Aer»sprrch« Ar. 11.

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Hlr. 22.

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Sonntag, 11. Jebrrrar

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Gegründet

1877.

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1906.

Der Handwerkslehrling von heute.

(Nachdruck verboten.)

Seitdem das ormsche Hanowerk hart mir der groß- industriellen und großkapitalistischen Kovkurreuz zu kämpfen hatte, ist in wohlhabenderen Bürgerfamilteu die Abneigung gewachsen, ihre Söhne ein Handwerk oder ähnliches Ge­werbe lernen zu lassen. Selbst wohlfituicrte Handwerker konnten sich oft schwer oder gar nicht dazu entschließen, einen Sohn daS eigene Geschäft erlernen und später über­nehmen zu lassen, sie hatten ja ihr Schäfchen ius Trockene gebracht, aber der Aerger würbe doch alle Tage größer und diese Geschäfts- und Arbeits-Verdrießlichkeiten sollten ihren Kivdera erspart bleiben. So, wie eben gesagt, denken auch heute noch Viele, aber sie wissen nicht, oder haben es nicht bemerkt, daß sich im Handwerk und der Ausbildung des Lehrlings eine hochwichtige Neugestaltung vollzieht, auf die wir gern Hinweisen wollen. Denn noch heute bilden Handwerk und Gewerbe einen wichtigen Stützpfeiler für unseren gesamten Mittel­stand, der erhalten bleiben muß.

Der Handwerker wandelt sich heute, daran ist nicht mehr zu zweifeln, in einen mit theoretische» und praktischen Kenntnissen ausgestattetrn Kaufmann vm und der Hand- werkslrhrliug wird schon von vornherein in diesem Sinne erzogen. Es ist nicht mehr damit getan, daß er eine Fertig­keit in gewissen Handgriffen empfängt, er bekommt auch die erforderliche Kenntnis in der Beurteilung deö Rohmaterials, in der Warenkunde, im Maschinenwesen, soweit dies für seine Brauche in Betracht kommt, in der Kalkulation, Buch­führung und Gewerbe-Gesetzgebung. Der gewerbliche Fort- bildungsschul-Unterricht hat einen gewaltigen, im großen Publikum nicht gebührend beachteten Aufschwung genommen, die jungen Leute sollen sich jetzt nicht noch ein paar Jahre mit Lesen, Rechnen und Schreiben Herumplagen, sondern für das Leben und nach Berufen unterrichtet werden. Das ist natürlich eine ganz andere Ausbildung, die den Lehrling von heute weit über den von einst emporhebt, er ist von vornherein ein zielbewußter, junger Mann, der bei jeder praktischen Verrichtung sofort feine eigenen Gedanken hat, der selbst versteht, Neues zn ersinnen, seinem Berufe ein Interesse beizulegen, das zu Taten begeistert.

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß einzelne Haudwrrksberufe durch die moderne Technik immer mehr beeinträchtigt werden. Dazu gehört in neuester Zeit u. a. auch das Schuhmacher-Gewerbe, dem die mit allen erdenk­lichen Maschinen arbeitende Groß-Jodustrie eine schwere Konkurrenz bereitet. Ans der anderen Seite geht aber auch manches Handwerk in die Höhe, wie z. B. die Schlosserei und verwandte Berufe. Für diese ist die Arbeit außer­ordentlich gewachsen und eine erstaunliche Vielseitigkeit ja der Betätigung geboten. Kanu ein intelligenter künftiger Handwerksmeister noch über eia gewisses Kapital verfügen, so wird er sich oft weit besser stellev, wie ein Kaufmann oder Beamter, diese beiden Berufe, die so lange hauptsäch­lich gewürdigt find.

Die breiten Kreise unserer Bevölkerung haben bisher zumeist, stellenweise sogar ausschließlich die Haudwerkslehr- linge gestellt; Niemavd wird verkennen können, daß die Neigung dazu im Sinken ist, überall sollen die Heran­wachsenden Söhne schnellmöglichst viel verdienen und dar­über wird ganz vergessen, daran zu denken, wie viel später verdient wird, wenn aus dem jungen Menschen ein gereifter Mann geworden ist, der au die Gründung eines eigene» Hausstandes denkt. Aber solchen falschen Anschauungen und trügerischen Berechnungen wird nicht allein mit guten Lehren ein Ziel gesetzt, daz» ist auch Beispiel und Vor­bild erforderlich. Und darum muß die Annahme, ein Handwerksmeister sei zum Lebeusberuf nicht genug, entschieden ausgerottet werden. Wenn Jemand nur ein tüchtiger Handwerker ist, daun hat er seine Ehre und darf seinen Kopf recht hoch tragen!

Tagespolitik.

Ei ne Flo tteu sp end e der Schüler höhe­rer Lehranstalten Deutschlands, welche dem Kaiser zur silbernen Hochzeit überreicht werden soll, ist geplant. In einem Aufruf der Gymnasial- und Realschüler heißt es: »Am 27. Februar feiert unser Kaiser- Paar seine silberne Hochzeit. Auch die deutschen Gymnasial- schüler wollen und sollen das Fest mitfeiern. War doch unser Kaiser selbst auch einmal deutscher Gymnasiast. In diesen Gedanke» haben die Primaner des Kaiser Wilhelms- Gymnasiums in Hauuover einen Aufruf, zunächst au die deutsche» Gymnasiasten, nachher aber au alle höheren Schu­le» Deutschlands erlassen. Jeder Schüler einer höheren

Lehranstalt soll eiugeladeu sein, durch einen Beitrag von einer halben Mark sich au einer Festgabe zu beteiligen, welche Sr. Majestät dem Kaiser zur silbernen Hochzeit unter dem Namen »Flottenspeude der Schüler höherer Lehran­stalten Deutschlands" zu überreichen ist. Wir zweifeln nicht, daß dieser Aufruf auch in nuferem eugereu Vaterland, das nach dem Vorbild seines in Ehrfurcht geliebten Königs furchtlos und treu zu Kaiser und Reich mit den besten Kräften bereit steht, ein Feuer der Begeisterung bei allen Schülern eatzüudeu wird, an welche der Ruf gelangt. Zu­mal auch unsere Kameraden aus den Realschulen möchten wir erinnern, daß sie nicht zu gering von sich uud ihrem Bilduugsweg denken möge», um sich au dieser Sammlung recht leöhaft zu beteiligen. Wenn unseres Kaisers Bruder, Prinz Heinrich, seine wissenschaftliche Ausrüstung vorzugs­weise der Realschule verdankt und mit dieser dem großen deutschen Vaterlaude die vortrefflichsten Dienste als erster Diener seines kaiserlichen Bruders in der deutschen Flotte weiht, so soll auch jeder deutsche Reals^üler es als eine Ehrenpflicht ansehen, im fröhlichen Wettbewerb mit de» Brüdern aus dem Gymnasium sein Helles Verständnis für des deutschen Reiches Seemacht mitzubetätigen." Die Samm- lvugsergebuisse sollen spätestens vis zum 15. ds. Mts. an

di» Kgl. Hofbävk emgesendet werden.

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Ueber die Mängel im Submisstonswesen und deren Beseitigung ist schon viel geschrieben worden, ohne daß bis jetzt eine wirkliche Gesundung der Verhält­nisse auf dem Gebiete der öffentlichen Ausschreibungen ein- getreteo wäre. Ein Hauptfehler, der allgemein als solcher anerkannt wird, ist die blinde Uebertragung der Arbeiten oder Lieferungen an den Miadestforderuden, da dieser in den meiste» Fällen so niedrig gerechnet haben wird, daß er entweder minderwertige Arbeit und Ware liefern oder ohne den ihm doch zukommendeu Unternehmergewinv arbeiten wird. Es ist darum als ein sehr erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen, daß ciue rheinische Eiseubahn-Betriebsiuspektion dev billigsten Submittenten zur Ausführung eines Bahn­gebäudes ein Schreibe» zugeheu ließ, worin die betreffenden Firmen zur Uebersendung einer Kostenberechnung für die einzelnen Teile des Bauwerks aufgefordert werden. Es heißt daun wörtlich: »Letztere Angabe ist notwendig, weil Ihr Angebot nach diesseitigem Ermessen so gering ist, daß Sie die Ausführung ohne Verlust kaum machen können." Dieses Vorgehen verdient Beachtung und Nachahmung!

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Eiu Krebsschaden des Stell eov ermitt- luugswesens ist die willkürliche Festsetzung der Ge­bühren durch de» Vermittler. Er kan» ganz nach Belieben verfahren uud wird natürlich stets auf einen möglichst großen Verdienst sehen. Eine Aenderung hierin ist bisher vergeb­lich avgestrebt worden, wenn sie jetzt aber als bevorstehend aogeküudigt wird, so ist das trotz des späte» Zeitpunkts mit Genugtuung zu begrüßen. Uud zwar soll die Reichsgewerbe- orduuug derart ergänzt werde», daß für die Stellenver- mittluvg von den zuständigen Behörden einheitliche Gebühren­sätze ftstzestellt werden. Möge es recht bald dahin kommen !

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He

Eive deutsch-französische Allianz, die heute politisch nicht mehr als ein frommer Wunsch sein kann, ist auf wirtschaftlichem Gebiet in der letzten Woche Tatsache geworden. Deutsche und französische Banken haben gemeinsam eine Internationale Kohleuberzwerksgesellschaft gegründet, bereu Kohlenfelder sämtlich iu der Gegend von St. Avold unter deutscher Erde liegen. Als vor einiger Zeit deutsche- Kapital englische Kohlenfelder erworben hatte, erhob die Londoner Presse sofort ein großes Geschrei über die deutsche Invasion, sachte ihren Lesern vorzuredeu, daS sei die ganz raffinierte Vorbereitung eines militärischen Ueber- falls auf das friedliche England, und forderte die Regierung auf, diefeu Landesverrat zu verhindern. Selbstverständlich ließ sich die englische Regierung nicht auf solchen Uustuu ein, und für Deutschland hoffen wir, daß sich niemand finden wird, der ihn auch nur verlangt. Wir können uns im Gegenteil sehr frenen, wenn etwas fremdes Kapital ins Land kommt. Das Wachstum der Zahl und der Kaufkraft unseres Volkes hat bewirkt, daß auch oas Bedürfnis nach gesteigerter industrieller Tätigkeit dauernd nnd aufs stärkste angewachsen ist. Mit der Geschwindigkeit dieses Anwachsens konnte die Zunahme unseres Vorrates an Anlagekapital gerade in der letzten Zeit nicht mehr Schritt halten. Wir find iu der Lage des Industriellen, dessen Absatz so schnell wächst, daß er den Betrieb immer wieder vergrößern muß, und beide« es als selbstverständlich uud durchaus solide gilt, wenn er zu diesem Zwecke etwas fremdes Kapital aufuimmt. Doch

über solche wirtschaftlichen Erwägungen hinaus ist dieses Zusammenarbeiten deutscher nnd französischer Banken auch politisch erfreulich, da gemeiusame fruchtbringende Arbeit die Menschen und hoffentlich die Völker einander näher bringt.

Deutscher Neichstag.

Berlin, 9. Febrnar.

In der gestern fortgesetzten Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wendet sich Leh­mann (natl.) gegen die vorgestrigen Ausführungen des Ab­geordneten Hue, dem er Uebertreibuugeu uud Verhetzung der Arbeiter vorwirft- Redner bespricht eiugeheud den Ausstaud in der sächsisch-thüringischen Textilindustrie, den die Sozial­demokratie beschlossen uud teilweise durch bewußte Unwahr­heiten verschuldet habe. Er müsse hervorheben, daß der christliche Arbeiterverein iu Greiz von Anfang au «ne auf Friedeu gerichtete Tätigkeit au den Tag gelegt habe. Schack (Wirtschaft!. Vgg.) erklärt sich für deu Abschluß von Tarifverträgen, für die Schaffung von Arbeiterkammern, für Kammern für Haudelsgehilfeu und Privataogestellte, für Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereiue, für Regelung der Verhältnisse der Auwaltsgehilfeu uud für Gleichstellung der technischen uud kaufmännischen Angestellten. Weitere dringende Forderungen seien Bestimmungen über die Sonntagsruhe im Handrlsgrwerbe, die Anstellung von Handelsiuspektoreu und Maßnahmen gegen die Letzrliugs- znchterei. Pauli-Potsdam (kons.) schildert die schlechten Er­fahrungen, die die Handwerker mit der Gründung vyu Ge­nossenschaften gemacht haben uud bedauert die ablehnende Haltung deS Staatssekretärs Grasen Posadowsky gegenüber dem sogenanntenklemm Befähigungsnachweise." Die Durchführung völliger Souutagsruhe tm Handelsgewerbe sei möglich. Gerlach (srs. Vgg.) bespricht besonders die sozi­alen Lasten. Sachse (Soz.) wendet sich gegen die Kampfes­weise der christliche» Bergarbeiterorgauisation im Ruhrrevier gegen die Sozialdemokratie. Die Arbeiterschaft, auch wenn sie christlich organistert ist, läßt sich nicht mehr einlulleu durch das »Eijapopeia" vom Himmel. Ueberall geht es vorwärts mit unseren Ideen. Der Redurr unterwirft das preußische Berggesetz einer abfälligen Kritik. Bargmaun (srs. Bp.) fragt, was aus der Bogelschutzaugelegmhrit ge­worden sei; eine Beschleunigung dieser Angelegenheit sei dringend erwünscht. Um 6 Uhr vertagt sich das Haus auf morgen.

LVüirtternbersifetzer

Kammer der Abgeordneten.

Stuttgart, 9. Februar.

Die Kammer beriet heute die Anfrage deS Zentrums betreffend die Klage« über die EiukommenSsteuer- einschätznng Die Anfrage lautet: I. Ist dem Herrn Staatsmmister der Finanzen bekannt, daß die Eivkommens- steuereinschätzuug des vorigen Jahres iu mehreren Oberamts- bezirkeu des Landes zahlreiche Klagen, insbesondere über auffallende Ungleichheiten und allzugroße Schablonenhafttg- keit hervorgerufen hat; 2. welche Maßnahmeu gedenkt der Herr Staatsmmister zu ergreifen, um solchen Klagen für die Zukunft vorzubeugen? Der Abg. Rembold-Aalm begründete die Anfrage und hob zunächst hervor, daß, wenn Unzu- träglichkeitm sich gezeigt haben, das nicht die Schuld des Gesetzes sei uud daß die obereu Behörden ihr tunlichstes getan hätten uud kein Stein auf die Beamten geworfen werden soll. Die Tendenz der Anfrage sei vielmehr, künf­tigen Klagen vorzubeugeu und die Bevölkerung zu beruhigen. Der Redner machte daun darauf aufmerksam, daß die Schabloueuhaftigkeit eine zu große Rolle gespielt habe und daß mau namentlich bei der Landwirtschaft die verschiedenen Verhältnisse der einzelnen Markungen nicht genügend be­rücksichtigt habe. In Zukunft sollten mehr Muster- uud Reiuertragsberechrmugeu gemacht werden. In Haudwerker- kreisen klage mau sehr über zu großes Mißtrauen gegenüber den abgegebenen Fassiouen. Bezüglich der Landwirtschaft seien manche Klagen wohl darauf zurückzuführeo, daß die Einschätzungen 1873 uud 1884 schon viel zu hoch gewesen sind. Ftnauzmimster von Zeyer hob in seiner Antwort her­vor, daß der Verlauf der Steuereinschätznng für das Jahr 1905 dem Finanzministerium bis jetzt amtlich nur teilweise bekannt sei und teilte daun ferner mit, daß die Zahl der Beschwerden hinter derjenigen anderer Staaten bei der erst­maligen Steuereinschätzaug weit znrückbleibe, da auf 1000 Steuerzahlungen gekommen find M Preußen 126, in Sachsen 20 und iu Württemberg nur 3 bel insgesamt 1700 Be­schwerden. Soviel sei sicher, daß die mit der Ausführung des Gesetzes Betrauten ihre schwere Aufgabe mit Umsicht