Attmsprecher Ar. LI.

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«Der GonvtagS- Sast'.

vestellpretS für das Bierteljahr im Bezirk ». RachbarortSverkehr vtt. 1.15, außerhalb Mk. 4L8.

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Sonntag, 22. Januar

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1905

Di- deutsch- Flotte.

(Nachdruck verboten.)

0 Die mancherlei Schraubereien, welche die englischen Zeitungen aus allerlei möglichen und unmöglichen Grün­den uns haben zu teil werden lassen, haben io einer gan­zen Zahl von deutschen Vereinen und Versammlungen eine erneute Beschäftigung mit unserer Flotte veranlaßt. Im Hinblick auf die gesamte Politische Lage, auf die wirtschaft­lichen Streitereien und den merkantilen Wettbewerb auf dem Weltmärkte, sagt der deutsche Flottenverein, sei eine schnel­lere Ausbildung der Stärke unserer Kriegs-Marine nicht zu vermeiden; Deutschland habe infolge des russischen Miß­geschicks im fernen Osten wohl kaum in absehbarer Zeit mit einem Kriege nach zwei Seiten hin zu rechnen; aber auf eine starke Flotte müsse es, nachdem die allerletzten Jahre so viele für ganz unmöglich gehaltenen Ueberrasch- ungen gebracht hätten, um so mehr halten, als unsere wirt­schaftlicke Machtentfaltuog ja tatsächlich viel Neid erregt habe. Vor allem werden zeitgemäße moderne Schlacht­schiffe an Stelle derjenigen, welche infolge ihres Alters we­niger wirksam und leistungsfähig sind, verlangt resp. eine Beschleunigung der in Aussicht genommenen Neubauten ge­fordert, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Im deutschen Reichstage wird man diese Warnrufe zu einer Zeit, wo mit der Beratung der neuen Militärvorlage noch gor nicht richtig ernst gemacht worden ist, nicht gern vernehme». Denn die Deckung der verschiedenen neuen Reichs-Ausgaben ist bis zur Stunde noch nicht gelöst, und wenn diese Lösung auch ganz gewiß erfolgen wird, die Lust, die aufgestellte Rechnung durch eine Aeuderuug des Flot­tenbauplanes abermals zu erschweren, ist gering. Auch die Jn-Augenschein-Nahme von auswärtigen Verwicklungen zur See ist bei unserem friedlichen Charakter keine angenehme, aber nachdem Londoner Blätter mit Abhandlungen über unsere Kriegsflotte ihre Spalten angefüllt haben, ist es schließlich auch nicht zu verwundern, wenn bei uns mau sich damit beschäftigt, zumal es König Eduard von England nicht beschieden gewesen ist, seine im letzten Rosen-Monat in Kiel ausgesprochene Hoffnung, auch eine rechte und er­freuliche Annäherung zwischen Briten und Deutschen ver­wirklicht zu sehen. Der Konkurrenzneid an der Themse ist nun einmal zu übermächtig.

Haben wir denn im Ernst mit der Möglichkeit eines nicht zu fernen und nie wünschenswerten Seekrieges zu rech­nen? Wir haben in der Politik seltsame Ueberraschungen erlebt, aber wir haben doch auch gesehen, was ruhige Be­sonnenheit und das Fernhalteu von uferlosen Weltpläneu wert ist. Das Deutsche Reich ist auch nicht einen einzigen Augenblick über seinen maßvollen Erwerb in China es ist immer noch das Pachtgebiet für neunzig Jahre, das nachdem freilich und selbstverständlich unser Eigentum werden wird hinausgegange», es hat sich damit jeden Zwiespalt und allen Konflikt erspart, der Rußland in so reichem Maße zngemesfen ist. Wir glauben, daß nicht so bald ein anderer Staat die unüberwindbare Neigung ver­spüren wird, Deutschland anzugreifen, denn die ostastatischeu Erfahrungen des Zarenreiches, die erst so recht dartun, was ein Krieg im zwanzigsten Jahrhundert kostet, schrecken ab. Freilich, Niemand kann behaupten, wir werden in den nächsten dreißig oder fünfzig Jahren ganz bestimmt keinen Krieg habe». Vor 1870 dachten Wenige an den Feldzug mit Frankreich und der kam. Nach 1871 dachten Wenige daran, daß wir bis ins neue Jahrhundert hinein Rahe haben würden. Und doch ist sie geblieben. Also weder im Guten, noch im Schlimmen läßt sich über die Zukunft eines großen Volkes, wie es das deutsche ist, felsenfest et­was sagen. Maßhalten, sagen wir, im Ausgeben, maß­halten aber auch im Argwohn vor den nötigen Ausgaben!

Tagespolitik.

Welche Schäden em so großer Kohlenarbeiterstreik, wie der gegenwärtige im Ruhrgebiet, bringt, läßt sich aus der Berechnung der ausfallenden Löhne der Kohleuarbeiter nur teilweise ermessen. Angenommen, daß jedem der jetz­igen 200000 Ausständigen in 4 bis 5 Wochen je 100 Mk. entgehen, ergibt sich da schon einVerlust von 20Milli­onen Mark. Dazu kommt dann der Umstand, daß Tau­sende von Arbeitern in Stahlwerken und anderen Betrieben, die nur auf Ruhrkohleu angewiesen find und zum Stillstand kommen, unfreiwillig mitfeiern müssen, also ebenfalls Lohn und Brot verlieren. Es kommen dazu die entgangenen Prodvktiousgewiane der Unternehmer, die doch auf irgend eine Weise auch wieder unter das Volk gebracht worden wären, und schließlich die Steuer, die das Publikum durch erhöhte Kohlenpreise oder freiwillige Spenden trägt. Daß die sämtlichen Gewerbetreibenden im Ruhrgebiet, zu deren

Kundschaft Kohlenarbeiter gehören, unter großer Stockung leiden, und daß der Kredit bis zum Uebermaß angespannt werden wird, ist selbstverständlich. Bedauerlich ist auch, daß durch den Streik große Summen deutschen Geldes ins Ausland wandern müssen, die sonst im Jalaud geblieben wären. Englische, belgische und böhmische Kohlenlieferanten beeilen sich, in die Lücke za treten, die in der deutschen Produktion entstehen, um das Geld, das wir selbst hätten verdienen können, einzustecken. Natürlich würde auch die übrige ausländische Industrie recht gern bereit sein, die deutschen Aufträge za übernehmen, die in weiterer Folge der Kohlenkalamität von deutschen Fabrikanten nicht erledigt werden könnten! Die große Schädigung des National­wohlstandes durch den Ausstand im Ruhrgebiet ist also unleugbar. Wem die Schuld zufällt, daß der Ausstand nicht verhütet wurde, das ist schwer zu beantworten. Einer­seits tragen die Arbeiter Schuld, weil sie ohne vorgäugige Kündigung kurzweg die Arbeit niederlegten; sie setzte» sich also formell durch Kontraktbruch ins Unrecht. Anderseits ist es Tatsache, daß die in den Kohlengruben vorhandenen Uebelstände, das Wagennullen, die lange Seilfahrt, die schlechte Behandlung der Arbeiter durch die Werkführer usw. schon oft in Bergarbeiterversammlungen und in der Presse besprochen wurden und den Zechenbesitzern hätte bekannt sein müssen. Die Besitzer hätten also angesichts dieses Um­standes nicht so sehr auf ihr formelles Recht wegen Kon­traktbruch der Arbeiter bestehen und nicht die Verhandlung­en mit den Arbeitcrvertretern so schroff zurückweisen sollen. Es ist auch übel vermerkt worden, daß zum Beispiel die Bruchstraßeozeche sogar den Arbeitswilligen die Einfahrt verweigerte und durch eingeschriebenen Brief den Arbeiter­vertretern mitteilte, daß sie die Beteiligung an den Verhand­lungen des Einignngsamtes ablehne. Die Regierung wird nicht umhin können, angesichts der Fehler, welche die Zechenbefitzer durch Nichtbeseitigung von Mißständen be­gingen, ihnen größere Bereitwilligkeit zu den Verhandlungen zu empfehlen, so streng sie den Ausschreitungen der Strei­kenden eutgegentreten muß. Die Umstände können sogar ein direktes Einschreiten der Staatsgewalt zu gunsteu der Beilegung des Streiks notwendig machen, nämlich bei all­zulanger Dauer des Ausstandes. Die Staatsbahne» haben nur Kohlenvorräte für 6 Wochen und die Kriegsreserve reicht nur für 4 Wochen. Schon im Interesse der militär­ischen Sicherheit des Reiches kann die Regierung es nicht bis zu merkbarer Erschöpfung der Vorräte kommen lassen, denn auf die ausländischen Zufuhren ist für die Militär­verwaltung kein Verlaß.

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Die Budgetkommission des Reichstags hat der Reichsregierung die nachgesuchte Indemni­tät für die Vorarbeiten zur Bahn Windhuk-Rehobot ver­weigert und die Forderung von 200 000 Mk. ab ge­lehnt. Vergeblich war es, daß die Regierungsvertreter mit beredten Worten darlegten, daß die Regierung durch einen rechtsgültigen Vertrag zur Zahlung dieser Summe verpflichtet sei, vergeblich bemühte sich der ReichSschatzsekre- tär Frhr. v. Stengel, indem er in aller Form um Jademni- tät uachsuchte, der Kolonialverwaltung. die in gutem Glauben gehandelt habe, mildernde Umstände zu erwirken, vergeblich führte Generalleutnant v. Arnim militärische Gründe ins Feld: die Mehrheit der Kommission war einig darin, daß eine Verletzung des Reichstags-Budgetrechts vorliege und daß die Antwort hierauf nur Ablehnung der Forderung sein könne. Die agrarische Tagesztg. wirft die in der Kommission ungeklärt gebliebene Frage auf, wer nun­mehr die 200000 Mk. an die Firma Koppel (die die be­betreffenden Vorarbeiten ausgeführt hat) zahlen soll? Die Tageszeitung beantwortet die Frage dahin : «Ja erster Linie dürften die Beamten herangezogeu werden, die den Vertrag schlossen, zunächst also der Reichskanzler. Das wäre eine wenig erfreuliche Aussicht für Bülow!

Deutscher Weichstag

Merkt«, 20. Jan.

Gestern fand zuerst die Wahl eines Mitgliedes zur Reichsschuldenkommission statt. Au Stelle des ausscheiden­den Müller-Sagan wurde Blell gewählt. Die Wahl des Abgeordneten Hauck wurde für giltig erklärt. Etat der Post- und Telegraphen-Verwaltung. Trim- boru (Ztr.) befürwortet eine R-solation Gröber-Hitze betr. Verbesserung der Sonntagsruhe der Postbeamten und wegen der billigeren Benutzung der Fernsprecheiorichtungen seitens der gemeinnützigen Arbeitsnachweise. Staatssekretär Krätke erwidert, bezüglich der Sonntagsruhe würde die Erlangung eines gewissen Durchschnittsmaßes angestrebt werden müssen.

Der Wunsch der Resolution, den Bestelldienst an Sonn­tagen zu beschränken, sei schon jetzt maßgebend für die Ver­waltung. Der Staatssekretär bemerkte sodann bezüglich der Beamten in den Kolonien: Die Frauen vertrügen die Tro­pen weniger gut, würden dort verwöhnt und machten dann Ansprüche, denen die Beamten nicht gewachsen seien. Er sende daher nur unverheiratete hinaus. Seine früheren Be­denken gegen die gewünschten Postanweisungs-Couverts be­ständen nach wie vor fort. Auch Bayern denke nicht daran, diese Postanweisungs-Kouoerts, wie sie allein in Württem­berg bestünden, einzuführen. Eine Denkschrift über die Personal-Gehälter sei in Ausarbeitung. Singer (Soz.) bemängelt die Ueberlastung der Beamten und sagt, von ei­ner Mündigen Arbeitszeit sei bei dem Gros der Beamten gar keine Rede. Die Erholungsurlaube müßten bei den Unterbeamteu bedeutend verlängert werden, er hält die ganze Einrichtung der gehobenen Uaterbeamtenstellen für höchst bedenklich. Diese Einrichtung sei nur dafür da, Begünstig­ungen zu ermöglichen. Redner Plädiert für Besoldungs- Aufbesserung und höhere Wohoungsgeldzuschüsse bei Unter­beamten. Staatssekretär Krätke bemerkt, daß 20 Pro­zent aller Unterbeamteu keinen Erholungsurlaub haben, stimme jetzt nicht mehr. Es träfe dies nur noch für viel­leicht ein paar Prozent zu. Patzig (uatl.) erklärt sich einverstanden mit der Resolution zu Gunsten des Arbeits­nachweises und bringt verschiedene Wünsche zum Ausdruck. Der Staatssekretär bemerkte, daß das Anlagekapital seiner Verwaltung 652 Millionen betrage, davon entfallen auf die Post 230, Telegraphie 143 und Telephonie 279 Mill. Mark. Ferner stellt er in Aussicht, daß vom 1. April an versuchsweise Postkarten zur Ausgabe gelangen, die auch auf der Vorderseite mit Mitteilungen versehen werden könnten.

Merlin» 21. Januar.

Das Hans war gestern gut besetzt. Auf Antrag des Abg. Sittard (Ztr.) wird die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. Nacken (Ztr.) versagt. Auf der Tagesordnung steht die Interpellation betreffend de« Berg­arbeiterstreik im Rnhrkohlenbezirk. Hue (Soz.) begründet die Interpellation und bezeichnet zunächst die Nachrichten über die Belästigung der Arbeitswilligen als mindestens übertrieben. Im Aufträge der Bergarbeiter habe er sodann zu erklären, daß die Ausständigen ihre Ehre darin suchen, den Kampf in voller Ruhe durchzu- führen. Bis jetzt liege allgemein kein Anlaß vor, über die Behörden im Ruhrkohlenrevier zu klagen. Die Frage, ob der Streik hätte vermieden können, müsse er bejahen. Hätte Stinnes sich entgegenkommend geäußertwenn die Um­bauten erledigt find, wird die alte Einfahrt wieder einge- führt*, so wäre es nicht zum Streik auf der Zeche .Bruch- straße" gekommen. Redner polemisiert gegen Handels­minister Möller, der die ungesetzliche Einführung der Zechen­verwaltung nicht gebrandmarkt habe. Wir wollen auch heute noch Frieden und sind auch heute noch zu Verhand­lungen bereit. Seit Jahren hielten wir die Massen zurück, jetzt ist das Maß übergelaufen. Dafür die Führer verant­wortlich zu machen, dazu gehöre eine sehr dreiste Stirn. Das Unternehmertum beschwor den Streik herauf. Die Forderungen der Arbeiter sind minimal. Im Wagennulleu herrsche ein empörendes System. Bis aufs Blut peinigt mau die Arbeiter mit dieser Maßregel. Man hat die Leute förmlich in den Streik geprügelt; mau behandelt sie jämmer­lich. Der Streik sei instruiert, um die Kohlenprrise noch mehr zu steigern und die Verschmelzung der Zechen zu fördern. Reichskanzler Graf Bülow erklärt, er habe am Montag im Abgeordneteuhause ausgeführt, daß die Regierung bei dem Streik eine doppelte Aufgabe habe, nämlich zunächst dafür zu sorgen, daß Ruhe und Ordnung unter allen Um­ständen aufrecht erhalten bleiben, und dann durch ihre Or­gane auf den Ausgleich der Gegensätze hinzuwirken und dadurch ein größeres Unheil für das ganze wirtschaftliche Leben zu verhindern. Es sei die Pflicht der Behörden, die persönliche Freiheit zu schützen. Wenn der Mensch das Recht zu streiken habe, habe er auch das Recht zu arbeiten. Ja der Presse seien ihm Klagen begegnet über die angebliche Machtlosigkeit des Staates. Es handle sich um ein schwieriges Problem. Die Arbeiter­organisationen seien in Deutschland nicht aus einem wirt­schaftlichen Bedürfnis natürlich entstanden, sondern seien Werkzeuge der politischen Parteien. Der Redner hofft, daß der Streik nicht weiter um sich greifen werde und daß die verführten Arbeiter und ihre Familien nicht ins Elend kommen.

Handelsminister Möller erklärt, er habe sehr be­dauert, daß die Arbeitgeber die kondratiktorischeu Verhand­lungen mit den Arbeitnehmern ablehnteu. Hoffentlich werde die Menge im Streikgebiet so ruhig wie bisher bleiben. Er habe seine ganze Schuldigkeit getan und erwarte von