Jerusprecher Nr. U.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

Bestellpreis für das Merteljahr im Bezirk u. Nachbarortsverkehr Mk. 1.15, außerhalb Mk. 1L5.

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Einrückungs-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmal je 6 Pfg., auswärts je 8 Pfg., die ein­spaltige Zeile oder Heren Raum.

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Mr. ISS.

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Sonntag, 6. August.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1905.

Amtliches.

Das k. Oberamt macht bekannt: Der bayerische und der deutsche Automobilklub beabsichtigen aus Anlaß der Konkurrenz für den sog. Herkomerpreis in der Zeit vom 14.16. Aug. d. I. von München aus eine 3tägige Rundtour durch Süddeutschland za veranstal­ten. Am Montag den 14. Aug. sollen auf der Strecke MünchenBaden-Baden, Herrenberg um 1 Uhr nachmit­tags, Nagold 1.30 Uhr, Alten steig 2 Uhr und Freu- deustadt 3.15 Uhr, Landesgrenze um 4 Uhr und sonach im Bezirk Nagold die Straße von Herreuberg nach Nagold, die Straße von Nagold nach Altensteig und die Straße von Altensteig nach SpielbergPfalzgrafenweiler durch­fahren werden. Au der Fahrt werden sich etwa 100 Mo­torfahrzeuge beteiligen.

Firsrnkirer^h rrnd Derrt-Hl«rnd

(Nachdruck verboten.)

Wenn der August heranrückt, der die Jahrestage der Schlachten von Weißenburg, Wörth, Spichem, Colombey, Mars-la-Tour, Gravelotte und Beaumout bringt, daun be­mächtigt sich der Franzosen, obwohl jene großen Ereignisse nun schon 35 Jahre zurückliegen, eine unbezähmbare Er­regung, dann verlangen Millionen nach der Versicherung von autoritativer Stelle, daß Frankreich nicht vergessen habe und nicht vergessen werde, dann mußten alljährlich auch die Mitglieder besonnener Regierungen einmal gehörig mit dem Säbel rasseln. Es scheint, daß man in diesem Jahre zum ersten Male eine Ausnahme von der Regel machen will. Der Kriegsminister und ehemalige Börsenmakler Verteaux hat die Augustperiode mit einer Friedensrede eingeleitet, und es ist immerhin nicht unwahrscheinlich, daß dieses Thema fortgesponuen wird. Eine Konzession hat mau dagegen dem Volksbedürfnis machen zu müssen geglaubt: Die der Re­gierung nahe stehenden Pariser Organe schimpfen wieder weidlich über die deutsche Marokko-Politik und reden von neuerlichen Spannungen, Konflikten und Krisen.

Da diese Auslassungen absolut unbegründet find, so kann man sie sich schlechterdings nur als die Folge der Verwirrung der Köpfe und der Erregung der Gemüter in der Augustperiode vorstellen. Ueber die Bedeutung der Björköer Begegnung ist die französische Regierung von Petersburger Seite vollständig aufgeklärt und beruhigt wor­den, es wäre ihr also ein leichtes, beschwichtigend auf die ihr nahe stehende Presse eiuzuwirken. Allerdings, wer in Frankreich dem Plane einer rusfisch-englisch.frauzöfischen Ko­alition zur Vernichtung Deutschlands nachgehangen hatte, der mußte sich, seit dem Tage von Björkö sagen, daß er ein Traumbild verfolgte. Auch die Gerüchte von einer an­geblich beabsichtigten Schließung der Ostsee durch den deut­

schen Kaiser kommen als erregendes Moment für Frankreich wenig in Betracht; in diesem Kampfe gegen Windmühleu- flügel tummelte doch fast ausschließlich England seine Rost- »ante, Frankreich blieb ruhig. Die Marokkofrage selbst aber gibt den Franzosen keinerlei Anlaß zu Vorwürfen gegen die deutsche Reichspolitik.

Den Pariser Regierungsorganen ist es nur unter voll­ständiger Verkehrung der Tatsachen möglich gewesen, den Eindruck hervorzurufen, als verschleppe Deutschland die marokkanische Angelegenheit. Deutschland verschleppte nichts, sondern wartete auf Frankreichs Memorandum über das der Konferenz vorzulegevde Reformprogramm. Deutschland tritt auch den französischen Wünschen bezüglich des Konferenz­ortes in keiner Weise entgegen und denkt nicht im Traume daran, Spanien gegen Frankreichs Wünsche einzuuehmen. Auch der Versuch der Pariser Regieruugsorgaue, der deut­schen Reichsregierung aus der Ueberweisuug der Hafenbauten in Tanger einen Strick zu drehen, ist entschieden zurückzu- weisen. Bei seinem vorherrschenden Einfluß in Marokko könnte Deutschland mancherlei Konzessionen zu Bauten und sonstigen Anlagen erhalten. Es ist aber viel zu loyal, um seine Chancen auszunützeu. Die Konkurrenz um die Hafenbauteu in Tanger aber war schon im Gange, bevor noch das deutsch-französische Marokko-Abkommen geschlossen worden war. Und was endlich die Pariser Sensations­meldungen betrifft, Präsident Roosevelt habe seine Dienste zur Beilegung der neuerlichen akuten Krise zwischen Deutsch­land und Frankreich angeboren, so ist von halbamtlicher Seite unzweifelhaft festgestellt worden, daß eine Krise abso­lut nicht vorhanden ist. In der gegenwärtigen unruhigen Zeit liegt zu einer neuen Beunruhigung wegen Marokkos für uns keinerlei Anlaß vor. Die derzeitigen kleinen Mätz­chen Frankreichs erklären sich durch die höhere Gewalt der Augusttage.

Tagespolitik.

DieKöln. Volksztg." macht darauf auimerksam, daß die neue Truppensendung nach Südwest­afrika, die am 29. Juli von Hamburg abging, wieder eine Verletzung des Budgetrechts bedeutet, da es sich nicht um eine Ausfüllung von Lücken, sondern nach den Zeitungsmeldungeu um eine Verstärkung der Kampf­kraft der Truppen handeln soll. Treffe diese Meldung zu, so sei wieder eine grobe Verletzung des Budgctrechts des Reichstags begangen worden. Unter keinem Titel habe derselbe den verbündeten Regierungen die Vollmacht gege­ben, ohne weiteres Verstärkungen in das Aufstandsgebiet abzusenden; kraft Artikel 60 der Reichsoerfassung und des Etatsgesetzes für die Schutzgebiete von 1892 müssen alle Ausgaben erst durch den Reichstag genehmigt werden. Dies

ist jedoch nicht geschehen für die Verstärkung der Schutz­truppe. Die Verletzung deS Budgetrechts sei somit eine ganz offene, und sie ist um so schwerer zu nehmen, als ihr diesmal nicht entschuldigende Gründe zur Seite stehen; die Regierung konnte für diese Leute ganz gut einen Etat ausarbei­ten ; man kennt jetzt ziemlich genau die Kosten für jeden ein­zelnen Mann. Es liege somit in dieser Budgetrechtsver- letzavg eine sehr starke Herausforderung des Reichstages. Das Zeutrumsblatt weist sodann auf das Bedenkliche hin, daß so oft nachträglich die Indemnität uachzusuchen ist. Die Indemnität soll eine höchst seltene Ausnahme sein; die ReichSverfafsung kennt sie überhaupt nicht; diese fordert rundweg erst Genehmigung durch den Reichstag. Die Ver­fassung ist also verletzt. Wenn es aber mit den Gesuchen um Indemnität so weiter gehe, verlieren diese allen Wert und alle Bedeutung, die Indemnität werde zur Regel, die Verfassung zur Ausnahme. Jetzt haben wir in fünfjähriger Kanzlerschaft schon die dritte Verfassungsverletzung. Das Blatt rät, um die Berfassuugsverletzung möglichst bald aus der Welt zu schaffen, zur alsbaldigen Einberufung des Reichstages zu einer kurzen Session. In einem Nachtrags­etat müsse sofort um Indemnität uachgesucht werden.

» *

Die deutschfeindliche Stimmung in Ja­pan schlägt um.Jijt", ein Blatt, das uns oft genug Bitteres gesagt hat, schrieb nach dem Siege über Roschdjest- weuskis Flotte:Wenn wir nach den Gründen fragen, warum Japan zu einer solchen Stellung unter den Kultur- mächten emporsteigen konnte, so müssen wir sagen, daß wir Deutschland den größten Dank schulden. Nur eine Stimme herrscht darüber, daß es die vorzügliche deutsche Unterwei­sung gewesen ist, die unser Heer zu seiner heutigen Voll­kommenheit gebracht hat. Wenn unser Heer sich auf dieser Höhe der Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit erhalten will, so wird es auch in Zukunft auf Deutschland blicken müssen, das anerkanntermaßen uns noch weit voraus ist. Mögen die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland immer freundschaftlicher werden!"

* -I- *

In japanischen Volkskreis en glaubt man nicht, daß die Friedens-Delegierten zu einem befriedigenden Resultat kommen werden. Japan müsse auf seinen Haupt­bedingungen bestehen und eventuell seine Flotte nach Europa senden, um seinen Forderungen durch eine derartige Demon­stration Nachdruck zu verleihen.

* *

Die ChiuesenhabendenBoykott über ameri­kanische Waren verhängt. In Schanghai finden große Demonstrationen gegen Amerika statt. In einer Versamm­lung, an der sich etwa 1500 Chinesen, darunter die Vor­steher und Delegierten aller großen Gilden, beteiligten, wurde

L e ( e f r rr ch t. M

Langsam gehe dir die Freundin Entschließung zur Seite; Eilt sie voran, so holt bald auch die Reue sie ein.

Der rote Diamant.

Von Leopold Sturm.

(Fortsetzung.)

WenuAllesso, wiefrüher gewesen wäre, so wäre die Fürstin Marfa dem einfachen deutschen Arbeiter Wohl nur als vornehme Dame erschienen; ihre jetzige Einsamkeit ließ die Fürstin der fremden Familie ein freundliches Interesse widmen, das bei ihrer Stieftochter noch deutlicher hervortrat. Die beiden hübschen Kinder Strecker's, die so drollig ihr deutsch-franzö­sisch plapperten, hatten es ihr angetan, und da Prinzessin Olga auch etwas deutsch sprach, die französische Sprache aber, wie alle vornehmen Russen geläufig beherrschte, so war die Verständigung sehr einfach. Olga hätte die Mutter der beiden Kleinen, Frau Marie Strecker, die in einer guten deutschen Familie in Paris ja verschiedene Jahre tätig ge­wesen war, am liebsten für ihren persönlichen Dienst behal­ten, aber Frau Marie hatte sich ihrem Manne und den Kin­dern zu widmen. Immerhin lebten sie in Golkowo ganz außerordentlich angenehm, und die Mutter lächelte oft selbst verwundert vor sich hin, wenn sie sah, wie die junge Prin­zessin sich mit den Kindern beschäftigte, so liebevoll und lustig, als wären es Angehörige der eigenen Familie gewesen.

Adolf Strecker fand auf Schloß Golkowo einen weit- ausgedehnten Wirkungskreis. Er mußte sich sogar einen Polnischen Gehilfen annehmen, um auf dem großen Besitz­tum Alles, was in sein Fach schlug, in Ordnung zu bringen. Freilich um kunstvollere Tätigkeit, wie er sie aus Paris her gewöhnt war, handelte es sich zunächst nicht, das war mehr Handwerks-Arbeit. Doch er tat sie gern, und auch wichti­

gere Beschäftigung fehlte schließlich nicht, als ihm die Für­stin einmal von ihrem verstorbenen Gemahl gesammelte wert­volle Stücke zur Durchsicht überwies. So war der junge Deutsche sehr zufrieden, die Güte der Prinzessin Olga gegen Frau und Kinder packte ihn so, daß er zn seiner Frau mehr als einmal sagte, wenn es sein müßte, ginge er nicht einmal, sondern zehnmal für die junge Dame durch's Feuer.

Ab und zn gedachte er auch der merkwürdigen Unter­redung, die er vor seiner Abreise aus Paris mit dem Po­lizeikommissar Jamin gehabt. Er hatte den ihm von dem französischen Beamten genannten Namen des Mannes, an welchen er sich in kritischer Lebenslage in Rußland wenden solle, nicht vergessen. Karlowin I Wie konnte der vertrau­ende Deutsche daran denken, daß es der Name des gefürch­teten neuen Chefs der Geheimpolizei sei? So viel verstand er von der Landessprache nicht, um in dieser geschriebene Zeitungen zu lesen, und im Gespräch fiel dieser Name nir­gendwo. Man hütete sich weislich, über einen Mann zu sprechen, der ein ganzes Heer von Spionen^und Geheimpo­lizisten zur Verfügung hatte. Ein unbefangenes Wort konnte im Nu entstellt einer verhängnisvollen Stelle berichtet werden.

Als es Strecker so gut ging in Golkowo, viel besser, als er zu hoffen gewagt, hatte er mit seiner Frau darüber gesprochen, ob es eigentlich nicht seine Pflicht sei, der Für­stin von dieser Sache Mitteilung zu machen. Aber da­rin kamen beide schließlich überein, was gingen die vornehme, hohe Dame solche Angelegenheiten eines Arbeiters an, und dann hatte Kommissar Jamin in Parts doch selbst gesagt, er solle von Karlowin nur zu Behörden reden, da sei er doch sicher, daß nichts geschehen köane. Und hier in Gol­kowo war ja Alles ganz ruhig und still !

Es war ruhig und still. Aber bald sollte der ehrliche Deutsche merken, auf einem wie heiße» Boden er sich befand.

Adolf Strecker war im Arbeitszimmer der Fürstin in Golkowo beschäftigt, das Türschloß, welches eine plötzliche

- auffallende Neigung zum Versagen zeigte, wieder in Stand ? bringen, als er durch das Fenster bemerkte, wie ein schlan- ! ker Herr mit schwarzem Haar und Bart, der vom Pförtner respektvoll bei seinem Eintritt in den Schloßhof begrüßt war, auf das Schloß selbst zukam, auch dort von den Dienern unterwürfig begrüßt. Es war Feodor Rostcw, der früher ! so oft Gast der Fürstin gewesen war, daß sein heutiges Er­scheinen trotz der laugen Abwesenheit Niemand in Golkowo in Erstaunen setzte. Da die Fürstin mit ihrer Stieftochter auf einem Besuch in der Nachbarschaft begriffen war, ließ man Rostew, der sich bereit erklärt hatte, warten zu wollen, in den Salon eintreteu, und Strecker war daher nicht wenig überrascht, als plötzlich der Fremde in der vom Salon in das Arbeitszimmer führenden Tür erschien.

Dem Deutschen war bei seiner emsigen Arbeit ausgefal­len, daß daS Türschloß zum Arbeitszimmer Spuren, freilich nur bei schärfster Aufmerksamkeit erkennbare Zeichen, von Versuchen aufwies, es mit einem Nachschlüssel zu öffnen. Was hat das zu bedeuten? Er hatte sich gerade vorgenom­men, hier ein besonderes Kunstschloß auzubriagen, als der Fremde erschien. Der Haushofmeister, der ihn bis in den Sa­lon geleitet, hatte sich wieder entfernt.

Rostew und Strecker sahen einander mit scharfen Blicken an, als argwöhnten sie Jeder in dem Anderen einen Men­schen, auf den genau zu achten sei, dann sprach der Deutsche i einen höflichen Gruß in französischer Sprache. Rostew dankte ebenso.

? Nachlässig sagte er, indem er in dem Gemach auf und ! abging, daß er die Fürstin erwarte, und fuhr dann fort: kIch bin mehrere Jahre Sekretär der Fürstin und auch ! fpäter häufig als Gast im Schloß Golkowo gewesen, habe Sie aber niemals gesehen. Sie find noch nicht lauge im > Dienst der Frau Fürstin?"

! Diese Worte erstickten das aufglimmende Mißtrauen des deutschen Mechanikers. In höflichen Worten erzählt