Erscheinungsweise: tzmal wöchentlich.

Bezugspreis: 3n der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 mertel- jährlich, Postbezugspreis sllr den Orts- und Nachbarotts- verlichr Mk. ILO. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: 3m Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die 3nseratannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnnmmer 9.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

37.

Mittwoch, den 14. Februar 1912.

87. Fahrgang.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Kurs für Maurer und Steinhauer und Hafnerkurs.

Im Februar und März d. I. werden in Stuttgart Unterrichtskurse für Maurer und Steinhauer abgehal­ten, und in der Zeit vom 4. bis 30. März d. I. findet in Stuttgart ein Kurs für. Hafner im Setzen von ein­fachen Kachelöfen statt.

Näheres im Gewerbeblatt Nr. 6.

Dos Gewcrbcblatt kann u. a. bei . den Herrn Orts- vorftehern eingesehen werden, welche zu diesem Zwecke Hiernit angewiesen werden, den Gewerbetreibenden auf Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende Gewcrbeblatt zu gewähren.

Den 13. Februar 1912.

Regierungsrat Binder.

Deutsches Reich.

Deutscher Reichstag.

Eine Sitzung von fünf Minuten Dauer hat der neue 1. Vizepräsident, Genosse Scheidemann, gestern eröffnen und präsidieren dürfen. Vor der Sitzung sei es, wissen die Berliner Blätter zu berichten, in den Wandelgängen des Hauses sehr still gewesen, alle Fraktionen hätten noch über die Präsidenten­krise Beratungen gepflogen, mit Ausnahme der So­zialdemokratie. Die Sitzung selbst aber soll seitens der einzelnen Fraktionen gut besucht gewesen sein; sie galt nur der Erledigung einer Formalität: der Verlesung des von Dr. Spahn eingegangenen Schrei­bens, worin er die Niederlegung seiner Präsidenten­würde anzeigte. Das erstemal seit Bestehen des Reichstags führte ein Sozialdemokrat die Verhand­lungen auch eine geschichtlich interessante oder be­achtenswerte Erscheinung. Nachstehend sei der Sitzungsbericht wiedergegeben:

Berlin, 13. Februar 1912.

Am Bundesratstisch: die Staatssekretäre Mer­muth, Krätke, Lisco und Delbrück.

Vizepräsident Scheidemann eröffnet die Sitzung um 2.15 Uhr und gibt zunächst das Ergebnis der Schriftführerwahlen bekannt. Sodann teilt der Vizepräsident mit, daß der Abg. Frhr. v. Hertling infolge seiner Ernennung zum bayrischen Minister­präsidenten sein Reichstagsmandat niedergelegt habe. Dann verliest der Reichstagspräsident ein Schreiben des Abg. Spahn, das folgenden Wortlaut hat: Dem Neichstagspräsidium teile ich ergebenst mit, daß ich das Amt des Reichstagspräsidenten hiermit niederlege. (Bravo im Zentrum und Lachen links.) Auf Antrag Bassermann und Gröber wird hierauf beschlossen, die Sitzung auf morgen 2 Uhr zu vertagen mit der Tagesordnung: Wahl des Prä­sidiums und heutige Tagesordnung. Schluß 2.20 Uhr.

Die Vermutungen darüber, was endlich aus der Präsidentenfrage werden will, gehen inzwischen weiter. Natürlich ist es vollständig ausgeschlossen, auch nur annähernd irgend etwas Positives über den Ausgang aus diesem Wirrwarr Voraussagen zu können. Ein neues Gerücht lautet dahin, die Fortschr. Volkspartei habe in ihrer letzten Besprechung vor der Dienstagsitzung des Reichstags in Erwägung gezogen, obwohl es gegen ihre Partei­interessen gehe, das Opfer zu bringen und den Prä­sidenten des Reichstages zu stellen. Sie hoffe, daß der Abg. Paasche das Amt des zweiten Vizepräsi­denten nicht niederlegen werde. Sollte dies jedoch der Fall sein, dann sei die Fortschr. Volkspartei wei­ter bereit, auch den zweiten Vizepräsidenten zu stel­len, immer ausgehend von dem Gedanken, denReichs- tag für vier Wochen arbeitsfähig zu erhalten, um der Notwendigkeit einer Vertagung zu entgehen. Vom Zentrum wollen parlamentarische Kreise bestimmt wissen, daß es sich an der Wahl nicht betei­ligt. Praktisch brauchbar wäre, so, wie die Dinge zur Zeit liegen, dieser Gedanke der beiden volks­parteilichen Präsidenlenstellen wohl am ehesten.

Ganz bestimmt lautende Meldungen aus Berlin nennen denn auch den volksparteilichen Abgeordne­ten Kämpf als Kandidaten. Auch die Meldung, daß Dr. Paasche sein Amt als Zweiter Vizepräsident des Reichstags niederlegen werde, dürfte verfrüht sein. Paasche will zweifellos erst den Ausfall der Wahl abwarten und je nach der Parteizugehörigkeit des Präsidenten seine Entschließung fassen. Wird Kämpf und nicht ein Kandidat der Rechtsparteien gewählt, dann wäre für Paasche der Grund zum Rücktritt eigentlich nicht mehr vorhanden.

Stadt und Bezirk.

Billig zu Wein kommen wollte eine imKrap­pen" wohnende Frau. Sie besuchte unberechtigter­weise den Keller ihres Mietsherrn und untersuchte und prüfte dessen Weinfässer auf ihren Inhalt. Unser Stationskommando aber erhielt von diesen wein­frohen Unternehmungen der Frau Wind und nahm sich um die Sache näher an. Es benützte zur Fest­stellung der Täterin den Hund eines hiesigen Pri­vatmannes, der auch sofort dieRichtige" erwischte. Die Frau wird künftig ihre Weinbesuche einstellen.

G Unglücksfall oder Verbrechen? Aus der Hir- sauerBleiche" entfernte sich am 12. Dezember vori­gen Jahres der Pensionär Johann Saussele, gebürtig von Weikersheim. An diesem Tag reiste der bereirs 90 Jahre alte Mann nach Stuttgart, um dort einen größeren Geldbetrag, 500 Mk., abzu­heben. Seitdem ist Saussele verschollen, und alle nach seinem Verbleib angeftellten Nachforschungen waren bis zur Stunde ergebnislos. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er beraubt und umgebracht wor­den ist, ebensogut möglich ist natürlich irgend ein Unfall, der dem alten Mann zugestoßen sein mag.

X Maurer-, Steinhauer- und Hafnerkurfe. In­dem wir auf die oberamtliche Bekanntmachung vom heutigen Tage, betr. den im März d. I. stattfinden­den Hafnerkurs, Hinweisen, machen wir darauf aufmerksam, daß dieser Kurs eines der Mittel ist, die dazu dienen sollen, dem besonders darniederlie­genden Hafnergewerbe staatliche Förderung, soweit solche möglich ist, zuteil werden zu lassen, und daß der Kurs deshalb namentlich zurzeit für die Beteilig­ten Bedeutung hat, weil neuerdings das Setzen von Kachelöfen in steigendem Maße in Aufnahme ge­kommen ist.

Fleischbeschau. Die Schlachtvieh- und Fleischbe­schau wurde in Württemberg im 4. Quartal 1911 vorgenommen an 496 Pferden, 4607 Ochsen, 2819 Bullen, 15 772 Kühen, 26 004 Jungrindern, 50 489 Kälbern, 154 725 Schweinen, 10 810 Schafen, 2754 Ziegen und 20 Hunden.

8 Annahme von Gütern in loser Schüttung.

Für Güter in loser Schüttung (z. B. Obst, Kartof­feln, Kraut, Rüben, Kohlen in der Regel Reste von Wagenladungen) ist schon wiederholt die Stück­gutfracht berechnet worden, wenn diese billiger ist als die Wagenladungsfracht und der Absender das Gut im Frachtbrief nicht als Wagenladung bezeich­net hat. Solche Güter eignen sich, laut Amtsblatt der Verkehrsanstalten nicht zur Annahme als Stück­gut; sie sind nur als Wagenladung anzunehmen. Frachtbriefe, aus denen die Aufgabe des Gutes als Wagenladung nicht ohne weiteres ersichtlich ist, wer­den künftig zurückgegeben.

(". il. Sporteltarif. Die Dienststellen der Ver­kehrsanstalten sind darauf aufmerksam gemacht wor­den, daß bei der Annahme und Rückgabe von Bürg- scheinen keine Sportel anzusetzen ist, da es sich in diesen Fällen nicht um eine Hinterlegung im Sinne der Nr. 37 des Sporteltarifs handelt.

Hirsau, 13. Febr. Ein bedauerlicher Unfall er­eignete sich imLöwen" hier. Der 18jährige Sohn des Gutsbesitzers Stotz wurde von einem Hummel dermaßen an die Wand gedrückt, daß er schwerverletzt ins Krankenhaus nach Calw geschafft werden mußte.

>8 Unterreichenbach, 14. Febr i Am letzten Sonn­tag wurde hier ein Vortrag mit Lichtbildern über die Tuberkulose und ihre Bekämpfung gehalten. Herr Dr. Schütz, Chefarzt an der Volksheilstätte Char­lottenhöhe bei Calmbach, war dazu gewonnen wor­den und stellte sich unentgeltlich in den Dienst der gemeinnützigen Sache. Daß ein Vortrag über die Goldschmieds-Krankheit", die selbst im gesunden Schwarzwald so viele Opfer fordert, hier Interesse erwecken würde, war von vornherein anzunehmen. Aber der Besuch der Veranstaltung übertraf alle Er­wartungen. Die große Löwenhalle war überfüllt, trotzdem alle Tische entfernt worden waren, lieber 1b-> Stunde lang lauschte die Versammlung aufmerk­sam den Ausführungen des Redners, der ein allge­mein verständliches Bild vom Wesen der Krankheit entwarf, und nur die mancherlei Quellen derselben und die Schutzmaßregeln gegen die Ansteckung viel­leicht noch etwas eindringlicher hätte darstellen dür­fen.. Alles in allem aber ist die hiesige Gemeinde aufrichtig dankbar für die gegebenen wertvollen Anregungen. Dank gebührt auch der Zentralleitung für Wohltätigkeit in Stuttgart, die den Lichtbilder­apparat samt Bildern zur Verfügung gestellt hat, und dem um die Organisation der Tuberkulosebe­kämpfung besonders besorgten Bezirkswohltätigkeits­verein, der die Kosten der Veranstaltung trägt. Möch­ten immer mehr Gemeinden der volksverheerenden Tuberkuloseseuche mit der Waffe der Aufklärung zu Leihe gehen!

Giiltlingen OA. Nagold, 13. Febr. Beim Hoiz- poltern ist dem Taglöhner David Schwarz von einem zurückrollenden Stamm der rechte Unterschenkel abge schlagen worden.

Schwann OA. Neuenbürg, 13. Febr. Vor der Kegelbahn des Gasthauses zum Waldhorn wurde der ledige Goldarbeiter Adolf Schönthaler von hier tot aufgefunden. Er war bei der imWaldhorn" ge­haltenen Hochzeitsfeier gewesen, Als er nach einem Tanz das Lokal verließ, wurde angenommen, daß er nach Hause gehe. Ob ein Unglücksfall vorliegt, ist noch nicht ermittelt.

Württemberg.

Aus den Kommissionen.

Stuttgart, 13. Februar.

Der Ausschuß zur Beratung des Ausführungsge­setzes zur Reichsversicherungsordnung beriet heute zunächst die Wahlordnung für die Wahl der Eenossenschaftsversammlung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Nach längerer Debatte, bei der es sich hauptsächlich um die Frage drehte, ob an Stelle der Landwirtschaft!. Bezirksvereine die Amts­versammlungen oder der Bezirksrat zum Wahlkör­per für die Genossenschaftsversammlung werden sol­len, wurde der Regierungsentwurf ohne erhebliche Aenderungen einstimmig angenommen. Ein vom Berichterstatter gestellter Antrag, der auf den Wohn­sitz der zu wählenden Mitglieder Bezug hatte, wurde, nachdem sich der Staatsminister dagegen ausgespro­chen hatte, zurückgezogen. Bei Art. 19 des Entwur­fes beantragte der Berichterstatter einer Anregung des Staatsministers entsprechend, den letzten Satz desArtikels wie folgt zu fassen:Die Verufsgenossen- schaften sind verpflichtet, ihren Angeftellten den Beitritt zur Pensionskasse für Körperschaftsbeamte zu gestatten". Der Antrag fand einstimmig An­nahme. In Art. 21 werden auf Grund eines An­trages des Abg. v. Gauß die Wortenach 8715 der R.V.O." gestrichen. Die Art. 21 und 37 bis 50 wur­den, da sie sachlich miteinandere im Zusammenhang stehen, miteinander beraten. Der Berichterstatter schlägt vor, die Art. 3741, welche die Bildung von Gefahrenklassen für die nicht grundsteuerpflichtigen Betriebe, Betriebsteile und Nebenbetriebe in den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zulassen wollen, zu streichen. Gegen diesen Antrag wandten