det, und dag sie, wo sie anpackt, fest zugreift. Der Volkspartei aber mag zu ihrem Sieg auch von die­ser Stelle aus gratuliert sein. Selbst wenn ihr keine konservative Unterstützung zuteil geworden wäre, hätte sie aus eigener Kraft und vereint mit der liberalen Schwesterpartei den Stichwahltag bestan­den. Die Stimmen des sozialdemokratischen Kandi­daten erreichten mit 6863 in der Stichwahl noch lange nicht die, die der volksparteiliche Kandidat in der Hauptwahl schon auf sich vereinigte (7630), wor­aus hervorgeht, daß die beiden liberalen Parteien vereint mächtig genug sind, um dem roten Angriff zu widerstehen. Bei dieser Gelegenheit ist wieder­um daran zu erinnern, wie treu und tapfer die im Kreis schwächere Nationalliberale Partei zur größe- renSchwester gestanden hat, so dag er die Feuerprobe die der liberale Block auch im 7. Wahlkreis durchzu­machen hatte, in allen Ehren bestand. Das werden ihr die Demokraten nie vergessen. Und nun zum Schlug, nachdem die Schlacht geschlagen, möchten wir alle, die durch die Wahl und mit ihr verbittert und verärgert worden sind, daran erinnern, dag jetzt aller persönliche Hag und alle persönliche Feind­schaft begraben werden sollte. Dazu sind wir Men­schen nicht da, dag wir uns gegenseitig das Leben verbittern und vergrämen. Wo der Wahlkampf Neid oder Feindschaft züchtete, versöhne man sich wieder, werde einig und arbeite wieder in Treue und gutem Willen am Tagewerk. Und wir können dann so unserem Abgeordneten Schweickhardt ge­meinsam ein frischesGlück auf!" zurufen und ihm zur Ausübung seiner Geschäfte als Bolksvertreter recht gute Gesundheit wünschen, zu seinem und zu un­serem Wohl. Uns Bürgern bleibt, in allerwege, gut deutsch zu sein. Denn in diesem Gedanken finden wir uns dcch alle, ob konservativ, ob liberal, und wenn wir als deutsche Männer unsere Arbeit tun, dann mag im Blick auf unsere deutsche Heimat der Wunsch seine Erfüllung finden:

Hohes Erbteil edler Ahnen!

Reine Sitte, strenges Recht Leite auf des Friedens Bahnen Unbeirrt ein frei Geschlecht.

Ob dir Glück, ob Leid begegne,

Jedem Schicksal hältst du stand:

O, dag Gott, der Herr, dich segne,

Großes deutsches Vaterland!

l'. K.

Der 2. Stichwahltag im Reich.

Für den 20. Januar war der Termin von 77 Stichwahlen bekannt geworden. Eine amtliche Zu­sammenstellung fehlte. In Wirklichkeit sind nun 78 Stichwahlen am 20. Januar vorgenommen worden. Nach den näher ermittelten Ergebnissen sind in die­sen 78 Stichwahlen am letzten Samstag gewählt worden: 20 Nationalliberale, 17 Fortschrittliche Volkspartei, 8 Sozialdemokraten, 7 Zentrum, 9 Konservative, 6 Reichspartei, 4 Wirtschaftliche Ver­einigung, 2 Deutsche Reformpartei, 2 Welfen und 3 bei keiner Partei.

Der zweite Stichwahltag hat unter dem alten Bestand des Reichstags böse aufgeräumt. Köln ist an die Sozialdemokratie gefallen und mit dem rheinischen Erzbischofssitz der Abg. Trimborn. Das Zentrum hätte wohl lieber den Grafen Oppersdorfs

vermißt, aber Fraustadt (bish. Reichsp.) wählte ihn anstatt eines Fortschrittlers. Dann: Röficke (Bund der Landwirte) ist nicht mehr. Weder Olden- burg-Plön noch jetzt Kaiserslautern hat ihn erwählt. Auch der Reichsparteiler Dr. Höffel, der im Jahr 1890 den elsässischen Wahlkreis Zabern den Protest­lern abgewann und ihn seither bestens vertrat, wird nicht mehr M. d. R. Ein elsässischer, bisher un­bekannter Fortschrittler ersetzt ihn. Dagegen hat der Antisemit Bruhn in Arnswalde wieder Glück gehabt. Besondere Bedeutung hat die Wiederwahl des langjährigen nat.-lib. Abg. Frhn. v. Heyl in Worms. Schwere Verluste erlitten die National­liberalen. Fuhrmann wurde von den Sozialdemo­kraten gegen den Konservativen im Stich gelaffen. Der Kolonialpolitiker Dr. Arning unterlag gegen einen Welfen, deren der Reichstag jetzt wieder 5 aufweist. Auch Osann, der Hesse, und Rimpau aus der Provinz Sachsen, kommen nicht wieder. Schif- ferer wurde in Tondern-Husum nicht gewühlt. In Breslau-Ost konnte der Gewinn in der Hauptwahl nicht festgehalten werden. Dagegen kommt Schwa­bach wieder trotz der sozialdem. Hilfe für den kon­servativen Lithauer. Sieg hat Graudenz gegen den Polen behauptet. Aus München, das gegen die Sozialdemokraten gehalten wurde, kommt erfreulicher Zuwachs, der lib. Schulrat Kerschensteiner. Auch der Fortschritt beklagt einige Männer. Dr. Mug- dan ist in Görlitz gefallen. Der Reichstag muß nach einem Hausarzt suchen. In Frankfurt a. M. mußte Oeser dem Sozialdemokraten Platz machen, wofür er sich beim nationalen Zentrum bedanken mag. Da­gegen ist in Berlin I Kämpf noch einmal gewählt worden. Auch Danzig ist gehalten worden, Hagen dagegen von der Sozialdemokratie erstürmt. Auch Träger kehrt wieder. Neu ist der Pfarrer Korell in Bingen-Alzey, der dort den Nationalliberalen Becker mit knapper Mehrheit geschlagen hat. Von den Sozialdemokraten eroberte sich der Revisionist Heine den Wahlkreis Dessau. Von 80 Stichwahlen sind sämtliche Ergebnisse bekannt. Gewählt sind 27 Sozialdemokraten, 18 Fortschrittliche Volkspartei, 13 Nationalliberale, 5 Konservative, 3 wirtschaft­liche Vereinigung 3 Zentrum, 3 Welfen, 2 Polen,

1 Reichspartei, 1 Deutsche Reformpartei, 2 bayrischer Bauernbund, 1 bayrischer Bauernbund, 1 bayrischer Liberaler 1 Lothringer. Die Sozialdemokraten ge­winnen 26 und verlieren 2 Sitze, die Volkspartei gewinnt 5 und verliert 5, die Nationalliberalen gewinnen 7 und verlieren 8, die Konservativen ge­winnen 1 und verlieren 4, das Zentrum gewinnt

2 und verliert 2, die Polen verlieren 1, die Reichs­partei verliert 4, die wirtschaftliche Vereinigung gewinnt und verliert 1, die Welfen gewinnen 3, der bayrische Bauernbund gewinnt 2, die Elsäßer verlieren 1, die Lothringer gewinnen und verlieren je 1 Sitz. Die Sozialdemokraten haben eine an­sehnliche Reihe von Gewinnen zu verzeichnen. Sie haben Jerichow, Hildesheim, Kaiserslautern, Ans­bach, Rothenburg, Jena den Konservativen, Kottbus, Breslau, Bitterfeld der Reichspartei entrissen. Auch die Eroberung einer Reihe bisher liberaler Sitze ist ihnen gelungen. So haben sie außer Frankfurt, Görlitz, Hagen und Dessau den Fortschrittlern, Oschersleben, Bayreuth, Vensheim und Bernburg den Nationalliberalen entrissen. In Darmstadt haben sie den Abg. Offann, der bei der Reichsfinanz­reform aus der Nationalliberalen Partei ausgeschie­

den ist, aus seinem bisher sicheren Wahlkreis verdrängt. Die Gesaitztstärke der Parteien nach den bisherigen Ergebnissen: Konservative 41, Reichspartei 12, Wirtsch. Vereinigung 13, Nationalliberale 37, Volkspartei 35, Zentrum 90. Polen 16, Elsäßer 5, Lothringer 2, Welfen 5, Dänen 1, Wilde 6, Sozi­aldemokraten 99. In Stichwahl stehen noch: Kon­servative 9, Reichspartei 6, Nationalliberale 9, Fort­schrittler 10, Zentrum 7, Polen 4, Wilde 1 (Dr. Böhme), Sozialdemokraten 22. Voraussichtlich werden die Konservativen gewinnen 4, Reichspartei 1, Nationalliberale 8, Fortschrittler 10, Zentrum 4, Polen 2, Wilde 1, Sozialdemokraten 4. In 80 Stichwahlen ist der Zuwachs der Linken wieder ein bedeutender gewesen. Die Sozialdemokratie wird im neuen Reichstag die stärkste Partei sein, stärker als das Zentrum im alten Reichstag war, wird sie im neuen einziehen. 367 Wahlen find jetzt entschieden, die noch ausstehenden Entscheidungs­wahlen werden am Donnerstag vor sich gehen.

Die Stichwahlen in Bayern.

München, 22. Jan. Nachdem bei der Stichwahl dem Zentrum Eermersheim, Kronach, Schweinfurt und Augsburg, den Liberalen Landau, Zweibrücken und Jmmenstadt und den Sozialdemokraten Würz­burg zugefallen ist, besitzen von den 48 bayerischen Mandaten, abgesehen von den sechs, die erst am Mon­tag zur Entscheidung kommen, das Zentrum 29, die Sozialdemokraten 6, die Konservativen 1, der Bauernbund 1, die Landbündler 2 und die Libera­len 3.

Die Stichwahlergebnisse aus Württemberg find in einem heute früh ausgegebenen Extrablatt aus­führlich besprochen. Wir verweisen unsre Leser darauf besonders.

Stadt und Bezirk.

K. Versammlung der Freunde Schweickhardts.

In den außerordentlich stark besetzten Räumen der Brauerei Dreiß erwarteten die Anhänger Schweick­hardts das Wahlresultat. Als der glänzende Sieg des Kandidaten feststand, durchbrauste ungeheurer Jubel den Saal, der sich wiederholte, so oft eine neue Siegesnachricht aus Württemberg und später auch aus dem Reich bekannt wurde. Mit jubelndem Bei­falle wurde besonders die glänzende Wiederwahl Konrad Haußmanns ausgenommen. Nicht minder groß war die Freude über die Erfolge Keinaths und Lifts und der erfreuliche Sieg Kerschensteiners in München. In beredten Worten gab der Vorsitzende des Abends, Landtagsabgeordneter Staudenmeyer, der Freude und der allgemeinen StimmungAusdruck, indem er Worte des Dankes an alle richtete, die zu diesem glänzenden Erfolg im 7. Wahlkreis beigetra­gen haben. Dabei vergaß er auch nicht die vielen Kepplerwähler, die erfreulicherweise entgegen der Parole für Schweickhardt ihre Stimme abgaben und damit das Resultat so glänzend gestalten halfen. Er gedachte ferner anerkennend des warmen und mann­haften Eintretens des konservativen Herrn Fr. Eun- dert. Leider konnte er auch an dem Beispiel eines andern ebenfalls angesehenen konservativen Herrn zeigen, welche Formen fanatischer Parteihaß anzu­nehmen im Stande ist. Eine Reihe anderer An­sprachen, die sich rückblickend und ausblickend mit dem

die Unverschämtheit der Joskins, auch nur Erkun­digungen einziehen zu wollen, lustig zu machen.

Aber, um mich kurz zu fassen, zu meinem größ­ten Erstaunen mußte ich hören, daß Marcella selbst vor ein oder zwei Stunden dagewesen sei und um die Rückgabe ihres Geldes gebeten habe.

Ich habe den Chef der Firma selbst gesprochen. Er ist einer der scharfsinnigsten Advokaten in Lon­don, und seine Beschreibung Marcellas stimmt sogar bis auf die Kleidung, die sie in Deinem Hause trug so genau, daß man an ihrer Jden- dität kaum zweifeln kann. Von Eißen ist bei ihr gewesen, und sie hat ihn als ihren Ehemann an­erkannt und gesagt, daß sie von Euch mit außer­ordentlicher Güte behandelt worden sei und den Wunsch hege, sich Euch für Eure Bemühungen in materieller Form erkenntlich zu zeigen. Ihr Ver­hältnis mit von Eißen habe einen sehr herzlichen Eindruck gemacht. Er habe sie im Laufe des Ge­sprächs häufig alsJulia" bezeichnet, ohne daß sie dagegen Widerspruch erhoben habe oder es ihr ungewohnt vorgekommen sei.

Dies sind die nackten Tatsachen, nach denen der Fall sehr übel aussieht. Und trotzdem kann ich mir manchmal wiederum nicht vorstellen, daß Marcella ein falsches Spiel mit Euch getrieben haben sollte. Auf alle Fälle möchte ich es nicht eher glauben, bis ich es von ihren eigenen Lippen bestätigt gehört habe. Wahrscheinlich wirst Du mit der Post eine Vorladung aus morgen vom Nota" bekommen, und die Dame wohl gleichfalls. Kon. also rechtzeitig bei mir vor und lasse einst­

weilen den Mut noch nicht ganz sinken, wie ich auch noch das beste hoffen will.

Immer Dein Eharley."

Wenn nun überhaupt je etwas geeignet ist, den Glauben eines Mannes an ein Weib zu erschüttern, so war es dieser Brief sicher. Ich blickte zu Helen auf und las Entsetzen in ihren Augen.

Wenn es Eharley nicht geschrieben hätte, sagte sie, würde ich es einfach für Unsinn erklären. Aber so und sie schüttelte traurig den Kopf.

Dann glaubst du also wirklich, daß es Marcella war? fragte ich.

Was soll ich denken? Es scheint ja unglaublich, daß mich alle meine weiblichen Instinkte betrogen haben sollten, und doch und doch

Aber, drang ich in meiner höchsten Verzweiflung in sie, Eharley hat seinen Glauben an Marcella auch noch nicht verloren. Wenn du zwischen den Zeilen liesest, wirst du das selbst merken. Warum willst du also die Hoffnung aufgeben, Helen?

Ich tue es ja auch nicht, Ted ich tue es ja auch nicht. Aber diese Sache macht mich ganz krank. Die Unruhe und Aufregung ist schrecklich. Wir haben früher nie Feinde gehabt warum sollten wir jetzt welche haben? Wie soll das alles nur noch enden?

Das mag der Himmel wissen, antwortete ich. Wir können weiter nichts tun, als das beste hoffen. Aber mein Glaube an Marcella steht noch felsenfest. Darin stimme ich mit Mortimer überein: solange ich nicht von ihren eigenen Lippen gehört habe, daß

sie uns diesen grausamen Streich gespielt hat, glaube ich noch kein Wort.

Ich glaube auch noch an sie, sagte Helen, aber ich habe eine furchtbare Angst eine entsetzliche Angst. Ich habe das Gefühl, als ob etwas Schreck­liches passieren müßte, und ich kann dieses Gefühl nicht loswerden.

Das klingt wie ein Vorwurf, antwortete ich.

Nein, liebster Bruder, nein. So meine ich es absolut nichtwie könnte ich denn? Ich habe un­endliches Mitleid mit dir. Du liebst Marcella, und ich kann mir nur zu gut vorstellen, welchen Seelen­schmerz du bei einer solchen Nachricht von ihr empfin­den mußt, wenn sie auch falsch sein mag. Augen­blicklich muß ich dich leider für kurze Zeit allein las­sen, denn die Essenszeit rückt heran.

Unser Mahl nahm einen sehr traurigen Verlauf. Wir aßen schweigend und dachten beide darüber nach, wie noch alles enden würde. Am Schluß klingelte Helen wie gewöhnlich nach dem Mädchen, aber es kam keine Antwort.

Das ist ja sehr merkwürdig, sagte sie, indem sie ein zweitesmal klingelte.

Es ließ sich aber niemand hören noch sehen.

Das kann ich aber nicht verstehen.

Da dämmerte plötzlich die Wahrheit in mir auf.

Die ist ausgerllckt, sagte ich' darauf gehe ich jede Wette ein. Eine kurze Durchsuchung des Hauses be­wies die Richtigkeit meiner Ahnung.

Gut! sagte ich. Veales Mann wird sie schon krie­gen, sie wird sicher nicht entgehen.

(Fortsetzung folgt.)