Jernfprecher Ar. 11.

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Sonntag, 30. April.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1905.

Sonntags-WL-möerei.

(Nachdruck verboten.)

Altensteig, 29. Avril.

Hoch gingen in den letzten vierzehn Tagen die Wogen in dem französischen Parlament und der Minister des Aeu- ßerev, Herr Delcassee, hatte in dieser Redeflut seine ganzen Kräfte aufzubieten, um sein Schifflein vor dem Zerschellen an den Klippen der Unzufriedenheit, welche die Volksver­treter gegen seine äußere Politik beseelte, zu bewahren. Seine Behandlung der Marokkofrage Deutschland gegenüber hat ihm diese Mißstimmung' eingebracht, und es war ein herzerquickender Lichtblick für die Zukunft, von Leu Rednern der verschiedensten Parteien, welche in der französischen De­putiertenkammer vertreten find, zu hören, wie sie einstimmig von dem Wunsche erfüllt waren, es mit Deutschland nicht zu verderben, vielmehr daraufhiu zu arbeiten, mit diesem in gut nachbarlichen Verhältnissen zu leben und auf eine immer freundschaftlichere Annäherung der beiden Staaten hinzu- wirkev. Dieser Umschwung der Stimmung ist nach zwei Seiten hin als sehr erfreulich zu betrachten. Nach der einen Seite gibt sie kund, daß i« Frankreich eine neue Generation herangewachsen ist, welche die gegenwärtige Weltlage so nimmt, wie sie ist und nicht, wie sie nach den chauvini­stischen Ideen der französischen Heißsporne sein soll. Die Zeiten eines Paul Dsroulede mit seinem Revanchegeschrei scheinen für Frankreich für immer vorüber za sein und der­selbe Umschwung der Stimmung, welchen mau schon seit Jahren in dem Reichslande Elsaß-Lothringen mit Freuden wahrnehmen konnte, hat nun auch in dem Frankenreiche selbst Platz gegriffen und feste Wurzeln gefaßt. Das Er­freuliche nach der anderen Seite ist aber, daß unsere deutsche Diplomatie durch den marokkanischen Kaiserbesuch einen glänzenden Erfolg errungen hat, der so manche Schlappe wieder wett macht, welche ihr im Lauf der letzten Jahre nicht erspart bleiben sollte. Deutschland hat, nachdem cs bei Ab­schluß des franko-englischen Vertrages vollständig ignoriert worden war. durch sein energisches Vorgehen bewiesen, daß es sich kräftig genug fühlt, auf eigene Hand seine Politik zu machen, und deren Motive mannhaft zu vertreten. Des­halb auch die arge Beklemmung jenseits des Kanals an der Themse, wo das gerade Vorgehen des deutschen Reiches garnicht recht behagen will, genau so wenig wie die De­batte in der französischen Kammer, aus welcher klar hervor­ging, daß es mit Englands Hoffnung, Deutschland und Frankreich in einen Krieg zu verwickeln, für absehbare Zeiten vorläufig nichts ist.

Besondere Freude kann' aber das deutsche Volk auch noch darüber empfinden, daß die letzte diplomatische Hand­lung Graf Bülow's geeignet ist, die Macht und das An­sehen des Deutschtum's im Auslande zu stärken, und da­durch unseren Landsleuten da draußen in der Fremde, die mutig als Pioniere der deutschen Arbeit und des deutschen Wissens sich die Liebe zu ihrem angestammten Vaterlande zu erhalten gewußt haben, zu unterstützen. Es gab einmal eine Zeit, da war der Deutsche im Auslande Wohl überall gut gelitten, aber sein Name als Deutscher selbst hatte unter den Völkern der anderen Staaten sonst weiter keinen guten Klang, als den, daß er ein gutmütiger, bescheidener und arbeitsamer Mensch war, der sich unterzuordnen wußte und zu kulturellen Arbeiten infolge seiner Gewissenhaftigkeit und seiner Arbeitsfreudigkeit gut zu gebrauchen war. Seil vier Jahrzehnten ist das alles anders geworden. Nach dem steg- reichen Feldzug von 187071, aus welchem die Einheit des Deutschen Reiches in seiner jetzigen Herrlichkeit erstand, ist unablässig von Deutschland darauf hingearbeitet worden, auch in allen Ländern der Welt dem WorteDeutsch" zu der Achtung zu verhelfen, welche es verdient. Der deutsche überseeische Handel hat in den letzten vierzig Jahren einen mächtigen, ungeahnten Aufschwung erhalten, und der Aus­bau einer modernen Kriegsflotte, welche selbst von einem Eng­land gefürchtet und geachtet wird, hat es ermöglicht, daß Deutschland im Staude ist, nicht nur in den entferntesten Tei­len der Welt seinen Handel zu schützen, sondern auch seinen Forderungen überall dortnachdrücklichst Geltung zu verschaffen, wo man noch nicht recht verstehen will, daß das WortDeutsch" heute etwas anderes bedeutet, als wie vor fünfzig Jahren. Die Zeiten haben sich seit damals gewaltig geändert und in den überseeischen Ländern da draußen spricht ^man schon lauge nicht mehr von einem Preußen, Bayern, Württem­berg, Sachsen oder Hessen, sondern nur noch von einem Deutschen. War er unter den fremden Völkern auch früher gewissermaßen geliebt, weil er bei allem Nichtsseiu doch so ein nützlicher und brauchbarer kultureller Mitarbeiter war, so ist er jetzt infolge seines Wissens, seiner Kenntnisse und der Größe seines Vaterlandes zwar mehr gefürchtet; dafür aber auch überall als Deutscher hochgeachtet, und stolz

kann er sich jetzt als ein Sohn Germania's bekennen. Das hat der Deutsche neben seiner eigenen Kraft und Intelli­genz vor allen Dingen aber auch der machtvollen Leitung des deutschen Reiches zu verdanken, und wenn dieses einen neuen, diplomatischen Erfolg za verzeichnen hat, wie es jetzt iu Paris der Fall war, so können wir uns dessen aufrichtig freuen, umsomehr, da sich dabei wieder glänzend die Friedens­liebe unseres Kaisers und seiner Ratgeber im schönsten Lichte gezeigt hat.

Tagespolitik.

DerMatin" bringt einen nicht Unterzeichneten, an­scheinend offiziösen Artikel, der direkt gegeuDeutsch- land gerichtet ist und eine kaum verdeckte Drohung enthält. Er ist wichtig genug, ihn vollständig wiederzugeben, da er manche Diskussion noch verursachen wird. Er lautet : Die Regierungen von Paris und Berlin uuterhaudeln ge­genwärtig über die marokkanische Frage. Unsere Diplomatie spielt mit offenen Karten. Unser Minister des Aeußern und sein Chef, der Ministerpräsident, haben laut genug erklärt, um überall gehört zu werden, daß Frankreich bereit ist, auf jede Frage zu antworten und jedes Mißverständnis zu zer­streuen. Wilhelm 1l. schien zu bedauern, daß man ihn nicht genügend auf dem Laufenden gehalten habe über das Ziel, das Frankreich in seinen Verhandlungen mit dem Scherif verfolgt. Herr Delcassee hat sich sehr bereitwillig gegen­über der deutschen Regierung ausgesprochen. Auf deutscher Seite hat jedoch die Unterhaltung nicht den vertraulichen und herzlichen Ton angenommen, den man hätte erwarten dürfen. Deutschland scheint mit uns das Spiel zu versuchen, das darin besteht, vorzurücken, wenn der andere zurückweicht und zarückzaweicheu, wenu der andere vorrückt. Frankreich hat in Marokko ganz spezielle Interessen. Als Nachbar an der algerischen Grenze leidet es unter der Anarchie, die im Reiche des Scherifs herrscht. Nicht eitler Ehrgeiz diktiert Frankreichs Politik in Fez, sondern die Sicherheit seiner Grenze. Die Ordnung ist in den Stämmen Marokkos nö­tig, damit der Friede unter den algerischen Stämmen herrsche. Frankreich verfolgt kein anderes Ziel als die Unterstützung des Sultans, damit er die volle Autorität über seine Unter­tanen und Unabhängigkeit seiner Herrschergewalt wieder­gewinne. Frankreich bedroht die Rechte keiner Macht, noch auch die Handelsfreiheit oder die abgeschlossenen Verträge. Was will Deutschland und was verlangt es? Gerade das, was Frankreich sich verpflichtet hat, zu respektieren die Un­abhängigkeit des Sultans und die offene Tür für den Han­del aller Nationen. Hat die deutsche Regierung einen Hin­tergedanken? Dann möge sie ihn äußern. Wie groß auch die Macht des deutschen Kaisers sei, so muß er auf die Hoffnung verzichten, uns eine Niederlage, sei es auch nur anserer Eigenliebe, beizubringen. Hat er nicht den Empfang bemerkt, den alle Mächte seiner ersten Kundgebung bereite­ten? Er hat umsonst Stützpunkte in Amerika und Europa und sogar bei seinen Verbündeten gesucht. Wenn Deutsch­land wagen sollte, heute den europäischen Frieden zu trü­ben, so kann mau mit Gewißheit versichern, daß es nirgends eine Hilfe fände. Wilhelm II. würde seine Vergangenheit leugnen, wenn er sich im Augenblick, da der mit großer Mühe lokalisierte Konflikt iu Oftasteu die verdoppelte Wach­samkeit aller europäischen Mächte fordert, zu einer Politik der Launen (politique de boutades) Hinreißen ließe. Frank­reich bleibt sich seines Rechtes, seiner Selbstlosigkeit, der Klarheit seiner Politik, des Vertrauens aller Nationen und seiner friedlichen Absichten bewußt. Es braucht daher nichts zu befürchten. Es ist nicht mehr isoliert, wie im Jahre 1870. Die Isolierung wird sich im Gegenteil auf deutscher Seite einstellen, da Deutschland allein in der ganzen Welt eine besondere Meinung festhalten würde." Der Artikel desMatin" über den marokkanische» Konflikt hat au der Pariser Börse eine kleine Panik erzeugt. Aus diesem Grunde hat sich derTemps" erkundigt, ob jener Artikel offizielle Bedeutung habe und erklärt sich nunmehr berechtigt, zu ver­sichern, daß keiner der Minister weder direkt noch indirekt eine Mitteilung dieser Art irgend einer Zeitung zugehen ließ. Es wird allgemein zur Beruhigung dienen, daß Del- cassee jener Note wirklich fern geblieben ist oder sie wenig­stens verleugnet. Denn so ganz traut man ihm nicht und glaubt doch, daß Delcassee irgendwie hinter den Kulissen die Hand im Spiele hat, um Rouviers versöhnlichere Po­litik zu durchkreuzen.

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Die russische Regierung macht die größten Anstreng­ungen, um die ostastatische Flotte mit Kohlen zu versor­gen. Die Versorgung wird immer schwerer und da die Kohlenschiffe befürchten müssen, von dev Japanern gekapert

zu werden, so lassen sich keine Schiffe mehr mieten, sondern nur noch kaufen. Die 15 großen Dampfer der Hamburg- Amerika-Liaie, die Roschdjestwenski fast von seiner Ausfahrt an begleiteten, find zur Fortsetzung der Reise über Batavia hinaus nur gegen die von der russischen Regierung gegebene Zusicherung voller Entschädigung im Fall der Kaperung durch die Japaner bereit gewesen. Dabei läuft aber das Personal der Kohlenschiffe bei jeder sich bietenden Gelegen­heit davon oder meutert, und der amerikanische Konsul hat jüngst eine ganze Anzahl amerikanischer Matrosen, welche die Weiterfahrt mit der russischen Flotte verweigerten, heim- schaffen lassen.

LandesnachrichLen.

* Altensteig, 29. April. Nun ist auch der Schleier über die hier zu veranstaltende Schillerfeier gelüftet worden, nachdem das Festkomitee in der Lage ist, ein defini­tives Programm vorzulegeu. Auch hier wird, gleich vielen anderen Orten, der 100. Todestag Schillers iu feierlicher, unseres großen Dichters würdiger Weise gefeiert. Die hie­sige Stadt hat zur Bestreitung der Kosten 200 Mark be­willigt und wird außerdem das erforderliche Holz zu einem Höhenfeuer geben. Das Programm stellt sich nun wie folgt zusammen: Am Vorabend des Festtages findet abends

7 Uhr ein Bankett im Gasthof zumgrünen Baum" unter Mitwirkung des Liederkranzes und mit Aufführung lebender Bilder statt. Am Festtage (9. Mai) ist auf vormittags 10 Uhr die Schulfeier in der Turnhalle vorgesehen. Bei derselben wird jedem hiesigen Schüler und jeder Schülerin vom 8. Lebensjahr an das. Schillerbüchlein von Mosapp überreicht und sämtlichen Schülern inkl. den Kleinkinderschüleru je eine Schillerbrezel verabfolgt. Abends

8 Uhr ist großer Fackelzug mit Musik. Derselbe geht vom Marktplatz aus über den Seltengraben auf denHälles- berg. Beteiligen werden sich daran die Schüler mit Lam­pions, sowie eine Abteilung Feuerwehr und Turner mit Fackeln. Beim Zehntbaum wird das Höhenfeuer ab­gebrannt und mit diesem finden die Festlichkeiten ihren Abschluß.

* Aagokt», 29. April. Am Samstag, den 6. Mai, vor­mittags 9 Uhr findet auf dem hies. Rathause die Amts­versammlung statt, bei welcher u. a. folgende Gegenstände zur Beratung kommen: Wahl des Distriktsarztes in Haiter- bach. Wiederbesetzuug der erledigten Stelle des Oberamts­sparkassiers mit Festsetzung des Gehalts und der Kaution desselben. Aenderung des Distrikts des Körperschafts­geometers Kapp hier und Ergänzung des Penfionsberech- tigten Einkommens desselben. Aenderung des Statuts der Bezirkskrankenpflege-Verficherung. Gesuche mehrerer Farrenhalter um Bewilligung eines Anteils an dem Korpo­rationsbeitrag für den Ankauf von Original-Simmentaler- Farren. Uebernahme der Reisekosten der tierärztlichen Fleischbeschauer auf die Amtskorporation. Verwicklung eines Körperschaftsbeitrags au die Ortsviehverficherungs- vereine.

* Stuttgart, 28. April. Das Stuttgarter Stadtpolizei­amt hat dem Württembergischen Journalisten- und Schrift­stellerverein mitgeteilt, daß besondere Abzeichen für die Vertretung der Presse zur Erleichterung der Berichterstattung ausgegeben werden sollen und daß die Schutzmannschast darüber entsprechend informiert ist.

* Kßkinge», 28. April. Eine überaus zahlreiche Trauer- gemeinde erwies dem am Ostermontag so unerwartet aus dem Leben geschiedenen Laudtagsabg. Reichsgerichsrat a. D. v. Geß gestern nachmittag die letzte Ehre. Die Trauerfeier fand auf der Terrasse vor der Leichenhalle statt, wo der Sarg aufgebahrt war. Im Anschluß an die Psalmworte: Unser leben währet 70 Jahre usw." zeichnete Dekan Planck in scharfen Umrissen ein Lebensbild des Dahiugegangeueu und wieS auf die erfreuliche geistige und körperliche Frische und Rüstigkeit hin, mit welcher derselbe vor Jahresfrist noch im Kreise seiner Familie seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Nach einem vom Geistlichen gesprochenen Gebet legte Kam­merpräsident Payer namens der Abgeordnetenkammer einen Kranz am Sarge nieder, indem er u. a. ausführte: Die Abgeordnetenkammer betrauert in dem entschlafenen Kollegen eines ihrer ältesten und verdientesten Mitglieder, einen Mann, der in ihr viele Jahre laug eine bedeutungsvolle Stellung eingenommen hat. Seine Tätigkeit war iu den 12 Jahren, während welcher er der Kammer augehörte, eine außerordent­lich vielseitige, fast Alles umfassende. Reiches Wissen, ein unermüdlicher Fleiß, praktischer Verstand und ein nie sich erschöpfendes Interesse au allen die Volksvertretung berühren­den Fragen des Lebens haben es ihm gestattet, zu fast allen Gegenständen unserer Beratungen zu sprechen, meist nur kurz, aber immer frisch, allgemein verständlich und unter