Jervsprecher

M. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast«.

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Dienstag, 20. Juni.

««ttiches.

Zur Bewerbung ist im St.-A. ausgeschrieben die 2. bezw. 4. Schulstelle zu Alten steig, mit welcher der Nor­malgehalt und bei der 2. Stelle eine Ortszulage von 150 ML, bei der 4. Stelle eine persönliche Zulage von 100 Mk. neben freier Wohnung, unter Umständen 300 Mk. Met- zinsentschädiguug verbunden ist. Dem 2., bezw. im Falle des Vorrückens dem 4. Lehrer, soll der Organisten- und Kautorendieuft und die Leitung des Kircheuchors mit der Belohnung vou 200 Mk. übertragen und eine Mittelklasse mit Abteiluugsuuterricht zugeteilt werden.

Tagespolitik.

Reichstagsdiäteu? Die Frage der Gewährung von Diäten an die Reichstagsabgeordoeteu ist so alt wie der Reichstag selbst. Es ist in den drei Dutzend Jahren auch kein einziges vergangen, in dem die Forderung nach einer Schadloshaltuug der Volksvertreter nicht erhoben wor­den wäre. Jetzt soll die Angelegenheit ihrer Erledigung endlich einen Schritt näher gerückt sei«. Wie derVoss. Ztg." gemeldet wird, ist vou einem hervorragenden Mit­glied? der Reichsregierung einzelnen Reichstagsmitgliederu gegenüber gesprächsweise die Ausweisung einer Bauschsumme für die Session unter Fortfall der freien Eisenbahnfahrt der Abgeordneten augeregt worden. Es handelt sich dabei nicht um eine feste Summe, die der Abgeordnete unter allen Um­ständen bezöge, wie in einer Anzahl von Landtagen, son­dern um eiueu Höchstbetrag, bis zu dem der Abgeordnete Anweseuheitsgelder zu erheben hätte. Würde die Session auf fünf Monate veranschlagt, so würde sich der Höchstbetrag, bei 20 Mk. Anwesenheitsgeld für den Tag, auf rund 3000 ML stellen. Darüber hinaus würden keinesfalls Diäten ge­zahlt. Der Fonds wäre erschöpft, und der Rest der Tagung brächte den Abgeordneten keiue Diäten mehr. Aber er könnte auch bis zu dem Betrage von 3000 Mk. Gelder nur nach Maßgabe seiner Anwesenheit im Reichstage erheben, also wenn er selten anwesend war, einen großen Teil der 3000 Mk. verlieren. Man hofft, daß diese Kontingentierung die Beschlußfähigkeit des Reichstags für die ersten 5 Monate der Session sichern und damit eine schnellere Erledigung der Geschäfte und eine Abkürzung der Sessionen bewirken würde.

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Im rheinisch-westfälischen Kohlengebiet regt es sich wieder unter den Bergleuten. Man ist über Maßregelungen und über sonstige angeblich ungerechtfertigte Maßnahmen der Zechenbesitzer erbittert. Auch Lohnstreitig- keiteu find entstanden. So auf der dem Eschweiler Berg­werksverein gehörenden Grube Notberg, deren Arbeiter nach Ablehnung ihrer Lohnforderungen am Samstag über den Eintritt in den Ausstand beschließen wollten.

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Bei dem evangelisch-sozialen Kongreß, der in Hannover tagte, sprach Professor Harnack-Berlin über Arbeiterschutzgesetzgebung und führte aus: Wir wissen, daß es auch noch andere bedrückte Stände gibt. Aber wir find mit unseren Sympathien in erster Linie bei dieser Beweg­ung, weil auf ihr zurzeit der Fortschritt beruht. Darin müssen wir allerdings unseren Gegnern und den Bedenk- lichen recht geben: alles, was in der Form von Fürsorge- gesetzen zum Wohle des einzelnen oder ganzer Klassen ge­schieht, bringt auch einen schweren Schaden mit sich. Ich meine die Gefahr, daß die Tatkraft und die Selbstoerant- wortlichkeit geschädigt, ja gelähmt wird, daß sozusagen eine zweite Vorsehung über die Menschen gespannt wird, die sie erschlaffen läßt. Pfarrer Naumann betonte, die Kirche habe sich nicht um die Parteien der Seelen, zu denen sie redet, zu kümmern. Was uns heute noch fehlt, das ist die religiöse Hochschätzung der Arbeit. (Großer Beifall.) Zwar steht die Wertschätzung der Arbeit iu Widerspruch mit der mittel­alterlich-kirchlichen Auffassung, daß Arbeit Strafe sei. Arbeit ist Gottesdienst! Wer heute Gott sucht, der soll nicht suchen iu den Kammern derer, die sich möglichst von aller Arbeit zurückziehen, sondern man suche ihn dort, wo der große Kampf der Arbeit um das Dasein gekämpft wird. Der alte Gott, der sich früher unter Donner und Blitz auf dem Sinai zeigte, zeigt sich heute dort, wo die Arbeit schafft und braust und donnert. (Großer Beifall.) Bemerkenswert war das Referat des Professors Dr. Sievekiug-Marburg über die Bedeutung der Arbeiterorganisationen für Wirtschaft und Kultur. Sievering führte aus, die Unternehmer sollten die Arbeiterorganisationen nicht los zu werden, sondern sie sollten sich mit ihnen abzufinden suchen. Gewiß können auch die christlichen Gewerkschaften recht unvernünftige Forderungen stellen, allein man lernte bald einander kennen und verstehen

und stellte dann nur noch vernünftige Forderungen. Wenn heute die Sozialdemokratie einen so großen Einfluß auf die Arbeiter habe, so sei daran zum Teil unsere Regierung selbst schuld.: die Schikanen der Polizei seien der eigentliche Nähr­boden der sozialdemokratischen Gesinnung. (Lebhafter Beifall.) In Hamburg sei während des Bäckerstreiks eine Versamm­lung aufgelöst worden, weil jemand über den Leibesumfang der Bäckermeister eine schnodderige Bemerkung gemacht habe. (Große Heiterkeit.) Wir können darüber lachen, aber die Arbeiter, die zusammengekommen waren, um sachlich über ihre Verhältnisse zu verhandeln, lachten nicht, sondern schimpften und wurde« in ihrer sozialdemokratischen Gesinn­ung bestärkt. In der Diskussion wurde lebhaft bedauert, daß große Arbeitgeberverbände von ihren Arbeitern den Austritt aus ihren Organisationen verlangen. Ferner wurde auch der deutschen Justiz an der Verschärfung der Gegen­sätze schuld gegeben. Geheimrat Adolf Wagner erklärte: Ein Bergwerksbesttzer hat während des Streiks gesagt, er könne mit seinem Eigentum machen was er wolle. Mit alten Kleidern mag der Herr das tun, aber nicht mit einem Eigentum von der ungeheuren Bedeutung für das Wirt­schaftsleben, wie es die Kohle ist.«

Auch ins Ssiirmcr

kann bei den wichtigen Ereignissen und ernsten Tages- frageu unserer Zeit

keine Familie

die Zeitung entbehren. Nie drängte sich überall eine solche Mengt weltbewegender politischer Ereignisse, die für Jedermann vou so großer Wichtigkeit find, zu einer Zeit zusammen. Selten ist die Welt so voller Unruhe gewesen, wie jetzt:

die württernbergische Verfaffmrgsreforrn

ist für unser Land vou so großer Bedeutung,

die Kämpfe in Deutsch-Süd Westafrika

haben noch nicht aufgehört,

die marokkanifche Frage

ist für Deutschland von großer Wichtigkeit,

der russisch-japanische Krieg

wird noch manche Üeberraschungen bringen,

die Revolution in Rußland

nimmt immer ernstere Formen an und noch so manche Frage harrt ihrer Erledigung und niemand weiß, wie sich alles entwickeln wird.

Rasch und zuverlässig-W,

berichtet unsere Zeitung über alle Vorkommnisse und die Redaktion ist stets bemüht, den Inhalt so vielseitig und übersichtlich als möglich zu gestalten.

Als unabhängige Bolkszeitung

die keine einseitige Parteipolitik treibt, hat sich unsere Zeitung überall beliebt gemacht und nicht nur i« Oberamt Nagold, sondern auch im Oberamt Freuden­stadt und Calw, sowie Umgebung eingebürgert, wes­halb auch die betr. oberamtlicheu Bekanntmachungen in kurzen Auszügen gebracht werden.

Jeder Familie

die bis jetzt noch nicht im Besitze vonAus den Tannen« ist, sei ein Abonnement auf unsere Zeitung

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bestens empfohlen, die jedem Leser

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sein wird. _

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nehmen alle Postaustalten, Briefträger und Laudpost- boteu entgegen.

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Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angenommen»

> 1906 .

Ueberdeuevaugelisch-sozialenKougreß schreibt dieNordd. Mg. Ztg.«: Der Kongreß scheint sich über die Grenzen, die Religio« und Sittlichkeit vou der Politik zu scheiden, nicht hinreichend klar geworden zu sein. Es ist im hohen Grade bedenklich, wenn über politische Tagesfrageu aus allgemein sittlichen und religiösen Grund­sätzen vom philosophischen Katheder iu so rascher Weise abgeurteilt wird, wie dies in Hannover mehrfach geschah. Das Christentum ist sicherlich bestimmt, einigende und ver­söhnende Momente unter den verschiedenen Klassen und Ständen zu bilden; diese Rolle müßte es aber eiubüßen, wenn mau es, wie es in Hannover der Fall war, zum Parteigänger einseitiger Klasseubestrebuugeu oder gar der Sozialdemokratie machen wollte. Sachlich charakterisiert sich die auf dem Kongreß vorwiegend empfohleae Parteipolitik durch eineu geradezu unheilvollen Optimismus bezüglich der Sozialdemokratie und eiueu nicht minder bedauerlichen Pessi­mismus betreffend unsre heutige Sozialpolitik.

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Die englische Studieugesellschaft, die die Einrichtungen der deutschen Städte studiert, wird am heutigen Montag, nachdem sie Aachen und Köln besucht hat, iu Berlin eintreffen, wo ihr zu Ehren glänzende Fest­lichkeiten stattfiuden werden. Wenn ganz England so dächte, wie die Mitglieder dieses Ausschusses, die auch unserem Kaiser ein ehrerbietiges Huldiguugstelegramm übersandten, dann lohnten sich die Festlichkeiten und die herzlichen Begrüßungs­reden. Aber wir sehen doch fort und fort und jeden Tag, daß die öffentliche Meinung und die Regierung Englands Deutschland zu schaden trachten. Welchen Wert hat es da, ein paar Weiße Raben zu verherrlichen l * » *

VomKaiser der Sahara« erfährt man wieder etwas. Lebaudy beging nach einer Meldung aus Triest dort derartige Ausschreitungen, daß die Behörden die Prüf­ung seines Geisteszustandes veraulaßteu. Lebaudy drohte iu seinem Größenwahn, Triest vonseinen Truppen" be­lagern zu lassen. Der Untersuchung seiues Geisteszustandes entzog er sich durch die Flucht. Pferde, Kamele und Koffer, deren einer die große Staats-Uniform desKaisers der Sahara" barg, ließ er zurück. Er soll sich nach Italien gewandt haben.

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Die innere Krise iu Rußland hat plötzlich eine beängstigendere Gestalt angenommen, als selbst während der Januar-Unruhen. Die herrschende Panik wird charak­terisiert durch die Börsenkurse, die z. B. für Regierungs­lotteriebons 397 Rubel gegen 415 vier Tage vorher no­tierten. Alle anderen Sorgen treten in den Hintergrund gegenüber der großen Erhebung der Industriearbeiter Rußland selbst.

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Was die Reformen in Rußland betrifft, so ist darüber nichts gutes zu berichten. Der Zar hat es ab­gelehnt, die Vertreter des Moskauer Semstwos, die ihn vou der Notwendigkeit einer Volksvertretung im Interesse des Reiches und seiner Dynastie überzeugen wollten, zu empfangen. Die Ablehnung soll angeblich mit der bevorstehenden Ueber- fiedeluug des Zaren vou Zarskoje Sselo nach Gotschina begründet worden sein. Seit dem 21. Januar hat Kaiser Nikolaus II. Zarskoje Sselo auf keiue Stunde mehr verlassen. Nach eiuerjPetersburger Meldung derTimes« ist der Plan einer Volksvertretung ganz aufgehoben, die Er­bitterung im Volke ist unbeschreiblich.

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In der Marokko-Frage wird allem Anschein nach England in eine isolierte Stellung hiueiugerateu und damit selbst in die Grube falle», die es dem deutschen Reiche gegraben hatte. Frankreich scheint absolut keinen Gefallen au der ihm vou England freundlichst zugeschauzteu Vor­herrschaft über Marokko mehr finden zu können. Der Mi­nisterpräsident Rouvier ist allem Anschein nach der Ueber- zeugung, je weniger Marokko, um so bester flir Frankreich. Er ist, wie aus einem Artikel des ihm nahestehendenTempS« ersehen werden kann, von dem Nutzen der internationalen Erledigung der Marokkofrage durch eine Konferenz der Signatarmächte des Madrider Vertrages vollkommen über­zeugt. Da die deutsch-französischen Verhandlungen über die schwebende Streitfrage in bestem Gange find, so ist auch die Angabe, daß Rouvier sich sträube, die zwischen Deutsch­land und Frankreich bezüglich Marokkos bestehenden Diffe­renzen vorweg zu erledigen, zum mindesten recht unwahr­scheinlich. Trotz Englands Ablehnung darf noch immer mit ziemlicher Sicherheit auf das Zustandekommen der in­ternationalen Marokko-Konferenz gerechnet werden, für die

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