IrrvlPrecher «r. 11.
Erscheint DienStag Donnerst., Gamstag und Sonntag mit der wöch. Vellage »Der SonntagS- Gafi".
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Amtsblatt für
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Donnerstag, 8. Dezember
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbrettung.
Einrückungs-Aebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal- Einrückung 6 Pfg., bei mehrmal je 6 Pfg., auswärts je 8 Pfg. die einspaltige Zeile oder deren Raum.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
1904 .
Amtliches.
Alle diejenigen Personen des Oberamtsbeziiks, welche beabsichtigen, lm Kalenderjahr 1905 das Wandergewerbe zu betreiben, werben nach einer Bekanntmachnng des K. Kameral- amts Altensteig und des K. Oberamts Nagold, ausgefordert, ihren Gewerbebetrieb bei der zuständigen Steuerbehörde an- zamelden und einen Steuerschein zu lösen. Der Steuer- schein ist vor Beginn des Wandergewerbebetrieds zu lösen. Zuständig zur Ausstellung von Steuerscheinen ist der Orts- fteuerbeamte des Wohnorts des Wandergewerbetreibenden und für diejenigen, welche in Altensteig wohnen, sowie für Detailreisende das Kameralamt (Bezirkssteueramt). Die Steuer- > scheine sowie die Wandergewerbescheine für das Kalenderjahr 1905 können schon im laufenden Monat gelöst werden, ! worauf behufs rechtzeitiger Anmeldung des Betriebs besonders aufmerksam gemacht wird. Der oberamtliche Wauder- gewerbeschein kann erst dann ausgestellt werden, wenn der Wandergewerbetreibende im Besitze des Steuerscheins ist. Werden Wander-Gewerbebetrieb beginnt, ohne einen Steuerschein gelöst zu haben, wird bestraft.
An der vom 3. bis 17. Oktober d. I. an der Technischen Hochschule abgehaltenen staatlichen Vorprüfung haben mit Erfolg teilgenommen: für das Bauingenieur-fach: Heinrich Offner von Altensteig; für das Hochbaufach: Rudolf Schreiber von Freudenstadt; für das Maschineningenieurfach: Paul Baur von Wildbad und Ernst Henninger von Freudenstadt.
Infolge der vom 8. bis 36. v M. abgehaltenen Dienstprüfung sind u. a. zur Verfthung von Schulstellen für befähigt erklärt worden: Gottlob Talmon-Gros, Schulamtsverweser in Egenhausen, Adolf Haller, Seminarunterlehrer in Nagold, Johannes Keinath, Unterlehrer in Wildberg, Johannes Schmid, Hilfslehrer in Freudenstadt.
Die beiden Kaiser.
(Nachdruck verboten.)
Es ist sehr bemerkt worden, daß zwischen dem Kaiser nnd Könige Franz Josef von Oesterreich-Ungarn und dem deutschen Kaiser Wilhelm 11. in diesen Tagen wiederholte Handschreiben gewechselt worden sind, die von den beiderseitigen Botschaftern überreicht wurden. Der Gegenstand dieses Briefwechsels ist natürlich unschwer zu erkennen, er betrifft die zur Zeit unterbrochenen Handelsvertragsver- handlungen zwischen den Staaten der beiden Monarchen, die sich einander so nahe stehen, wie selten zwei Fürsten, beinahe wie Vater und Sohn. Sie haben an allen freudige» und traurigen Ereignissen in den beiden Herrscherfamilien zu allen Zeiten den innigsten Anteil genommen, und besonders unvergessen ist in Deutschland, wie Kaiser Franz Josef aus dem Tage der Großjährigkeits-Erklärung für den deutschen Kronprinzen eine Ehrensestlichkeit für die i enge deutsch-österreichische Freundschaft zu gestalten wußte. Bon allen fremden Monarchen ist keiner in Deutschland so populär, wie das Haupt der habsburgischen Dynastie, nnd darum wünschten auch wir gewiß, dem persönlichen Verkehr der beiden Herrscher möchte in Sachen der Handelsvertragsverhandlungen gelingen, was ihren Ministern bis zur Stunde nicht geglückt ist.
Man kann den Schritt des Kaisers Franz Josef an unseren Kaiser ohne weiteres verstehen, denn die Dinge in der habsburgischen Monarchie find heute wirklich so, daß nichts unerwünschter sein kann, als noch einen Handelsvertragsstreit mit Deutschland und später eventuell auch mit Italien entstehen zu sehen. Läßt auch das politische Bündnis jede herausfordernde oder verletzende Aeußerung vermeiden, es ist ganz selbstverständlich," daß eine so wichtige Sache weder die beiden Regierungen noch den Nährstand in beiden Staaten gleichzeitig bessern kann. Mit einem Nichtzuftandekommeu des Vertrages müssen die gewöhnlichen Zollsätze am Ende Geltung gewinnen, nnd das bedeutet einen mehr oder minder unverblümten Zollkrieg.
Die österreichische Regierung hat ihren haushohen Aerger über die Parlamentarischen Schwierigkeiten im Wiener Reichsrat, die keine rechte gesetzgeberische Arbeit mehr auf- , kommen lassen; sie hat den, freilich zum Teil selbst ver- ! schuldeten Verdruß über die Innsbrucker Vorgänge und die Krawalle zwischen Deutschen und Italienern. Daneben schweben mit Ungarn mancherlei unausgeglichene Fragen, nur in dem Handels-Vertrags-Gegensatz zu Deutschland find die österreichische und die ungarische Regierung einig. Der ungarische Ministerpräsident Tisza steht seinerseits mit der starken Minderheit des Reichstages in Budapest auf einem so gespannten Fuße, daß vor 10 Tagen, wie erinnerlich sein wird, sich die einzelnen Abgeordneten der gegnerischen Parteien in ihrem Sitzungssaals die Tintenfässer au den Kopf geworfen haben. Za all' diesem Zwist noch den wirtschaftlichen Streit mit Deutschland, dem sich leicht ein ^
solcher mit Italien arüchließen kann. DaS wäre unliebsam genug. Man steht, Kaiser Franz Josef denkt weiter als seine Minister.
Ja Oesterreich-Ungarn ist das Geld für die nachgerade auch anwachseodeu Staatsausgabcn knapp geworden, namentlich die Ungarn wollen nicht mehr bezahlen und bürdeten am liebsten der österreichischen Neichshälfte immer mehr auf, bei deren Bewohner aber auch die Neigung zum Zahlen schwindet. Nun soll aus den neuen Handels- und Zoll-Verträgen so viel wie nur irgend möglich an Geld herausgeschlagen und dabei weiter für den heimischen Nährstand ein guter Profit gesichert werden. Gewiß, oas ist alles erklärlich, aber ein Handelsvertrag ist wie ein Handelsgeschäft, und ohne gegenseitige Nachgiebigkeit geht es dabei nicht. Die Wiener und Budapester Zeitungen behaupten : Deutschland sei halsstarrig. Nun, wir sind mit Rußland und einer ganzen Reihe von anderen Staaten bereits einig geworden, da wird also kaum behauptet werden können, daß wir Unmenschen sind, mit welchen nicht za reden sei. Bei solchen Vorkommnissen fehlt es aber oft nur an kleinen Fingerzeigen, denn man sah den Wald vor Bäumen uicbt. Ueber dem einzelnen Pcinzipieustreit steht bei solchen Verträgen doch der große, allgemeine Vorteil. Hoffentlich läßt die von den beiden Kaisern ergriffene Initiative diesen bald klarer sehen.
Tagespolitik.
Auf die Umfrage des Reichskanzlers wegen Neuprägung von Talern find von zahlreichen Handelskammern Antworten eiugegangen. Keine einzige von ihnen spricht sich über die Beibehaltung oder gar Vermehrung von Talerstücken aus, dagegen verlangen viele die vermehrte Prägung von Zweimarkstücken, da an Silbergeld Mangel herrsche: andere wünschen wieder, daß die Zahl der Zehnmarkstücke erheblich vermehrt werde. Geht es nach dem Willen der Handelskammern, daun wird der Taler wandern
müssen und nicht wiederkehren.
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Vor Zi/i Jahren war es, im September 1901, als die Leiter des Gelsenkirchener Wasserwerks aus Bequemlichkeit schmutziges Rubrwasser unsiltriert den Einwohnern zu- führten, so daß 3575 Personen erkrankten. Aber erst jetzt haben die Täter ihre Strafe erhalten: 2 Mann je 1500 uud einer 1200 Mark Geldstrafe „wegen Nahrungsmittelfälschung". Und dabei sind 350 Menschen am Typhus gestorben! Rechnet man die Strafe nach, so kommen bei 4200 Mark und 3225 Kranken und 350 Toten auf jeden Fall etwas )
über eine Mark. ,
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Rußland sendet nach der baltischen Flotte eine dritte Flotte nach Ostafien. Sie wird aus Schiffen des Schwarzen Meeres zusammeugestellt. und zwar aus 7 Panzerschiffen,
4 Panzerkreuzern und 40 Miuenbooten.
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Montenegro leidet an Großmachtsdünkel. Das Land der Hammeldiebe will jetzt auch — Gesandte haben! Von Neujahr ab werden fünf diplomatische Vertretungen geschaffen, und zwar in Petersburg, Wien, Paris, Belgrad und Sofia. Welche „Politsche Mission" der montenegrinische Gesandte in Paris zu erfüllen haben soll, ist nicht ganz klar. Und auch in Petersburg, Wien, sowie Sofia und Belgrad täten doch einfache Konsulate d-e gleichen Dienste, wie kostspielige Gesaudtschafteu!
Deutscher Weichstug.
Kerli«, 5. Dezember.
Etngegaogen ist eine Interpellation Trimboru bell, die Einführung der 10-stündigen Maximalarbeitszeit für Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter. In der fortgesetzten Beratung des Etats und der beiden Militärgesetze führt Abg. Spahn (Ztr.) aus: Zur Besserung der Finanzlage empfiehlt sich vielleicht zu versuche», die Einzelstaaten stärker zu den Matrikularbeiträgeu heranzuzieheu. Daß Tabak und Bier schärfer herangezogen werden können, ist mir nicht wahrscheinlich. Redner bespricht dann den Krieg in Oftasien, ferner unser Verhältnis zu England und bemerkt bezüglich der Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn, daß Oesterreich sich irrt, wenn es etwa glaubt, daß wir, wenn ein Tarifvertrag nicht zu stände kommt, ihm die Meistbegünstigung gewähren. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Redner berührte dann die Lippe'sche Frage, die Verhältnisse in Südwestafrika, die Handwerkerwünsche und tadelte schließlich die noch immer vorkommenden Soldatenmißhandluugeu. Bebel (Soz.) be
schwerte sich darüber, daß der Reichstag nicht zusammen- bernfen wurde, um seine Zustimmung zu den außerordentlichen Ausgaben für Südwcstafrika zu geben. Wäre der Reichstag bei den China-Ausgaben mannhaft gewesen, so würde man nicht gewagt haben, den Reichstag zum zweiten- male zu mißachten ; aber jedes Parlament erfahre, was es verdient. (Der Vizepräsident Paasche ruft den Rcduer zur Ordnung.) Der Etat ist der trostloseste, den ich je gesehen babe. Verschuldet haben diese traurige Lage Regierung und Zentrum, denen wir unsere Militär-, Marine- und Kolo- uialpolitik, kurz unsere Weltpolitik verdanken. Für Kulturaufgaben haben wir kein Geld übria. Bankerott sind Sie mit Ihrer Finanzpolitik; bankerott sind Sie auch mit Ihrer Handelspolitik, derjenigen, die Herr Bassermann unter Bruch der Geschäftsordnung und der Herfassuug inauguriert hat. (Große Unruhe rechts und ia der Mitte.) Bebel wurde wiederholt zur Ordnung gerufen. Bebel erklärt darauf, dlzrch den Ordnungsruf würde daS, was er gesagt habe, nur unterstrichen. (Stürmische Heiterkeit und Beifall.) Bebel fährt fort: Freilich war der Reichstag sich so wenig seiner Pflicht bewußt, der Wahrer seiner Verfassung zu sein, wie kann man sich denn wundern, wenn Preußen dem Landtag Gesetze vorlegt, die mit der Reichsverfassuug in Widerspruch stehen, wie dasletzte Polenqesctz über die Fleischbeschau. (Lebhafter Beifall.) Im Jahre 1888 hatten wir 7 Millionen Schulden, jetzt sind wir bei 3600 Millionen angelangt. Heeres- nnd Ma- rinepolitik haben diese Schuldenlast angehäuft, trotzdem wir in den neunziger Jahren Etats hatten, wo die Einnahmen die Anschläge weit überstiegen. Dazu kam die Kolonialpolttik. Da muß ich konstatieren, daß die Denkschrift über Deutsch-Südwestafrika unsere Ansicht bestätigt, daß das Land nie der Opfer wert sein wird, die wir ihm gebracht haben. Was Kiautschau anbetrifft, so kommt uns dieser Platz an der Sonne, den ein chinesischer Mandarin ein Drecknest nannte, auf ungezählte Millionen zu stehen. Was haben wir eigentlich noch in China zu suchen und wozu bleibt das Expeditionskorps in China? Was das Wehrgesetz betrifft, so zwingt zur Annahme der 2jährigen Dien,:zeit uns schon unsere Finanzlage. Viele Mißhaudlungen sind auf daS Ausbildungspersonal nur deshalb zurückzu- sühreu, weil nicht alles, was gelehrt wird, nötig ist. Wenn neue Steuern sein müssen, so schlagen wir eine Einkommen- uud Vermögenssteuer vor, damit die Großindustriellen, die im Golde ersticken, herangezogen werden. Wo kommen wir im Ernstfälle hin, wenn die Mittel für die Erhaltung' des Reichsapparates schon jetzt nicht mehr aufzudringen sind? Was ist das für ein wahnsinniges System? (Lärm rechts, Beifall links.) In Rußland ist dieses System zusammen- gebrocheu zum Heile der ganzen Welt und des russischen Volkes. Wenn der Hundertjahrtag der Schlacht bei Jena kommt, mag das offizielle Preußen trauern, das deutsche Volk aber nicht, denn nach dieser Niederlage ist es erstanden. Es regnet jetzt Schiedsgerichtsverträge, aber Roose- velt Unterzeichnete mit demselben Tropfen Tinte die Einladung zur Friedenskonferenz und die expansive Flotten- vorluge. Wir hätten wahrlich nicht nötig, daß nach Rußland telegraphiert wurde, Rußlands Trauer sei auch Deutschlands Trauer; das steht aus als ob wir parteiisch wären. Wir haben durch Schiffs-, Kanonen- und Kohlenverkäufe eine laxe Neutralität gegen Japan bewiesen, andererseits Rußland, wie beim Königsbergs! Prozeß es sich zeigte, Handlangerdienste getan. Redner beleuchtet hierauf den Fall Mirbach. Streberhafte Charakterlosigkeit und Heuchelet seien heute an der Tagesordnung. Denkmalsenthüllungen, Jubiläumsfeste usw. nehmen zu, sodaß man im Auslände Deutschland als ein großes Preußenhaus allsehe. Reichskanzler Graf Bülow: Was Herr Bebel über Jena sagte, nimmt mich nicht Wunder; es stimmt mit seiner Aeußerung in Amsterdam überein; er würde es sich gefallen lassen, wenn wir ein zweites Jena erleben. Dos wird aber -re verbündeten Regierungen nicht abhalten, die friedlichen Bestrebungen zu fördern. Die Sozialdemokraten wollen ja gar keine Neutralität im ostasiatischen Kriege, sondern einen KriegmitRußland,wobeider Wetzender Sozialdemokratie blühen würde. Wir werden uns aber nicht in russische Verhältnisse ein- mischen. Die soz. Prediger suchen den Krieg herbeizuführeo. Sie (zu den Sozialdemokraten) protestierten, als wir in Venezuela einschritten und schrien wie besessen, als wir in China vorgingen, verhielten sich aber ruhig, als die Hereros armen Farmern den Hals akschnitten. Als hier aber unser korrektes Verhalten von Erfolg gekrönt war, fand der „Vorwärts" unser ganzes Verhalten außerhalb jeder Kritik. Selbst die Engländer waren den Sozialdemokraten nicht forsch genug; sie brachten Deutschland in den Verdacht, England und Rußland verhetzen zu wollen. Ich hoffe, daß Sie diese Reizbarkeit im nationalen Empfinden auch beweisen möchten,