Jerusvrecher Ar. 11.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage „Der Sonntags- Gast^.
Bestellpreis für das Vierteljahr im Bezirk u. Nachbarortsverkehr Ml. 1.18, außerhalb Mk. 1L5.
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Einrückungs-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmaU je 6 Pfg., auswärts je 8 Pfg., die einspaltige Zelle oder deren Raum-
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Donnerstag, 18. Mai.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen»
! 1905.
Amtliches.
Die Schultheißenämter werden auf den Erlaß des K. Ministeriums des Jauern vom 24. v. Mts. (Amtsbl. No. 12, S. 281) betr. die Verbreitung der Mobiliarfeuerver- ficherung unter Bezugnahme auf den oberamtl. Erlaß vom 1. Novbr. v. Js. vom K. Oberamt Nagold besonders hiu- gewiesen und dringend aufgefordert, unablässig darauf hinzuwirken, daß die Gemeindeangehörigen sämtlich ihre Fahrnis gegen Brandschaden versichern.
Auf 1. Oktober ds. Js. wird eine Anzahl von Zöglingen in die Ackerbauschulen zu Hohenheim, Kilchberg, Ell- wangen und Ochsenhausen ausgenommen. Es werden daher diejenigen Jünglinge, welche in die eine oder andere Ackerbauschule einzntretea wünschen, anfgefordert, sich spätestens bis zum 15. Juni ds. Js. bei dem betreffenden Schulvorstand zu melden. Die Aufzunehmenden müssen das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben, vollkommen gesund, für anhaltende Feldarbeiten körperlich erstarkt und mit den gewöhnlichen landwirtschaftlichen Arbeiten bekannt sein, die Kenntnisse eines guten Bolksschülers und die Fähigkeiten besitzen, einen einfachen Bortrag über Landwirtschaft und deren Hilfsfächer aufzufassen. Die Bewerber, welche nicht durch besonderen Erlaß znrückgewiesen werde», haben sich am Montag, den 10. Juli d. I., morgens 7 Uhr, zur Erstehung einer Vorprüfung in Hohenheim einzufinden.
Bei der in der Zeit vom 26. April bis 1. Mai d. I. in Tübingen vorgenommenen mathematisch-naturwissenschaftlichen Vorprüfung der Kandidaten des Forstdienstes ist u. a. der Kandidat Max Frank von Altensteig für befähigt erkannt worden.
Tagespolitik.
Die Frage der neuen Wahlkreiseinteilung in Bayern, die die dortigen politischen Kreise seit dem Scheitern der letzten Wahlrechtsvorlage lebhaft beschäftigt, hat nunmehr, wie aus München geschrieben wird, ;n Mei- uuugsdiffereuzeu im Schoße der Regierung geführt, die möglicherweise zu einem Eatlassuugsgesuche des Ministers des Innern, Grafen Feilitzsch führen könnten, dessen Vorschläge über gewisse Aenderungeu an der bisherigen Wahlkreiseiu- teilung (die schon bis zu den im Juli stattfindeudeu Wahlen in Kraft treten sollten) die Zustimmung des Gesamtmiuiste-
riums nicht erhalten haben.
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Zu der Ueberreichung des Ordens vom heil. Grabe, den das Patriarchat in Jerusalem den deutschen Kaiser gebeten hat, als Erinnerung an den Aufenthalt in Palästina anzunehmen, schreibt die „Nat.-Ztg." : Es ist ein Akt, dessen zugleich politische Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Diese Bedeutung leuchtet im Hin
blick auf die von Frankreich im Orient noch immer in Au- s spruch genommene Schutzherrschaft über die Katholiken ohne weiteres ein. Wie entschieden auch Deutschland daran festgehalten hat, diesen Schutz seiner Staatsangehörigen keineswegs anderen Mächten zu überlassen, so darf doch in dem Verhalten des Patriarchats in Jerusalem gegenüber Kaiser Wilhelm eine Anerkennung der deutschen Politik in Bezug auf das von ihr audzuübeude Schutzrecht erblickt werden. Zugleich gelaugt deutlich zur Erscheinung, welches persönliche Ansehen der deutsche Kaiser im Orient genießt, wie bereits bei Gelegenheit der Reise nach Jerusalem konstatiert werden konnte.
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Ein Preußischer General a. D., von der Lippe, hat im „Figaro" eine Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland angeregt, zum Zweck der Bildung einer Zollunion mit parlamentarischer Einrichtung zwischen diesen beiden Ländern und mit Oesterreich, Italien, der Schweiz, Holland und Belgien. Rußland werde mit diesem Zollpärlament Hand in Hand gehen, und so könne sich das alte Europa vor dem feindlichen Eindringen der großen überseeischen Nationen retten. Welch idealer Zustand, wenn die Völker des europäischen Kontingents eine große Familie bildeten, zwischen deren Mitgliedern volles Vertrauen herrschte ! Die Zollschranken könnten fallen, es gäbe au den Grenzen keine Scherereien mit Post- und Ge- Päckrevifiou und die Laudheere könnten mangels eines Gegners auf das Notwendigste Maß beschränkt werden. Leider steht aber zwischen Frankreich und Deutschland — Lothringen, wie der General sich ausdrückt. Indes, wenn Frankreich will, dann könnte es am Tage nach dem Abschlüsse des Bündnisvertrages als Morgeugabe Lothringen zurück- bekommen, „wir werden es unserer Freundin mit Freuden zurückgebeu." Der General, der sich als einfacher, unabhängiger Bürger fühlt, meint zum Schluß, die Regierungen seien in der Frage der deutsch-französischen Beziehungen ohnmächtig, nur eine große Volksbewegung in beiden Ländern könne zum Ziele führen.
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Ein früherer Militärarzt erörtert in der Frkf. Ztg., was die Hauptschuld trage an der oft zu bemerkenden Schlappheit und Mißvergnügtheit der Soldaten. Es gibt eine Reihe dienstlicher Verrichtungen, die durch die Art ihrer Anwendung zur Quälerei werden können. Dahin gehört vor allem der Laufschritt, die Kniebeuge, das Gewehrstrecken und das „Auf und Nieder'. Wem es um die Ausbildung seiner Mannschaft zu tun ist, der weiß, daß nur durch die Abwechselung der Bewegungen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit erhalten bleibt; auch ist durch das Exerzierreglement der Umfang solcher Uebungen
j genau begrenzt. Aber der oberflächliche Blick auf die Exerzierplätze lehrt, daß vielfach diese Vorschriften nicht beachtet werden. Da sieht mau eine Abteilung die Kniee beugen, fast bis sie umfinkt, dort eine andere mit keuchendem Atem und bei 10° Kälte schweißtriefend zum 20. Mal den Kasernen- hof durchlaufen, hier ein hundertfach fortgesetztes Gewehrstrecken, bis die Arme erlahmen, daun ein Hiowerfeu auf den naßkalten Erdboden, bis der durchgeschwitzte Körper vor Frost erstarrt. Und die Resultate? Gewiß — die meisten, robuste Naturen, halten vieles aus, aber wer zählt die, die aus solchen Ursachen an Herz- und Lungenletdeu, Gelenkrheumatismus erkranken und als Invaliden entlassen werden? Und wieviel Schikanen kann nicht ein übelwollender Vorgesetzter zur Anwendung bringen! Mit Reparaturen, mit Stubenexerzieren, mit dem stundenlangen Tagesexerziereu, wobei dann noch oft nachexerziert wird. Glaubt man denn wirklich dadurch, daß mau die Mannschaften tagtäglich bis aufs äußerste anspannt und abtreibt, sie kriegstüchtiger zu machen? Das beste Erfordernis des Krieges läßt sich nun doch einmal nicht üben — das Totschießeu so wenig wie das Preisgebeu der Gesundheit! Gewaltmärsche, bei denen die Hälfte liegen bleibt, die andere kampfunfähig anlaugt, Frierübungeo u. dgl. wird ein vernünftiger Kommandeur nicht einmal im Feldzug vornehmen, geschweige denn im Frieden. Und dennoch kommt es immer wieder vor, daß Gesundheit und Leben der Mannschaften durch solche Experimente aufs Spiel gesetzt werden.
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Der deutsche SPezialgesaudteGrafTat- tenbachtraf, wie schon gemeldet, am 11. Mai vormittags in Fez ein und wurde feierlich unter einem Truppeuaufgebot empfangen. Bor dem Tore wurde Graf Tatteubach von dem Kriegsminister, Kaib Mockaar und verschiedenen Mitgliedern des Maghzen begrüßt. Auf der Reise im Innern des Landes war Graf Tatteubach von den Kaids der verschiedenen Stämme begrüßt und von ihren Reitern eskortiert worden. Um 9 Uhr wurde der Einmarsch des deutschen Gesandten Graf Tatteubach nach der Stadt Fez begonnen. Der Zeremonienmeister und der Kriegsminister kamen der Reisegesellschaft entgegen. Der Ritt durch die spalier- bildenden Truppen und Stämme vom Lager bis zur Stadt dauerte eine Stunde. Mehrere Kapellen spielten. Links war die Kavallerie unter dem Befehl des englischen Majors Ogilvy aufgestellt, rechts die Fußtruppeu und die fremden Militärmisfiouen, ferner zahlreiche Reiter der umliegenden Stämme, darunter 1000 wilde Hiaina-Kabylen. Der Sultan sah dem Vorbeimarsch von dem Palastturme aus zu. Er ließ den Konsul Bassel zu sich rufen, erkundigte sich nach dem Verlauf der Reise und beauftragte ihn, den Grafen Tatteubach zu begrüßen. In der Stadt, vor deren Tor
M Lefefrucht. W
Ins Jnnre der Natur Dringt kein erschaffener Geist. Glückselig! wem sie nur Die äußere Schale weist.
A«gendst«rme.
Roman von A. Andrea.
(Fortsetzung.)
Sprudelnd vor Heiterkeit, aber immer auf der Grenze des Spottes, schilderte Stamer seine Brautwerbung. Das Oberhaupt bekam dabei manchen kleinen Seitenhieb; nur wenn er von Frau Traute sprach, wurden seine Aeußeruugeu ehrfurchtsvoller.
„Siehst Du, Alterchen', meinte er vertraulich, „in der Wahl seiner Schwiegermutter kann mau nicht vorsichtig genug sein! Meine Doris ist zwar ein Prachtmädel; aber wer weiß, ob ich gerade auf sie reiugefalleu wäre, wenn sie nicht diese famose Mutter hätte."
Der alte Herr schmunzelte. Erhalte sonst zwar gerechnet, daß, wo Vermögen ist, auch Vermögen htuzukommen müßte; trotzdem war er herzlich froh über Leus Wahl.
„Na und eia ,famoses' Weib habe ich Dir immer gewünscht — so eine wie die Doris Normauu. Außerdem hast Du auf diese Weise eine Verbindung augebahut zwischen der Firma und dem jungen Ingenieur. Diesen Schwager, «ein Sohn, will ich auf jeden Fall für «us gewinnen. Ich habe Last, mich im voraus auf jede neue Erfindung im Maschiuenfach zu verpflichten, die dieser Bruno sich in den nächsten zehn Jahren patentieren läßt. Auch gegen die Übrigen in der Familie habe ich nichts einzuwenden . . . Nur dieser Richard, der sich an des alten Gauners Hohnmeher
l Tochter heranmacht, will mir nicht gefallen. Er ist ein Streber von der schlimmsten Sorte. Ich an Deiner Stelle würde ihn mir immer zehn Schritt vom Leibe halten.' . . .
Leo Stamer hatte Eile, nach der Ramlerstraße zu kommen. Er stürzte ein Paar Glas Champagner herunter und ließ seinen Vater mit der zweiten Flasche allein.
Der alte Herr schaute ihm nach, wie er Über die Straße schritt, elegant, unbekümmert, von einem strahlenden Selbstbewußtsein. „Wie ein junger Gott!' dachte er in seinem Baterstolz . .
Frau Meilke, die darauf brannte, herauszubekommen, welche Beziehungen zwischen dem vornehmen Herr Stamer und ihrer Zimmerdame beständen, knixte den jungen Mann höflich in Doris' Stube.
„Fräulein Normanu ist doch zu Hause?"
„Jawohl. Sie is bloß zu meiner Frida rübergegangen. Die is noch immer nicht, wie's sein sollte. Ich schicke nu jleich mal das Fräulein rin.'
„Bitte sehr darum!' . . .
Mit ansgebreiteten Armen stand Stamer vor der eiu- treteudeu Doris.
„Hexleiu meines Herzens!'
Aber wie sah sie aus ? Bleich, verhärmt, einen fremden Leideuszug im Gesicht, der ihn ganz stutzig machte.
„Ja, Doris, was fehlt Dir? Reibst Du Dich etwa bei dieser Frida Meilke so auf? Das ist die Menschenliebe doch zu weit getrieben. Und daun . . . dieser nüchterne Händedruck, bei dem mau sich absolut nichts denken kann! Heißt mau so seinen Löwen willkommen? Wo bleibt der süße Kuß, nach dem ich fünf Tage geschmachtet habe?"
Er zog sie weiter in das Zimmer hinein, und sich auf das Sofa niederlasseud, wollte er sie auf seine Knie nehmen. Da jagte eine brennende Röte über ihr Gesicht. „Bitte . . . nicht!"
„Herr des Himmels, was hast Du, mein Mädel? Mich
hat die Sehnsucht bei den Haaren hergezogen, und Du? Ich kenne Dich nicht wieder.'
Doris hatte sich losgemacht. In einer peinlichen Verlegenheit wich sie jeder seiner Liebkosungen aus. „Verzeih, wenn ich Dich enttäusche,' sagte sie, ohne ihn anzuseheu, „und bitte, nimm Platz! Hab ein wenig Geduld Leo.'
„Soviel Du willst, nachher!' unterbrach er sie ungestüm. „Aber erst will ich meinen Kuß haben. Ich trage mein Bräutigamspatent in der Tasche, von dem Oberhaupt beglaubigt und von Mütterchen sanktioniert.'
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, und ihren Kopf hiuteuüberbiegeud, wollte er sie trotz ihres Sträubens küssen.
„Nein . . . bitte, laß mich I Es ist . . . schrecklich." Sie befreite sich mit einem Ruck und floh hinter den Tisch. Hier glitten ihre Blicke scheu über seine bärtigen Lippen: brannten nicht unreine Küsse darauf?
„Ich wollte Dir eigentlich schreiben, Leo!' sagte sie, immer scheu mit Widerstreben. „Es fällt mir weiß Gott schwer; aber — ich kann nicht schweigend darüber hiuweg- gehen."
Seine erste Bestürzung war vorbei. Er wurde ungeduldig. „Worüber? Was zum Henker? Leg doch endlich loS I Seit wann hättest Du mir gegenüber ein Blatt vor den Mund genommen? Gibt es wieder einen anonymen Brief? Mit solchem Quark brauchtest Du mir wirklich diesen Augenblick nicht zu verderben. Euch Weiber kennt mau nie aus. Auf Dich hätte ich geschworen.'
Ihm wurde immer heißer. Ihr scheues Wesen Rührmichnichtan, ihre leidende Miene, der gedrückte, tastende Ton ihrer Stimme, das alles brachte ihn zur Verzweiflung.
, Soll — ich Dir lieber schreiben?" In diesem Augenblick der Entscheidung wollte ihr Mut zusammeufinkeu: die Liebe machte sie feige.
„Nein," entgegnete er schroff. „Sprich Dich aus und