Jervsprecher

Kr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit den wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

Bestellpreis für das Vierteljahr im Bezkck u. Nachbarortsverkehr Mk. 1.1K, außerhalb Mk 1L8.

63.

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Sonntag, 23. April'.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werben dankbar angenommen.

! isos.

Hierzu ein zweites Matt.

Das nächste Blatt erscheint am Mittwoch.

Amtliches.

Uebertragen wurde die Stelle des Reallehrers an der La­tein- und Realschule hier dem Hilfslehrer Roll in Sindelfingen; die evangelische Dekanats- und erste Stadtpfarrstelle in Knittlingen dem Pfarrer Miller in Enzklösterle, Dekanats Nagold.

Ostern.

Wenn der Frühling ins Land kommt, dann beginnt jeder Mensch ein neues Hoffen. Die aufersteheude Natur, welche nach Winter-Eis und -Sturm eine Frühlingspracht hervorzaubert, wird ihm zum Gleichnis für sein eigenes Leben und damit zum Trost für die Widerwärtigkeiten und Hinder­nisse seines Geschickes.

Ja, der Frühling hat eiae mächtige Kraft für unser Hoffen, doch als bleibend und immer wieder neu stärkend bewährt er sich nicht, und er kann es auch gar nicht, ist doch auch seine Pracht vergänglich und hinfällig. Das Meuscheuherz aber braucht mehr, braucht festeren Halt, au den es sich klammern und sein Hoffen anraokeu kann.

Wir Christen können glücklich sein, daß wir solchen Halt habeo. Er ist einzig und allein: Die Auferstehung unseres Herrn. Bezeugt von einer großen Menge von Augeu- uud Ohrenzeugeo, die sie zunächst nur für ein Märchen hielten, ist sie das feste Fundament des Glaubens der Apostel geworden, die es nicht genug rühmen konnten, daß ihre Hoffnung erst durch seine Auferstehung zu einer lebendigen geworden ist.

Unsere Zeit will vielfach von dem Auferstandenen nichts wissen, und darum find auch in ihr die Lebenskräfte des Auferstandenen nicht lebendig, und ist fie so arm au Liebe und sittlicher Kraft. Wenn wir ihr helfen wollen, dann kann es nur durch die Predigt des Auferstandenen geschehen, die schon viele Meuschenherzen neugeschaffeu und ganze Völker umgestaltet hat.

Unser ganzes Christenlebeu soll solche Osterpredigt sein, ,im Wort, im Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen." Solche stille Predigtim Wandel, derseiue Kraft zieht aus der lebendigen Gemeinschaft mit dem Lebens­fürsten, hat sich bisher noch immer als wirksam erwiesen.

Der Herr schenke es uns, daß wir Christen, denen er den fröhlichen Glauben an seine Auferstehung ins Herz gegeben hat, fie unserer Umgebung halten können, unserem Nächsten zum Heil und Ihm zur Ehre.

Tagespolitik.

Den württembergischeu Ständen ist eine Vorlage zugegaugen, wonach der Stadtgemeinde Billsdorf ein Darlehen von 250,000 Mk. unter denselben Bedingungen gewährt werden soll, die für Jlsfeld beschlossen worden find, nämlich auf 3 Jahre unverzinslich und auf weitere 4 Jahre zu 2 o/.

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Die Gerüchte, König Friedrich August von Sachsen beabsichtige sich demnächst wieder zu vermählen, und die Reise der Königin-Witwe Karola von Sachsen nach Belgien, England und Frankreich gelte dem Zwecke, ihrem Neffen, dem Könige, die Hand der Prinzessin Klementine von Belgien zu gewinnen, find unbegründet. Es ist bisher noch kein Ausweg gefunden, durch den der König von Sachsen zu der Möglichkeit einer Wiedervermählung ge­langen könnte, ohne sich oder seine Kinder der Kirche ge­genüber in eine inkorrekte Stellung zu bringen, die mit dem Staatsinteresse schwer zu vereinbaren wäre. In der Montignoso-Augelegenheit nimmt der König den Standpaukt ein, daß auch in de« hier noch zu erledi­genden Fragen lediglich die Gründe der politischen Zweck­mäßigkeit ausschlaggebend sein dürfen, und er hat daher die Entscheidung in diesen Fragen ein für alle Male dem Staats-

Ministerium überlassen, dessen Beschlüssen er sich fügt.

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Zwischen Deutschland und den Bereinig­ten Staaten von Nordamerika schweben nach einer Er­klärung deS Bandessenators Mac.Culleru, der sich darüber im Staatssekretariate persönlich informiert haben will, noch keine Haudelsvertragsverhaudlungeu; auch im nächsten Jahre sei die Einleitung von Verhandlungen unwahrscheinlich. Erst wenn Neuwahlen eine andere Zusammensetzung des Bundessenats herbeiführten, der in seinem gegenwärtigen Bestände Handelsverträgen abgeneigt sei, sei die Aufnahme

derartiger Verhandlungen mit Aussicht auf Erfolg möglich. * *

Ueber die Marokko-Frage hat sich der fran­zösische Botschafter in Berlin, Bihourd, im Aufträge seiner Regierung mit dem Unterstaalssrkretär des Auswärtigen Amts

Dr. v. Muehlberg ausgesprochen. Nach derNat.-Ztg." scheint es zwar nicht, als sei der Botschafter ermächtigt ge­wesen, bestimmte Vorschläge zu machen, Londoner Blätter wollen sogar wissen, daß sich die Erledigung der Angelegen­heit noch sehr in die Länge ziehen werde; aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Frankreich den ersten Schritt zur Verständigung getan und damit zu erkennen gegeben hat, daß es den begangenen Fehler wieder gut zu machen ge­sonnen ist. Da Deutschland nichts Ungebührliches verlangt, so wird über kurz oder lang ein Einvernehmen gewonnen werden. Die peinlichen Erfahrungen der jüngsten Wochen werden den französischen Minister des Auswärtigen aber darüber belehrt haben, daß eS nicht gut ist, Deutschland zu ignorieren.

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In der französischen Kammer hat es eine große Debatte über die marokkanische Frage ge­geben. Minister Delcasfee wurde von rechts und links scharf angegriffen und Niemand im Hause fand sich zu seiner Ver­teidigung. ES wurde mitgeteilt, daß Verhandlungen mit

Deutschland eiugeleitet worden find.

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Zu den Barrikadenkämpfen in Limoges Frankreich, die in der Pariser Abgeordnetenkammer zur Sprache kamen, was mit einer Bertrauensknudgebnug für die Regierung endete, wird amtlich berichtet, daß 197 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten durch die von den ausständigen Porzellanarbeiteru geschleuderte deine und Eisenstücke verletzt wurden, darunter einige schwer. Trotz­dem konnte Ministerpräsident Rouvier in der Kammer er­kläre», daß die Soldaten ohne Befehl geschossen haben. Die Langmut des Militärs kommt auch darin zum Ausdruck, daß nur ein Arbeiter getötet und vier schwer verletzt wur­den. Zur Verhütung neuer Ruhestörungen find die strengsten

Maßregeln getroffen worden.

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Der Eisenbahn erstreik in Italien ist nicht nur mißlungen, er hat auch der Regierung in der Abge­ordnetenkammer eine Mehrheit für die Eiseubahnverstaat- lichungsvorlage gesichert und dem neuen Ministerium Fortis eine Vertraueuskundgebuug eingetragen. Der Bahuverkehr ist im allgemeinen wieder normal. Hier und da ist der be­reits im Abnehmeu begriffene Streik unter dem Schüren der Hetzer zwar abermals aufgeflackert, anderswo aber kehren viele der Ausständigen zur Arbeit zurück; auch ist reichlich Hilfspersonal vorhanden.

M Lefefrucht.

Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein Die echte Perle deines Wertes hin.

Angendstürme.

Roman von A. Andrea.

(Fortsetzung.)

Auf Haus Jochems Gesicht spiegelte sich plötzlich eine grenzenlose Betroffenheit. Mit allen zehn Fingern fuhr er sich durch das kurze, dicke Blondhaar.

Ihm war heiß geworden. Er hielt den Hut in der

Hand.

Das ist doch merkwürdig.Sie erinnern mich

fabelhaft an einen lieben, alten Jugendfreund, Mr. Brown!"

Eine dunkle Glut schoß diesem in die Wangen. Noch­mals verneigte er sich zurückhaltend ; aber das Erröten hatte ihn verraten.

.Mensch, Bruno verstellst du dich, oder kennst du deinen alten .Kamp" nicht mehr?"

Die Maschine stockte. Aller Augen wandten sich dort­hin, wo der Freiherr und der Ingenieur einander in den Armen hielten.

Hrrzensbruder I Also auf meine Kate hat der Sturm des Lebens dich verschlagen? Ich nehme meinen Hut ab vor dem Erfinder und Ingenieur, dessen Lob die Firma Stamer in allen Tonarten preist."

Hans Joachim, Westernkamp I" stammelte Bruno. .Du kennst mich wieder? Du heißt mich tu der Heimat willkommen als erster von denen, die mir einst teuer waren. Ah, wie Wohl das tut I Jetzt erst fühle ich mich daheim I"

Etwas abseits stand Melina bleich, mit zuckender Miene. Sie hatte eine Erscheinung. Nicht ihren Verlobten, noch des Ingenieur, den entlaufenen Bruno Normanu sah fie, sondern einen elenden Jtzngliug in zerlumpten Kleidern, mit Augen, auS denen der Hunger stierte . . .

Plötzlich Hans Joachims fröhliche Stimme:

.Melina Herzenskind! Heut machen wir Feiertag. Ich habe einen Freund wiedergefuudeu, der verloren war. Du hast in diesem Herrn nur Mr. Brown gesehen; erlaube, daß ich dir meinen Penfionsbruder Bruno Normanu vor­stelle !"

Einen blitzschnellen Blick wechselten die beiden mit­einander ; dann sagte Bruno unsicher:

.Und' doch ist's als hätten auch wir uns schon früher gesehen . . . Pardon, gnädiges Fräulein I" . . .

Aster jetzt za Mama und einer Flasche Sekt!" rief Westernkamp lachend dazwischen. . . .

So blieb die Begegnung des kindlichen Edelfräuleins mit dem jungen Strolch in der Wärmehalle ein unausge­sprochenes Geheimnis.

Wer von den dreien diese Nacht gut und fest schlief, das war allein Hans Joachim. Den nächsten Morgen reiste er ab, froher und wohlwollender als je.

.Daß du mir meinen verlorenes Sohn gut hälft!" sagte er scherzend zu seiner Braut . . .

Der Ingenieur hatte die folgenden paar Tage so an­haltend zu tun, daß er sich von der Mittagstafel im Schloß dispensieren ließ. Er nahm seine Mahlzeiten in seiner Stube ein, wann und wie er gerade Zeit hatte. ... Ja, er steht zum Glück wieder in der Wirklichkeit ... der Arbeiter. Das Märchen ist zu Ende ... die Prinzessin die Braut des guten Ritters Haus Joachim . . .

Auf dem Felde im Mittagssonuenbraud.Los I" Die Lokomobile setzt sich in Bewegung. Sie hat von vorn­herein ihre Schuldigkeit getan : nirgends ein Fehler, »je eine Unregelmäßigkeit. Sollte das Werk vollkommener sein, als sein Meister? Einen Wagen voll Getreide nach dem anderen verschlingt das Ungeheuer von Dreschmaschine: hier stopft es ein, dort speit cs die abgesonderten Körner in die Säcke, während das leere Stroh durch die Schütte fließt, so er­giebig, daß der Knecht, der es mit der Heugabel wegzu- räumen hat, kaum mithalteu kann.

Die Leute triefen. Endlich läutet eS auf dem Wirt­schaftshofe Mittag. Das war ein heißes Schaffen! Sie ziehen ihre Jacken au und trollen sich. Es wird leer auf

der Stelle; aber der Ingenieur arbeitet allein mit seiner Maschine weiter.

Das ist nun alles gut in Gang", sagt der Maschi­nist und wischt sich den Schweiß vom Gesicht.Ich denke, wir schaffen's ohne den Herrn Ingenieur."

.Stop !" ruft dieser herüber.Au der Zentrifuge ist etwas nicht, wie es sein soll."

Vom Schlosse her kommt Fräulein von Walfried ge­gangen. Ihr Helles Kleid schimmert über das leere Stop­pelfeld.

Der Ingenieur furcht die Stirn. Seine Hand mit einer Schraube an der Zentrifuge beschäftigt, dreht und reckt auf eigene Rechnung; denn seine Gedanken find nicht mehr dabei.

Warum kommt fie? Was will fie hier? Hat fie nicht verstanden, daß ich ihr aus dem Wege gegangen bin?"

Los!" ruft der Maschinist an der Bremse.

Ein heftiges.Piauchen und Sausen. Zwischen den Fugen des wirbelnden Schwungrades sieht der Ingenieur ein blasses Antlitz mit zwei suchenden, rätselhaften Augen.

Wie kann der Manu jetzt seine Gedanken nicht bei­sammen habe»? Seine Maschine fühlt es, daß er sie ver­nachlässigt, vergißt. Sie stößt einen kreischenden, ohrzer- reißeuden Schrei aus. Dann ein Ruck, als ob das Unge­tüm sich aufbäume . . . Der Ingenieur fliegt wie geschleudert im Bogen fort und stürzt zu Boden.

Donnerschlag I" entfährt es dem verdutzten Bremser, während Fräulein von Wulfried stehen bleibt, als ob ein Blitz vor ihr niedergefahren ist und sie gelähmt hat.

Da rafft der Ingenieur sich auf. Er will die Linke erheben; doch fie hängt kraftlos au seiner Seite, ein zer­rissener, blutiger Fetzen. Taumelnd macht er mit der an­dern Hand ein Zeichen.

Ausschalteu I" ruft er wie ein von der Kugel durch­bohrter Feloherr und bricht besinnungslos zusammen . . . .

Westerukamp wurde telegraphisch von dem Unglück benachrichtigt. Er depeschierte zurück :Dableibeu auf jeden Fall. Schicke sofort einen Wundarzt und seine Schwester zur Pflege."

(Fortsetzung folgt.)