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Nr. 11.
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> 1905.
2um §chillerjnb!läum.
Wer hätte vor wenigen Jahren noch geglaubt, daß das Gedächtnis von Schillers Todestag! die ganze deutsche Nation zu einmütiger Be- / geisterung entflammte? Woher das Wieder- ! erwachen an seinem Todestag? Darüber sich zu besinnen, wäre eine interessante Ausgabe. Doch jetzt wollen wir uns vor allem darüber freuen, daß Schiller noch lebt in unserem Volk f und wenn sich dies Leben anläßlich der Schillerfeier aufs neue kräftig regte, so wäre das von größtem Segen. Denn Vieles und Großes hat Schiller uns zu sagen und zu geben. j
Schiller war ein Kind des gewöhnlichen Volks, niederem Stande entsprossen, und hat sich unter unsäglichen Mühseligkeiten und schier unüberwindlichen Hindernissen mit tapferem, unverzagtem Heldenmut den Weg zu der leuch- tendsten Sonnenhöhe des Lebens gebahnt. Wenn je einmal, so trifft bei ihm das Wort zu: „Mensch sein, das heißt ein Kämpfer sein." Aber der eigentliche Grund der Popularität unseres Dichters liegt noch tiefer. In Schiller hat der innerste Kern und edelste Teil der deutschen Volksseele seinen höchsten und glänzendsten Ausdruck gefunden: Der deutsche Idealismus, der Sinn und Zug zum Ewigen und Unsichtbaren, der Sinn auf das einzig Wahre und Wertvolle und allein wahrhaft Beglückende.
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren. —
Dieses Wort aus der „Braut von Messina" ist das eigentliche Thema des stets wechselnden Heroldsrufs unseres Dichters gewesen. Und wer möchte nicht zugeben, daß diese Mahnung heute noch, ja gerade für unser Geschlecht eines neuen Jahrhunderts ganz besonders nötig und angebracht wäre? Wie macht sich doch in weiten Kreisen der materialistische Sinn bereit, der nur das als erstrebenswert anerkennt, was man schauen und tasten, rechnen und messen, genießen und aufspeichern kann I Da hat Schiller noch lange eine Erzieheraufgabe für unser Volk, so oft er aucki von mancher Seite als überwundener Standpunkt, als eine bloß „geschichtliche Größe" angesehen wird.
Die Begeisterung fürs Ideale ist derGrundzug aller dichterischen Erzeugnisse Schillers. Im Idealen liegen die Werte und Freude« des Lebens. Wohl hat Schiller auch die sinnlichen Genüsse in Liebes- und Trinkliedern gefeiert. Ja in dem Ja- gend-Drama „Die Räuber" kommt der wilde Drang nach ungezügelter Freiheit in drastischen Worten zum Ausdruck. Aber je mehr und mehr war des Dichters Leycr gestimmt auf die Verherrlichung alles wahrhaft Großen und Guten. Da ist die Fülle der Freuden.
Aus der Wahrheit Feuerspiegel lächelt sie den Forscher an. Zu der Tugend steilemHügel leitet sie des Dulders Bahn. Auf des Glaubens Sonnenberge sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge sie im Chor der Engel stehn.
Wie zart und kensch ist die Schilderung der Liebe:
O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit!
Das Auge sieht den Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit;
O daß sie ewig grünen bliebe,
Die schöne Zeit der jungen Liebe!
Die echte Liebe bleibt: „die Leidenschaft flieht, die Liebe muß bleiben I" Ueberhaupt ist das ganze Lied von der Glocke ein Hymnus auf echtes, deutsches Familienleben. „Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn", das ist
des Dichters Glaube, die Treue der Ehegatten, die Treue der Freunde.
Vor allem aber ist Schiller der Dichter der Freiheit. Nach Freiheit dürstete seine jugendliche Seele unter dem strengen Erziehungszwaug der Karlsschule. Und da kam dann das jugendliche Kraftgefühl in den „Räubern" mir solch elementarer Macht zum Ausbruch, daß das ganze Drama den Kampf der Freiheit gegen allen Zwang der Ordnung in Staat und Familie verherrlicht. Aber schon der jugendlich stürmische Geist erkannte die notwendigen Schranken allen Freiheitsdrangs, wenn er zuletzt seinen Helden sagen läßt: „O, über mich Narren, der ich wähnte, die Welt durch Greuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten. ... Ich erfahre mit Zähneklappern und Heulen, baß zwei Menschen wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grande richten würden." — Freiheit ist das Leben uud Webender Gottesschöpfaug : „Auf Freiheit ist sie gegründet, uud wie reich ist sie durch Freiheit." Freiheit ist das höchste Gut des Einzelnen. Sie entscheidet über de« „Wert" des Menschen: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und wär er in Ketten geboren." Freiheit ist das höchste Gut des Volks und Staats. Aber es gibt auch einen Mißbrauch der Freiheit; Freiheit ist nicht so viel wie Zügellosigkeit:
„Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann sich kein Gebild gestalten;
Wenn sich »ie Völker selbst befrei'n,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn."
Mit Entsetzen hat sich Schiller von der französischen Revolution abgewandt.
„Freiheit und Gleichheit! hört man schallen;
Der ruhige Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden zieh» umher . . .
Nichts Heiliges ist mehr: es lösen Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Platz dem Bösen Und alle Laster walten frei.
Aber trotz dieses Mißbrauchs bleibt die Freiheit doch „des Liärtes Himmelsfackel."
„Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Türen."
Freiheit. Tugend, Glaube, das sind die drei Worte, von denen es heißt:
„Drei Worte nenn ich euch, inhaltschwer, sie gehen von Mund zu Munde;
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt."
Der wahrhaft freie und gute Mensch ist vor allem auch ein treuer Freund des Vaterlands. Die glühende Vaterlandsliebe, die aus den großartigen Dichtungen: „Wilhelm Teil" uud „Die Jungfrau von Orleans" her
vorleuchtet. hat einen tiefen Einfluß auf unser deutsches Volk ausgeübt; sie hat begeistert zu den heldenhaften Freiheitskriegen, sie hat die Sehnsucht uach einem einigen großen deutschen Vaterland unauslöschlich in die Herzen geprägt. „Wir wollen sein ein Volk von Brüdern;
In keiner Not uns trennen und Gefahr!"
Und:
„Ans Vaterland, ans teure schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen,Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft." Uud aalte es auch blut'gen Kampf und Krieg:
„Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut,
Wenn es der Kampf nicht ist fürs Vaterland?"
„Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles freudig setzt an ihre Ehre!"
Fürwahr Großes und Ernstes hat Schiller mit alledem seinem deutschen Volk gesagt und — heute noch zu sage». Uud es ist heilige Pflicht der Nation, .diesen Propheten des Edlen uud Guten zu ehren, nicht bloß mit Festfeieru, sondern mit der Tat! —
Aber auch auf die Grundlage des Gesamtwohls. den Gottesglaube», hat Schiller ebenso freimütig, als ernst hingewiesen. Der christlichen Religio», wie sie sich in den verschiedenen Bekenntnissen ausgeprägt, stand Schiller fern: „Welche Religion ich bekenne? Keine von allen.
Die du mir nennst. Und warum keine? Aus Religion." Die äußeren Formen der Religion hielt er für gleichgültig. Aber die Religion selber, als Gottesglaube und Nächstenliebe, war ihm das Heiligste und Höchste. Er hatte ein tiefes Gefühl für die Größe uud Erhabenheit Gottes. Dem Gottesleugner Franz v. Moor läßt er sagen : „Dieser allwissende Gott, den du Tor und Bösewicht mitten aus seiner Schöpfung zernichtest, braucht sich nicht durch den Mund des Staubes zu rechtfertigen. Ec ist ebenso groß in deinen Tyranneien, als irgend in einem Lächeln der siegenden Tugend." Und die Naturgesetze, die der Oberflächlichen Betrachtung Go!t entbehrlich erscheinen lassen, sind ihm, dem Denker, viel eher ein Beweis für das Walten der göttlichen Weisheit: „Ihn, den Künstler wird man nicht gewahr. Bescheiden, Verhüllt er sich in ewige Gesetze;
D i e sieht der Freigeist, doch nicht i h n. Wozu Ein Gott? sagt er! Die Welt ist sich genug.
Und keines Christen Andacht hat ihn mehr,
Als dieses Freigeists Lästerung gepriesen."
Und darum ist der Glaube an Gott eines jener drei wertvollsten Worte:
„Und ein Gott ist, ein heilger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist." Unsere Christen Hoffnung, kann man sie schöner Preisen, als es SLiller tut in den Worten : „Dem dunklen Schoß der heil'gen Erde Vertrauen wir der Hände Tat,
Vertraut der Sämann seine Saat,
Und hofft, daß sie entkeimen werde Zum Segen nach des Himmes Rat.
Roch köstlicheren Samen bergen Wir trauernd in der Erde Schoß Und hoffen, daß er aus den Särgen Erblühen soll zu schönstem Los."
Wir haben Schiller etneu Propheten genannt. Die größten und heiligsten Güter der Menschheit hat er unS mit heiliger Begeisterung in der wunderbaren Sprache feiner Dichtung gepriesen. Uad darum haben wir allen Grund, ihn als der Größten einen zu ehren; wir wollen zum Schillerfest der Mahnung Göthes gedenken: „Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen,
Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt.
So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben."
WS»