? Reichenbach i. Bogt!.. 12. Febr. Heute vormittag hat sich eine furchtbare Bluttat im Stadtteile Ober- Reichenbach zugetragen. Der dort wohnende Korb­machergehilfe Dillinger ermordete seine Familie, fünf Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren. Die Reichen wurden in den Betten mit Schußwunden in den Köpfen aufgefunden. Dillinger wurde bei der Arbeit festgenommen, er gestand die Tat ein. Er hatte noch einen Revolver mit Patronen bei sich. Die Reichen wurden ins Krankenhaus gebracht. Bei der Ueberführung gab das jüngste Kind noch schwache Lebenszeichen von sich. Die Ursache der Tat ist noch nicht ermittelt.

Liegnitz, 12. Febr. Die Pockenerkrankungen grei­sen weiter um sich. Die Blättermeldung, daß das ganze Grenadierregiment Nr. 7 geimpft worden sei, ist unzutreffend. Nur die Unteroffiziere wurden einer Schutzimpfung unterzogen, auch alle städtischen Beamten wurden geimpft, weil einer der Neuer- trankten vor einigen Tagen noch im Rathaus zu tun hatte. Da die von den Pocken Befallenen die Krankheit einige Zeit verheimlicht haben, wird eine Ausdehnung des Krankheitsherdes befürchtet.

Stadt und Bezirk.

H Creditbauk für Landwirtschaft und Gewerbe. Unter dem Vorsitze ihres Direktors Gg. Wagner, Fabrikant hier, hat die Creditbank für Landwirt­schaft und Gewerbe, E. G. m. b. H., letzten Sonntag ihre jährliche Generalversammlung imWaldhorn" hier abgehalten, welche zahlreich besucht war. Nach der üblichen Begrüßung der Versammlung durch den Vorsitzenden gedachte dieser des im letzten Jahr verstorbene»' Aufsichtsratsmitgliedes Carl Herzog, Kauimänn hier, zu dessen Ehren sich die anwesen­den Genossen von ihren Sitzen erhoben. Aus dem allgemeinen Bericht über das Erwerbs- und Wirt­schaftsleben des verflossenen Jahres geht folgendes hervor: Obwohl der politische Horizont längere Zeit mit Wetterwolken bedeckt war, ist der Geschäftsgang in Gewerbe, Handel und Industrie nicht ungünstig gewesen. Die schon in den Vorjahren begonnene Äufwärtsbewegung har weitere Fortschritte gemacht, fast alle Handwerker sind das ganze Jahr hindurch gut beschäftigt gewesen und hatten wohl auch loh­nenden Verdienst. Schlimmer war es um die Land­wirtschaft bestellt. Aus die günstige Frühjahrswitte­rung mit der reichen Heuernte folgte in der zweiten Jahreshälfte eine sehr lange Trockenperiode mit magerer Oehmdernte und großem Ausfall in den Futterpflanzen. Die Körnererträgnisse lieferten zwar eine gute Qualität. Dagegen ließ die Quan­tität manche Hoffnung unerfüllt, die Obsternte war äußerst bescheiden, außerdem hat die Maul- und Klauenseuche, welche fast das ganze Jahr grassierte, sehr ungünstig gewirkt. Wenn auch der Landmann manche Hoffnung hat zu Grabe tragen müssen, so hat der trockene Jahrgang glücklicherweise zu einem eigentlichen Notstand in der Landwirtschaft nicht ge­führt. Unter den geschilderten Erwerbsverhältnis- sen konnte es nicht ausbleiben, daß auch der Bank­verkehr ein recht lebhafter und günstiger geworden ist. Der Bank ist das ganze Jahr über viel Geld zugeflossen, sodaß die große Nachfrage nach Geld stets mit sog. eigenen Betriebsmitteln befriedigt werden konnte. Die neue Finanzpolitik der Reichsbank dürfte sich bewährt haben; insbesondere hat sich im Herbst v. I. als infolge politischer Unruhen vieles französisches Kapital dem deutschen Markte entzogen wurde, gezeigt, daß der letztere auch größeren An­stürmen ohne fremde Hilfe gewachsen ist. Auf fast allen Eonti der Genossenschaftsbank hat im abge­laufenen Jahr ein sehr großer Umsatz stattgefunden; iiberdies haben sich die Gesamtsummen der einzelnen Conti dem Vorjahr gegenüber wesentlich gesteigert. Die Totalsumme der Bilanz alle Conti zusam­mengerechnet beträgt rund 1 366 060 Mk. gegen­über dem Vorjahr mehr 123 000 Mk.; vor 10 Jah­ren betrug die Totalsumme 631 000 Mk.; sie hat also in diesem Zeitraum sich mehr als verdoppelt, gewiß eine schöne Entwicklung, welche wohl auch zu einem Teil auf das kulante und billige Eeschäftsgebahren der Bank zurückzuführen ist. Der Genossenschafts­bank gehören jetzt 1120 Mitglieder an; gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von 31. Das Ergebnis des genossenschaftlichen Geldbetriebes ist ein sehr günstiges, denn der erzielte Reingewinn beträgt 28 l>06 Mk. 41 Pfg. Nachdem Kassier E b er­st a r d t den detaillierten Rechenschaftsbericht vorge­tragen und der Vorsitzende des Aussichtsrats, Ober­amtspfleger Fechter, über die Tätigkeit des letz­teren berichtet hatte, wurden die Vorschläge über die Verteilung des erzielten Reingewinns von der Versammlung ohne Debatte angenommen, sowie dem Vorstand Entlastung erteilt. Hiernach erhält der Reservefonds 2944 Mk., der Spezialreserverfonds 4458,89 Mk. zugeführt; am Hauskonto werden ab­geschrieben 1118,07 Mk.; restlicher Buchwert alsdann 24 000 Mk. Als Dividende kommen zur Verteilung 5b» Prozent mit 16 322 Mk., der Rest mit 3762,50 Mk. wird auf neue Rechnung vorgetragen. Die Re-

seroemittel betragen jetzt im ganzen 88 400 Mk.; sie decken 27 Prozent der Mitglieder-Einlagen. Die turnusgemäß ausgeschiedenen Mitglieder des Auf­sichtsrats: H. Marquardt. Konditor, Thr. Schöning, z. Hirsch, und Fr. Schön len sen. wurden auf zwei Jahre wiedergewählt. An Stelle des verstorbenen Carl Herzog. Kaufmann, wurde durch Stimmenmehrheit als Ersatzmann in den Auf- sichtsrat berufen: P. Adolfs sen. hier.

I-. Die deutsche Neichsschuld. Nach der Denkschrift des Reichsschatzsekretärs betrug die deutsche Reichs­schuld am 30. September 1911 4 888,66 Mill. Mark, und zwar einschließlich 25 Mill. Mark unverzins­licher Schatzanweisungen. An offenen Krediten waren damals verfügbar 292,93 Mill. Mark. Aus den Tilgungsfonds sind angekauft worden für Rech­nung des Jahres 1910 81,49 Mill. Mark Schuld­verschreibungen und für Rechnung des Jahres 1911 (also vom 1. April bis 30. September) 52,25 Mill. Mark Schuldverschreibungen von meist 3prozentigem Typus. Eine Schuldenlast von beinahe 5 Milliarden Mark, wer denkt da nicht an das geflügelte Wort Franz Moors:Lieber Gott, ich habe mich nie mit Kleinigkeiten abgegeben."

Herrenberg, 12. Febr. Kaum ist der geisteskranke Sachbeschüdiger in Sicherheit gebracht, da mußte gegen einen anderen gefährlichen Mann in Gär- tringen eingeschritten und ihm der Revolver abge­nommen werden, ehe weiteres Unheil geschieht.

Herrenberg, 12. Febr. Am Samstag abend ent­fernte sich von Schwennigen, wo er herstammt, der achtzehnjährige Kaufmannslehrling Haller von seinen Eltern und fuhr mit der Bahn nach Herrenberg, anscheinend um seine hier sich auf­haltende Geliebte zu besuchen. Da er aber schon öfter Selbstmordgedanken geäußert hat, traute ihm sein Vater nicht und fuhr ihm nach. Nach kurzem Zusammensein am Sonntag, wobei die Rückkehr ver­abredet wurde, ging der Sohn kurze Zeit weg, um in einem Nachbarhaus seinen Ueberzieher zu holen. Auf dem Rückweg, mitten auf der Straße, schoß er sich jedoch eine Kugel in das Herz, die den sofortigen Tod herbeiführte. Ueber die näheren Umstünde wird berichtet, daß der junge Mann über die Vor­stellungen seines Vaters derart in Aufregung geriet, daß er ihn mit dem Revolver bedrohte. Hierauf ging der Bursche auf eine hinter dem Gärtner Maqerschen Hause gelegene Wiese und gab mehrere Schüsse ab. Landjäger Janke eilte hinzu und ver­bot das Schießen, worauf der Bursche einen Schuß üuf den Landjäger abgab, der glücklicherweise durch eine rasche Wendung des letzteren nicht traf. Nun drehte sich der Bursche um und schoß sich direkt ins Herz, was seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Die Leiche wurde in die Leichenhalle des Bezirks­krankenhauses und seine noch nicht 16 Jahre alte Geliebte in das Amtsgericht zur Vernehmung ge­bracht.

Neuenbürg, 12. Febr. In Feldrennach ist gestern im Gasthof zur Krone Feuer ausgebrochen, dem das ganze Anwesen zum Opfer fiel. Die Entstehungs­ursache des Brandes ist noch unbekannt. Der Scha­den wird auf 25 000 Mk. geschätzt.

Württemberg.

Aus den Kommissionen.

Der Ausschuß zur Beratung eines Entwurfes eines Ausfllhrungsgesetzes zur Reichsversicherungs­ordnung beriet heute den 3. Abschnitt betr. die Land­wirtschaftliche Unfallversicherung. Der Berichterstat­ter, Abg. Felger, brachte in der der Spezialberatung vorausgegangenen kurzen Generaldebatte folgende Resolutionen ein: 1. Die Zweite Kammer ersucht die K. Regierung auf Zusammenlegung der landwirt- schaftlichne Berufsgenossenschaften zu einer einheit­lichen Genossenschaft in geeigneter Weise hinzuwir­ken. 2. Die Zweite Kammer wünscht den Beitritt der Staatsforstoerwallung zu den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und ersucht die K. Regierung, diese herbeizuführen . Für die Annahme dieser Re­solutionen sprachen die Abg. Böhm, Andre, Maier- Rottweil und Schaible, Staatsminister v. Pischek machte geltend, daß es zweckmäßig erscheine, die Sache zu vertagen bis der Finanzminister an den Beratun-. gen teilnehmen könne. Als Finanzminister v. Eeß- ler erschienen war, bemerkte dieser, daß in Rücksicht auf die finanzielle Seite er zu einer klaren Stellung­nahme heute noch nicht kommen könne und die wei­tere Beratung und Beschlußfassung über die beiden Resolutionen wurde ausgesetzt. Dagegen wurde fol­gende Resolution, welche von Abgeordneten sämtli­cher Parteien unterzeichnet war, einstimmig ange­nommen; sie lautet:Die K. Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, daß alle landwirtschaftlichen Be­rufsgenossenschaften die Versicherung der Unterneh­mer und ihrer Ehegatten auf die landwirtschaftliche Tätigkeit erstrecken". Die Resolution richtet sich hauptsächlich gegen die landwirtschaftlichen Berufs- genosfenschaften im Neckarkreis, weil diese seither hauswirtschaftliche Betriebsunfälle nicht entschädigte.

Hierauf kam eine Eingabe derVereinigung selbstän­diger Gärtner Württembergs" zur Sprache und es traten die Abg. Böhm, Andre und Mattutat für meh­rere der darin gestellten Forderungen ein . Auch Staatsminister v. Pischek hält einzelne Forderungen für beachtenswert und wünscht, daß bei der Beratung einzelner Artikel darauf zurückgekommen werden möchte. In der Spezialberatung wurde dem Art. 6 noch folgender Abs. 3 angefügt: Für die nach Abs. 1 zu gewährenden Leistungen gelten die Vorschriften über die Leistungen der Krankenversicherung (1551 der R.-.-O.). Der Art 7 wurde debattelos geneh­migt. Da die Eärtnervereinigung in ihrer Eingabe auf eine zu bildende Gärtnereiberufsgenossenschaft fürs ganze deutsche Reichsgebiet Bezug genommen hatte, wurde zu Art. 8 ein Abs. 2 beschlössen, der fol­gendermaßen lautet:Soweit es sich um landwirt­schaftliche Betriebe handelt, die über das Landesge­biet hinausreichenden Berufsgenossenschaften ange­hören, hat es bei den Vorschriften der R.-V.-O. sein Bewenden". Die württ. Gärtner können also, wenn eine eigene Gürtnereiberufsgenossenschaft ersteht, aus den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften aus- und ohne Weiterungen der ersteren beitreten. Die Art. 9, 10, 11 und 12 fanden in der Fassung des Regierungsentwurfes Annahme. Bei der Beratung des letzteren Artikels wurde insbesondere der Wunsch laut, es möchten auch die landwirtschaftlichen Be­rufsgenossenschaften, wie es mit Ausnahme von Meck­lenburg im ganzen deutschen Reiche geschehen ist, Un­fallverhütungsvorschriften erlassen. Art. 13 fand nach kürzerer Debatte gleichfalls einstimmige An­nahme. Bei Art. 14 beantragte der Abg. v. Gauß, den Abs. 4 in Wegfall kommen zu lassen, was ein­mütig gutgeheißen wurde. Bei Art. 15 sprach sich der Berichterstatetr Felger gegen den Wunsch der Gürtnervereinigung, der dahin ging, es möge die Zahl der gärtnerischen Mitglieder in der landwirt­schaftlichen Berufsgenossenschaft durch Satzung sestge- legt und den Gärtnern ein abweichendes Wahlrecht' eingeräumt werden, aus. Ein das gleiche Ziel ver­folgender Antrag des Berichterstatters fand, nachdem auch der staatsminister sich im gleichen Sinne ge­äußert hatte, Annahme. Die an den Art. 15 sich an­schließende Wahlordnung derGenossenschaftsversamm- lung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften kommt erst am nächsten Dienstag zur Beratung. Die Art. 16, 17, 18 und 19 fanden nach kürzerer Debatte Annahme. Nächste Sitzung: Dienstag nachmittaa 3 Uhr.

Freudenstadt, 12. Febr. Die Staatsfinanzver­waltung hat in dem Rechtsstreit mit der Stadtge­meinde Freudenstadt wegen deren Verpflichtung zur Stellung und Unterhaltung von Schullokalen für die Mädchenmittelschule ein obsiegendes Urteil er­zielt, weil diese eine höhere Schulgattung bedeutet. Die Stadt hat Berufung eingelegt.

Hall, 12. Febr. Gestern nachmittag hat der 15 jährige Fabrikarbeiter Däubler den 16jährigen Schreinersohn Brellochs, gleichfalls von hier, aus Fahrlässigkeit erschossen. Die Kugel drang Brellochs in den Kopf, der Tod trat auf der Stelle ein.

Gaildorf, 12. Febr. Auf der Straße Bröckingen- Gaildors wurde gestern ein 20jähriges Mädchen von einem unbekannten Burschen angefallen und zu ver­gewaltigen versucht. Dem Mädchen gelang es, sich loszureißen und zu entfliehen. Der Täter ist noch unbekannt.

Tübingen, 13. Febr. Der Bau des neuen Kasi­nos ist bereits in Angriff genommen worden. Das Kasino wird bekanntlich in prächtiger Lage zwischen Neckar und Steinlachmündung erstellt. Der Kosten­voranschlag beläuft sich auf 91 500 Mk.

Ebingen, 12. Febr. Unter der Aufsicht des Forst- warts Wintterle wurde im Walde Ealthauswald eine Buche gefällt. Ein Windstoß leitete den fal­lenden Stamm von der für ihn bestimmten Luft­bahn ab und nahm seine Richtung gegen Wintterle. Durch liegende Hochstämme eingeengt, war es ihm nicht möglich, sich zu retten. Der fallende Baum traf ihn seitlich über den Kopf, zerquetschte ihm die rechte Achsel und schlug ihm einige Rivven ein. Wintterle wurde bewußtlos unter dem Stamm her­vorgezogen. Der herbeigerufene Arzt brachte den Verletzten mittels Auto in dessen Wohnung.

ranätvsttschaltl. Semk8velein.

Am Sonntag, den 18. Febr., nachmittags 2 Uhr, findet im Gasthof zumHirsch" in Gechingen eine Ver­sammlung statt, in der Herr Landwirtschaftslehrer Kreh aus Leonberg einen Borttag über

Ziegenhattung und Ziegenzucht

halten wird.

Jedermann ist hiezu freundlichst eingeladen.

Calw, den 9. Februar 1912.

Bereinsvorstand:

Regierungsrat Binder.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.