Jentsprecher Nr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast".

Befiellpreis für das Vierteljahr im Bezirk u. Nachbarortsverkehr Mk. 1.15, außerhalb Mk 1L5.

Mr. 88.

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Einrückungs-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmal je 6 Pfg., auswärts je 8 Pfg., die ein­spaltige Zeile oder deren Raum-

Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei den K. Postämtern und Postboten.

Donnerstag, 8. Juni.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angenommen.

I 1905.

Amtliches.

Das Kgl. Oberamt Nagold erläßt folgende Be­kanntmachung betr. die Säuberung der Obstbäume insbe­sondere der Steinobstbäume von Raupen. Die Besitzer von Obstbäumen, iusbesoudere von Stetnobstbäumen, werden hiemit aufgefordert, ihre Obstbäume von den iu diesem Jahr wieder massenhaft auftretenden Raupen ohne Verzug za rei­nigen und die Reinigung iu angemessenen Zeitabschnitten so lauge zu wiederholen, als sich diese Insekten auf den Bäu­men zeigen.

Die diesjährige Ausstellung von Lehrlings- Arbeiten findet iu den Vorhallen des Landesgewerbe­museums statt. Die Ausstellung ist von Montag, den 12. Juni ds. Js. ab von 10 Uhr bis 5 Uhr, Sonntags von 111 Uhr jedermann unentgeltlich zugänglich. Sie wird voraussichtlich bis Sonntag, den 2. Juli ds. Js. einschließ­lich dauern. Die Lehrlinge, welche Arbeiteu zu der Aus­stellung geliefert haben, deren Lehrmeister sowie die Mit­glieder der Geselleuprüfungsausschüsse (Meister und Ge­sellen) genießen auf den K. Württembergischeu Staatseisen- bahueu eine Fahrpreisermäßigung, bezüglich deren folgende nähere Bestimmungen gelten: An die genannten Lehrlinge, Lehrmeister und Mitglieder der Geselleuprüfungsausschüsse werden zum Besuch der Ausstellung im Binnenverkehr der K. Württembergischen Staatseisenbahnen auf Grund beson­derer Ausweise während der Dauer der Ausstellung einfache Perfonenzugsfahrkarten III. Klasse nach Stuttgart ausge­geben. Diese berechtigen zur taxfreien Rückfahrt innerhalb drei Tagen, wenn die Fahrkarten (auf der Rückseite) vor dem Antritt der Rückfahrt mit demAusstelluugsstemPel ver­sehen worden find. Bei Benützung von Schnellzügen sind Schuellzugszuschlagkarteu je für die Hin- und Rückfahrt zum vollen Preis zu lösen. Die Ausweise können un­mittelbar vom Sekretariat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel bezogen werden. Außerdem find die Vorstände der gewerblichen Bereinigungen befugt, solche Ausweise für die­jenigen Lehrlinge, deren Ausstellungsstücke durch ihre Ver­mittlung eiugesandt worden sind, sowie für deren Lehrmeister abzugeben. Die Vorsitzenden der Geselleoprüfungsausschüsfe ferner find ermächtigt, die Ausweise für die Mitglieder der betreffenden Prüfungsausschüsse, für die ausstellendeu Prüf­linge und für deren Lehrmeister, auszufertigen. Der Tag des Besuchs der Ausstellung ist in dem Ausweis der Lösung der Fahrkarte eivzutragen. Der Ausweis ist behufs Ab­stempelung der Fahrkarte einem der Aufseher vorzazeigen und abzugeben.

Zur Vermählung des Kronprinzen.

* Werkt«, 4. Juni. Für heute Vormittag 10 Uhr war Kirchgang in den Dom für das Brautpaar, die königliche

Familie, die anwesenden fürstlichen Gäste, die Hofstaaten und Gefolge angesetzt. Die Ankunft der fürstlichen Gäste bot ein farbenreiches Bild. Der Kaiser ging vom königlichen Schloß zu Fuß nach dem Dom, mit ihm der Kronprinz und dessen Brüder, der Großherzog von Hessen und der Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha. Die Kaiserin fuhr mit der Prinzessin Viktoria Luise in einem Galawagen. Zuletzt erschien Herzogin Cäcilie mit der Großherzogin-Mutter von Mecklenburg-Schwerin, von stürmischen Zurufe» der Menge begrüßt. Der Kaiser bot der Herzogin den Arm, während der Kronprinz die Großherzogin-Matter führte.

* Werkt«, 4. Juni. Heute brachten 4000 Studierende der sechs Berliner und Charlottenburger Hochschulen dem Brautpaar einen Fackelzug dar.

* Werkt«, 5. Juni. Bei den heutigen Empfängen durch den Kronprinzen und die Herzoginbraut in der Braun­schweigischen Galerie des Schlosses sprachen zunächst die Präsidien des Reichstages, des Herrenhauses und des Ab­geordnetenhauses ihre Glückwünsche aus. Sodann erfolgte die Ueberreichung der Geschenke der Hansestädte durch die Senatoren, Lappenberg-Hamburg, Mancus-Bremen und Fehling-Lübeck. Danach folgte die Ueberreichung derGlück- wunschadresseu bezw. dex Beglückwünschungen durch die Vertreter der Akademie der Wissenschaften und der Akade­mie der Künste, der Universitäten Berlin und Bonn; die Ueberreichung der Geschenke der einzelnen Provinzen bezw. Bezirksverbände, sowie derBrandeuburgischeu Laudwtrtschafts- kammer und des Landeskommunalverbaudes zu Sigmariugen. Ferner gratulierten die rheinischen Adelsgenossenschaften und Schleswigholsteinischen Prälaten und die Ritterschaft. Ge­schenke brachten sodann dar der deutsche Laudwirtschaftsrat, die Städte der Preußischen Monarchie, vertreten durch 20 Bürgermeister rc., eine Bereinigung von 453 mittleren und kleineren Städten. Eine Ergebeuheitsadresse überreichte der Städteverbaud Sachsen-Anhalt, eine Glückwuuschadresse die Stadt Dresden; Geschenke brachten weiter dar die Städte Bnnzlan, Bernau, Werder und Hochheim, das Offizierkorps des Regiments Kronprinz Nr. 1, die Regimenter Nr. 101 und 120 und des bayerischen ersten Ulanen-Regimeuts, der preußische Landeskriegerverband, sowie eine Reihe weiterer Abordnungen, darunter dir deutsche Kolonie in Moskau, die ehemaligen Korpsbrüder des Kronprinzen und die Bonner Studentenschaft.

* Werkt«, 5. Juni. Heute Abend fand in der Bilder­galerie des königlichen Schlosses bei dem Kaiserpaare Fami­lientafel statt, an der die anwesenden Fürstlichkeiten teilnahmen.

* Werkt«, 5. Juni. Den Vorabend des kronprinzlichen Bermählungstages schloß die Galavorstellung im königlichen Opernhaus?. Das Haus war auf das reichste geschmückt.

* Werkt«, 6. Juni. Um 12 Uhr überreichte Fürst­

bischof Dr. Kopp der fürstlichen Braut in Gegenwart des Kaisers und des Reichskanzlers das Geschenk des Papstes.

js Werkt«, 6. Juni. Bei prächtige« warmem Wetter wurde heute nachmittag die Vermählung des Kronprinzen des Deutschen Reiches und der Herzogin Cäcilie mit einer Reihe von Feierlichkeiten vollzogen. Die Schloßgarde­kompagnie, die Garde du Corps und die Leibgarde der Kaiserin bildeten Spalier und stellte» Galawacheu iu den Festräumeu des Schlosses. Gegen 4 Uhr nachmittags wurde die kgl. Prinzesfiunenkroue im chinesischen Kabinett der Herzogin-Braut durch die Kaiserin aufs Haupt gesetzt. In­zwischen versammelten sich in der Schloßkapelle, im Weißen Saale, im Köuigszimmer und der Roten Kammer die gela­denen Personen. In dem Fürsteozimmer fanden sich ein: das Brautpaar, die Majestäten, der Herzog von Meckleu- burg-Schwerin, die Großherzogin-Mutter und die Geschwi­ster des Brautpaares. Hier wurde die standesamtliche Ehe­schließung durch den Hausminister v. Wedel vorgeuommeu, worauf der Kaiser Befehl zum Beginn der kirchlichen Feier erteilte. Der Brautzug bewegte sich durch den Rittersaal, die Bildergalerie und den Weißen Saal nach der Kapelle. Zwei Herolde führten den Zug. Es folgten der Ober­hofmarschall Graf Eulenburg, alle anwesenden Kammer­junker und Kammerherrn, dann die vom Kaiser der Braut zur Aufwartung gegebenen Kavaliere. Sodann folgte das Brautpaar, der Kronprinz iu der Uni­form des 1. Garde-Regiments mit dem blauen mecklen­burgischen Ordensbande. Die Braut trug Krone, Myrte und Schleier, in der Hand einen Strauß weißer Nelken. Die Schleppe der Braut, neben der die Oberhofmeisterin Frfr. v. Thiele-Wiukler schritt, wurde von den Hofdamen, Burg-Gräfin Dolma-Schlobitteu und v. Helldorf, Gräfin Irma Kauitz und Fräulein Elisabeth v. Trotha getragen. Links daneben kam Kammerherr Graf Bismarck-Bohlen, hinter dem Kronprinzen Generaladjutant v. Deines, Hof­marschall v. Trotha und die beiden persönlichen Adjutanten. Nach den Hof- und Vizehof- und Oberhof- und Oberst- hofchargeu folgte der Kaiser iu der Uniform des 1. Garde- regiments Mit den Abzeichen eines Generalfeldmarschalls mit der Großherzogin-Mutter von Mecklenburg-Schwerin. Hinter dem Kaiser schritt der Hausminister v. Wedel, die Generale, die Admirale L In suits, die Flügeladjutanteu, der Geh. KabiurttSchef, der Hofstaat und der Ehrendienst der Großherzogin-Mutter. Sodann kam die Kaiserin, ge­führt von dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin. Neben der Schleppe der Kaiserin schritt die Oberhofmeisterin Gräfin BrockSdorff, beide Hofstaatsdameu rechts, der Ober­hofmeister Frhr. v. Mirbach links. Es folgte der Hofstaat, alsdann der Ehrendienst des Großherzogs. Hinter der Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin schritt zu deren Rechten der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-

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Arbeit, edle Himmelsgabe Zu der Menschen Heil erkoren.

Nie bleibt ohne Trost und Labe,

Wer sich deinem Dienst geschworen,

Dir entspricht des Weisen Labe,

Und dich meiden nur die Toren.

Kug endstürme.

Roman von A. Andrea.

(Fortsetzung.)

Ueber Westernhagev hatte sich der Himmel gelichtet. Die Seuche war im Abziehen begriffe». Wo sie hier und da noch einen auhauchte, war es nicht mehr lebensgefährlich.

Aber Doris hatte sich von ihrer Samariterarbeit noch nicht erholen können, als sie an das Sterbebett ihrer Schwester gerufen wurde.

Haus Joachim, den man ins Schloß herüber hatte bringen können, lag beim offenen Fenster, und aus dem Gar­ten drang das Zwitschern der Vögel zu ihm herauf.

Da kam seine Mutter herein.Mein lieber Sohn, Fräulein Norman» muß uns in der nächsten Stunde ver­lassen. Ihre jung verheiratete Schwester ist schwer krank."

Er war ganz betäubt er faßte es nicht; daun aber mußte er von Doris Abschied nehmen.

Sie reichte ihm stumm das Telegramm; doch erkannte j es nicht lesen. Er starrte nur immer auf sie.

Was war aus ihrer blühenden Schönheit geworden? Weßeruhagen hatte sie verschlungen. Nur ihrer Seele hatte es nichts anhabeu können; die leuchtete lichter als je in ihren übergroßen Augen, iu ihrem schmal und blaß ge­wordenen Antlitz.

Da gibt es kein Bedenken, lieber Freund", sagt« sie,

»und Gott sei Dank, daß Sie aus dem Gröbsten heraus find I Denn in diesem Falle hätte ich Sie nicht im Stich ge­lassen. Meine Jda . ."

Sic konnte nicht weiter sprechen, sie reichte ihm nur die Hand.

Er ergriff sie, die andere dazu und zog sie zu sich herunter, immer näher, bis sie an seiner Brust ruhte.

»Du du I"

Aber er wagte nicht mit seinem noch nicht vernarbten Gesicht, das ihre zu berühren. Ein gewaltiges Schluchzen staute sich in seiner Brust, daß sein entkräfteter Körper bebte.

Nein, dies ist kein Abschied I Mutter, sage du es ihr! Laß sie nicht fort! Ohne sie ist es nur ein halbes Leben."

Da strich Doris ihm sanft das borstige, blonde Haar zurück und küßte ihn auf die Stirn.

Ade lieber Freund!"

Er wußte nicht, wie ihm geschah; es raubte ihm die Besinnung. Ein Singen und Klingen und ein Rauschen wie vom Meere weit ab dann war Hans Joachim

ohnmächtig geworden . . .

* *

Ein grenzenloser Jammer, das junge, verfehlte, schei­dende Lebe» I Mit tausend Stimmen schrie es zu ihr em­por, als Doris an Jdas Bette stand, die kleinen, fiebernden, verarbeiteten Hände in den ihren. Daun glitt ein matter Schimmer über das Antlitz der Todkranken: sie hatte die Schwester erkannt.

Es war ein Mädchen," hauchte sie.Ich bin so froh, daß es nur kam, um mir voranzugehen!"

Das Licht begann zu erblassen ; die Dämmerung brach herein, dichter, immer dichter . . .

Aber ehe es Nacht wurde, traf Bruno ein. Niemand ! schien zu wissen, wer ihn benachrichtigt hatte. Die alte Frau Schwader steifte den Nacken, als er über die Schwelle des

Krankenzimmers trat, und mit einem feindseligen Blick auf Frau Traute, die die Hand ihres Sohnes hielt, ging sie in das Nebenzimmer.

Dort saßen Normann und der junge Schwader. Als sie Brunos Ankunft erfuhren, waren sie sprachlos vorlleber- raschung.

Natürlich, hinter meinem Rücken I" murrte der Vater schließlich; aber seine Stimme zitterte.

Schwaber erhob sich, im Zweifel, ob er jetzt nicht hi- ueiugehen sollte, so fürchterlich auch die Schmerzen der Kran­ken auzusehen waren.

Sie werden nur noch mehr aufregeu," sagte er ner­vös.Mau sollte sie allein lassen: Ruhe ist das beste für sie."

Ich fürchte, sie ist nicht mehr bei Sinnen," warf die alte Frau Schwaber ein.

Und während die Drei überlegten, was sievernünf­tigerweise" tuu sollten, senkte die große Hand der Liebe sich auf die Sterbende . . .

Doris", flüsterte Jda.Mutter, Bruno!"

Sie erkannte fie, alle diejenigen, die ihr die Liebsten waren. Das erlösende Abendrot glomm noch einmal auf. Jda lächelte. Sie stand bereits über den Leiden der Erde. Sie entbehrte nichts, fie fror nicht länger. Sanft legte die große Hand der Liebe sich auf ihr Herz, und von einer Wei­chen, weißen Wolke getragen, zog die Seele zum ewigen Frie­den ein. . .

Zu Jdas Begräbnis kam auch Richard mit seiner jungen Frau herüber. Beide in tiefer Trauer und hochelegant. Die letztere, schön wie immer, in einer Wolke von schwarzem Krepp, mit echtem Jet durchsetzt; Richard in seiner groß­städtischen Vornehmheit etwas schlaff und bleich.

Mit einem Gemisch von Stolz und Besorgnis verfolgte das Baterauge ihn auf Schritt und Tritt. Einmal fiel es auch auf Bruno, der neben dem schönen Bruder stand.