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Erscheint DknStag Donnerst., SamStag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der GormtagS- Gast".

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Wr. 10.

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cÄttenßteiL,Iraöt MdAnterhaltungsblatt

MAtzblatt für

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Donnerstag, 19. Januar

Einrückuri gs-Kebühr für Altensteig und nahe Umgebung Lei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmal je 8 Pfg., auswärts je 8 Pfg., die ein­spaltige Zeile oder deren Raum.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angenommen.

l905

Amtliches.

Das K. Oberamt Nagold veröffentlicht eine Be­kanntmachung betreffend die Anmeldung der Militärpflichtigen zur Aufnahme in die Rekruuerungsstammrolle pro 1905. Diese Anmeldung muß in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar erfolgen.

Die Patentierung der im Besitze von Privaten be-

findlichen Hengste, welche von ihren Besitzern während der Deckperivde 1905 zum Beschälbetrieb verwendet werden wollen, findet statt: In Horb a. N. am Mittwoch den 8. Febr. 1805, nachmittags l^/z Uhr. Diejenigen Hengstbesttzer, welche Patente für die Deckperivde 1905 zu erlangen wünschen, werden aufgefordert, ihre Hengste in oben genanntem Orte zu der bczeichneten Zeit der Paten tierungskommission vorznführea.

Uevertragen wurde die zweite evangelische Stadtpfarrstelle in Liebenzell, Dekanats Calw, dem Stadtoikar Friedrich Marquardt in Cannstatt, die evangelische Pfarrei Neuweiler, Dekanats Calw, dem Stadtpfarrverweser Wilhelm Majer in Kleingartach, Dekanats Bracken­heim.

Die Zahl -er Regentschaften

in den deutschen Bundesstaaten schmilzt jetzt zusammen. Durch den Tod des Fürsten von Lippe-Detmold, der seit Jahren geistig krank war, ist die Regentschaft für das Für­stentum prinzipiell aufgehoben; ste besteht Lei den An­sprüchen der LiPPe-Biksterfelder, welchen der Regent Graf Leopold avgehört, und der Linie Schaumburg-Lippe not­gedrungen, aber nur so lauge formell weiter, bis das Reichs­gericht, dem die Sache zur Entscheidung übergeben ist. sei­nen Schiedsspruch gefällt hat. Das wird sicher im Laufe dieses Jahres geschehen, und dann ein neuer Fürst in die Residenz Detmold einzieheu. Gesetzlich, d. h. verfassungs­mäßig, erlischt am 19. Juli d. I. die Regentschaft des Erb­prinzen von Hohenlohe-Lavgenburg, des Schwiegersohnes des am 30. Juli 1900 verstorbenen Herzogs Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha, für sein Mündel, den jungen Her­zog Karl Eduard von Sachsen-Coburg-Gotha, direktem Vetter unseres Kaisers (sein Vater, der Herzog von Albany, jüngster Sohn der Königin Viktoria, war der Bruder der Kaiserin Friedrich), der am 19. Juli, seinem einundzwanzig­sten Geburtstag, mündig wird und damit die Regierung seines Herzogtums selbst übernimmt. Hingegen bleiben die übrigen drei in deutschen Bundesstaaten bestehenden Regent­schaften nach menschlichem Ermessen noch für geraume Zeit gelten. Die älteste unter ihnen (seit 21. Oktober 1885) ist die des Prinzen Albrecht von Preußen für das Herzog­tum Brannschweig, dessen Erbe, der Herzog von Cumber- land, Sohn des letzte« Königs Georg von Hannover,zur Zeit an der Uebernahme der Regierung behindert ist." Der Herzog Ernst August von Cumberland, der in diesem Jahre 60 Jahre alt wird, ist der Schwiegervater des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin im letzten Jahre geworden, dessen Schwester Cäcilie dieses Frühjahr den deutschen Kronprinzen heiratet. Daß der Herzog selbst dieBehinderung an seiner Regierung in Braunschweig" aufheben wird, nämlich da­durch, daß er glatt und einwandsfrei die Verbindung Han­novers mit Preußen anerkennt, ist wohl kaum zu erwarten, ob sein ältester Sohn es einmal tun wird, bleibt abzuwarteu. Seit 10. Juni 1886 besteht die Verweserschaft des bald 84jährigen Prinzen Luitpold von Bayern für seinen Neffen, den im Jagdschloß Fürstenried bei München wohnenden geisteskranken König Otto, den jüngeren Bruder des un­glücklichen Königs Ludwig II., der in den Wellen des Starn­berger Sees zu Pfingsten 1886 seinen Tod fand. König Otto ist 1848 geboren, dem Verfall seines Geistes ist ein solcher des Körpers in bedrohlichem Maße bisher nicht ge­folgt, die Regentschaft kann also noch manches Jahr in Anspruch nehmen. Endlich bestehen noch zwei Regentschaften in den beiden Fürstentümern Neuß. I« Reuß j. L. regiert der Erbprinz Heinrich XXVII. für seinen Vater Fürst Heinrich XIV., der infolge seiner morganatischen Vermählung mit Friederike von Saalburg, seinem Sohae die Regierung übergab, aber im Jahre 1902 dafür in Renß ä. L. die Regentschaft für den dauernd regicrungsunfähigeu Fürsten Heinrich XXIV. nach dem Tode von dessen Vater Hein­rich XII. übernahm. Auch diese können noch manches Jahr dauern.

Deutscher Weichstag

Nerki«, 16. Jan.

Bei fast leerem Hause wird die Beratung des Etats fortgesetzt. Krzyminskl (Pole) bringt Polen-Beschwerden vor, so über standesamtliche Behandlung weiblicher Endungen Polnischer Namen und Aehnliches. Kirsch (Ztr.) weist die Angriffe Stadthageus auf das Zentrum zurück, namentlich

hinsichtlich des Kontraktbruchgesetzes. Gamp (Rp.) dringt auf Wiederbeseitiguug der im Z 833 des bürgerlichen Ge­setzbuchs ausgesprochenen unbedingten Haftung der Besitzer von Haustieren für durch diese ungerichtete Schäden. Der kleine Grundbesitzer werde dadurch schwer geschädigt. Stadt- Hagen (Soz.) verbreitet fich nochmals über parteiischen Strafvollzug und die Mängel des Entschädigunzsgesetzes für unschuldig Verurteilte und über Klassenjustiz. Lenz- mann (frs. Vp.) hält den Sozialdemokraten vor, daß ste zu oft auf Grund ungenügenden Materials Anschuldigungen erheben und daß sie sich nicht ausreichend unterrichteten. Er nimmt dabei auf den Fall Hüssener Bezug. Kunert (Soz.) wendet sich gegen Lenzmann wegen der Hüssener Sache und plädiert für Aufhebung deS §166 des Straf­gesetzbuchs. Schräder (frs. Vg.) erklärt sich ebenfalls für Aufhebung dieses ganzen Paragraphen. Schmidt- Marburg bekämpft die Aufhebung des tz 166. Bruhu (Aut.) Polemisiert gegen Lenzmann. Graf Pückler sei nicht verrückt. Ec selbst habe ihn fallen gelassen, als Pückler in seiner Rede Bebel seinen lieben Freund und die Sozial­demokraten seine lieben roten Brüder genannt habe. Spahn (Ztr.) tritt eingehend für die Anfrechterhaltung des § 166 ein. Müller-Meiningen (frs. Vp.) bekämpft die Dar­legungen des Vorredners. Hieb er (natl.) ist gegen den § 166 und legt dar, daß durch denselben kanonische Rechts- anschanungen in die moderne Staatsrechtssprechung einge­führt wurde. Die Resolution Müller-Meiningen betr. Gegen­seitigkeit des Strafrechts und betr. Fremdenrecht (Äus- liefernngsvertrag) wird angenommen, 'ebenso die Resolution Erzberger betr. Statistik über Gefängnis arbeit.

TagsspoML.

Im Reichstag erkannte am Samstag anläßlich des von verschiedenen Seiten vorgetragenen Wnssches auf Vor­legung eines Automobilgcfttz-8 Staatsftkrltür Nieberding an, daß die Zahl der Autom-ibiluafälle eine besorgnis­erregende Höhe erreicht habe, und stellte gesetzgeberische Maßregeln in Aussicht.

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Unser Strafvollzugswesen bedarf, wie allseitig aner­kannt wird dringend einer Reform. Aber niemand verhehlt sich auch, daß gerade dieses Reformwerk sich'ungewöhnlich starken Schwierigkeiten gegenüber befindet. In diesem Sta­dium der Erwägungen fehlt es begreiflicherweise an Reform­vorschlägen nicht. Einer davon kehrt immer wieder, das ist die Einrichtung einer Sträflin gsko l on i e und die Verschickung der Verbrecher dorthin. Besonders eindring­lich tritt Professor Heimberger-Bonn für diesen Gedanken in derDeutschen Juristenzeitnng" ein. Dort schreibt er Folgendes:Meistens ist ein vielleicht unbewußtes Gefühl des Mitleids, welches gegen die Strafverschickung spricht, entsprungen aus dem Gedanken, wie schwer dem Verschickten die Trennung vom heimatlichen Boden fallen müsse. Da­bei erwägen die Mitleidigen nicht, daß der langjährige Auf­enthalt im Znchthause den Sträfling mindestens ebenso hart trifft, jedenfalls aber an Körper und Gemüt viel schwerer schädigt, als die Arbeit in freier Luft, die ihn auf unfern klimatisch gesunden Südseeinseln bei der Kultivierung des »Bodens erwartet. Auch finanzielle Bedenken sollen der Strafoerschickung entgegeastehen: die Kosten der Ueberfahrt und der ersten Einrichtung der Strafkolonien. Vergleicht man mit diesen Ausgaben den Aufwand, den der Neu- und Umbau unstrer ständig sich mehrenden Strafanstalten, ins­besondere derjenigen mit Zelleneinrichtnng, verlangt, daun noch die Schädigung, welche der allgemeine Wohlstand da­durch das Schmarotzervolk der Landstreicher und durch die Rechtsbrüche schwerer Verbrecher erleidet, so wird man leicht erkennen, welche Art der Sicherung den Staat am wenig­sten belastet." Professor Heimburger hält es für selbstver­ständlich, daß, Ausnahmen Vorbehalten, die Verschickung auf Lebenszeit erfolgen soll. Nur so könne der gefähr­liche Verbrecher wirklich für uns unschädlich gemacht wer­den. Indessen müsse eine stufenweise Rückkehr zur Freiheit innerhalb der Kolonie selber ermöglicht werden, und gerade darin läge, so fügt der Pcofessor hinzu, ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der Forderung jener, die zum Zweck der Sicherung gegen Unverbesserliche lebenslängliche Ein­sperrung im Inlands verlangten.

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Das Deffauer Zuchthansarteil gegen die Soldaten Günther und Voigt, das eine so gewaltige Empörung her- vorgerusen hatte und selbst von militärischen Kritikern ver­urteilt worden war, ist auf die eingelegte Berufung hin von dem Oberkriegszertcht in Magdeburg aufgehoben worden. Das Magdeburger Gericht hat das Vorliegen eines Auf­

ruhrs, einer Zusammenrottung verneint, für die das Mili» tärstrafgesetzbrich als Mindestftrafe fünf Jahre Zuchthaus vorstehr, hat aber tätliche Angriffe gegen einen Vorgesetzten als erwiesen angenommen und dafür gegen Jeden auf 1V? Jahre Gefängnis erkannt.

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Außer der Eisenbahn von Swakopmund nach Windhuk sollen jetzt endlich weitere Bahnen gebaut werden, um das durch die Aufstände schwer mitgenommene und fast von allem Zugvieh entblößte Deutschsüdwestafrika in die Höhe zu bringen. Die neuen Bahnen, welche deutscherseits ge­baut werden, sollen Anschluß an die englische Kapbahu erhalten.

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(Der Fall des Ministeriums Combes.) Es ist eine denkwürdige Sitzung, die die französische Kammer am Samstag gehalten hat. Denkwürdig nach ihrem Verlauf wie nach ihrem Ergebnis. Denn es handelt sich um weit mehr, als um das Schicksal eines Ministeriums, es bandelt sich um die Entscheidung in dem großen Ringen zwischen den beide» Lagern, in die der große Kulturkampf Frank­reich gespalten hat. Das ist in der leidenschaftlichen Debatte zum Ausdruck gekommen. Combes hat seinen Feinden und oen Feinden der Republik Wohl schwere Schläge versetzt, aber das Schicksal seines Kabinetts war unwiderruflich be­siegelt. Das Ergebnis der Sitzung stellt sich, so paradox es klingt, zugleich als einen Sieg und eine Niederlage des Kabinetts dar. Es ist nicht gestürzt worden, aber dennoch muß es gehen. Der Ministerpräsident erklärte sich mit der von Bienvenn Martin (radikaler Republikaner) eingebrachteu, folgendermaßen sormnlrerteu Tagesordnung einverstanden: Die Kammer billigt die Erklärungen und das Programm der Regierung, sie ist entschlossen, die Obstruktion za be­seitigen und verwirft jeden Zusatz." Die gesamte Tages­ordnung wurde mit 289 gegen 279 Stimmen angenommen. Die Mehrheit in der Gesamlavstimmung beträgt also nur 10 Stimmen. Die bisherige Politik und darauf kam eS zuletzt an ist gerettet. Die meisten Minister äußerten, wie aus Paris berichtet wird, nach dem Schlüsse der Kammersitzung ihren Freunden gegenüber, daß das Kabinett znrücktreten werde. Nur der Marinemiuister Pelle- tan sagte:Ich hoffe, daß wir bleiben und unseren Gegnern noch manche Nuß zu knacken geben werden." Combes selbst ist zwar entschlossen, zurückzutreten, er will sich jedoch zu­vor mit Freunden wegen der Lage und der politischen Folgen des Rücktritts besprechen; er ist der Meinung, sein Abgang werde unter den gegenwärtigen Verhältnissen seinem Nachfolger die Verwirklichung seines Programms erleichtern. Brisson versuchte vergeblich, Combes zum Bleiben zu ver­anlasse».

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Der Zar hält Rußland noch nicht reif für eine Ver­fassung ; aber sehr viele Kenner Rußlands find anderer Meinung. Das Verlangen nach Neuerungen ist so allgemein, daß man schon daraus auf eine gewisse Reife des Volkes schließen kann. Das ganze Volk ist unzufrieden. Zu seiner Anfrüttlung hat der Krieg viel beigetragen. Zuerst, als nur die Arbeiter einberufeu wurden, murrten bloß die un­teren Stände, jetzt, nachdem immer mehr Reservisten aus allen Ständen eingezogen werden, hat sich auch der Bürger und der schwerfällige Grundbesitzer zum Politisieren auf­gerafft. Seine Arbeitskräfte werden ihm von der Mobil­machung weggenommen, und die Löhne steigen rapid. Eine dumpfe Gärung herrscht unter den Bauern, welche Leben und Eigentum des Grundbesitzers bedroht. So ist auch der konservative russische Grundbesitzer in die Opposition ge- ' trieben worden. Unter demselben Arbeitermaugel wie der Grundbesitzer leitet der Industrielle. Farchtbar greift der Krieg in das Familienleben ein. Tausende von Familien müssen ihre Söhne hergeben; wer aber nach Asien geht, schließt mit dem Leben ab. So ist ganz Rußland vom Haß gegen den Krieg erfüllt und vom Haß gegen den Zu­stand der Verfassungslostgkeit, welche nach der Volksmeinuug schuld ist, daß es zum Kriege kommen konnte. Wenn der Zar die Verfassung gibt, welche das Volk verlangt, so wer­den die drohenden Finten eingedämmt werden, so wird die Bewegung in die Bahn einer friedlichen Entwicklung ein­lenken, wenn nicht, so dürste Rußland bald der Schauplatz

blutiger Unruhen werden.

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Die Zeichnung ans die neue russische 500 Millionen- Anleihe wurde in Berlin sofort nach ihrer Eröffnung ge­schlossen. Die Ueberzeichuung war eine ungewöhnlich große, was aber nicht viel sagen will, da stets bet der Auflegung von Anleihen Spekulanten Fautafiesummeu zeichnen.