Jerusprecher Hlr. 11.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage „Der Sonntags- Gast".
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Honntag, 21. Mai.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen»
! 1908.
Amtliches.
Die zweite Schutzimpfung gegen Schweinerotlaüf im Oberamt Freudenstadt findet u. a. statt: In Hochdorf am 5. Juni, nachm. 6 Uhr; in Besenfeld am 6. Juni, vorm. Vs? Uhr; in Göttelfingeu am 6. Juni, vorm. ^11 Uhr.
KonnLags-Mauderei.
(Nachdruck verboten.)
Nicht bange machen I Wollen die Kleinen abends die Augen in den Bettchen nicht schließen und haben die Wärterinnen keine Last, auf das Einschlafen der ihrer Pflege Anvertraut:n zu warten, so erzählen sie ihnen gern allerlei gruselige Geschichten und der Refrain ist stets: „Wenn Ihr nicht schlaft, geht's Euch auch so!" Ja der Regel schlafen die geängstigten Kleinen dann erst recht nicht, aber ste tun doch so. Im später erlangten Schlummer fahren ste daun nicht selten weinend oder schreiend empor, in ihre Träume hat die kindliche Phantasie die aufregenden Bilder aus den vor dem Einschlafen gehörten Geschichten gemischt.
Sind die Jungen am Tage mal etwas mutwillig und wird ihr Bewegungs-Drang den Eltern oder Erziehern lästig, die gern vergessen, wie ste selber in der Kindheit schönen Tagen auch nicht gerade Musterknospen am Baum der Menschheit waren, so muß der „Schwarze Mann" herhalten, um die K-nder zur Raison zu bringen. Aber obwohl man Kinder nicht blos prügeln, sondern auch verprügeln kann lieber eine tüchtige Tracht ungebrannter Asche, wie dies Graulichmachen. Wir haben heute wirklich, so sehr es auch von mancher Seite bestritten wird, nervöse Kinder und fie find das nicht von ungefähr geworden. Jede Erscheinung hat ihre Ursachen, auch Regen oder Schnee fallen nicht vom Himmel ohne einen bestimmten Anlaß. Was wir „zimperliche Kinder" nennen, „Hasenfüße." „Verschüchterte," ste find es nichl ohne Grund. Solch' kleiner „Angsthase," der vor jedem bellenden „Wauwau" davon läuft, tut fühlenden Mitmenschen von Herzen leid, er bleibt leider nicht selten eine beredte Anklage gegen Eltern und Erzieher. Wir haben es in anderen Prozessen mehr als ein Mal gehört, wie Eltern aussagten, daß fie um des Geschäfts-Gewinnes wegen und aus gesellschaftlichen Rücksichten sich nur wenig um ihre Kinder hätten kümmern können. Ja, eine rechte Fürsorge der Eltern ist dem Heranwachsenden Kinde nötiger, als ein großer Erwerb, der ihm einmal von seinem Vater überkommen könnte; und die größte gesellschaftliche Rücksichtnahme ist nichtig und winzig gegenüber der, auf welche ein Kind ein Recht hat. Was unter solchen Verhältnissen aus dem Kinde wird, das bleibt unbedingt ein Posten auf dem elterlichen Schuld-Konto, den auszutilgen schwere Mühe macht, oft sogar unmöglich ist.
j Am Schlimmsten ist es aber, wenn als Mittel des Schreckens, zum Bauaemacheu nun gar die Schule und ihre Lehrer herhalte» müssen. Und doch geschieht das oft genug vor der Schulzeit und während der ersten Schulzeit. Hat man daheim keine Lust oder kein Geschick, rechte Erziehungs- Methode zu üben, daun wird den Kindern mit Schule und Lehrer die Hölle heiß gemacht. Und der Lehrer, der diese Verdächtigungen im scheuen und mißtrauischen Wesen der Kinder unschwer erkennt, hat Mühe, diese bösen, durch zum Mindesten unbedachten Worte hervorgerufenen Einflüsse zu t verwischen. Spricht er bei Gelegenheit einmal mit den Eltern ein offenes und ernstes Wort, daun wird ihm der Bescheid: „Man habe das ja blos so gesagt!" Aber dies Blos-so-sagen hat schon unendlich viel Unheil angerichtet.
Unsere moderne Zeit stellt unendlich schwere Aufgaben für eine jede neue Generation, die zu überwältigen hohe geistige Fähigkeiten und ein gesunder Körper erforderlich stnd. Aber die Summe der schwach veranlagte» und schwächlichen Kinder wächst, obwohl doch weit, weit mehr als einst für Hygiene getan wird, von Jahr zu Jahr. Wer vierzig oder gar fünfzig Jahre bis zu seiner Schulzeit lebhaft zurückdenken kann, der wird sich bei ruhiger Ueberlegung eingestehen, daß doch damals eine viel größere Forsche unter den Schulgenosfen herrschte, wie wir sie heute sehen. Es wurde mehr gearbeitet wie heute, aber das Wort Ueber- bürdung war noch nicht erfunden. Ganz gewiß gab es damals nicht lauter Musterschüler, Trägheit und Faulheit, die nie aussterben werden, waren ebenfalls vorhanden, aber es steckte Leben und Strammheit in den Jungen, und die Muttersöhnchen, die ja auch schon sich eiustellten, gewannen unter der „wilden Horde" auch bald eine anerkennenswerte Portion Rüdigkeit.
Keine Treibhauspflanzen, patente Jungens brauchen wir für unser Zeitalter. Das Unterdrücken jeder jugendlichen Ungebandeuheit ist noch lauge kein unbedingt sicherer Schutz gegen ein Hinübergleiten zur Rohheit, Rohheit des Charakters kann auch in einem äußerlich tadellos auftreten- derr Menschen wohnen. Wir dächte», gerade hierfür böte die moderne Zeit Beispiele genug. So wollen wir dafür sorgen, daß unsere Kinder frisch und kräftig emporwachsen, ihre Jugendtage froh und heiter genießen dürfen. Das stählt für später, bringt im Leben den reichsten Segen!
Tagespolitik.
Eine sastuuglaublicheVerhandlung fand vor dem Kriegsgericht in Forbach statt. Wir entnehmen einem Bericht der „Straßburger Bürger-Zeitung" das Folgende: Der ehemalige Zahlmeister-Aspirant Karl Möller aus Mörchingen hatte sich wegen Achtungsverletzung und Beleidigung seiner Vorgesetzten Behörde zu verantworten. Dem in 14^/zjähr.
M Lef-frrrchl. W
Anfang, Mittel und End' allein,
Laß Gott in allen Sachen sein,
Denn was mit Gott wird angefangen, Ist niemals übel aufgegangen.
A«gr»dst«rme.
Roman von A. Andrea.
(Fortsetzung.)
In einem jähen Aufschluchzeu namenlosen Wehes schlug Doris die Hände vor das Gesicht.
Stamer stürzte vor. „Doris, geliebte, vergötterte!"
Sie wehrte ihn ab:
„Sage mir um Gottes Willen nicht, daß ihr alle so seid! Sonst wäre es besser, kein unverdorbenes Mädchen entschlösse sich mehr zur Ehe, und dieses Geschlecht von gewissenlosen, brutalen Männern und entehrten, mißhandelten Frauen stürbe aus. O, Leo — Leu! Ich habe Dich unaussprechlich geliebt! Warum bist Du so, daß mir vor einer Ehe mit Dir graut?"
Stamer schaute finster vor sich nieder.
„Ich bin wie ich bin — lauge nicht einer der schlechtesten: aber Deine Liebe, Doris, ist nicht die rechte; fie steht zu viel und glaubt zu wenig. Vielleicht wirst Du einst anders lieben, vielleicht verkümmerst Du an Deinem Sittlichkeitsideal — und ich verbummle au unserer Zeit, die noch nicht reif genug ist, es zu begreifen I Schade um uns I Wir beide zusammen in innigem Verständnis füreinander und für die Bedürfnisse und Forderungen unserer Zeit hätten viel nützen und auch etwas Glück der Welt geben können; jedes für sich allein verliert an Wert. Du magst eine tüchtige Apothekerin oder eine leistungsfähige Aerztiu
werden; aber das beste bleibst Du als Weib der Menschheit schuldig: die liebende, verständnisvolle Gefährtin des Mannes zu fein. Was faselst Du von .Aussterbeu'? Erfinde erst für die Welt etwas Besseres und Liebenswürdigeres als den Menschen — nicht wie er nach seinen Mustern sein sollte, sondern wie er ist — heute — wie er immer sein wird; nachher besinne Dich, ob Du dies Geschlecht vou der Erde streichen möchtest."
Er gab sich einen Ruck. Seine bewegte Miene glättete sich zu einem spöttischen Lächeln.
Doris sah es, und es erkältete fie bis ins Herz.
Dies Pathos saß ihm wie eine Zwangsjacke. Für Leo Stamer war der Emst des Lebens nicht gemacht.
„Inzwischen bummle ich weiter — vielleicht, wenn die Freuden der Welt mich einst anöden sollten, nehme ich ein Weib und Pflanze eine Familie von braven Taugenichtsen wie ich selbst; die Welt braucht deren zur Erhaltung ihres Gleichgewichtes; aber — diesen Ring ..."
Der Zorn verschmähter Liebe flammte noch einmal mächtig auf. Wäre er nicht ein gebildeter Mensch gewesen, er würde dies Weib, das ihn so stolz beiseite schob, gemordet haben; so aber warf er nur den Ring zu Boden und stellte seinen Fuß darauf, daß es krachte.
„Das ist mein Glück und Deine Liebe! Armselige, zerbrechliche Ware!"
Einen letzten Augenblick standen fie sich gegenüber Auge in Auge, beide bis auf den Grund erschüttert und mit demselben fürchterlichen Angstgefühl, als wäre ein Riß durch die Welt gegangen und die Vernichtung hätte ste gestreift.
Dann langsam rückwärtsschreitend und bis zuletzt den Blick auf ihrem schönen, erstarrten Antlitz, ging Leo Stamer — Frau Meilke, die hinzustürzte, um ihm die Tür zu öffnen, dachte bestürzt: „Ist es die Dämmerung, die ihn kreideweiß macht, oder sonst etwas?"
I Uuteroffiziersdienftzeit zum Invaliden abgerackerteu Manu wurde ein Versehen in der Beschreitung des Beschwerdeweges so außerordentlich verübelt, obwohl ein höchst unliebsames Versehen der Militärbehörde den eigentlichen Stein des Anstoßes bildete. In den letzten Jahren befiel Möller ein nervöses Leiden, dem sich eine Magenkrankheit zugesellte, so daß er zum 1. November vergangenen Jahres ausschied und seine Entschädigungsansprüche als Ganzinvalide stellte. Als solcher hätte er aufgehört, noch in irgend welchem militärischen Verhältnis zu stehen. Wider Erwarten jedoch entschied der Truppenteil, daß Möller nur Halbinvalide sei, und entließ ihn zur Landwehr zweiten Aufgebots. Möller reklamierte nach seiner Entlassung direkt beim kommandierenden General des 16. Armeekorps. Das Generalkommando entschied, daß Möller als Ganz- und nicht als Halbinvalide anzuseheu sei, datierte ferner diese Ganzinva- lididät Möllers auf den Eutlasfungstag zurück, zahlte von diesem Tage an die Jnvalidenpension nachträglich. Weiter berichtete das Generalkommando „hinunter", daß Möller den Instanzenweg nicht eingehalten habe, und er wurde dafür vom Bezirkshauptmaun Schönerstedt mit zwei Tagen Arrest bestraft!! Möller, der natürlich diese Strafe als herbe Kränkung empfinden mußte, versuchte fie rückgängigzu machen und schrieb au die in Frage kommenden Stellen: Mit dem Zivilrock und der Invalidität habe er geglaubt, sei für ihn das Ende aller militärischen Subordination angebrochen. Er hätte nicht aus der Astronomie lernen können, daß seine Laudwehrmaunschaft 2. Aufgebots zum Instanzenweg verpflichte. Hätte man ihn bei seinem Abgang pflichtgemäß instruiert, wäre so etwas nicht vorgekommen. Dies gab der 33. Division Grund zur Klage. Möller bestritt die Zuständigkeit des Militärgerichts. Dieses aber erklärte sich für zuständig. Die achtungsverletzenden Briefe seien vor dem Entscheid des Generalkommandos geschrieben, also zu einer Zeit, zu welcher sich Möller als Landwehrmauu 2. Aufgebots betrachten mußte. Major Hogröwe behauptete, daß das Bezirkskommando selbst zur Instruktion von Mannschaften nicht verpflichtet sei. Die Briefe hätten die Form nicht gewahrt und achtungsverletzenden Charakter getragen. Im persönlichen Verkehr sei gegen das Auftreten des Angeklagten nichts zu erinnern. Andere Bezirksoffiziere teilten diese Auffassung. Der Angeklagte bat, au den Major die Frage zu richten, warum er nicht beim Verhör ihn auf den unpassenden Ton der Schreiben aufmerksam gemacht habe, der der irrtümlichen Auffassung von seinem militärischen Verhältnis entsprungen sei. Das Gericht lehnte die Stellung dieser Frage ab. Der Vertreter der Auklagebe- hörde beantragte Wege» achtungsverletzender Aeußerungen und wegen des Vorwurfs der Pflichtwidrigen Unterlassung zwei Monate Gefängnis. Der Angeklagte machte geltend,
2 0. K a p t t e l.
Jda Schwaber an ihre Schwester.
„Geliebte Doris, meine Zeit ist knapp bemessen — außerdem fieht mein Manu es auch nicht gern, wenn ich ost an Dich schreibe. So geschieht es immer seltener und dann — heimlich. Ach, und diese gestohlenen Minuten find meine einzigen guten I
Sie können es Dir alle nicht vergeben, daß Du Deine Verlobung aufgehoben hast. Es war eine grenzenlose, allgemeine Bestürzung, als an unserem Hochzeitstage ein Brief vou Stamer eiulief, der uns mit dürren Worten über Euer Fernbleiben aufklärte. Wie sind fie nicht alle über Dich hergefallen! Mutter allein verteidigte Dich : „Ich habe ein unerschütterliches Vertrauen zu meiner Doris: sie tut nichts Unüberlegtes, nichts, was ste nicht verantworten könnte," sagte fie. Ich hätte ihr dafür meine Hände unter die Füße breiten mögen.
Dann kamen schlimme Zeiten, Doris: Vaters fortgesetzte Verdrießlichkeit und Reizbarkeit — Mutters geduldiges Leiden — mein Abschied vom Elteruhause — mein neues Heim, fremd und kalt mit meinem Manne und meiner Schwiegermutter. Eine lange Zeit durfte ich nicht nach Hause, und von dort kam niemand zu mir : Schwaber wollte mich auf diese Weise vom Heimweh heilen. Es war schrecklich.
Eine verheiratete Freundin besuchte mich einmal. Sie lachte immerzu und sah so rund und rosig aus, daß es mich nervös machte. „Na noch immer in den Flitterwochen ?"
Ich stand wie vor den Kopf geschlagen: ist dies die Glücks- und Liebeszeit in einer jungen Ehe? Herr Gott, wie werden dann die sorgenvollen, nüchternen sein l
Neulich durfte ich endlich zu den Eltern hinübergehen. Da gab es eine Freudenbotschaft: Bruno ist zurück. Zu Hause war er freilich noch nicht. Er erwartet wohl, daß Vater ihn einladeu soll. Dazu ist jetzt nicht die Zeit. Sie