Aerrrsprecher Ar. 11.
Erscheint Dienstag Donnerst., SamStag und Sonntag mit der wöch. Beilage „Der Sonntags- Gast".
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Dienstag, 8. August.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1906 .
Amtliches.
Wo ein Bedürfnis sich zeigt, könne« laut oberamtlicher Bekanntmachung von jetzt ab bis Oktober Nachimpfungen gegen den Schweinerotlauf vorgeuommen werden. Die Schweiuebefitzer werden zur Nachmrlduug impfbedörftiger Schweine unter Hinweis darauf aufgefordert, daß nicht mehr bloß die Verluste durch Jmpfrotlauf, sondern auch diejenigen Verluste entschädigt werden, welche durch spätere, während der gewöhnlichen Dauer des Impfschutzes vorkommende Rotlauffälle erwachsen.
Bor fünfuriddreitzig Jahren.
(Nachdruck verboten.)
Wir Deutsche haben von Anfang au bei den Gedächtnisfeiern und späteren Erinnerungen au die harten Kampftage des August 1870, die in dem gewaltigen Ringen von Sedan gipfelten, niemals ein Gefühl empfunden, als müßten wir auch anderen Nationen unsere militärische Ueber- legenheit zeigen. Wir waren zufrieden, die deutsche Einheit wieder errungen, unsere Weftgrenze gegen den unruhigen Nachbar gesichert zu haben, und nichts stand uns ferner als Nebermut und Ueberhebung. Wir hätten uns gefreut, wenn die bei einem Teil der heutigen Franzosen eingekehrte Besonnenheit sich schon damals oder wenigstens bald nach dem Feldzuge gezeigt hätte, viel Unruhe wäre erspart geblieben.
Bevor der Krieg begann, bildeten bei uns in Deutschland das Hauptgespräch die französischen Zuaven- und Tnrko-Regimenter. Unsere deutschen Truppen sollten zum ersten Male gegen leibhaftige schwarze und braune Menschen fechten, und diese Ausficht entfachte in den Köpfen besorgter Mütter die ärgsten Phantastegebilde. Wenn die Kerl's nach Deutschland hinein kämen, dann ging ja Wohl Alles drunter und drüber. Die erfahrenen Militärs zuckten die Achseln, aber das weibliche Element war nicht zu beruhigen, und auch mancher besorgte Vater sprach mit zögernder Befürchtung von diesen Schwarzen. In Rußland lachte mau über die Japaner, 1870 war bezüglich der Turkos und Zuaven in der breiten Bevölkerung das Gegenteil der Fall.
Dann kam der zweite August: Die Franzosen hatten die preußische Stadt Saarbrücken, nachdem sie verschiedene Tage lang von der kleinen Besatzung — ihr Kommandeur Oberstleutnant von Pestel ruht nun auch schon lange in der Erde — weidlich geneckt worden waren. Ju Paris war des Jubelns über die „Niederkartätschuug von drei preußischen Divisionen" kein Ende, im deutschen Vaterlande ward trotz der offiziellen Erklärung über die wahre Bedeutung des Gefechts doch manches Gesicht besorgt. Denn immerhin, die Franzosen standen auf deutschem Boden I
s Dafür hat es denn aber auch keinen froheren Abend gegeben, als den des vierten Angust, dem Tage vonWeißeu- burg, wo Preußen und Bayern unter dem Kronprinzen die Turko's in die Pfanne hieben. Gegen Abend wußte mau schon, daß ein ernsterer Kampf im Gauge sei; der Extrablatt-Dienst der Zeitungen war damals noch nicht so orgaui- fiert, wie heute, und so drängten sich überall Hunderte und Tausende zu den Sitzen der Behörden und namentlich zu den Postämtern. Nach acht Uhr abends kam dann das amtliche Telegramm von dem ersten entscheidenden deutschen Siege, da lachten und weinten die Leute, und die Jugend stürmte trotz der hereinbrechendeu Dunkelheit auf die Türme, und das volle Geläute der Glocken trug es weit hinaus ins Land: Sieg, Sieg!
Und dann der sechste August I Die Niederlage des ersten französischen Marschalls Mac Mahou bei Wörth und die Erstürmung der Spicherer Berge, zwei große Erfolge an einem Tage. Darnach wußte es Jeder, nun verlieren wir den Krieg nicht mehr, jetzt hat sich die deutsche Ueber- legenheit, die Kameradschaft von Nord- und Süddeutschen glänzend bewährt. Seitdem find manche große Kriegstateu vollbracht, aber den Sturm von Sptcheru gegen einen Feind, wie die Franzose» es waren, den soll uns noch Jemand uachmacheu I
Es ging auf Metz. Der 14., 16., 18. August, das waren die großen Tage, in welchen Marschall Bazaine, dem der kranke Kaiser Napoleon das Armee-Kommando gegeben hatte, in der für unbezwingbar gehaltenen Moselfestung festgenagelt wurde. Es waren glorreiche, aber blutige, sehr blutige Tage, in welchen die Bedeutung der Franzosen als Soldaten so recht klar wurde. WaS haben sie den Unseren bei St. Privat besonders zu schaffen gemacht, wie mußte bis in die tiefe Nacht hinein gerungen werden.
Hatten bei Wörth am 6. August die französischen Kürassiere eine brillante Attacke geritten, so kamen vor Metz die Unsrigen au die Reihe. Die Halberstädter Kürassiere, BIsmarck's Regiment, die Salzwedeler altmärkischen Ulanen, die Berliner Garde-Dragoner haben sich damals mit hohem Ruhm bedeckt. „Bon alle dem, was ritt und was stritt, unser zweiter Mann ist geblieben I" So saug der Dichter, und er saug wahr. Auch Bismarck's Weitester, der verstorbene Fürst Herbert, ward damals schwer verwundet.
Nach Metz — Sedan! Den groß:», groß:» Fehler, den die Rassen in ihrem Mandschurei-Feldzuge bei Mukdeu machten, den vermied damals unser alter Moltke mit genialem Scharfsinn. Die Einkreisung der Franzosen bei Sedan, die zur schließlicheu unvermeidlichen Katastrophe führte, machte für uns die Schlacht schon gewonnen, bevor sie begonnen hatte. Dem französischen Oberbefehlshaber Marschall Mac Mahou ersparte die in früher Morgenstunde i erhaltene Wunde die Verpflichtung, die Kapitulation unter- '
zeichnen zu müssen, aber für den erst am Vorabend ringe- troffeueo General Wimpfen ward es zum Verhängnis. Der wollte und wollte nicht an seine verzweifelte Lage glauben, bis ihm die eherne Kaltblütigkeit Moltkes die Feder zur Unterzeichnung in die Hand zwang.
Früher hatte schon Napoleon sich in sein Geschick gefunden ; er ging nach Wilhelmshöhe; in Paris flüchtete die Kaiserin Eugeuie, brach der Thron zusammen.
Das war das erste Buch in dem großen Kriege, in dem wir sicht genug lesen können, aus dem die in den entwichenen fünfunddreißig Jahren heraugewachseue Generation nicht genug lewen kann. Jene Erfahrungen haben uns unsere Macht und Kraft schätzen gelernt; sie haben uns aber auch vor Überschätzung gehütet. Deutschland kann, was es mnß. Ein Mehr will es nicht, darf es nicht.
Tagespolitik.
Die Frage, ob der deutsche Reichstag infolge der Entsendungen weiterer Verstärkungen nach Südwestafriks, die als eine Verfassungs-Verletzung bezeichnet wurde, zu einer außerordentlichen Sommersesfion auf wenige Tage einberufeu werden wird, um der Regierung Indemnität zu erteilen, ist ganz Plötzlich aktuell geworden. Nachdem die bezügliche Forderung des führenden Zeutrumsblattes überraschender Weise auch von leitenden Organen der konservativen Partei unterstützt worden ist, rechnet mau ernstlich mit der Möglichkeit, daß trotz des allgemeinen, starken und begründeten Ruhebedürfnisfes die Fülle der politischen Ereignisse noch durch eine kurze Reichstagssesfion vermehrt wird.
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DasSedaufestundderelsaß-lothringische Kriegerverein. In dem Verbaudsblatte des elsaß- lothringischen Kriegervereins heißt es mit Bezug auf die Sedaufeier: Mehr und mehr gestalten sich unsere Veranstaltungen an den Grabstätten der Opfer des Krieges von 1870/71 in unserem Elsaß-Lothringen zu Friedens- und Versöhuungsfesteu, au welchen die weitesten Kreise der Bevölkerung teilnehmeu. Der schöne Brauch, daß wir hierbei jeden Unterschied zwischen Freund und Feind fallen lassen, daß wir die für ihr Vaterland und ihren Fahneneid gefallenen tapferen Feinde ehren, wie unsere Kameraden, ist das Zeugnis, daß wir nicht den Sieg, sondern den Frieden feiern wollen. Auch bei der Gedenkfeier des Sedantages wollen wir von öffentlichen Siegesfesteu abseheo, aber den Sedantag als den Geburtstag der deutschen Reichslande festhalten. Die Gedenkfeier des Sedantages soll nicht die Gefühle der absterbendeu Generation verletzen, sie soll eine Anregung sein für alle zur Erfüllung der Pflichten gegen daS Vaterland, zur Ehrung und Nacheiferung der Brüder,
LefefrucHt.
Sei hochbeseligt oder leide,
Das Herz bedarf ein zweites Herz; Geteilte Freud' ist doppelt' Freude, Geteilter Schmerz ist halber Schmerz.
Der rote Diamant.
Bon Leopold Sturm.
(Fortsetzung.)
" Nur mühsam zwang sich Rostew, die reizende junge Dame mit der ihr gebührenden Ritterlichkeit zu begrüßen. Er würde es sich nie verziehen haben, gegen eine wirkliche Dame unhöflich gewesen zu sein, aber diese ruhige Verbindlichkeit ward ihm bittersauer unter de» scharfen, beobachtende» Augen der Fürstin. Las er doch in ihrem Blick, der von jeher mehr herablassend, als freundschaftlich gewesen war, einen hohen Grad von Geringschätzung, ein Gefühl, das ihm in dieser Stunde unerträglich war.
Wenn die junge Prinzessin diesen Hohnblick bemerkte? Ach, das war ein halbes Kind I Aber die Fürstin I Feo- dor Rostew nahm sich gewaltsam zusammen, er sprach nun wirklich, ohne merkliche Erregung die für den Augenblick geeigneten BegrüßuugSworte aus.
Fürstin Marfa ließ ihre Tochter und Rostew einige Minuten ruhig mit einander gleichgiltige Worte wechseln, dann sagte sie lächelnd zu dem jungen Mädchen: „Schau, da unten auf dem Schloßhofe schießt die kleine Jeauue einen Purzelbaum und schreit nach Dir. Möchtest du nicht einmal nach Deiner kleinen Spielkamerädiu sehen?" Mit einem Hellen Auflachen, wie der Wind, war die junge Dame davongehuscht, es kam ihr nicht einen einzigen Augenblick in den Sinn, daß es sich hier nur um einen Einfall der vergötterten Mama handeln könnte, sie von dem bevorstehenden Zwiegespräch mit Dr. Rostew zu entfernen. Und gleich
darauf hörte man sie unten auf dem Schloßhofe mit der kleinen Jeaune Strecker scherzen und lachen.
„Und nun, Dr. Rostew, was haben Sie mir zu sagen?" forschte die Fürstin Golkowitsch, nachdem Olga den Salon verlassen hatte. Sie hatte sich einen Platz w einem Fauteuil gewählt, in dem sie, wie hingegossen, ruhte. Die tiefrote Seide ließ ihre schlanke, noch immer mädchenhafte Gestalt Plastisch hervortreten.
„Meiner demütigen Erkundigung nach Earer Durchlaucht Wohlbefinden galt zunächst mein heutiger Besuch!" Er sagte die Salouphrase mit einer Gewandtheit, als ob tu der Tat nichts anderes seine Anwesenheit herbeigeführt hätte. Aber die Fürstin durchschaute ihn ohne Weiteres.
„Ich danke Ihne», Dr. Rostew," war ihre kühle Antwort. „Und nun haben Sie Wohl die Freundlichkeit, die Maske fallen zu lassen und mir mitzuteilen, was Sie von mir in Wahrheit beanspruchen. Daß in Sachen unseres Bundes meine Anschauungen von den Ihrigen abweichen, wissen Sie, ich gehe meine Wege, gehen Sie die Ihrigen und einigen wir uns beim Ziele, so soll es mich freuen. Ich warte diese Stunde ab I"
Dr. Rostew hatte sich erhoben, mühsam verhalten glitt sein Blick über ihre schlanke, hoheitsvolle Gestalt: „Durchlaucht mögen warten können, aber ob der Chef der Petersburger Geheimpolizei, ob Karlowin noch lauge warten wird, das dürfte weniger bestimmt zu beantworten sein. Und wartet er nicht, so heißt der Spruch Sibirien!" Mit grausamer, mitleidsloser Stimme hatte er das ausgesprochen, er sah Wohl, wie Marfa trotz ihrer Selbstbeherrschung in diesem Moment wankte. Schnell sprang er auf und unterstützte sie, und die Fürstin mußte es sich trotz ihrer Geistesgegenwart gefallen lassen.
„Was wollen Sie damit sagen?" fragte sie endlich.
„Nichts Besonderes weiter. Nur das, was ich tatsächlich ausgesprochen," versetzte er. „Wir haben erfahren,
was in Petersburg sich vorbereitet, und zur Warnung vor den möglichen Folgen bin ich erschienen."
„Ich habe nichts mehr mit Ihren finsteren Plänen zu tun," erwiderte Marfa, die trotz der festen Worte wieder ein Angstschauer überflog. Rostew trat dicht au sie heran, er ließ jetzt die äußere Form der etikettemäßigen Anrede fallen, wo er sich, wie er meinte, nahe seinem Ziele wähnte. „Marfa, erinnern Sie sich daran, was Sie selbst vor mir in Gegenwart Karow's sagten, daß Sie auch bei der Erkenntnis von Ihren eigenen Plänen durch Karlowin's Polizei die Reise nach Sibirien autreten müßten I"
Sie schauderte zusammen, sie dachte au die anmutige Stieftochter, mit der sie erst in den letzten Wochen sich so recht verbunden gefühlt. Dann kam ihr ein eigener Gedanke.
„Und um mir alle diese unerquicklichen Dinge zu sagen, find Sie extra aus Warschau hier heraus gekommen, Dr. Rostew?"
„Ich wollte Sie doch warnen," stotterte er unter ihrem durchbohrenden Blick.
„Wer hat Sie zu dieser Warnung veranlaßt?" klang die strenge Gegenfrage zurück. Ju dem Ton ihrer Stimme lag ein solches Mißtrauen, daß seine ohnehin schon mühsam behauptete Selbstbeherrschung total zu schwinden begann.
„Meine Ergebenheit I" Mit einem Schrei brach es aus seiner Brust. Er hatte Wohl das Wort „Liebe" gebrauchen wollen, aber der Ton sagte dasselbe. Mit einem ihrer nicht wiederzugebenden Blicke schaute Marfa Golko- witsch ihn an.
„ Ach, die Ergebenheit Feodor Rostew's I" Ein beißender Hohn lag in ihren Worten, als sie fortfuhr: „Ja, Ihre Ergebenheit kenne ich seit jener Eiseubahnfahrt in Frankreich so recht genau, als ich den ergebenen, treuen Rostew mit dem Revolver in der Hand die Pflichten der einfachsten Höflichkeit einer Dame gegenüber lehren mußte.