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! 1905.

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Dein Zaudern zögert den Tod heran!"

Dies Wort aus der erschütternden Kerkerszene der Faust-Tragödie möchte man als Motto setzen über das furchtbare Drama, daS sich gegenwärtig vor unseren Augen mit uuerbittlicher Folgerichtigkeit vollzieht. Das Staatsge­bäude des russischen Riesenreichs ist in seinen Gruudvesten erschüttert und noch weiß man nicht, ob es den zu spät be­rufenen Baumeistern gelingen wird, ein neues, festes Funda­ment zu legen, ob das ganze Haus krachend Zusammenstürzen wird, oder ob die Reaktion mit Pulver und Blei zunächst noch einmal siegreich aus dem Chaos hervorgeheu wird.

Das Mißtrauen gegen die kaiserlichen Versprechungen, der Fanatismus der erbitterten Massen, die Hetzerei der revolutionären Führer und nicht zum wenigsten der Um­stand, daß statt greifbarer Taten im Wesentlichen doch auch nur Versprechungen gemacht und Wechsel auf die Zukunft ausgestellt worden sind, hat eine Situation geschaffen, wie sie schlimmer nicht zu denken ist. Hätte das jetzt unter­nommene Reformwerk mit einer allgemeinen Amnestie aller wegen politischer Vergehe» Verhafteten eingesetzt, so wäre die Lage sicherlich nicht so bedrohlich geworden, wie sie es jetzt ist. Denn der großen Masse ist es nicht begreiflich za machen, daß die Einführmig wirklicher Reformen Zeit be­ansprucht.

Daß der gegenwärtige Leiter der russische» Politik, daß Graf Witte alles in seinen Kräften stehende tut, um die berechtigten Forderungen des Volkes zu erfüllen, das hat er bereits bewiesen, indem er den Rücktritt Pobjedonoszews bewirkte, ein liberales Kabinett bildete, eine allgemeine Am­nestie in Ausficht stellte und sich der Ausarbeitung eines Gesetzes, das dem russischen Volke das gleiche und allge­meine Wahlrecht bringen soll, mit vollem Eifer unterzog.

Wie sehr der Zar an dem selbstherrlichen System hängt, das konnte mau ans dem Schreiben ersehen, in dem er das Abschiedsgesuch deS Oberprokurators des heiligen Shnod Pobjedonoszew genehmigte. Diese Genehmigung erfolgte durch ein in gnädigsten Worten gehaltenes Hand­schreiben des Zaren und unter Belassung Pobjedonoszews w seinen Stellungen als Mitglied des Reichsrats, als Staats­sekretär und als Senator. Die Neubildung des Kabinetts ist durchaus in liberalem Sinne erfolgt und ein Amnestie- Erlaß soll nach Zasage Wittes in den allernächsten Tagen erscheinen, ebenso soll Preßfreiheit gewährt werden.

Das allgemeine Mißtrauen im Lande ist gleichwohl nicht geschwunden. Kenner der Lage erklären, das Mani­fest deS Zaren sei zu spät gekommen und habe daher, anstatt die Bevölkerung zu beruhigen, erneute Kämpfe hervorge­rufen. Das Petersburger Organ des StreikauLschusses kündigt an, daß der allgemeine politische Ausstaad andanern müsse. Gleichzeitig verkündigen die revolutionären Führer, daß die Massen in dem richtigen Augenblick zu den Waffen greifen werden.

Zur Sicherheit der bedrohten Zarenfamilie sollen, wie Kieler Nachrichten fortdauernd behaupten, deutsche Kriegs- schiffe bereit gehalten werden, da man in den allermaß- gebeodsten Kreisen die Situation fortgesetzt für ganz außer­ordentlich ernst avfieht. Der nach Petersburg zurückkehrende deutsche Marmeattachee Hivtze soll der Ueberbringer be­sonderer Ansträge Kaiser Wilhelms au den Zaren sein.

Tatsache ist, daß Kaiser Nikolaus II. sich gerade mit dem Hinweis darauf, daß aufs ueue schwere Meutereien auf den Kriegsschiffen der Schwarzen-Meerflotte ausgebrochm seien, zur Veröffentlichung seines Manifestes habe bewegen lassen. Es ist daher die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß auch die Besatzungen der im Finnischen Meerbusen be­findlichen russischen Kriegsschiffe unzuverlässig find, so daß der Zar und seine Familie, wenn sie durch die kommenden Ereigvisse etwa zum Verlassen des Landes genötigt würden, auf fremde Hilfe augewieseu wäre».

Iu Stuttgart herrscht vielfache Unzufriedenheit darüber, daß die auf Grund des neuen Steuerreform­gesetzes ausgearbeitetm Steuerzettel noch immer nicht an die Steuerpflichtigen ausgegebeu werden. Bezüglich der Verzögerung gehen allerlei Gerüchte und es heißt, die Stutt­garter Steuerpflichtigen können ihren Weihuachts- oder Neujahrsgruß der Steuerbehörde erst erhalten, wenn das wirkliche Steuererträgnis, das 14 Mill. Mark betragen soll, vom ganzen Lande vorliege. Falls nämlich, so heißt es weiter, das Erträgnis vom La,de ungenügend ausfallen sollte, dann müsst eben Stuttgart entsprechend höher zur Steuer heranzezogen werden. Die Stuttgarter Steuer­pflichtigen find nun deshalb in banger Sorge.

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Ans der am 26. November in Stuttgart stattfindeudeu außerordentlichen Landes-Bersammlung der So­zialdemokraten Württembergs steht außer der Neuwahl des Landesausschusses die Beratung des Entwurfs für die Satzungen der sozialdemokratischen Partei Württem­bergs. Nach diesem Entwarf soll in jedem Reichstagswahl­kreis ein sozialdemokratischer Krersverein gebildet werden, der sich aus den örtliche» Mitgliedschaften (Ortsvereinen) uud Eiozelmitgliederu zusammensetzt. Sind in einem Orte mindestens 10 Eivzelmjtglieder vorhanden, so hat der Vor­stand des Kceisvereins, der hauptsächlich die Agitation inner­halb deS Wahlkreises zu betreiben uud die Reichstagskandi­daten aufzustelleu hat, die Bildung eines Ortsvereins zu veranlassen. Au einem Orte darf nur ein Verein bestehen. Der Monatsbeitrag für den Ortsoerein soll 20 Pfg. be­tragen ; davon stad 30"/<> aq den Landesvorstand abzuliefern, weitere 20°/, an den Kreisverein, der sie an die Zentral- kaffe der sozialdemokratischen Partei Deutschlands abzu­führen hat. Weitere 20°st fallen der Kasse des Kreisvereins zu, während die restlichen 30°/a dem Ortsvereiu verbleiben. Der Laadesvorstand der Partei soll sich küastig aus einem Vorsitzenden und 4 Beisitzern, der Landesansschuß, der hauptsächlich eine koatrr klierende Tätigkeit hat, aus 5 Mit­gliedern zusammensetzen. Im übrigen bleibt die Organi­sation der sozialdemokratischen Partei in der Hauptsache so, wie sie seither war.

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Der amtlicheBericht über die Konferenz der Abordnung des deutschen Städtetages mit dem Reichskanzler Fürsten v. Bülow in Sachen der Fleischteneruug ist bereits von derNordd. Allg. Ztg." veröffentlicht worden. Wie zu erwarten war, lehnte der Reichskanzler das Verlangen einerOeff- nung der Grenzen aus K o mp etenzrk cks ich ten, sowie im Interesse der deutschen Landwirt­schaft ab, dankte aber zum Schluß der Deputation für ihr Erscheinen wie für die offene Aussprache und versicherte, daß er nach wie vor dieser wichtigen Frage ervste Aufmerk­samkeit schenken werde. Ja der Konferenz, zu welcher der Reichskanzler die Deputation in Gegenwart des Chefs der Reichskanzlei empfing, führte zunächst Oberbürgermeister Kirschner-Berlm aus, der Vorstand des Städtetages habe sich trotz des Schreibens des Herrn Reichskanzlers der Er­füllung seiner Pflicht, dem leitenden Staatsmann die von den städtischen Behörden in der Fleischteuerungsfrage ge­machten Wahrnehmungen darzulegen, nicht entziehen zu sollen geglaubt. Oberbürgermeister Kirschner hob dann her­vor, daß die Teuerung im ganze» Reiche herrsche, daß die Wenigen bemittelten Volkskreije schwer unter ihr litten, und daß die Mißstimmung darüber allgemein groß sei, daß zur Beseitigung der Milderung des Netstandes seitens der Regierungen der Bundesstaaten wie des Reiches nichts ver­anlaßt werde. Der Reichskanzler erwiderte, der Vor­wurf, er nehme der Fleischteuerung gegenüber eine zu passive Rolle ein, sei ungerecht. Er, der Kanzler, verkenne keinen Augenblick, daß eine ungerechtfertigte Verteuerung notwendiger Lebensmittel zu einer schweren Schädigung, zu einer Bedrängnis weiter Volkskreise führen könne. Er ver­kenne ebensowenig, daß der verantwortliche Leiter der Reichs­aud prenßischen Staatsgeschäfte die Pflicht habe, solche Schädigungen zu verhindern oder einzuschrävkev, soweit dies in seiner Macht liege. Als Kanzler habe er wohl das Recht, die zur Abwehr von Seucheneivschleppurgeu seitens der zuständigen Regierungen getroffenen Maßregeln zu kontrollieren, nicht aber sie aufznhebeu oder za beschränken. Die Erhaltung unseres einheimischen Viehs aber entspreche vitalen Interessen, nicht nur unserer Landwirtschaft, sondern des gesamten Volkes. So lauge er Reichskanzler sei, werde er niemals die Hand dazu bieten, den deutschen Viehbestand durch Außer­achtlassung Notwendiger Vorsichtsmaßre­geln oder durch einseitige Maßnahmen zu gefährden. Die formelle Zuständigkeit würde ihn nicht hindern, mit deu Bundesregierungen in Erwägungen über eventuelle Grenzerleichterungen einzutreten, wenn er die Ueberzeugnng hätte, daß solche Erleichterungen möglich uud zweckmäßig wären. Die vorhandene Fleischteneruug habe wahrscheinlich andere Gründe als den Viehmangel; ob ein solcher vorliege, würde durch daS Ergebnis der angestellten Umfragen, d.aS demnächst bekannt gegeben werden würde, festgestellt werden. Aber auch wenn Fleischmangel feftge-

stellt werden sollte, ob die Oeffnung der Grenzen im Hin­blick auf die Gefahr der Seucheaeinschleppnug ein taugliches Mittel sei. Es frage sich auch, ob das Fleisch im Aus­lände wirklich billiger sei. Bevor auf Grund der ange- stellteu Erhebungen etwaige Regierangsmaßoahmen ergriffen werden sollten, könnten die städtischen Verwaltungen ihrer­seits manches tun für Einschränkung der Fleischteuerung, indem sie die Fleischvrrsorguug ihrer Städte in die Hand nehmen. Die preußische Staatsregieruug würde solche Un­ternehmungen gern nach Möglichkeit fördern und unter­stützen. Oberbürgermeister Kirschner sprach darauf dringend den Wunsch aus, die Grenzen möchten geöffnet werden. Oberbürgermeister Beutler-Dresden wünschte für Sachsen, daß die in Bodeubach nach dem österreichischen Handels­verträge vom 1. März 1906 ab zugrlasfeueu Schlachtungen für die sächsische Einfuhr schon jetzt gestattet würden. Der erste Bürgermeister von München stellte einen Antrag der bayerischen Regierung auf sofortige Zulassung des für Bayern vom 1. März 1906 ab eiutretendeu Kontingents von 50,000 Schweinen in Aussicht und bat am Genehmigung. Ein gleicher Antrag der elsaß-lothringischen Regierung wurde in Aussicht gestellt.

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Im deutschen Heere finden ebenso wie in an­deren Armeen seit einigen Jahren zut Winterszeit Uebongen auf Schneeschuhen statt. Die diesmaligen Uebuugen werden namentlich im Riesengebirge und im Feldberggebiet abge- halten werden.

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König Georg vou Griechenland traf am Mittwoch nachmittag auf dem Auhalter Bahnhof in Ber­lin ein und wurde dort vom Kaiser, den Prinzen des Königlichen Hauses, deu Staats- uud militärische» Würden­trägern und Truppenabordnungeu feierlich empfangen. Durch ein dichtes Spalier von Schutzleuten giug alsbald die Fahrt vom Auhalter zum nahen Potsdamer Bahnhof, vou dem ans sich der Kaiser mit seinem Königlichen Gaste und dem beiderseitigen Gefolge im Extrazuge nach Pots­dam begaben, wo König Georg während seines BesucheS am deutschen Kaiserhofe Aufenthalt nahm.

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Im Zeichen des Besuchs des Königs von Spanien wird die nächste Woche Berlin uud Pots­dam stehen. Der Besuch des Königs Alfons am Kaiser­hofe wird sich ungewöhnlich lange aasdehnen und sich vom Montag bis zum Samstag erstrecken. Das Programm steht in erster Linie großen militärischen Empfang in Berlin vor, dann auch eine feierliche Begrüßung durch die städtischen Behörden, ist es doch der erste Besuch, den König Alfons der Reichshauptstadt macht. Am Brandenburger Tor ist bereits mit der Ausstattung begonnen worden, wofür 20 000 Mk. bereitstehe». Der Zeitpunkt für den Besuch ist eigentlich nicht glücklich gewählt. Aus dem sonnigen Süden kommend, wird dem König der Unterschied zwischen der dortigen Farbenpracht und der zurzeit kahleu Natur uud dem grauen Novembernebel im deutschen Norden besonders ausfallen, aber die Herzlichkeit der Begrüßung, die ihm sicher ist, wird manches verdecken und verwischen. Im übrigen bringt das Programm eine Festtafel, Festvorstellung im Operohanse, Rekruten ° Vereidigungen in Berlin uud Potsdam, Jsgden bei Berlin und in Springe in Hannover, wohin der König iu Begleitung des Kaisers ebenso einen Abstecher machen wird, wie nach Magdeburg zum Besuch

seines Infanterieregiments Nr. 66.

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Der Aufstaud iu Deutsch-Ostafrika ist an sich nicht gefährlich, wen« er sich auch noch weiter ausdehvt, aber er stört doch die Entwicklung des Schutz­gebietes iu der unliebsamsten Weise und er wird auch die Vermehrung der dortigen Schutz, und der Polizeitruppe um zusammen 2000 Mann znr Folge haben. Das kostet selbst­verständlich Geld, wohl oder übel müssen wir jedoch Luden

Säckel greife», im übrige» auf bessere Zeiten hoffend.

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Die norwegische Regierung hat eine von allen Mitgliedern der Regierung Unterzeichnete Prokla­mation au das norwegische Volk ausgesandt, in der sie dringend das Volk auffordert, sich dem Standpunkte des Stortings und der Regier­ung anzuschließen. Dies geschah deshalb, weil gegenwärtig eine lebhafte Agitation zu Gunsten einer Republik im Werke ist und bereits ein Aufruf an das norwegische Volk zu diesem Zwecke erlassen wurde, der u. a. vou dem ehemaltgen Fiuauzmtuister Gunna Knud- sen unterzeichnet ist.

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