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Ae. 11.

Erscheint DimStag Donnerst., SamStag!

und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der SonntagS- Gast".

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Dienstag, 13. Dezember

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbrettung.

1904

Amtliches.

Ernannt wurde Bezirksnotariatsgehilfe Heyd in Waiblingen zum Amtsgerichtsschreiber in Nagold mildem Titel Amtsgerichtssekretär.

Was in den neuen Handelsverträge« steht.

Nachdruck verboten.

Die Bekanntgabe des Inhalts der neuen Handelsver­träge ist noch immer hinausgesÄoben aber einen Zipfel des verhüllenden Schleiers hat der Reichs-Finavzmimster von Stengel neulich im Reichstage doch gelüftet. Er sagte etwa: »Meine Herren, wenn Sie den Inhalt der Verträge können, dann werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, daß wesentlich höhere Erträge aus den Zöllen nicht zu erwarten sind. Eine bemerkenswerte Erhöhung der deutschen Zölle hat also nicht stattfinden können, und aus dieser Tatsache ist wieder auf die andere zu schließen, daß die fremden Staaten uns die Vertragsschlüsse nicht gerade leicht gemacht haben. Mit anderen Worten: Jedes Land sucht für sich selbst aus seiner Wirtschaftspolitik das Meiste herauszu­schlagen !

Es hat bei uns in Deutschland an gutmütigen und vertrauensseligen Politikern nie gefehlt, welche mit Eifer die Anschauung vertreten, das Deutsche Reich brauchte gegen ausländische Staaten nur recht liebenswürdig und entgegen­kommend zu sein, dann würden diese fremden Länder uns ebenso kommen. Wenn cs so wäre, es wäre sehr schön! Aber leider ift's nicht so. Ueberall braucht man heute für die Staatskassen viel Geld, sucht also die Einfuhr zu be­lasten, und überall verlangt der Nährstand Sicherung gegen fremde Konkurrenz. Das setzt abermals eine Erschwerung der Einfuhr voraus. Namentlich in den Staaten, wo die gewerblichen Unternehmungen weniger kapitalkräftig sind, sperrte man, wenn es ginge, am liebsten Tür und Tor zu. Das ist nun freilich nicht möglich, man muß Wohl oder trvel Rücksichten ut.pu.e-, aber vir Lust dazu ist schwach.

Das sehen wir in den für de» Augenblick gescheiterten Handelsvertrags-Verhandlungen mit unserm Busenfreund Oesterreich-Ungarn am allerbesten; cs wird ruhig über den Fall gesprochen, aber peinlich ist und bleibt es doch, auch dann, wenn hoffentlich in nicht zu ferner Zeit ein Ausgleich erfolgt. Die habsburgische Monarchie hat in der modernen Organisation ihrer Wehrkraft ei» gutes Stück versäumt, immer mit Rücksicht auf ihre Finanzen, aber es ist nach­gerade doch einzusehen, daß das nicht für immer so weiter gehen kann. Nun soll das Geld geschafft werden. Das war der eigentliche prinzipielle Kernpunkt bei den Vertrags- Verhandlungen, die landwirtschaftliche Differenz kam weit weniger in Betracht. Und wie die Dinge so liegen, kann alle theoretisch empfohlene Milde und Freundlichkeit Deutschlands nicht helfen. Um die Geld-Einnahmen handelt es sich.

j So stehen die Dinge heute! Wie werden sich nun erst . die Handclsvertragsschwierigkeiten in zehn Jahren gestalten ? Geringer sicherlich nicht! Freilich, Niemand braucht sich über das, was in zehn Jahren geschehen oder nicht geschehen kann, die Köpfe zu zerbrechen, aber eine gesunde Volkswirt­schaft kann auch nicht von heute auf morgen rechnen, sie muß die allgemeine Entwicklung in Betracht ziehen. Schon in den letzten zehn Jahren hat die Industrie eine ganz ko­lossale Ausdehnung genommen, und wir müssen sehr zweifeln, ob mit ihrer wachsenden Produktion auch die Kaufkraft der Völker gleichen Schritt halten wird. Heute haben wir eine recht gehobene Lebenshaltung, es wird weit mehr, als einst verdient, aber daß immer und überall genügend flüssige Gelder kursierten, das kann nicht behauptet werden.

Im Reichstage ist nach der oben erwähnten Rede des Reichsschatzsekretärs von Stengel erklärt, daß es mit der Deutschen Finanzwirtschaft anders werden müsse, daß die unaufhörlichen Anleihen nicht mehr fortdauern könnten. Das ist richtig. Und weil der Staatssekretär schon betont, daß an neue natürliche Einnahmen aus den Zöllen nicht Wohl zu denken sei, so erzielt sich von selbst, daß wir alle Mühe zur Hebung unseres Natioualwohlstandes aufwenden müssen, damit der einst tragen kann, was ihm zugemutet wird.

Erfreulicherweise können wir aus unserer deutschen Ent­wicklungsgeschichte seit 1870/71 entnehmen, daß es bei uns stets besser, wenn wir die Gesamtlage des Reiches ins Auge fassen, geworden ist, nie schlechter. Und so wollen wir denn darauf bauen, daß auch jetzt die Weiterausbildung unserer ganzen Tätigkeit sich in erfreulichen Bahnen bewegen wird. Aber Voraussetzung dafür bleibt unbedingt, daß wir uns nach den Zeiten richten. Wir können und dürfen die nationale Arbeit nicht auf den Weg einer unsicheren Spekulation ver­weisen, die vielleicht viel einbringen, vielleicht aber auch Verluste ergeben kann. Bor Allem müssen wir deshalb feft- halteo, was wir sicher habe», unseren deutschen Markt.

Tagespolitik.

Bei der Bürgerausschußwahl in Stuttgart siegten die vereinigten bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie.

Eine beherzigenswerte Lehre!

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Deutschland ist das an parlamentarischen Fraktionen reichste Land in Europa. Welcher deutsche Reichsbürger ist sich eigentlich klar darüber, ganz genau, wie viel Parteien und Fraktiönchen wir im deutschen Reichstage haben. Sie seien ihm einmal oorgezählt: Es sind von rechts nach links gerechnet 1. Dentsch-Konservative, 2. Freikonseroative (Deutsche Reichspartei), 3. Natioaalliberule, 4. Zentrumspartei, 5. Polen,

6. Welfen, 7. Elsässer, 8. Antisemiten, 9. Freisinnige Ver- !

eiaiguug, 10. Freisinnige Volkspartei, 11. Süddeutsche Volks­partei, 12. Sozialdemokraten. Man steht, die Liste genügt!

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Ueber die Aushebung in Deutschland und Frankreich macht die Köln. Zu. interessante Angaben. Frankreich hebt trotz seiner um 20 Millionen geringeren Einwohnerzahl doch mehr Leute für Heereszwecke aus als wir. Ausgehoben hat mau bei uns 1903 für das Heer zum Dienst mit der Waffe 203 913 Mann, ohne Waffe 3670. In Frankreich: 155 568 Mann auf 3 bezw. 2 Jahre, 66 490 auf 1 Jahr, zusammen 222 058, also mehr als bei uns. Dazu kommen aber noch rund 4000 in Algerien auf 1 Jahr ausgehobene Franzose», so daß sich 226 058 ergeben und mit 14 000 Leuten für die Hilfsdienste rund 240 000. Die Leute für Hilfsdienste muß man in das Rekrutenkoutingent einrechnen, da sie auf 2 Jahre zur Einstellung für bestimmte Zwecke kommen, auch einige Schulung erhalten und wenn sie nach einem Jahr für den Waffendienst tauglich befunden werden, sogar in ihn übertreten. Die Freiwilligen sind außer Be­tracht gelassen, aber auch sie zugerechnet, überragt uns Frankreich an Einstellungen. Die Pflichtigkeit im aktiven Heer und in der Reserve zusammen ist außerdem in Frank­reich größer als bei uns; bei zweijähriger Dienstzeit 2 und 11 13 Jahrgänge gegen 2 und 5 7, und man hat die Leute der Reserve und Landwehr dort bis jetzt in um­fassenderem Maße zn Friedensübungen heraugezogen als bei uns. Daß Frankreich seine Volkskraft bis aufs äußerste auspannl, um uns au Zahl der Eiozustellenden zu über­holen, kann nicht geleugnet werden.

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Im österreichischen Parlamente ist der Karren wieder einmal so fest gefahren, daß nur noch die Auflösung des Reichsrats resp. der Rücktritt des Ministeriums Körber übrig bleibt. Körber ist infolge des ewigen Verdrusses und von Ueberanstrengung erkrankt. Ja Budapest tritt der Reichstag am heutigen Dienstag zusammen. Es wird einen Heiden­spektakel geben, sonst weiter nichts.

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Die Herren Gymnasiasten streiken in Castrovillari in Italien. EiaStreikbrecher" wurde durch eine Papierbombe

getötet. Idyllische Zustände I

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Der amerikanische Staatssekretär für die Marine er­klärte:Es ist für uns nicht nötig eine so große Flotte wie England zu haben, aber ich trete unbedingt ein für eine Flotte, die gleich nach der englischen kommt." Die Vereinig­ten Staaten geben schon jetzt viermal soviel für ihre Flotte aus als 1894. Ihr Marineetat für 1904/05 ist etwa 200 Mill. Mark höher als der des deutschen Reiches. Gegen wen rüstet Amerika so eifrig? England ist die Macht, die

W Lefefrucht.

Wie's innen, so ift's draußen auch. Jst's innen licht und hell,

So dünkt die Welt dir lieb und schön Ein reicher Freudenquell;

Wer Nacht und Trug im Busen hegt, Sieht immer Nacht und Trug;

Wer Gott im tiefsten Herzen trägt, Sieht ihn im Weltenbuch.

Frt« grjpo««r«

Kriminal-Roman v. Lawrence F. Lynch. Deutsch v.E. Kramer.

(Fortsetzung.)

^Es nützt zwar nichts, zu Ihnen zu kommen, Fanny, wenn man nur ein Loch in der Tasche hat, aber ich konnte die fürchterliche Einsamkeit nicht aushalten," erwiderte er.

Einsamkeit, Charly, Jenkins? Meinen Sie damit, daß Sie ganz abgebrannt find?"

Ich habe seit gestern nachmittag nicht einen Bissen gegessen," gab er als Antwort zurück.

Na Sie haben wenigstens was zu trinken gefunden, das ist klar. Ich glaube, den letzt:» Heller geben Sie für Whisky hin."

Ja," stimmte er zu,den letzten Heller!"

Sie waren ein Paar aus der Gesellschaft Ausgestoßener. Die Frau, in ihrer Jugend eine geschickte Kunstreiterin, fand in der jetzigen Verkommenheit nur in der Erinnerung an die seligen Tage früheren Glanzes Trost. Den kleinen Tim, der sich eines Tages bei ihr angefundeu, hatte sie ausge­nommen und sich dienstbar gemacht. Oft war sie schon auf dem Punkt gewesen, ihn wieder in die Welt hiriauszujagen, aber als sie einst schwer erkrankte, und das Kind das einzige Wesen war, das sie pflegte und sich uin sie sorgte, sprach sie nicht wieder davon, es fortzuschicken. Den Mann, der

wohl zehn Jahre jünger war als sie selber, hatte sie zum ersten Mal gesehen, als er eines Tages betrunken vor ihrer Tür lag.

Na, Tim, wir werden ihn Wohl reinschaffen müssen, 's wird wohl sonst keiner tun," hatte sie zu dem Knaben ge­sagt. Sie hatte, trotz des Schmutzes, der ihm anklebte, be­merkt, daß seine Gefichtszüge wohlgeformt und seine Kleider zwar abgetragen, aber von feinem Stoff und gutem Schnitt waren.

Von diesem Tage datierte die sonderbare Freundschaft zwischen den Beiden. Er erzählte ihr, daß er ein Trinker und von seiner Familie verstoßen sei; sie könne ihn Charly nennen, wenn sie wollte. Das wollte sie, und später legte sie ihm noch den Namen Jenkins bei, wenn sie ihn mit feierlichem Nachdruck anzureden wünschte.

Es war von jetzt ab gewöhnlich Mr. Charly Jenkins Tasche, aus der sie ihre Bedürfnisse bestritten; aber seit kurzem war auch diese versiegt, Als die Frau jetzt vor ihm saß und ihn erschrocken ansah, zog ein trauriges Lächeln über sein Gesicht. Sie waren Beide ebenso gutmütig, - wie hungrig.

Charly Jenkins," sagte sie langsam,Sie quälen mich. Wo sind denn all' ihre Erbstücke geblieben?"

Versetzt I"

Alle?"

Er errötete und blickte unruhig umher.Wo ist Tim ?" fragte er.

Er holt mir Spähue."

Ich Hab nur noch eins übrig, Fanny. Gerade noch eins", sagte er leise.Es wird mir schwer, mich davon zu trennen. Es ist verdammt gefährlich, für einen Burschen, wie ich bin, mit einem kostbaren Stück zum Pfandleiher zu gehen."

Ach was, Sie habe» doch keinen drum totgeschagen. was, Charly?" gab sie zurück.

Das Gesicht des Mannes wurde aschfahl.Sie müssen so was nicht sagen," versetzte er ärgerlich. Ich, ich kann sowas nicht leiden.

Sie zog ihren Stuhl dicht an den seinigen und klopfte ihm schmeichelnd ans die Hand.

Ich will's riskieren und zu den Onkels gehen," kggte sie.Sie werden uns doch nicht verhungern lassen wollen, Jenkins?"

Er ergriff ihre Hand, und eine Träne rollte ihm überS Gesicht.

Fanny, Sie sind die Einzige, die ich auf der Welt habe," flüsterte er,hier ist es."

Sie riß das Papier von einem kleinen Gegenstand, den er in ihre Hand gelegt hatte, und stieß einen Schrei der Ueberraschuug aus.

Der ist echt, daS ist reines Gold, Charly," rief sie und hielt einen schweren goldenen Ohrring mit einer schönen Kamee in die Höhe.Kommen Sie rief sie dann und sprang auf.Wir müssen damit zum alten Moß gehen, der stellt nie eine Frage."

Die frühere Kunstreiterin war noch damit beschäftigt sich den Hut aufusetzen, als Tim ins Zimmer trat.

Bist Dn eben erst gekommen, Tim?" fragte sie scharf.

,,Ja!" log der Bengel.

Wo hast Du die Späne?"

Ich konnte keine finden," heulte er,Du denkst immer, ich kann Alles finden."

Nein das tue ich nicht, aber ich denke, Du kannst Alles essen, was ich finde. Da Dn einmal hier bist, kannst Du hierbleibeu, bis wir zurückkommen. Wir wollen etwas zum Abendbrot holen. Kommen Sie Charly."

Als sie gegangen waren, trat der Knabe vorsichtig ans Fenster.

Er sah ihnen ein Weilchen nach und schlüpfte dann zur Hintertür hinaus. Bald sich bückend und versteckend