politischen Erfolg des Abends sowohl, wie mit der ganzen politischen Lage befaßten, hielten die Anwe­senden noch lange zusammen. Später fand dann die Siegesfeier im Adler im Kreise der Getreuen eine gemütliche Fortsetzung. Die Einigkeit des liberalen Bürgertums hat im 7. Wahlkreis einen glänzenden Sieg erfochten. Es lebe die Einigkeit! Wie wir nachträglich erfahren, dankte Herr Schweickhardt den Wählern Calws telegraphisch.

Unsere Rechtsanwälte. Nach dem Verzeichnis des Justizministeriums sind bei dem Oberlandesge­richt zugelassen 66 Rechtsanwälte, bei den Landge­richten 219, und zwar bei dem Landgericht Stutt­gart 120, Heilbronn 36, Tübingen 35, Rottweil 32, Ellwangen 19, Hall 19, Ulm 43, Ravensburg 36; nur bei Amtsgerichten zugelassen sind 12. Insge­samt zählt der Stand der württ. Rechtsanwälte 296 Mitglieder.

Württemberg.

Freudenstadt, 20. Jan. Oberamtstierarzt Klä­ger in Sulz a. N. verkaufte durch das Jmmobilien- büro Albert Preßburger in Horb a. N. seine auf dem Kienberg gelegene Villa Germania an Wilh. Bäder, siädt. Vermittler in Stuttgart-Cannstatt.

Böblingen, 22. Jan. Das zweispünnige Metzger­fuhrwerk des Sonnenwirts Lederer von Schönaich fuhr abends vom Schlachthaus Stuttgart über Vai­hingen der Heimat zu. Etwa 1 Kilometer nach Vai­hingen, auf der Straße nach Böblingen, kam von dort her ein Automobil und fuhr in das Fuhrwerk. Die Pferde wurden zu Boden gerissen und erlitten schwere Verletzungen. Der Lenker des Fuhrwerks, Sohn des Besitzers, wurde gleichfalls erheblich ver­letzt. Auch die Insassen des Automobils, das in den Graben stürzte und schwer beschädigt wurde, erlit­ten Verletzungen. Das Metzgerfuhrwerk ist vollstän­dig zertrümmert. Gerichtliche Untersuchung ist ein­geleitet. Wie es heißt, soll der Chauffeur nicht vor­schriftsmäßig gefahren sein.

Böblingen, 23. Jan. Am Samstag wurde in den Sindelfinger Waldungen in das Jagd­haus des Herrn Zweifel ein Einbruch verübt. Der Einbrecher, der Zimmermann Weg er von Steinach OA. Heidenheim, wurde von einem Forst­gehilfen festgenommen und ans Amtsgericht Böb­lingen eingeliefert. Nachdem sich Weger bereits seit einigen Wochen in der Böblinger Gegend Herum­trieb, ist es nicht ausgeschlossen, daß man es bei ihm mit einem Komplizen des Doppelmörders Pfrommer zu lun hat und die eingeleitete Untersuchung wird das Nähere in Bälde ergeben.

Stuttgart, 23. Jan. Die württ. Staatseisenbah- nen vereinnahmten im Monat Dezember 1911 6 286 000 Mk. (gegen 1910 mehr 273 951 Mk.). Vom 1. April bis letzten Dezember wurden 65 007 000 (plus 4 551 398) Mk. vereinnahmt.

Untertürkheim, 21. Jan. Hier drang einem jüngeren Arbeiter, der bei den Daimlerwerken be­schäftigt war, während der Mittagspause, als er sich plötzlich bückte, sein Brotmesser in den Unterleib. Er wurde so schwer verletzt, daß er in Lebensgefahr schwebt. Der Verunglückte wurde in das Bezirks­krankenhaus Cannstatt verbracht.

Unterboihingen, 22. Jan. Gestern nachmittag vergnügte sich Hauptlehrer Schröck mit seiner Schul- klasie in der Nähe der Kiesbaggerei mit Eisläufen. Dabei wurden auch sogenannte Schlangen gefahren. Der Lehrer stand in der Mitte, während um ihn die ganze Klage in einer Kette herumfuhr. Plötzlich krachte das Eis und Schöck versank bis unter die Arme. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihm unter Beihilfe einiger beherzter Knaben wie­der das feste Eis zu erreichen.

Gmünd, 22. Jan. Die durch die Gasexplosion heimgesuchte Familie Ziegler in der Rechbergstraße steht vor einem neuen Rätsel. Donnerstag früh gegen 8 Uhr, als es noch dunkel war und die Tochter Therese sich allein zu Hause befand, betrat eine Frau, deren Alter auf 2530 Jahre angegeben wird, die Wohnung im 1. Stock und wünschte eine Brille zu kaufen. Die Tochter erklärte, ihr eine solche jetzt nicht geben zu können. Nach kurzer Unterredung wandte sich die Frau der Türe zu. Sie zog dabei ein rotes Taschentuch aus der Kleidung, wobei die Tochter zu ihrem Schrecken bemerkte, daß die vermut­liche Frau Männerhosen trug. Diese Entdeckung setzte ihr dermaßen zu, daß sie sich auf weiteres nicht mehr erinnern konnte. Die Polizei wurde benach­richtigt und es wurde eine gründliche Durchsuchung des ganzen Hauses vorgenommen, ohne daß etwas Verdächtiges gefunden wurde. Vielleicht handelt es sich um eine Sinnestäuschung, wenn sich auch man­ches an dem Vorgang nicht recht erklären läßt. Zu dieser wunderlichen Geschichte schreibt dieGmünder Zeitung": Es ist hiezu zu bemerken, daß es sich ledig­lich um unkontrollierbare Aussagen der Tochter des Hauses handelt und irgendwelche positive Feststel­lungen nicht gemacht werden konnten.

Mühlacker, 21. Jan. Vorgestern abend dreivier­tel 7 Uhr ist auf dem hiesigen Bahnhof der 29 Jahre alte verheiratete Hilfsbremser Breitling aus Stutt­gart überfahren und getötet worden.

Weinsberg, 21. Jan. Anläßlich der 50. Wieder­kehr des Todestages Justinus Kerners ist hier eine allgemeineFeier, geleitet vom Justinus-Kerner-Ver- ein, unter Beteiligung der Schulen, Vereine und der bürgerlichen Kollegien geplant. Die letzteren haben auch ihre Unterstützung zugesagt. Die Feier wird am 23. Februar stattfinden, das genaue Programm ist aber noch nicht festgestellt. Eine größere Besucher­zahl wird mit Sicherheit erwartet werden können.

Botenheim, 23. Jan. Infolge des epidemischen Auftretens der Diphteritis mußten die Schulen ge­schlossen werden. Die schlimme Krankheit hat schon vor Weihnacht die Kinderwelt beunruhigt und trotz aller ärztlichen Gegenmaßregeln konnte sie nicht zum Stillstand gebracht werden.

Rottweil, 21. Jan. Die Neubesetzung der Schult­heißenstelle in Aldingen OA. Spaichingen soll, nach­dem der seitherige Inhaber am 28. Dezember ge­storben ist, in Bälde erfolgen. Die bürgerlichen Kollegien haben, demSchwarzw. Boten" zufolge, beschlossen, als Wahltermin den 22. Februar und als Gehalt vorerst 3000 Mk. festzusetzen. Um die Ortsvorsteherstelle von Böchingen OA. Oberndorf haben sich bis jetzt 5 Bewerber gemeldet, die am, nächsten Sonntag sich der Bürgerschaft vorstellen werden. Ein Bürschchen von 11 Jahren hat hier­in Rottweil seinem Vater 400 Mk. gestohlen. Als er seine Beute durch Vergraben in Sicherheit brin­gen wollte, wurde er von anderen Kameraden be­obachtet. Nach seinem Weggang nahmen nun die Kameraden den größten Teil des Geldes weg und versteckten es an allen möglichen Orten. Der Vater, ein Fuhrmann, der von dem Diebstahl Anzeige machte, ist nun, nachdem die Polizei die Buben aus­findig gemacht und sie zur Bekanntgabe des Ver­stecks usw. veranlaßt hatte, wieder in den Besitz des größten Teils des Geldes gelangt. Einer der Schlin­gel hatte, als ihm nicht mehr wohl dabei war, seinen Anteil mitsamt dem Geldbeutel in einen Abort ge­worfen, wo er auch gefunden wurde.

Balingen, 23. Jan. Bei der Fortdauer der Erd­beben mehren sich die Beschädigungen im Bezirk ständig. Insbesondere ist es die arme, nur 345 Ein­wohner zählende Gemeinde Margrethausen, die durch die Erdbeben und die in deren Folgen eingetretenen Rutschungen einen sehr bedeutenden Schaden erlei­det. Von sachverständiger Seite wird er auf 80 000 Mk. geschätzt. Er wird sich aber, wenn nicht bald ein Stillstand eintritt, wesentlich höher stellen. Die Gemeinde und ihre Einwohner sind nicht in der Lage, den entstandenen Schaden zu tragen; es muß deshalb die Wohltätigkeit eingreifen. Der Vorstand des Bezirkswohltätigkeitsvereins Balingen erläßt in Gemeinschaft mit dem örtlichen Hilfskomitee in Margrethausen einen Aufruf zur Hilfeleistung an alle edlen Menschenfreunde. Gaben sind erbeten an die Hauptsammelstellen, Hilfskomitee Margrethau­sen und an den Kassier des Bezirkswohltätigkeits­vereins ,Oberamtssparkasienkontrolleur Meier in Balingen. Die Veröffentlichung der eingeganqenen Gaben erfolgt in den Blättern des Bezirks Balin­gen, im Katholischen Sonntagsblatt und im Neuen Tagblatt in Stuttgart.

Ebingen, 23. Jan. Vorgestern nachmittag drei-! viertel 1 Uhr und viertel 3 Uhr kamen wiederum! zwei Erdstöße mit scharfem Donner begleitet vor.! Beben und Donner sollen auch im Freien sehr deut-! lich wahrgenommen worden sein. !

Vühlertann OA. Ellwangen, 23. Jan. Vor-! gestern vormittag brach im Wohnhaus des Maurers! Riek Feuer aus, dem insgesamt vier Wohnhäuser! zum Opfer fielen, außer dem des Riek noch die des Söldners Weniger, des Schneiders Lang und des Leonhard Häslin. Gerettet wurde nur wenig. Mit­verbrannt sind zwei Schweine. Der Gesamtschaden dürfte 30 000 Mk. übersteigen.

Waldsee, 21. Jan. Der Konkurrenzkampf der hiesigen Metzgermeister treibt sonderbare Blüten. Wie aus dem Waldseer Wochenblatt zu ersehen ist, bietet ein hiesiger Metzgermeister das Pfund Rind­fleisch zu 60 Pfg. an. Wie Abnehmer versichern, ist das Fleisch sehr preiswert.. Den Konsumenten kam diese Preisdrückerei nur angenehm sein.

Der italienisch-türkische Krieg.

Nichts läßt einen für das Schicksal der türkischen Truppen, des türkischen Landes so sehr bangen, als die Meldung aus dem türkischen Armeelager, die über Saloniki nach Deutschland gelangt und lautet: Die Behörden von Janina melden das Auftreten der Cholera asiatica. In Janina seien bereits 17 Fälle, davon 8 tätliche, in Boors 12 Fälle, davon 7 tätliche, vorgekommen. Die Seuche soll auch unter den Truppen stark grassieren." Keine militärische UG '3 der Italiener wäre imstande, den ita­

lienischen Raubzug so rasch zu ungunften der Türkei

> zu beenden, als diese Seuche unter den türkischen ! Soldaten.

Ein italienischerSieg".

Die Italiener können sich wieder einmal ein bis- ; chen freuen. Sie haben nämlich ein paar Hundert Araber aus einigen Steinbrüchen verjagt, die in der Umgebung von Tripolis liegen. Es galt, die Um­gegend dieser, etwa eineinhalb Stunden westlich von Tripolis bei Eargaresch gelegenen Brüche von Ara­bern zu säubern, also diesmal mehr ein Stück Kolo­nialkrieg, als einen Eroberungszug. Die Aufgabe wurde, wie das italienische Telegraphenbureau und eine französische Quelle übereinstimmend berichten, gelöst, aber unter Aufbietung einer beträchtlichen Truppenmacht und in einem Kampf, der den ganzen Tag (Donnerstag) in Anspruch nahm. Zu gleicher Zeit wird ein Bombardement des nicht mehr allzu­weit von der tunesischen Grenze gelegenen Hafen- ! stüdtchens Suara gemeldet, das dafürbestraft" wer- ^ den sollte, daß es die Freiheit Tripolitaniens ver- ! teidigte. Der Kampf bei Eargaresch dauerte bis 6 ! Uhr abends. Bei den Italienern sollen 50 Mann j außer Gefecht gesetzt worden sein.

Aus Höhen und Tiefen.

! Die hopsende Zunge. Von einem ehemaligen ; Parlamentsberichterstatter des österreichischen Abge- ! ordnetenhauses ist ein lustiges Büchlein erschienen,

! eine Sammlung von Redeblllten, denen es zu danken ! war, wenn die Monotonie langwieriger Reden ! durch heitere Augenblicke unterbrochen wurde. Wir ! lassen hier einige Stichproben aus dieser Sammlung ! nach einer Auswahl des Extrablattes folgen.

; Das ist ein Kuckucksei, das der zweischwänzige Löwe ! hinterrücks ins deutsche Nest gelegt hat. Wir müs- ! sen unser Hauptaugenmerk daraus richten, die Kas- ^ senbestände fruchtbringend zu vergeuden. Auch ich ! war einst ein Lehrjunge, der von seinem Lehrmeister ! und den Gesellen bis zur totalen Verblödung ge- ! schlagen wurde. Der jetzige Kultus- und Unter- ! richtsminister ist ein Mann, dessen linke Hand nie

> weiß, was die rechte sagt. Ich kann nicht länger ! schweigen, ohne einige Worte zu sagen.Der Herr

Vorredner wollte durch seine von Gift und Galle diktierten Ausführungen mich verwunden, während­dem hat er sich selbst sehr schmerzhaft auf den Schwanz getreten. lieber diesen Fall sagte ich mit dem berühmten Sokrates:Zwar weiß ich nichts, dcch möcht ich alles wissen." Auf dem Lande neh­men die Steuerinspektoren dem Bauern das letzte zerrissene Hemd aus dem Mund. Zentnerschwer lastet auf unserer Presse das Auge des Gesetzes. Ein wichtiger Zweig der Landwirtschaft ist die Auf­zucht des Viehs, dem auch ich die Ehre anzugehören habe. Was nützt das Fletschen der Zähne, wenn man diese verloren hat. Der Herr Vorredner möge sich gewissenhaft bei seiner Nase nehmen, dann wird er erkennen, wo seine Achillesferse sitzt. Meine Herren, wenn wir das Vieh schützen, dann schützen wir auch uns. Das Geld ist flöten gegan­gen, die Millionen sind verschwunden. Kein Loch ist zu groß, durch das das goldene Kalb nicht lächelnd hindurchkriechen könnte. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, daß zur Zeit der Geburt meines Vaters die Verhältnisse in dieser Hinsicht ganz an­ders waren. Ich kenne den Ministerpräsidenten ganz genau. Mit der einen Hand liebäugelt er mit dein Tschechen und mit der andern verkauft er die Deutschen. Der Eebirgsbauer ist nun einmal so mit dem Rindvieh verwachsen, daß er mit demselben lebt oder zugrunde geht. Ich will nun mit kurzen Worten des längeren und breiteren ausführen, wie sich die Sache eigentlich verhält. Diese Non­nen hatten neben der Krankenpflege noch eine Wirt­schaft, Kühe, Schweine und anderes Geflügel. Wäre Kolumbus nicht nach Amerika gefahren, so Hütte er es trotz seines Eies nicht entdecken können. Jetzt muß der Ministerpräsident wie Faust ausrufen: Hier stehe ich und kann nicht mehr weiter". Ho­hes Haus! Die Vermehrung der Bevölkerung auf dem flachen Lande vollzieht sich aus eine ganz natür­liche Weise. Ich werde Ihnen gleich zeigen, wie. Uebrigens brauchen wir nicht gerade nach Oester­reich und in das österreichische Abgeordnetenhaus zu gehen, um inhopsenden Zungen reden zu hören. Wer da will, kann dann und wann auch in Landtag und Reichstag ganz gut auf seine Kosten kommen. Es war der Abgeordnete Eothein wenn wir nicht irren der einmal auf einen Zwischenruf: Die Sta­tistik sei eine feile Dirne, im Eifer erwiderte: Des­halb braucht man aber nicht auf ihr herumzureiten und in noch frischer Erinnerung steht das Wort des Reichskanzlers: Der Starke brauche sein Schwert nicht immer im Munde zu führen was buchstäb­lich genommen, doch sicherlich auch dem Stärksten schon nach kurzer Zeit ziemlichschneidig" Vorkom­men dürfte.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.