Aervsprecher Nr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst», Samstag und Sonntag «it der wöch. Beilage »Der SonntagS- Gast".

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Amtsblatt für

Hegrüudek

1877.

Einrückungs-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bet einmal. Einrückung ö Pfg., bei mehrmal je 6 Pfg., auswärts je ö Pfg., die ein­spaltige Zeile oder deren Raum-

Verwendbare Bei­träge find willkommen

. 176.

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Donnerstag, 9. November

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1906.

Amtliches.

Sanitäts-Unteroffiziere, welche zum Uebertritt in die Schutztruppen für Oftafrika und Kamerun bereit sind, können sich bis zum 11 . November 1905 , vormittags */z 10 Uhr, beim Bezrrkskommando Calw melden.

Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 4. November 1905 die Wahl des Bauern und Gemeinde- Pflegers Georg Friedrich Dürr io MiudersSach, Oberamts Nagold, zum Ortsvorsteher dieser Gemeinde bestätigt.

Staatsschule ir«d Religionsunterricht.

Das ist heute eine viel umstrittene Frage. Um was handelt es sich? Man fordert, daß in der vom Staat ein­gerichteten Schule nicht der Religionsunterricht die Grund­lage bilde, sondern entweder ganz verschwinde und der Kirche zugewiesev, oder in ganz gesonderten Stunden behandelt werde, ohne die anderen Fächer irgendwie zu beeinflussen. An seine Stelle soll etwa ein Unterricht in der Sittlichkeit i treten und von den Religionen im Geschichtsunterricht er­zählt werden. Die neu entstehende Schule nennt mau staat­liche Simultauschule und erhofft vou ihr viel Heil für die Einheit des Volksganzen.

Mannigfache Gründe werden hiefür geltend gemacht: Der moderne Staat umfaßt Bürger verschiedener Religion, von ihren Steuern wird die Schule unterhalten, folglich können sie fordern, daß in der Staatsschule keine Religion bevorzugt werde. Ferner fürchtet man, daß die Spaltung deS Volkes in zwei Konzessionen durch die heutige Schule befestigt werde. Ein Teil besonders sozialdemokratischer Parteigänger verabscheut überhaupt die Religion. Dazu kommt der Drang nach Selbständigkeit der Schule, ihre Ablösung von der Kirche. Am ernstesten find di« Bedenken wirklich religiöser Menschen. Sie meinen, in der Staats­schule werde die Religion zu sehr .eingepavkt-, und das schade ihrer Heiligkeit. Ja, Religion sei überhaupt nicht lehrbar, also kein Schulfach.

Wir können hier die Frage nur vou einem Gesichts­punkt behandeln: Welches Interesse hat der Staat daran, in seiner Schule die Religion zu erhalten ? Wir wollen unsere Gründe auch nur aus der Sache selbst nehmen. Geschicht­lich angesehen ist unbestritten der moderne Staat ebenso wie die deutsche Schule eine Folge der Reformation. Luther und die Reformatoren haben die deutschen Schulen in ihrer Eigenart auf dem Grunde der evangelischen Lehre gegrün­det. Das gilt ebenso von den höheren Schulen, wie von der Volksschule. Das brauchte ja aber nun nicht immer so zu bleiben, wenn nicht Religion und Schule innerlich notwendig zusammengehörten.

Das ist aber tatsächlich so. Das Ziel jeder Schule ist nicht nur Aneignung gewisser Kenntnisse, sondern eine Erziehung, Bildung. Gebildet, geformt soll werden das Wesen, der Charakter des Schülers, damit er einmal später mit festem Wollen in der Welt stehe. Was einer gelernt hat, ist nicht in erster Linie für seinen Charakter ausschlag­gebend, sondern ob er das Herz auf dem rechten Fleck hat. Da genügt nun aber nicht als Schulziel, daß einer bloß zu einem guten Bürger erzogen werde. Das Wollen des Menschen fließt aus tieferen Quellen, auS seinem persönlichen Leben. In jedem Kinde schlummern die großen Fragen nach dem »Warum?" aller Dinge. Warum ist eS so und so in der Welt? Wer hat das alles gemacht? Warum soll ich in meinem Mitmenschen meinen Nächsten sehen? Wer (wie der Verfasser dieser Zeilen in jahrelangem Unterricht an Volksschule und höherer Schule) lehrend in der Klasse gestanden, der weiß, daß diese Fragest überall wieder auf- taucheu, nicht nur im Religionsunterricht, sondern auch im Deutschen, in der Geschichte, iu der Erdkunde, in der Na­turgeschichte. Soll das Kind auf diese höchsten Fragen in der Schule keine Antwort bekommen? Dana würde man das Gebiet nicht Pflegen, auS dem das ganze Wollen und Tun deS Kindes seine Richtschnur bekommt. Dazu bedarf es der Religtousstundeu l

Es ist auch zu fordern, daß die Lehrer einer Schule derselben Religion augehören wie die Schüler. Denken wir uns z. B. eine mehrklassige Dorfschule auf simultaner Grundlage im evang. Preußen. Sollen da im Geschichts­unterricht christliche Kinder etwa vou einem Juden die G-schichte vou Jesus, oder evangelische Kinder vou einem Katholiken das Leben Luthers erfahren? Oder sollte iu der Erdkunde bei Wittenberg, Elseaach, Worms nicht-wehr von Luther gesagt werden? Ja einer Simultauschule ohne bestimmte religiöse Grundlage könnte derartiges Vorkommen. Das find doch Ungereimtheiten, und die könnte man noch durch weitere Beispiele vermehren. Mit anderen Worten: In einer Schule muß ein einheitlicher religiöser Geist herr-

! scheu, sonst zieht der eine Erzieher hierhin, der andere dort­hin, und die ganze Erziehung mißglückt.

Gott sei Dank gibt es auch noch genug deutsche Lehrer, denen mit dem Religionsunterricht das Beste genommen würde. Mau denke sich einmal unser Volk, ohne daß ihm iu der Schule die Geschichte von JesuS gelehrt worden wäre! Gewiß ist Religion »ur bis zu gewissem Grade lehr­bar. Aber das ist bei der Vaterlandsliebe ebenso, und doch sagen wir nicht: Fort mit dem Geschichtsunterricht! Es mag sein, daß der Lernstoff im Religionsunterricht ofteiu- gepaukt" worden ist es gibt eben wie im Handwerk, so auch in der Lehrkunst manchen Ungeschickten. Aber einmal wird hier immer weiter gearbeitet, und dann ist der Lernstoff schon aufs notwendigste beschränkt. Wie aber ein deutsches Kind die schönsten Gedichte vou Goethe und Schiller einfach auswendig lernen muß, um sie za kennen, so muß auch ein Christenkiud die kraftvollen Bibelsprüche, die schönen Kirchen­lieder einfach lernen, daß sie ihm zum Lebensbefitz werden.

! Also: Religion und Schulbildung gehören notwendig innerlich zusammen, weil Charakterbildung auf religiös-sitt­licher Erziehung beruht. Dem Staat kann es nicht gleich- giltig sein, welche Charakterbildung die Kiuder des Volkes empfangen, also liegt es in seinem Interesse, den Religions­unterricht in der Staatsschule zu erhalten.

So fragt es sich nur, welches Religionsbekenntnis? Uuser Volk ist ein christliches Volk, durch jahrhundertelange Arbeit seiner besten Söhne ist seine Kultur christlich gewor­den. Zwei Drittel Evangelische bilden den Hauptbestandteil des Staates. Haben sie gar keine Anforderung an die Staatsschule zu stellen? Will man das Recht der Familien so verkümmern? Noch haben wir christliche Regierungen, deren schönstes Recht es ist, gegenüber wechselnden Zeit- strömuugen des Volkes wahres Wohl zu fördern. Nicht daS Herabfinken auf eine nicht christliche Schulftufe ist zu wünschen, sondern vielmehr, daß Kinder auch aus eotchrist- lichten Familien die Macht der christlichen Gesinnung iu der Schule kennen lernen. Das ist Staatsiuteresse.

Daraus folgt als eine geschichtliche Notwendigkeit: Die Staatsschulen iu Deutschland müssen christliche Schulen bleiben und tu ihrem Hauptbestand evangelische Schulen. Da es aber evangelisch ist, Andersgläubige nicht durch Ge­walt, sondern durch Macht des Geistes zu gewinnen, so soll auch vou Staatswegen katholischen und andersgläubigen Familien nicht gewehrt werden, ihre Kinder iu ihrem Glau­ben zu erziehen, wo ihre Zahl Einrichtung eigener Schulen gestattet. Demnach ergibt sich gerade als gerechte Forder­ung in unserem konfessionell gemischten Staate die Forder­ung der konfessionellen Staatsschule.

Die Einrichtung von Simultanschuleu wird sich als un­möglich zeigen, so lange noch christliche Familien die Mehr- I zahl im Staate find und dafür wird die christliche Kirche sorgen I Geschichtliche Gegensätze lassen sich eben nicht mit einem Handstreich aus der Welt schaffen, und Ideen kann mau nicht totschlagen. Sie müssen im Kampf der Männer durchgefochten werden, und der Staat sorge dafür, daß dazu recht charaktervolle Männer iu der Schule auf Grund religiös-sittlicher Erziehung herangebildet wer­den. Nur direkt staatsgcfährliche Umtriebe wehre er vou der Schule ab. Wohl hoffen wir, daß die beiden christ­lichen Konfessionen sich auf dem Grunde des Evangeliums noch einmal friedlich zusammen finden; das aber liegt in höherer Hand als der des Staates. Bis dahin bleibe es in der Staatsschule bei dem auch echt evangelischen Hohen- zollerngrundsatz: »Jedem das Seine suum oniqus!"

' F. Dickmanu.

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Tagespolitik.

Ueber die Rede Payers au seine Reut- linger Wähler schreibt die Frkf. Ztg., daß diese weit über die Bedeutung eines gewöhnlichen Landtagsberichts hiuausgehe. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, dem sonst durch seine Stellung die Möglichkeit genommen ist, iu die politischen Tagesfragen unmittelbar einzugreifen, hat die Gelegenheit benutzt, um noch iu letzter Stunde vor der Entscheidung über die Verfassungs-Revision eine ernste Mahn­ung an die Ritter und die Standesherren zn richten. Die Rolle des Vermittlers und Ausgleichers, die sein par­lamentarisches Amt ihm zumeist, und der hohe Respekt, der ihm vou allen Seiten eotgegengebracht wird, geben fehlen Worten erhöhtes Gewicht. Klarer und eindringlicher kann den beteiligten Gruppen nicht dargelegt werden, was für das Land und auch für ihre speziellen Interessen auf dem Spiele steht. Wenn nicht etwa ein mißverstandenes Solidaritätsgefühl oder konfessionelle und soziale Vorurteile sie irrrleiten, werden sie sich der Logik dieser ruhigen realpolitischen Erwägungen nicht ent­

ziehen können, umsoweniger, als darin ihrer Stellung in weit­gehendem Maße Rechnung getragen ist. Rittern und Staudes­herren wird in der Rede zu Gemüte geführt, daß die Zukunft min­destens keine für sie günstigere Reform bringen kann. Die Entwick­lung der Zeit geht in einer ihren Wünschen entgegengesetzten Richtung. Aber eine Ablehnung der Vorlage wird ganz sicherlich eine Bewegung zur Folge haben, die nicht nur das Volk bis in seine tiefsten Tiefen erregen wird, sondern die auch in ihren Wirk­ungen gegenwärtig vou niemand übersehen werden kann. DaS ist kein Einschüchterungsversuch, sondern lediglich ein ernster Appell au die politische Besonnenheit und Gewissenhaftig­keit des württembergischeu Adels. Man sollte hoffen dürfen, daß die ruhigen Mahnungen von dieser Stelle eine gute Stätte finden. Vou Wichtigkeit für die württembergische Landespolitik ist auch der Hinweis darauf, daß zwischen der Volkspartei und der Deutschen Partei in dieser wie in den meisten anderen württembergischeu Fragen eine größere Differenz nicht mehr besteht und daß die beiden Parteien, da sie das fortschrittliche Bürgertum hinter sich haben, stark genug seien, reaktionäre Widerstäade zu überwinden. Die Konsequenzen aus dieser Feststellung, mit der auch eine vor einer Woche auf der Herbstversammlung der National- liberalen vom Abg. Hiebrr getane Aeußerung ungefähr Parallel ging, ergeben sich von selbst.

* * *

König Alfons XIII. von Spanien ist mit dem üblichen Pompe in Berlin empfangen worden. Den besten Beweis dafür, daß seinem Besuche mehr höfische und Höflichkeits-Rücksichten als politische Erwägungen zu Grunde liegen, kann mau in dem Umstande erblicken, daß der Kaiser iu seinem Trinkspruch beim Festmahl gestern Abend jede Anspielung auf politische Fragen vermieden und sich nur iu allgemeinen Ausdrücken der Sympathie und der militärischen Ehrenbezeugungen bewegt hat. Etwas bestimmter ist der König iu seiner Erwiderung gewesen, indem er versicherte, daß Spanien mit dem Deutschen Reicheherzliche und sehr freundschaftliche Beziehungen bewah­ren wolle."

Lombesnachrichten.

* Altensteig, 8. Nov. Ja letzter Zeit sind an die hiesige Ferosprechavstalt angeschlossen worden:

unter Nr. 17 Luz. Gasth. zur Linde ,46 KallWizemanu,Roßhaargesch.,Bahnhofstr.263

, 47 I. M. Walz, Bangeschäft, Bahnhofstr. 344.

-u. Wak-d-rf, 7. Nov. Gestern abend brach iu dem Wohnhaus der Witwe Schüler Feuer aus, das rasch sich über das ganze Haus verbreitete, und auch das Nachbar- , gebäude des I. G. Beutler entzündete. Beide Gebäude > wurden ein Raub der Flammen, doch gelang eS den Be­mühungen der hiesigen Feuerwehr, weiteren Schaden zu verhüten. Leider fiel beim Löschen ein Feuerwehrmann namens Rapp iu der Scheune herab und verletzte sich erheblich, doch nicht lebensgefährlich. Mau vermutet, daß die alleiulebende geistig nicht mehr vollständig intakte 85- jährige Witwe Schüler aus Versehen den Brand verursachte.

* ßakrv, 6. Nov. Ja einer vou der hiesigen Ortsgruppe der Deutschen Partei veranstalteten und auch von zahlreichen Mitgliedern des Jungliberalen Vereins besuchten Versammlung sprach gestern abend Parteisekretär Keiuath aus Stuttgart über Deutschlands Weltstellung. Der Redner schilderte die wirtschaftliche und Politische Entwicklung Deutsch­lands vom Mittelalter au bis heute, wo wir mit unserer hochentwickelten Industrie und unserer wachsenden Bevöl­kerung, umgeben von gefährlichen Neidern und Konkurrenten, gezwungen seien, entweder Waren oder Menschen zu expor­tieren. Zum Schutze dieser Industrie und unseres blühen­den Handels, sowie zur Aufrechterhaltuug unserer Wclt- machtstelluug, müssen wir neben der Stärkung des inneren Marktes mit Notwendigkeit unsere Flotte auf ein achtung­gebietendes Maß verstärken, den Ausbau unserer Kolonien betreiben, für Freihaltung der noch freien Länder z. B. Ma­rokkos eintreten und die Führerrolle der kleinen germanischen Staaten anstreben. In der sich anschließenden Diskussion bedauert Poftasiistent Kauffmann vom junglibcralen brzw. nationalsoziäleu Standpunkt aus die Mitwirkung der National- liberalen beim Zustandekommen des unsere Judasttte schwer gefährdenden Zolltarifs. Uebergehend zu der Stellung der Parteien, insbesondere der Sozialdemokratie, zu Heer- und Flottenfrageu suchte er die bedauerliche, ablkh ende Haltung der letzteren psychologisch zu erklären und hofft auf das allerdings noch vereinzelte Beispiel Calwers hinweisend auf eine allmähliche Mauserung in nationaler Richtung. Er begrüßt ferner die badische Blocktaknk als vorbildlich auch über Badens Grenzen hinaus und kritisiert scharf die schul-