Aerufprecher M 11

Erscheint Dienstag Donnerst«, Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

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Dienstag, 18. April.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

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> 1905.

Amtliches.

Uebertragen wurde eine Volksschulstelle in Calmbach dem Schullehrer Kühefuß in Pfalzgrafenweiler. *

Tagespolitik.

Deutsche Spione und kein Ende. Von Zeit zu Zeit liest man in französischen Zeitungen, daß die bösen Deutschen immer noch, wie vor 1870, Frankreich mit einem Spionageuetz überzogen hätten. Man kann zwar weder Tatsachen noch bestimmte Fälle anführen, beschränkt sich vielmehr auf dunkle Andeutungen von radfahrenden deut­schen Offizieren, die in ganzen Gruppen von Luxemburg und Belgien her das arme Frankreich überfluten, aber man schmückt diese Erzählungen durch Nennung bestimmter Orte und anderer Einzelheiten so aus, daß der französische Leser von der Wahrheit überzeugt ist. Bisher war es das chauvinistische Pariser BlattPatrie", das in derartigen Erfindungen den Vogel abschoß. Seit einiger Zeit beginnt auch der BrüsselerPetit bleu" Schauergeschichten von deutschen Spionen zu erzählen, die sich erdreisten, sogar die zur Bewachung der französischen Festungen angestellte» Schildwachen anzugreifen usw. Aber nicht nur di- fran­zösischen, sondern auch die belgischen Festungen erregen das Interesse der deutschen Spione; so versichert derPetit bleu". Man wurde für diese Berichte keine rechte Erklär­ung finden, wüßte man nicht, daß ein französischer Agent in Brüssel diese Produkte seiner Phantasie in daSblaue Blättchen" hineinznschmuggelv versteht. Dieser Herr, nach derFranks. Ztg." eia vor einer Reihe von Jahren in einem Spiouageprozeß genannter Belgier, arbeitet für sein Geschäft, wenn er deutsche Staatsangehörige dessen beschul­digt ; sei« Lebensberuf .ist es, und dafür wird er von Paris bezahlt,

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Der Kleinkrieg in Deutsch-Südwestafrika wird fortge­setzt, die einzelnen Erfolge entsprechen aber zumeist nicht den gemachten Anstrengungen unserer Truppen, denn immer wieder zeigt sich die außerordentliche Beweglichkeit der Ein­geborenen, tritt die Schwierigkeit des Geländes, vor allem aber der Wassermangel hervor. Biele von uns habe« viel­leicht schon einmal die Qualen des Durstes erlitten, doch ist das nichts im Verhältnis zu dem, was unsere Krieger in Südwestafrika aushalten müssen. Aber trotz aller Stra­pazen ist der Geist innerhalb der Truppen ein vorzüglicher; willig werden die härtesten Entbehrungen ertragen, und wenn es gilt, schwere Erkundungen auszuführen, auf denen sie stets vom Tode bedroht find, dann melden sich Offiziere und Mannschaften zahlreich hierzu. Im Süden hat es neue Kämpfe gegeben, darunter ein Gefecht mit der Nachhut Hendrick Witbois, der also noch im Schutzgebiet war. Jetzt

hat er möglicherweise die englische Grenze überschritten, s wenn er es nicht vorgezogen hat, sich weiter nach Süden zu wenden. Die zur Abteilung Meister gehörenden, 279 Gewehre starken Kompagnien unter Hanptmann Manger, die den Kampf zu bestehen hatten, brachten dem Gegner er­hebliche Verluste bei; hatten aber selbst auch bedeutende Verluste. Man bedenke, 90 Kilometer weit in wasserlose Gegend hinein wurde der Feind verfolgt, dann war ein wei­teres Vorgehen unmöglich. Mehr Glück hatte Oberleutnant Böttlin mit seiner Bastardabteilung und einem Zage der 3. Etappenkompagnie, indem er eine Hottentotten-Werft nach vierstündigem Gefecht nahm, 70 Gefangene machte, zahl­reiches Vieh und Gewehre erbeutete und dem Gegner außer­dem einen Verlust von 14 Toten beibrachte. Böttlin steht mit seinen Leuten schon 1^/2 Jahre im Felde und war im Bondelzwartkriege schwer verwundet worden. Er wurde wieder hergestellt, soll aber noch eine Hosenschnalle im Rücken fitzen haben. Im Mai geht ein neuer ErgänzungStrans- port, der vieruudzwanzigste, nach Südwestafrika ab. Er wird 20 Offiziere und Sanitätsoffiziere, 30 Unteroffiziere für die Feldsignalabteiluug und 400 Mann zur Auffüllung der Feldregimenter, Artillerie- und Maschinengewehr-Abteil­ungen zählen. Auch 400 Pferde werden mitbefördert. Der Feldpostverkehr ist ein sehr reger. Nach Südweftafrika abgesoudt wurden in einem Jahre 495000 Briefe und Kar­ten, 31100 Zeitungen und 823 Postanweisungen. Unsere Südwestafrikaner" schickten noch eifriger: 960000 Briefe und Karten, 13600 Postanweisungen. Da sie gut besoldet werden, aber nicht viel ausgeben können, sparen sie nicht unerhebliche Summen, die ihnen später, wenn sie heimkehren,

zu Gute kommen werden.

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Dt edeutsch-chinesische Seidenindustrie im Schutzgebiet Kiantschau nimmt einen erfreulichen Auf­schwung. Die Fabrik wird auf 130 Produktionsmaschinen und 2000 Arbeiter gebracht werden, so daß sie 50 000 Kilogramm Seide jährlich Herstellen kann. Das Gespinst, wird aus dem Kokon des Eichenspinners gewonnen und* hat nach fachmännischem Urteil den Wettbewerb der Maul-

becrseide nicht zu scheuen.

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England treibt weitschauende Weltpolitik. In einigen Jahren werden sie die Eisenbahn längs durch Afrika fertig haben. Bereits im Jahre 1900 stand die Sache so, daß im Norden die Grenze von Deutsch-Oftafrika von der Bahn beinahe erreicht war, im Süden der Zambest-Fluß. Es fehlte noch ein ziemlich großes Zwischenstück; doch der energische Cecil RhodeS gedachte den letzten Widerstand ziemlich leicht, möglicherweise mit Hilfe Deutschlands, zu überwinden. Er kam eigens nach Deutschland und hatte

auch eine Audienz bei Kaiser Wilhelm; er wollte Deutsch­land veranlassen, eine Bahn durch Deutsch-Oftafrika zu bauen, vom Oftufer des Viktoriasees etwa über Tabora nach der südlichen Spitze des Tanganyikasees. Wäre das ge­lungen, dann hätten wir heute bereits die Kapstadt-Kairo- Bahn. Aber Cecil Rhodes fand nicht das gewünschte Ent­gegenkommen in Deutschland; er starb auch bald, und da­mit schien die Idee der Kapstadt Kairo-Bahn zu Grabe ge­tragen. Es schien aber nur so, denn die Engländer haben mit zäher Energie weitergearbeitet. Die große Brücke über den Zambest haben ste jetzt fertig, und nun wird es gar nicht mehr so lange dauern, bis die Engländer die Süd­spitze des Tanganyikasees erreicht haben. Da die Bahn von Kairo auch bereits südwärts bis zum Viktoriasee geht, fehlt nur noch ein verhältnismäßig kurzes Bindeglied, und die Engländer können nunmehr die Verbindung zwischen den beiden großen Bahnlinien über Deutsch-Ostafrika sowohl als auch über den Kongo-Staat Herstellen. Die afrikanische Nord-Südbahn werden sie binnen wenigen Jahren haben, daran kann gar kein Zweifel bestehen. Binnen 10 Jahren haben so die Engländer ein kolossales Kulturwerk in Afrika vollbracht. Was vor kurzem vermessen schien, ist beinahe fertig, und vielleicht steht die Sache nach weiteren 10 Jahren so, daß die große Verkehrsader, die heute höchst unrentabel erscheint, dann bereits große Erträge abwirft. Jedenfalls beweist der Vorgang, daß Energie und Unternehmungslust schließlich auch da triumphieren, wo die Kleinlichkeit und Aengstlichkeit nur Gefahren sieht. Für die Weltstelluug Englands wird die Bahn natürlich von höchster Bedeutung werden. Alexandrien, diese alte Stätte der Kultur, wird mit dem ganzen östlichen Afrika bis nach Kapstadt hinunter verknüpft. Englands Macht wird vorherrschend in Ost­afrika, der indische Ozean wird englisches Meer. Noch mehr wird das der Fall sein, wenn die geplante Bahn von Alexandrien nach Kalkutta erst in Betrieb ist, die später fortgeführt werden soll bis nach Shanghai. Nordägypten wird dann der Knotenpunkt werden zweier gewaltiger Eisen­bahnlinien, wie es jetzt bereits der Schnittpunkt der wich­tigsten Schiffahrtslinien ist.

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Auf Kreta lodert der Aufstand in Hellen Flammen. Die Gefangennahme Aufständischer durch Truppen der Schutzmächte hat ungeheure Erregung verursacht. Das Volk fordert die Freilassung der Verhafteten. Oesterreich und Italien entsandten Kriegsschiffe zur Aufrechterhaltuug der Ruhe.

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Die beide» schweizerischen Offiziere, die zur japani­schen Armee abgesandt worden waren, sind in Luzern wie­der eingetroffeu. Sie erblicken lautVoss. Ztg." das Ge-

M Lefefrucyt. U»

Kopf ohne Herz macht böses Blut, Herz ohne Kopf tut auch nicht gut; Wo Glück und Segen soll gedeih'n Muß Kopf und Herz beisammen sein.

Augeudstirrme.

Roman von A. Andrea.

(Fortsetzung.)

15. K a p i t e l.

Freiherr von Westerakamp war nach Potsdam zur Uebung eiuberufen worden. Eine angenehme Unter­brechung für ihn, obgleich sie ihn aus der Sommerarbeit rückre, der wichtigsten im ganzen Jahr für den Landman». Er war mit Leib und Seele Soldat und nur der frühe Tod seines Vaters zwang ihn in dieReserve".

Inzwischen wirtschafteten die Damen mit Hilfe eines bewährte» Inspektors weiter. Der Freifrau ging das Herz auf, wenn ste sah. wie eifrig Meliaa sich seit ihrer Ver­lobung für die Wirtschaft im großen interessierte. Der Ver­walter mußte sie von allem unterrichten. Stundenlang hielt fie sich auf dem Felde auf. Sie kontrollierte die Arbeiter und die getane Arbeit. Kein Wunder, daß fie abends manchmal still und verträumt dasaß.Sie ist müde und abgespannt", dachte die Freifrau nachsichtig.

Mehr als alles nahm jetzt das aktuelle Leben fie der­art in Anspruch, daß ihr keine Zeit zum Träumen blieb.

Hans Joachim hatte ihr sein neuestes Experiment, das leider nicht bis zu seiner Heimkehr aufgeschoben werden konnte, aus Herz gelegt die Einführung der elektrischen Lokomobile mit Dresch-,- und Pflagmaschine von der Firma Stamer und Botz. Es sollte in Deutschland erst für diese Erfindung Propaganda gemacht werden, und zwar

j durch den Erfinder selbst, einen jungen Ingenieur, der seit einigen Tagen das stille Westernhagen mit dem Lärm seiner Maschinen beunruhigte.

? Mr. Brown hatte nicht allein die Herrschaft, sondern das gesamte Gutspersonal, vomPonyjungen" bis zum Verwalter, für seine Maschinen gewonnen. Die Lokomobile beherrschte alles, noch ehe fie ihre Tätigkeit auf dem Felde begann.

Nee, so wat I" sagten die Leute mit geheimem Gru­seln vor dem eisernen Ungeheuer.

Eine Lokomobile mit Dampf und Rauch hatten fie auf dem Nachbargrundstück im vorigen Jahre gesehen ; aber eine, die so arbeitete ohne Kohlen und Qualm, die wie ein Riesentier schnaufte, ohne einen sichtbaren Atem zu tun, war ihnen im Leben nicht vorgekommen.

Und Melina, wenn fie in dem grellen Sonnenschein dabei stand und mit heißen Wangen zusah, wie der In­genieur daran emporkletterte, an allem drehte, rückte, häm­merte, ohne eine Miene zu verziehen, dann dachte fie: Er ist wie eine Maschine. Alle Kraft und das gewaltige, nim­mermüde Leben hat er in sich; aber mau merkt es nicht."

Sonnabend nachmittag hatte die Lokomobile mit der Dreschmaschine Probe gearbeitet. Auch die Freifrau war aufs Feld gekommen; alles lief, schwirrte nnd klappte, wie es sollte. Der zarten, nervösen Dame war es aber zu viel. Ehe ste noch Gelegenheit fand, mit dem Ingenieur ein Wort auszutauschen und ihn zu seinem Erfolg zu beglückwünschen, mußte ste sich von ihrer Nichte nach Hause bringen lassen.

Mir ist schwindlig und wirr im Kopf geworden", sagte fie matt.Schreib' Du nur an Hans Joachim, daß er es ermöglicht, nächstens auf einen Nachmittag herüber zu kommen. Er muß sich doch persönlich mit Mr. Brown j verständigen, ehe er den Handel abschließt . . . Uebrigeos, dieser junge Herr scheint ein Gentleman zu sein. Wir wer-

. den ihn Wohl au unserem Tische speisen lassen müssen, was ! meinst Du, Melina?"

j Die junge Dame bejahte, etwas zerstreut jedoch. Ihr i schwirrte noch immer das große Schwungrad vor den Augen,

! und fie sah die Kolbenstange mit den blanken Mesfingkuöpfen ' hin und her gehen dazu den jungen Ingenieur in der Arbeitsjoppe, unbedeckten Hauptes, das dunkle Haar ge­ringelt und die erhitzte Stirn, die Augen auf seiner Ma­schine. Nichts daran entging ihm. Es schien, als herrschte seine Intelligenz über die rohe Kraft, und das eiserne Un­getüm lebte und arbeitete nur durch seinen Willen: er war die Kraft, jenes nur der Stoff, tot ohne ihn.

Einmal hatte er aufgeschaut, gerade in ihre staunen­den Augen. Da war es wie ein Wetterstrahl über ste hiu- gezuckt.

Was ist denn das?" fragte fie sich mit geheimem Staunen. Was geht mit mir vor?"

Diesen Abend schrieb fie an ihren Verlobten nur lange nicht so ausführlich und konzentriert, wie die Freifrau es wohl gewünscht hätte:

Komm nur nächstens selbst und sieh Dir das merk­würdige Ungeheuer au I" schloß fie.Es hat uns alle be­zaubert vielleicht auch tat es die gewaltige Seele seines Meisters . . .?"

Den letzten Satz strich fie dick wieder aus: so was durfte man allenfalls denken schreiben nicht . . .

Sonntag morgen. Melina hatte zur Kirche gehen wollen ; doch irgend etwas raubte ihr die Stimmung. Der Sonnenschein oder der lachende, blaue Himmel?

Ueber den Park hin flog ein großes Volk Staren. Sie kamen dies Jahr immer in Schwärmen, und im Bor- beizieheu verdunkelten ste die Lnft.

Ein Paar Minuten klangen die Kirchenglocken durch die Sountagsstille. Als ihre tönenden Stimmen verstumm­ten, flüsterte nur noch der Wind in den Ahorneu mit dem