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Erscheint Dienstag Donnerst«, Gamstag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der GonntagS- Gast".

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Samstag, 5. Wovembsr.

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1904.

Trübe Bilder «rr» Weft-Brrtzl«rird

Von Leopold Sturm.

(Nachdruck verboten.)

0 Der Aufenthalt der russischen Aristokratie in deutschen Hauptstädten, der früher ein sehr reger war, ist in den letzten Jahrzehnt beträchtlich gesunken und in der jüngsten Zeit, wo die Kriegsmlsere ins Gewicht gefallen ist, völlig abgcflaut. Einstmals standen die russischen Fürsten alle reichen Russen werden ja Fürsten genannt, gerade so wie die ungarischen Magnaten ln dem Rufe, das Geld nicht blos mit vollen Händen auszugeben, sondern sortwerfen zu können, aber die Folgezeit hat gezeigt, daß sich auch ein tiefer Brunnen mit den Jahren erschöpfen kann. Selbst in Paris, dem Sehnsuchtsziel der Untertanen des Ezareu, ha­ben die russischen Besucher angefaugen, sparsam zu werden und zu rechnen.

Bleiben nun diese erwähnten Kreise der russischen Ge­sellschaft aus, so kommen doch andere nach wie vor mit großer Pünktlichkeit. Das find die im westlichen Rußland in großer Zahl ansässigen Deutschen, welche dort die eigent­lichen intelligenten Kreise darstellen und Gewerbe und In­dustrie völlig in ihrer Hand habe». Liese deutsch-russi­sche» Besucher aus Lodz und anderen Zentren des indu­striellen Rußland haben bei uns einen guten Klang und sie bewahren treu die Anhänglichkeit zum großen deutschen Bolksftamm. In diesen Herostwochen haben sie sich wieder in starker Zahl auf deutschem Boden eiugcfunden, teils zu Einkäufen, teils zur Pflege von alten Freundschaften und Geschäftsverbindungen, und auch der Krieg hat sie nicht abhaltcu köauen. Vielleicht hat er sogar die Sehnsucht ge­steigert, aus der russischen Drangsal heraus einmal in an­dere Luft, in aridere Verhältnisse zu kommen.

Leuu eine Drangsal ist es tu der Tat, die zur Zeit in Weftrnßlaud besteht! Die Kriegsfreudigkeit der Bevöl­kerung ist längst dahingeschwunden, und mit Zittern und Zagen erwarten die Familien, denen Militärpflichtige ange- hören, die Zukunft. Die deutsch-russischen Gäste iu^Deutsch- laud stad gewiß ur Parteiische und zuverlässige Zeugen, und was sie von der Stimmung und den Zuständen in ihrer Heimat erzählen, ist erschütternd. Der furchtbare lange Krieg mit seinen entsetzlichen Opfern har schon die stumpfen Be­wohner vor, Mittel- und Sädrußlanü nervös gemacht, um wie viel nicht mehr die intelligenteren Elemente des Westens! Ein frischer, ausstchtsvoller Krieg, der vermag eine Nation mitzurechen, aber angesichts der ostafiatischen Meldungen heißt es überall in Rußland: Wer gegen die Japaner ins Feld ziehen muß, der kommt nicht wieder!

Zn den industriellen Bezirken find schon seit Monaten häufige Auflehnungen der Arbeiter zu verzeichnen. Der Geschäftsgang ist, soweit nicht Staatsaufträge einen sicheren Verdienst geben, ein schlechter und unzuverlässiger, der, Leu­ten fehle» also die Exifteozmittel. Und «uu komme» die Massen-Aushetiungen für neue Verstärkungen nach Ostasten, zum Ersatz der in den langwierigen Gefechten gerissenen Lücken hinzu. Offene Auflehnungen der Militärpflichtige» find vorgekommen, die Reservisten entfliehen auch oder ver­stecken sich, und die Behörden sind bereits gezwungen, durch Ueberraschungen dem Entweichen der Soldaten oorzubengen.

In der Hauptstadt Russisch-Polens, in Warschau, ist vor kurzem mit der allgemeinen Etuberufung der Dienst­pflichtigen begonnen worden. Diese murren, im Handel, Gewerbe und Industrie fehlen die Arbeiter. Eine dumpfe Gähruvg herrscht, und es ist sehr damit zu rechnen, daß die Bolksunruheu eine weitere Ausdehnung gewinnen. Der Himmel ist hock und der Czar ist weit, damit wird in Ruß­land über Vieles fortgegangen, aber heute stehen die Dinge so, daß es nicht mehr möglich ist, sie einfach auf sich be­ruhen zu lassen. Und dabei steht der Wmter vor der Tür und ist vom Kriege kern Ende abzusehen. Wenn es so schon im intelligentesten, wohlhabendsten Teil von Ruß­land ist, wie mag es nun anderswo aussehen?

Tagespolitik.

Finanzminister Frhr. v. Riedel, dem wir kürzlich an­läßlich seines Rücktritts einen Artikel widmeten, wird vom 1. November ad von der Leitung des Finanzministeriums enthoben und unter Einreihung tu die Zahl der außer­ordentlichen Staatsräte, unter Belastung des Titels und Rangs eines K. Staatsministers i» den Ruhestand versetzt. Der Prinzregent erklärt in einem Handschreiben es als ein Herzensbedürfnis, Riedel nochmals für seine ausge­zeichneten Dienste seine hohe Anerkennung und Dankbarkeit auszusprechen, und fährt dann fort:In allen Stellungen, auf die Sie das Vertrauen der Krone berufen hat, haben Sie wahrhaft Vorbildliches geleistet. Von Ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der inneren Verwaltung zeugt die bayrische

soziale Gesetzgebung und die vo treffliche Ausgestaltung der bayrischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zur Vertretung Bayerns in den Bundesrat entsendet, haben Sie beim Aus­bau des Reiches in allgemein anerkannter, verdienstvollster Weise mitgewirkt und Ihrer bayrischen Heimat Ehre gemacht. Als Sie endlich von Ihrem König mit der Leitung des bayrischen Finanzwesens betraut wurden, haben Sie Ihre glänzende Begabung und Ihre hervorragende Arbeitskraft in seltener Hingabe in de» Dienst der übernommenen Auf­gabe gestellt und die Arbeit eines Menschenalters der Ord­nung und Festigung der Staatsstnanzen als ihrem Liebes- werk gewidmet. Ganz besonders noch haben Sie Mich und Mein Haus verpflichtet, indem Sie in bewegter Zeit vollste Hingabe an die Dynastie bewiesen und auch weiterhin Ihren weisen Rat Meinem Hause in wichtigen Angelegen­heiten geliehen haben. Möge Ihnen dieses Bewußtsein und die Ueberzengung, daß Fürst und Vaterland Ihnen wärm­sten Dank widmen, Ihren Lebensabend, der noch reich an glücklichen Jahren sein möge, verschönen. Als äußeres Zeichen Meiner Wertschätzung lasse ich Ihnen mein Bild in künstlerischer Ausführung zugehen. Ich scheide von Ihnen mit der Versicherung huldvollster Gesinnung als Ihr sehr

geneigter Prinz Luitpold von Bayern.-

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Zur lippeschen Frage schreibt die Tägl. Rundschau: Der Fürst von Schaumburg, der noch kurz zuvor den Vor­schlag, die Sache an dos Reichsgericht zu bringen, abgelehut hatte, ist schließlich doch nachgiebiger geworden. Er hat einer Vereinbarung zugcstimwt, wonach die Regentschaft des Grafregcnten Ernst zunächst als zu Recht bestehend aner­kannt wird, mit der Entscheidung der Thronfolgefrage aber zwei Reichsgerichtssenate betraut werden, die ohne jede Mit­wirkung einer ffirstlichen Persönlichkeit entscheiden sollen. Diesen AusVetz, so versichert man an maßgebender Stelle, hatte der Reichskanzler ohnehin von Anfang an im Auge gehabt. Ueber die Zusammensetzung des neuen Schieds- j gerichts verlautet, daß es aus Mitglieder» des 4. und 7. Zivilsenates des Reichsgerichts bestehen soll. Da dadurch eine gerade Zahl von Mitgliedern für das Schiedsgericht sich ergeben würde, soll der Präsident des Reichsgerichts als 15. Mitglied und zugleich als Vorsitzeuder des Schieds­gerichts hinzutreten.

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Wie die Sozialdemokratie den Grundsatz .Religio» ist Prlvatsache" handhabt, das konnte man neulich aus ei­ner in Berlin gehaltenen Rede von Frau Klara Zetkin er­fahren. Sie führt in dieser Rede u. a. aus: .Wir Kinder des Proletariats wollen von keiner Kirche etwas wisseu, wir wollen auch die Frauen aus den engen Kirchen heraus­holen sie sollen mit uns die Luft der Freiheit atmen, wir geben nichts auf Religion und Kirchlichkeit, nichts auf alle verdummende Reaktion." Frau Zetkin erntete für diesen

Ausspruch den lebhaftesten Beifall der Versammlung.

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Staatssekretär Gral Posadowsky weilt gegenwärtig in Wien. Ueber seine Wiener Misston äußerte er in einem Gespräch mit einem Redakteur derZeit" folgendermaßen: Ich bin nach Wien gekommen, um mit möglichster Be­schleunigung die Handelsvertrags-Verhandlungen zu be­treiben. Wenn überhaupt, muß der Vertrag im Laufe dieses Monats zustande kommen. Wir müssen dies im In­teresse des deutschen Handels und der deutschen Industrie wünschen, denn diese beiden Faktoren müssen über die künftige Gestaltung der handelspolitischen Verhältnisse möglichst

bald unterrichtet werden."

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Wie nahe wir tatsächlich am Abgrunde eines neuen großen Krieges gestanden, daS beweisen deutlich die nun vou allen Seiten kommenden Berichte über die Vor­bereitungen der britischen Geschwader. Am letzten Freitag früh lag das gesamte Kaaalgeschwader unter Admiral Veres- ford in Schlachtlinie klar zum Gefecht bereit zum Empfange des Admirals Roschtjestmensky. Die Schlachtlinie dehnte sich von Gibraltar bis zum Kap Sillerio. Sechs Schnell­kreuzer waren in weiten Abständen bis nach Vigio vorge­schoben und hielte» den englischen Admiral durch Funken- Telegraphie fortgesetzt über die Bewegungen des erwarteten Gegners unterrichtet. Der Befehl zum Angriff ward im Laufe des Freitags nachmittags, d. h. gleich nach Beendig­ung des großen Kabinettsrats erwartet. Anstatt dieses Be­fehls kam glücklicherweise die Gegeuordre, die sich teilende russische Flotte in ihren einzelnen Geschwadern lediglich nur zu überwachen.

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Wegen der Entschädigung des Besitzers des deutschen SchiffesSonntag" durch die Ostseeflotte, es handelt sich

bekanntlich nur um Materialschaden, sind in Petersburg auf diplomatischem Wege Forderungen geltend gemacht worden,

die anstandslos werden bewilligt werden.

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Ja Italien finden am bevorstehenden Sonntage die Neuwahlen zur Deputiertenkammer statt, die bekanntlich kurz vor dem Ablauf ihres Mandats aufgelöst wurde. Die Um­stände liegen für den Ministerpräsidenten Giolittt derzeit so gäustig, daß er auf eine Regierungsmehrheit rechnen darf, in der die Sozialdemokraten uud die radikalen Parteien nicht eingeschlosseu sind.

LcrndesnachrichLen.

* Altensteig, 4. November. Ein überraschendes Re­sultat und eineu schönen Beweis der Opferwilligkeit haben die Sammlungen für unsere Soldaten in Südwestafrika ge­geben. Innerhalb 2 Tagen wurde die hübsche Summe von 144,3V Mk. gespendet! Herzlichen Dank allen Gebern, die in ihrer Nächstenliebe nun dazu beitragen, auch im dunklen Kciegsschatten, das Helle Licht einer Weihnachts- freude zu verbreiten.

Spielverg, 3. Nov. Aus dem Biehmarkt iu Berueck am Montag den 31. Oktober lösteein hiesiger Bauer namens F. K. für eiue Kuh, Schweizer-Simmeuthalerschlag, den schönen Preis vou 46 5 Mark. Derselbe hat schon früher sehr schöne Erfolge für Zuchtfarren erzielt. Beides ist ein Zeichen für die Landwirte, das zeigt, welcher Nutzen heut­zutage bei guter Betriebsweise aus der Rasseumeyzucht zu ziehen ist. Möge dieses Betspiel andere zur Nachahmung aufmuutern zum Nutzen unserer Landwirtschaft.

* Schramöerg, 2. Olt. Der neue Güterbahnhof unter­halb der Bahnstation Schramberg wurde gestera in Be­trieb genommen.

* Stuttgart, 3. Nov. Die Eröffuuog der Stäudever- fammlnng wird sich iu den hergebrachten Formen vollziehen. Vormittags 10 Uhr nehmen die Gottesdienste ihren Anfang. Um dieselbe Zeit bezieht die Stadtgarde die Wache im Sländehaus. Die Ständemitglieder degedeu sich vou der Kirche aus unmittelbar iu das Stäudehaus, wo im Saale der Kammer der ' Abgeordneten die Versammlung eröffnet werden wird. Die Gallerie« des Stäodehauses werden um 10*/i Uhr geöffnet uud, sobald die Versammlung ihren Au- faug nimmt, geschlossen.

* Stuttgart, 1. Nov. (Schwurgericht.) Wegen Brand­stiftung und Versicherungsbetrug staub der 26 Jahre alte verheiratete Schreinermeister uud Inhaber einer mechanischen Schreinerei Wilhelm Alfred Hettler von Leonberg gestern und heute vor dem Schwurgericht. Vorsitzender war Laad- gerichtsrat Cleß. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Cuhorst. Als Verteidiger war Rechtsanwalt Dr. Wolf bestellt. Zur Verhandlung waren 28 Zeugen geladen. Ja der Nacht, zum 20. August ds. Js. vrauute iu Leouberg das dem An­geklagten gehörige zweistöckige Fabrikgebäude, woria er seiue mechanische Schreinerei betrieb, ab. Der Verdacht der Braud- stiftuug siel auf thu selber, da er im Oktober des Vorjahres in Konkurs gerate» war, der im Juni ds. Js. durch einen Zwaugsvergleich mit 20°/<> der Forderungen erledigt wurde, die er auch aasbezahlt hatte. Hettler hatte das Geschäft fortbetrieben aber mit Geld- uud Kreditschwicrigkeiten zu kämpfen. Er bestritt entschieden, deu Brand selber angelegt zu haben, und waudte ein, daß er in jeuer Nacht gar nicht in Levnberg, sondern hier gewesen sei. Die Vernehmung des Angeklagten galt hauptsächlich seinen Bermögeusoer- hältnissen ; sie währte zwei Stunden. Die Zeugenvernehm­ung erbrachte keinen direkten Schuldbeweis. Der Vertreter der Anklage führte auf Grund der vorliegenden Jndizieu aus, daß der Brand nicht auf Zufall zurückgeführt werde« könne, sondern vorsätzlich gelegt worden sein müsse, uud zwar, da eine andere Möglichkeit nicht denkbar sei, durch deu Ange­klagten selbst. Der Verteidiger waudte ein, gegen deu An­geklagten sei keinerlei Schuldbeweis erbracht, die vorgebrach­ten Indizien seien gänzlich ungenügend. Die Möglichkeit, daß der Brand durch Zufall entstanden sei, sei nicht aus­geschlossen. Die Geschworenen verneinten die Schulofrageu. Hiernach erfolgte die Freisprechung und Haftentlassung des Angeklagte» unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse.

* Stuttgart, 2. Nov. (Schwurgericht.) Als 2lster uud letzter Fall dieser Session kam heute die Anklagesache gegen den 52 Jahre alten, verheirateten bisherigen Schultheißen Friedrich Wähler vou Breuningsweiler, OA. Waiblingen, wegen betrügerischen Bankrotts und Gläubigerbegünstigung zur Verhandlung. Die Geschworenen verneinten betrügerischen Bankrott und bejahten »ur Gläubigerbegünstiguug und zwar mit mildernden Umständen. Hiernach lautete das Urteil auf eiue Gefängnisstrafe von 3 Monaten, wobei berücksichtigt wurde, daß uur die eigenen Kinder des Angeklagten dabei