere Arbeiter verdanken ihre hohen Löhne unserer Wirtschaftspolitik. Die Zollpolitik entspricht den In­teressen des gesamten Volkes. Graf Posadowsky (wild): Der Mißmut des Volkes ist bei den Wahlen übertrieben zum Ausdruck gekommen. Die Beamten haben sich vor politischem Mißbrauch ihres Amtes zu hüten. Die Gesetze müssen nach ihrem Geist ausgelegt werden. Die falsche Auslegung des Reichsvereinsgesetzes hat viel Bitterkeit im Volke hervorgerufen. Zu diesem Mißmut hat auch die Steuerpolitik beigetragen, nicht die Steuern der Finanzreform, die zu Unrecht angegrif­fen werden, sondern der Umstand, daß man in den letzten zehn Jahren dem Volke zu häufig mit neuen Steuern gekommen ist. Deshalb muß beim Etat größte Spar­samkeit walten. Um eine Besserung der Wohnungs­verhältnisse herbeizuführen, muß das Großkapital für den Wohnungsbau interessiert werden. Für die Be­urteilung der Sozialdemokratie ist für mich das Er­furter Programm ausschlaggebend, wonach Privateigen­tum «-geschafft werden muß. (Widerspruch bei den Soz.) Hat sich das Erfurter Programm überlebt, so haben Sie (zu den Soz.) doch tun Mut, dies den Massen zu sagen. (Unruhe bei den Soz.) Von einer Proletari­sierung der Massen kann keine Rede sein. Für das schwerste Unrecht halte ich es, daß der Grundbesitz, um die Latifundien zu vermehren, den Vauernbesitz auf­kauft. Aeußerst bedenklich sind die fortgesetzten Be­amtenforderungen.

Darauf wird die Weiterberatung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. Schluß gegen )47 Uhr.

Der Seniorenkonvent des Reichstags hat heute beschlossen, die Wahl des Reichstagspräsidiums am Freitag, den 8. März, stattfinden zu lassen.