Jems-rtcher Nr. 11.

Hegrüttdet

1877.

Erscheint Dienstag Donnerst«, SamStag und Sonntag «tt der wöch. Beilage »Der SonntagS- Gast".

Bestellpreis für daS Vierteljahr im Bezirk r.Nachbarortsverkehr Mk. 1.18, außerhalb Dlk. 1L5.

x. 175«.

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Dienstag, 7. November

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1906.

Umttiches.

Ueber tragen wurde die erste Schulstelle in Natt­heim, Bezirks Heidenheim, dem Schullehrer Hartman» in Hünerberg-Meisterv.

Spanien nnd Deutschland.

Soeben ist der jugendliche König Alfonso XIII. von Spanien, der schon in der Wiege die Köuigtzkrone trug, zu längerem Besuche am deutsche» Kaiserhofe zu Berlin einge­troffen. Es wäre zuviel gesagt, wenn man behaupten wollte, daß dieser Besuch deS spanischen Königs in der deutschen Hauptstadt eine große politische Bedeutung habe, denn das schöne alte Spanien wird trotz seiner stolzen Ueberlieferung nicht mehr zu den Großmächten gezählt, aber neben dem Austausche der Freundschaftsbeweise zwischen dem Könige von Spanien und dem deutschen Kaiser hat. Las Erscheinen des Kölligs Alfonso in Berlin doch auch eine nicht zn un­terschätzende politische Bedeutung. Spanien hat schon bei dem Besuche des Präsidenten Loubet in Madrid vor kur­zem durch den Mund des Ministerpräsidenten kandgegeben, daß cs in allen freundlichen Beziehungen zn de« übri­gen Staaten eine Stärkung der allgemeinen Friedenspolitik erblickt, und eine allgemeine Annäherung der Völker dem Programme und den Interessen der spanischen Regierung entspricht. Der Besuch des Königs von Spanien ist sonach unbedingt als eine Bestätigung und Kräftigung der fried­lichen Politik anzusehen, die auch das deutsche Reich mit Eifer und Ausdauer verfolgt und die besonders auch vom Kaiser Wilhelm mit Rahe und Scharfblick gepflegt wird. Es kommt auch dazu, daß Deutschlands Lage m Europa jede Stärkung des Friedensgedankens mit Freuden begrüßen muß, da Deutschland Neider und Feinde ohnedies genug in der Welt hat. Würde auch Spanien nicht im Staude sein, maßgebend über eine Kriegs- oder Friedensfrage in Europa entscheiden zu können, so ist es doch ein Unterschied, ob Spanien den Frieden hegt und wünscht, oder ob es den Kriegsbrand schüren hilft. Mau darf auch nicht vergessen, daß noch eine wichtige Frage endgiltig zn regeln ist, bei der Spanien beteiligt ist. Es ist dies die marokkanische Frage, die nicht ohne eine Rücksichtnahme ans Spanien ge­löst werde« kann, da Spanien der nächste europäische Nach­bar von Marokko ist und Besitz urrd Interessen in Marokko z» schützen hat. Eine Verständigung zwischen Deutschland und Spanien in der marokkanischen Frage hat also im Hinblick auf die marokkanische Konferenz schon einen ge­wissen Wert. Besondere Vorrechte will ja in Marokko nicht Deutschland oder Spanien, sondern Frankreich erlangen und es handelt sich auf der Konferenz einfach darns, die Ansprüche Frankreichs mit den Jateresssu Deutschlands uud Spaniens, sowie auch Englands, Oesterreichs und Italiens in Einklang zu bringen. Glücklicherweise hat ja auch Deutschland bezüglich Marokkos schon eine gewisse Verständigung mit Frankreich vereinbart, aber gut ist es unter allen Umständen, daß Deutschland in der marokkani­schen Konferenz möglichst viel Freunde hat, da Frankreich und England nicht zu den Freunden Deutschlands gezählt werden können, nnd Deutschland am liebsten von der Lösung der marokkanischen Frage ausgeschlossen hätten. Diese Art der Behandlung der marokkanischen Frage ist ja jetzt ein hinter uns liegender überwundener Standpunkt, und die Verhältnisse in Marokko könne»! nur unter Berücksichtigung der deutschen neben den französischen und anderen fremd­ländischen Interessen eine Regelung erfahren. Immerhin dürfte es in den marokkanischen Streitfragen noch manche Nüsse zu knacken uud manches Rävkespiel zu bekämpfen geben, und da ist es gut und wertvoll, wenn diejenigen Staaten, die ia erster Linie eine friedliche Lösung der Ma­rokkofrage erstreben, auch fest Zusammenhalten.

Tagespolitik.

Kammerpräsident Payer erstattete am Samstag in Reutlingen vor seinen Wählern Bericht über die A r- beite« des Landtags und behandelte sehr eingehend dieVerfassungsrevisio». Er meinte, so unsicher das Schicksal des Entwurfs ist, so wenig hat man zur Zeit Veranlassung, die Hoffnung ans ei» Zustande­kommen aufzugeben. Zwar ist die Gegenleistung, die das Zentrum für die Unterstützung des Entwurfs verlangt, nämlich ein Beugen vor seinen hierarchischen Gelüsten in der Bolksschulfrage unannehmbar. Von den Herren von der Ritterbauk ist bis jetzt nur Herr von Gemmingeu für den Eotwurf. Die Vertreter der Ritterschaft haben ihre Zustimmung von einer Erweiterung des Budgetrechts der 1. Kammer abhängig gemacht, für welche in der 2. Kammer nicht einmal eine einfache Mehrheit vorhanden ist. Die

Mit jedem Tage

werde» Neu-Bestelluugeu auf die Zeitung »AuS den Tannen" bei der Expedition, unseren hiesigen Austrägern, von allen Postanstalteo, Briefträgern und Landpostboten, sowie den auswärtigen Agenten eutgegengenommeu. Die bereits er­schienenen Nummern mit dem Anfang der laufeoden Romane werden umsonst nachgeliefert.

Herren werden vor allem überlegen müssen, entweder will die 1. Kammer die Revision ernstlich oder sie will sie nicht. Will sie dieselbe im wesentlichen, so können unmöglich eia Dutzend Vertreter der Ritterschaft die Revision zu Fall bringen Oder aber die 1. Kammer will den Entwurf ab- lehneu nnd wartet nur, bis Zentrum und Ritterschaft ihr den Gefallen getan haben werden, dies Geschäft schon von sich aus zu besorgen, so daß die Herren nicht einmal Gelegenheit finden, zu dem Eatwurf überhaupt Stellung zu nehmen. Die 1. Kammer ist, wenn ihr nicht neue Kräfte zugeführt werden, überhaupt kaum mehr imstande, ihre Obliegen­heiten zu erfüllen. Die Regierung hat es daher in der Hand, wenn sie die ausscheidenden Lebenslänglichen nicht mehr ersetzt, die Kammer direkt funktionsunfähig zu machen.

Payer kommt zn folgendem Schluß: Ich habe die feste Hoffnung, Menu es zur Schlußentscheidnog kommt, werden die Herren Regierung und Land auf deren Ver­antwortlichkeit ihre» Weg gehen lassen. Sie werden nicht den Schein auf sich laden, als wenn konfessionelle Tendenzen bei ihnen in erster Linie kämen; sie werden ihre Bedenken Vorbringen, aber schließlich sich erinnern, daß es die größte Weisheit der Träger historischer Vorrechte ist, dieselben nicht zu mißbrauchen und sich der natürlichen» Entwicklung entgegeozustemmen uud sie werden, da auch sie unser Würt­temberg lieben, sich nicht dem Gelingen des schweren Werkes entgegevstellen.

Davach kam Payer noch auf das Verhält­nis der Volkspartei und der deutschen Partei zu sprechen und kovstatierte freudig, daß zwischen den beiden Parteien, was die Laudespslitik betrifft, zur Zeit keine nennenswerten Meinungsverschieden­heiten bestehen; diese beiden Parteien bilden, sagte Payer am Schluß, wen» sie einig sind, in Württemberg eine bedeutende Macht.

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Die in letzter Woche im Kultmiuisterium stattgehabte Konferenz über die bevorstehende Neuregelung des gewerblichen und kaufmännischen Fort- bildungsschulweseus galt einer Besprechung Les im Kultmiuisterium im Einvernehmen mit der Kommission für die gewerblichen Fortbildungsschulen und der Zeutralstelle für Gewerbe und Handel ausgearbeiteten Gesetzentwurfes über die Neuordnung des kaufmännischen uud gewerblichen Fortbilduugsschulwescns, der, wie bekannt, als hauptsäch­lichste Neuerungen die Einführung des Tages- uuterrichts und die Anstellung von Fach­lehrern bezw. Gewerbelehrern Vorsicht. Au der Konferenz nahmen Vertreter der drei größten Stadtgemeinden des Landes (Stuttgart, Ulm und Heilbroa») zweier mittlerer Städte und zwei kleinerer Stadtgerrreinde«, außerdem Ange­hörige des Handels- und Gemerbestandes und Schulmänner teil. Der Entwurf fand die volle Zustimmung der Kosferevz- teilnehmer; er wird dem Landtage voraussichtlich sofort nach seinem Wiederzusammentritt zagehen. Die Ausbildung der gewerblichen Fachlehrer, die für die württembergischeu Fortbildungsschulen in Betracht kommen, erfolgt bekanntlich in Karlsruhe. Da ein fiebensemestriger Lehrgang erforder­lich ist und die ersten württembergischeu Gewerbeschulamts- kandidateu erst vor kurzer Zeit den Unterricht in Karlsruhe ausgenommen haben, so kann vor dem Jahre 1909 von der Anstellung besonders auSgebildeter Fachlehrer kaum die Rede sein. Es wird infolgedessen erforderlich, für die

Uebergangszeit besondere Bestimmungen zu treffen.

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Der deutsche Reichstag wird sich bei seinem Zusammentritt am 28. d. M. im Besitze der vier wichtigsten Vorlagen der Session sehen, es werden ihm der Etat, die Reichsfinauzreform, das Militärpenstonsgesetz und das Flotteu- gesrtz vorliegeo. Es liegt im allgemeinen J iteresse, daß die ersten Lesungen dieser vier wichtigen Vorlagen noch vor Weihnachten erledigt werden, damit sie bis zum 1. April kommenden Jahres vom Reichstage verabschiedet werden können. Dem Bedenken, daß die Lösung der vor Weihnachten zn bewältigenden Aufgabe au Zeitmangel scheitern müsse,

steht die Tatsache entgegen, daß dem Hohen Hause bis zu den Weihuachtsferien etwa 18 Sitzungstage zur Verfügung stehen, die genügen würden, um bei allseitigem guten Willen das Ziel zu erreichen. Leider erscheint die Sorge nicht un­begründet, daß die Etatsrede», namentlich die der Sozial­demokraten, gewaltig in die Breite gehen werden, wodurch dann allerdings das an sich wohl Mögliche unmöglich ge­macht werden würde.

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Der Reichsfiuauzreform-Eutwurf enthält außer den vier große» Steuerplänen, der Reichserbschafts- vnd Reichsstempel-, der Bier- uud Tabaksteuer auch noch einige kleinere Steuerplüncheu, die Wohl erst nachträglich in iha hiueingeheimnißt worden find. Zu dieser letzten Kate­gorie gehört eine Fahrkarten- und eine Qaittungssteuer. Ob die Fahrkartensteuer die Liebe des Reichstags finden wird, ist recht ungewiß. Wie die Qnittnngssteuer im ein­zelnen gedacht ist, entzieht sich noch der öffentlichen Kennt­nis. Da sie ia andern Ländern mit Erfolg erhoben wird und im wesentlichen nur die stärkeren Schultern belastet, so will mau sich diese Einnahmequellen, aus der jährlich

etwa 15 Millionen Mk. fließen solle», nicht entgehen lassen. * *

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Die neue Flottenvorlage ist dem Bundesrat zugegangen. Sie hält sich, was die Zahl der ueu einge­forderten Schiffe anlangt, ganz i» dem Rahmen dessen, was bisher von Regierungsseite darüber augedeutrt worden ist. Es handelt sich also im Wesentlichen um die geplante

Erhöhung des Deplacements der Linienschiffe uud Kreuzer. * *

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Fürst Leopold von Lippe-Detmold hat mit seiner Gemahlin am Samstag voriger Woche unter dem begeisterten Jubel deS Volkes seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt Detmold gehalten. Gleichzeitig war ein Amnestieerlaß des Fürsten veröffentlicht worden, nach dem Strafen für Ueberiretungen bis zu 150 Mk. Geldstrafe oder fünf Wochen Haft im Gnadenwege erlassen werden. Dem Staatkmiuister Gevekot, dessen Ernennung zum Bevoll­mächtigten des Bundesrats imReichsanzeiger" bekannt ge- geben worden ist, wurde vom Fürsten der erbliche Freiherrn­titel verliehen. Dem Staatsrechtslehrer, Professor Kahl- Berlin, der für die Sache der Viesterfelder entschieden eiugetreten war, wurden auf dem Bahnhof in Detmold leb­hafte Ovationen dargebracht. Fürst Leopold eilte dem Ankommenden auf den Bahnhof entgegen, umarmte und küßte ihn. Im Restdevzschloß zu Detmold faud bald nach dem Eintreffen des Hofes die Eröffnung des Landtages darch eine Thronrede statt, die Fürst Leopold Persönlich vorlas. Der Fürst wieS in der Thronrede darauf hin, daß durch den Schiedsspruch des Reichsgerichts endgültig aller Hader über die Erbfolgefrage aus der Welt geschafft sei, unö daß es Pflicht aller sei, die dem Laude durch den Thronstreit geschlagenen Wunden heilen zu helfen. In diesem Sinne, so schloß der Fürst, entbiete ich Ihne», der berufenen Vertretung des Landes, meinen landesväkerlicheu, herzlichen Willkommen in schlichter, treuer, deutscher Art und bitte Gott, diese feierliche Stunde möchte den Grund gelegt haben zn dauernd gesegneter Arbeit im Dienste deS uns allen teueren Vaterlandes. Mit dem Gelübde treuer Ergebenheit seitens des Landtags schloß die eindrucksvolle Feier.

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Das Geld wird immer teurer. Soeben hak die Rcichsbauk uud mit ihr die Württembergische Notenbank ihren Diskont auf 5^ und den Zinsfuß für Darlehen auf 6'/z Prozent erhöht. Das ist ein ganz ungewöhnlich hoher Stand und die dritte Erhöhung im Laufe zweier Monate. Bet der Reichsbaok selbst wird die Diskonterhöhung nicht etwa als gegen die Börsenspekulation gerichtet bezeichnet, sondern lediglich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Deutsch­lands zurückgeführt, die bei der großen Ausdehnung des Verkehrs mit einem außerordentlich starken Geldbedarf ver­bunden find. Die weitere Entwicklung des Geldmarktes läßt sich genau noch nicht Übersehen uud deshalb kann man auch noch nicht sagen, ob in diesem Jahre, etwa Mitte Dezember,

eine abermalige Erhöhung stattfioden muß.

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Zum Schutze deutscher Reichsange höriger in Rußland hat der Reichskanzler Fürst Bülow die er­forderlichen Schritte getan. Angesichts der Unruhen der letzten Tage in Odessa, Rostow und anderen russischen Städten, bei denen auch Leben und Eigentum deutscher Rrichsaugehöriger verletzt worden ist, hat die Reichsregier- ung mit der russischen Regierung sich in Verbindung gesetzt, um einen besonderen Schutz der Reichsaugehörigeu zu er­reichen.