Jerusprecher Ar. 11.
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Mr. 67.
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Dienstag, 2. Mai.
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! 1906.
Tagespolitik.
Ueber die F o r ts chritte der Schiedsgerichts- Bestrebungen hat sich Sir Thomas Barklay zu einem Mitarbeiter der „Petite Rkpnbliqae" aufs neue sehr zuversichtlich geäußert. Bei dieser Gelegenheit eifert der englische Friedensapostel sehr heftig gegen die „internationale Baude der Kriegsschürer", von der sich Franzosen, Deutsche und Engländer häufig betören lassen, ohne zn sehen, daß diese seltsamen Patrioten nur ihr eigenes Interesse im Auge haben. Er begrüßt es dabei als ein erfreuliches Zeichen, daß bei der Marokko-Affäre ein Militärblatt wie die „Kreuz- zeitung" und ein Journal mit den Erinnerungen der „Hamburger Nachrichten" mit Schärfe gegen die Kriegsprediger aoftraten. Sir Thomas Barklay erklärte, er sei fest überzeugt, daß die deutsche Regierung die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen müsse, dem Anstürme dieser unersättlichen Baude zu widerstehen, der es manchmal gelinge, durch Ausbeutung und Auslegung einiger nicht genügend überlegter Worte den Kaiser viel weiter fortzureißeu, als dieser es wünsche. Nach einem Ueberblicke über die Wichtigkeit des neuen Schiedsgerichtsvertrages zwischen Holland und Dänemark und nach der Darlegung, daß die Verwerfung der Schiedsgerichtsverträge durch den amerikanischen Senat nur auf einem Mißverständnisse beruhe, nämlich auf einer pedantischen Auslegung der Bedeutung der Worte, schließt der Artikel: Das Schiedsgericht ist in Europa eingeführt und besiegest. Frankreich hat Verträge mit England, Italien, Spanien, Schweden und Norwegen, Eagla:d mit den gleichen Ländern und auch mit Deutschland. Warum sollte es nicht auch einen ähnlichen Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland geben ? Das Schiedsgericht behält alle Frage» des Lebensmterrsses und der nationalen Ehre vor; nichts würde sich also einer wohltätigen Neuerung widersetzen, die gestatten würde, auf anderem als auf dem Wege des Krieges viele schwierige Fragen zu lösen. Uebrigens ist dies Ergebnis in einer nahen Zukunft unausbleiblich. Die Ausbeutung und Betörung der Völker durch das- Bangemachen vor Schlachten, die niemand wünscht, werden bald als vergeblich verschwinden. Wir sind schon zu diesem ganz neuen Stande gelangt, daß die Dauer der gegenwärtigen Kriege nur nach der Länge der Börse der Kriegführende» sich richtet. Die Kriege find jetzt einfache Finanzkombinationen mit dem furchtbaren Einsätze von Tausenden menschlicher Leben. Das ist absurd und die Haupteigenschaft des Absurde» ist seine schnelle Vergänglichkeit.
Kammer der Abgeordnete».
Stuttgart, 28. April.
Für Unterstützung kleingewerblicher Unternehmungen find im Etat 3000 Mk. eingestellt. Betz (Vp.) wünscht, daß auch einzelnen Handwerkern Beiträge gegeben werden. Minister v. Pis chek erklärt, eine Erfüllung dieses Wunsches wegen der unübersehbaren finanziellen Konsequenzen nicht zusageu zu können. Zur Förderung des gewerblichen Genossenschaftswesens find 16000 Mk. eingestellt. Der Berichterstatter Haug (Bund der Landwirte) befürchtet, das Genossenschaftswesen könne sich zu großen Warenhäusern, Ringen und Syadikatsbildungeu auswachsen. Es sei z. B. eine Schädigung der Landwirte, wenn sich die Bäcker des Landes, wie verlautet, zu einer großen Einkaufsgenossenschaft zusammenschlössen. Die Verbilligung der Produktion dürfe nicht auf Kosten anderer Berufskreise geschehen. Mit der Unterstützung der Ein- und Berkaufs- geuossenschaft gehe man mit Riesenschritten dem sozialistischen Staat entgegen. Tauscher (Soz.): Eine größere Toleranz gegenüber den Genossenschaften, würde den Arbeitern zngnt kommen. Auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften, für welche die Agrarier Beiträge forderten, schädigten andere landwirtschaftliche Existenzen. Die Hetze der Agrarier gegen die Konsumvereine habe einen stark demagogischen Charakter. Man solle das Genossenschaftswesen sich frei entfalten lassen. Znm Schluß fragt der Redner, ob einzelne landwirtschaftliche Genossenschaften Portofreiheit bei der Post genießen? Ihm liege ein mit amtlichen Dienstmarken abgestempelter Brief einer württembergischen Getreideverkaufs- geuossenschaft vor. Henning (Vp.) weist darauf hin, daß es sich bloß um kleingewerbliche Genossenschaften handelt, daß also die Furcht vor dem Großkapitalismus grundlos sei. Schmidt-Besigheim (Vp.) spricht im gleichen Sinn. Zu den Angriffen des Berichterstatters auf die Konsum- Vereine liege kein sachlicher Grund vor. Hildeubrand (Soz.) hält die Unterstützung der Genosfenschaftea nicht für geeignet zur Rettung des Mittelstandes, umsoweniger, als a« dieser Unterstützung die nicht zu Genossenschaften ver-
j einigten Handwerker keinen Teil haben. Die Sozialdemokratie stimme für die Position, weil sie darin einen Schritt auf dem Wege zur gesellschaftlichen Organisation der Produktion erblicke. Gegenüber den Beamten sei es ein Unrecht, daß ihnen die Regierung die Teilnahme an den Auf- fichtsratsstellen von Konsumvereinen verbiete. Das Hans habe alle Veranlassung, die Regierung um eine Zurückaahme dieses Erlasses za ersuchen. Voigt (Bund der Landwirte) billigt diesen Erlaß der Regierung. Schmidt-Maulbronn (Vp.) weist darauf hin, daß der Bund der Landwirte der größte Organisator von Konsumvereinen und Genossenschaften sei. Wenn alle Beamten ans dem Aufstchtsrate der Genossenschaften ausscheiden müßten, so würden viele landwirtschaftliche Genossenschaften zu bestehen aufhören. Wenn der Eintritt in die Anffichtsräte verboten werde, so müsse das für alle Genossenschaften geschehen, nicht bloß für die Konsumvereine. Die Regierung habe aber überhaupt kein Recht zu einem solchen Verbot, den Konsum- Vereinen werde auch durch ein solches Verbot nicht geschadet. Fchr. o. G a isber g-Helfenberg wünscht, daß durch die Staatsbeiträge die Originalität und die feinere Arbeit im Handwerk unterstützt und gefördert werde. Es sei unberechtigt, den Beamten den Eintritt in die Genossenschaften zu verwehren. Jedenfalls dürfe nicht einseitig vorgegangea werden. Richtig sei es, daß ein solches allgemeines Verbot auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften schädigen werde. Es sei zuzngebeu, daß ein Strebe» nach Association durch unsere Zeit gehe. Minister v. Pischek erklärt, ein Erlaß des Gesamt- ministerinms, der allgemein den Beamten den Eintritt in die Aufsichtsräte der Konsumvereine verbietet, liege nicht vor. Es gebe nur einen Erlaß vom Jahre 1893, der den Beamten von der 7. Rangstufe ab den Eintritt in die Auffichtsräte verbiete, um sie nicht in die wirtschaftlichen Kämpfe hineinzuziehen. In dem vom Abg. Tauscher erwähnten Falle handle es sich nicht um staatliche Dienstmarken, sondern um die Marken einer Amtskorporation, der das Ministerium keine Vorschriften machen könne. Abg. Hieb er (D. P.) hebt die segensreichen Wirkungen der Genossenschaften hervor und spricht sich ebenfalls gegen ein Verbot des Eintritts der Beamten in die Konsumvereine aus. Abg. Gröber (Z.) polemisiert gegen die Sozialdemokratie und in theoretischen Auseinandersetzungen über Mittel- standspolitck und Zukunftsstaat. Abg. Haußmann-. Balingen freut sich über die allgemeine Sympathie, die dem Genossenschaftswesen entgegeugebracht würde. Haug habe sich durch seine Ausführungen in Widerspruch mit seiner sonstigen Haltung gesetzt. Früher habe er immer die Gemeinsamkeit des bäuerlichen und gewerblichen Mittelstandes betont, hier habe er vor der Ausdehnung der gewerblichen Genossenschaften gewarnt, da sie der Landwirtschaft schade. Nicht ein Anfang von Staatssozialismus soll mit der Bewilligung dieses Titels ausgesprochen werden, sondern eine Förderung der Gewerbe, die durch das Genossenschaftswesen noch zurückgeblieben seien. Die Gewerbetreibenden müßten sich den Bund der Landwirte in der Organisation des Genossenschaftswesens zum Muster nehmen. Es fehle bisher noch vielfach an der genossenschaftlichen Erziehung. Der Titel wird hierauf bewilligt. — Bei dem Kapitel „Gewerbe- inspektion" ist uen vorgesehen die Anstellung eines vierten Gewerbeinspektors unter Bildung eines vierten Jaspektious- bezirkes, ferner die Anstellung einer Juspektionsasfisteatin und dreier Jnspektiousgehilfen, die seit einiger Zeit provisorisch angestellt waren, sowiedieZaziehung eines Arztes zur Inspektion. Abg. Schickhardt (Vp.) begrüßt die Erweiterung der Gewerbeinspektion, insbesondere auch die von ihm angeregte Zuziehung eines Arztes. Er hält aber die jetzige Organisation nicht für ausreichend zur Ueberwachung der Ausführung der Arbeiterschutzgesetze, mit denen er durchaus einverstanden ist. Es sei wünschenswert, daß die Gewerbeinspektoren mehr und mehr zu Beratern der Fabrikanten werden, weniger zu Aufsehern. Redner tadelt im einzelnen die Lohnbücher, welche gut gemeint seien, aber ihren Zweck verfehlten und nur eine unnütze Last der Fabrikanten bildeten. Abg. Keil (Soz.) erkennt die Tätigkeit der Gewerbeinspektoren an, nmso mehr, als sie unter Arbeitsüberlastung zn klagen haben. Wünschenswert sei es auch, daß dir Auffichtsbeamten sich durch sozialpolitische Borträge und Belehrungen über die Arbeiterschutzgesetze öffentlich betätigen, dazu aber bedürfe es einer Entlastung in ihren sonstigen Funktionen. Redner bringt einen Fall zur Sprache, in dem ein Gewerbeinspektor von einem konservativen Blatt getadelt und öffentlich denunziert worden sei, weil er in einem Bortrag dea sozialdemokratischen Organisationen Anerkennung gespendet habe. So lauge nicht die entsprechende Zahl von Beamten angestellt sei, werde die Gewerbeinspektion ihre Aufgabe nicht erfüllen köunen. Minister v. Pischek be
merkte. daß in den letzten Jahren die Zahl der Revisionen zugeuommen habe. Es seien im letzten Jahre 70 Prozent der Betriebe revidiert worden, in einzelnen Kategorien bis zu 96 Prozent. Das Personal der Inspektion bestehe jetzt aus 14 Personen. Damit könne der Wunsch, daß jeder Betrieb im Jahre einmal revidiert werde, erfüllt werden; es sei aber damit auch aus einige Zeit dem Bedürfnis voll genügt. ES sei nicht wünschenswert, daß die Gewerbeiu- spektoren in ihrer außeramtlicheu Tätigkeit als eine Art Wauderredaer auftreteu. Aber der erwähnte Vortrag habe den Gewerbeinspektor beim Ministerium nicht geschädigt. Wenn also eine Denunziation beabsichtigt gewesen sein sollte, so habe ste ihren Zweck verfehlt. — Hierauf wird die Beratung auf morgen vertagt.
Lemdesnachrichten-
* Altenfteig, 1. Mai. April-Betrachtungen. (Nachdruck verboten.) Von neuem machte dieses Jahr — das alte Wort sich wieder wahr, — daß der April in seiner Frist — ein launenhafter Bursche ist; — denn während sich mit frohem Sinn — die Menschheit gab der Hoffnung hin, — daß nach des Winters langem Bann — die goldue Frühlingszeit hebt an — und so von Leuzesglück geträumt,
— hat er der Erde ungesäumt — durch seine wechselvolle Macht — das grade Gegenteil gebracht! — Und Regen löste ab der Schnee, Sturm der Orkan auf hoher See, — jetzt war es warm, darauf sehr bald — dann wieder ganz empfindlich kalt — und laut erklangs von alt und jung: „Nein, diese schlechte Witterung!" — So war's bis zu des Mondes Rest — und selbst auch zu dem Osterfest, — obwohl sehr spät dasselbe fiel, — trieb er sein uubeständ'ges Spiel. — Vor Ostern wurd' noch am Altar — die junge Konfirmaudenschar — im ganzen deutschen Vaterland — durch Segensspruch von Priesters Hand — dem großen Band ver Christenheit — bei ernster Feier eingereiht I — Es maßten viel vom Vaterhaus — zum Lernen in die Welt hinaus, — die besten Wüns te im Geleit', — zu Ende war der Schule Zeit. — Hier blieb jedoch nicht leer ihr Platz,
— vielmehr kam kleiner Nachersatz, — der A-B-C-Schütz' nahm ihn ein, — und mancher Koab', manch' Mägdelein
— spitzt nun sehr aufmerksam das Ohr, — was ihnen trägt der Lehrer vor! — Sonst war in Deutschland nicht viel los,
— erwähnenswert ist höchstens blos, — daß Preußens Land- und Herrenhaus — das neue Berggesetz gab raus,
— mit dem, da Bess'rung mau vermißt, — das Volk nicht recht zufrieden ist. — Auch Bülow tat der Ausfall leid, —
— er sprach: „Bessert Ihr hilfsbereit — nicht mehr noch das Geschick, — zieh' ich die Vorlage zurück!" — Mehr Freude hat uns da bewahrt — des Kaisers mittelländ'sche Fahrt, — der in Neapel Hand in Hand — mit König Viktor einig stand. — Auch Frankreich hatte einen Gast, — es stieg hier ab zu kurzer Rast, — der Kaisersahrt als Gegenpart, — der Britenkönig Eduard. — Doch kam dar- ob nicht recht in Schwung — der Franzmänner Begeisterung ; — es machte diesen vieles Weh — von dem Minister Delcassee — die dumme änß're Politik — und auch, daß man die Republick, — trotz strengster Strafe durch den Tod,
— gar von Verschwörern sah bedroht. — In Rußland gährt es weiter fort, — es blühte Aufruhr, Brand und Mord,
— auch stieß bis au der Feinde Tor — die balt'sche Flotte mutig vor — und losgeh'n wird bald über Nacht — zu Wasser eine große Schlacht. — Was ferner im April geschah: — Der Kriegstanz in Nordafrika—mit manchem unbotmäß'geu Scheck, — Italiens Eisenbahnerstreck, — des großen Unglücks düst're Schau — bei Madrid s Wasserleituugsbau, — der Kreter wilder Freiheitsdrang — verschönte nicht des Monats Gang. — Wohl uns, daß endlich er vorbei, — und wohlgemut zieht in den Mai — mit seinem frischen Blüteu- duft, — mit seinem Jnbelu in der Luft — und in dem grünenden Gezweig — mir euch der
Frohlieb Schmerzensreich.
* Aktensteig, 1. Mai. Die vom Schwarzwaldverein auf gestern Abend in die Wirtschaft von Albert Luz anbrraumte Generalversammlung war sehr zahlreich besucht, was wohl"darauf zurückzuführe» ist, daß die Tagesordnung insofern von größter Wichtigkeit war, als u. a. eine Besprechung über das Heuer hier stattfiudende Jahresfrft des Gesamtvereins stattfiudeu sollte. Nach einigen einleitenden Worten des Vorstandes, Hro. Oberförster Weich wurde vom Kassier und Schriftführer, Hrn. Gaffer der Geschäfts- uud Kassenbericht erstattet, bei dem eine erfreuliche Entwicklung des Vereins konstatiert wurde, andererseits war aber ans dem Kassenbericht zu ersehen, daß die finanziellen Verhältnisse gerade keine rosigen find, in Anbetracht der großen Auslage bei dem in Aussicht stehenden Fest.