JervspreSer Kr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag and Sonntag «tt der wöch. Beilage »Der Sonntags- Mast^.

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Sonntag. 11. September.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angenommen.

! 1904

Amtliches

Uebertragen wurde die Schulstelle in Aichelberg dem Unterlehrer August Brunner in Eberdingen, Bezirks Großsachsen­heim, die dritte Schulstelle in Bissingen, Bez. Ludwigsburg, dem Schul­lehrer Keller in Ettmannsweiler.

'Rort Arthur.

Nachdem die Russe» bei Liaujang geschlagen worden find, ist Port Arthur, dleS gewaltige rus­sische Bollwerk auf der Südspitze der Halbinsel Liautung, wieder mehr in den Vordergrund des Interesses gerückt. Diese Stadt, heute von weltgeschichtlicher Bedeutung, war noch im Jahre 1886 erst von ein paar Tausend Menschen bewohnt. Doch auf diese konnte sie nicht stolz sein, denn sie waren zum größten Teil chinesische Verbrecher, die zur Verbannung verurteilt waren. In einsamer Abgeschieden­heit verlebten sie hier ihre Tage, denn nur selten erschien ein Schiff in der herrlichen Bucht, um den Gefangenen Lebensmittel zu bringen oder vor einem heranziehenden Un­wetter Schutz zu suchen. Am Fuße desGoldenen Ge­birges" aber pflügten friedliche Mandschus, die das Auge träumend über das blaue Meer gleiten ließen, gewiß nicht daran denkend, daß die Hügel, von welchen sie hernieder­gestiegen waren, noch einmal zu so großer Berühmtheit ge­langen würden.

Da änderte sich plötzlich das Bild. Die chinesische Regierung halte sich von der Notwendigkeit überzeugt, den Elugaug rri^den inneren Teil des Golfes vonPetschili und damit den Seeweg nach Peking zu sichern. Zu diesem Zweck sollte in Port Arthur ein Kriegshasen geschaffen werden. Nun war es mit der idyllischen Ruhe vorbei. Mit Eifer ging man an's Werk und unter Leitung europäischer Jn- genieure wurde ein Fluthafer, von 500 Meter Länge, 400 Meter Breite und größtenteils 20 Meter Tiefe geschaffen. Nicht weniger als 10 000 Kulis waren damit beschäftigt, die nur bei Hochfluten vom Wasser erreichten Sümpfe trocken zu legen und den Schlamm fortzusck affen. 5000 Mann arbeiteten gleichzeitig alle nackt im Schlamm und luden ihn mit Schaufeln in Körbe, die von weiteren 5000 Mann auf den Schultern fortgeschafft wurden. Von dem Berge gesehen, glich das Ganze einem ungeheuren, in Aufregung geratenen Ameisenhaufen.

In Rußland aber verfolgte man die Ereignisse in Port Arthur mit der größten Aufmerksamkeit. Zwei Jahr­hunderte alt ist der Drang Rußlands, an daS große Meer zu kommen, um freier atmen zu können und Seeluft in die Lungen des Riesen schaffen zu können, der nach dem Wort eines russischen Dichters:den Kopf am Nordpol, die Füße am Kaukasus, das Branntweinglas in der Hand, noch immer wie im Schlafe sich regt." Peter der Große eroberte die Ostseeprovinzen, und Katharina II. stieß zum Schwarzen Meer; aber die Ostsee ist heute ein Binnenmeer, und das Schwarze Meer ist durch die Sperrung der Dardanellen ein zugebundener Wassersack. Da sckvf sich Rußland im ge­waltsamen Vordrängen eine Meeresstellung am Stillen Ozean und gründete 1875 den Hafen von Wladiwostock, dieBe­herrscherin des Ostens." am japanischen Meere. Damit hatte man aber noch immer keinen eisfreien Hafen, und schon 1899 war es für die in China ansässigen Europäer ein offenes Geheimnis, daß Rußland mit begehrlichen Augen nach dem vortrefflichen Hafen von Port Arthur blicke. Dieser Verdacht wurde genährt, als eines Nachts ein rus­sisches Kanonenboot in die Rhede von Port Arthur fuhr, ohne seine Ankunft vorher augekündigt zu haben. Es blieb etwa 8 Tage dort, angeblich um seine Maschine zu repa­rieren. Die Offiziere des Schiffes aber benützten die Zeit, die Gegend nach allen Richtungen zn durchstreifen und ihre Topographie, wie die Befestigungswcrke und Hafenanlagen photographisch so sorgfältig wie möglich aufzunehmen, eine Handlungsweise, gegen welche die ohnmächtigen Chinesen nicht im geringsten einzuschreiten wagten.

Im Jahre 1891 war der Hafen von Port Arthur vollendet und ward den chinesischen Behörden übergeben. Wenige Jahre später zeigte sich dann schon die Bedeutung Port Arthurs. 1894 entbrannte der Krieg zwischen Japan und China. Port Arthur wurde von der japanischen Flotte belagert und beschossen, und von der am selben Ort, wie m gegenwärtigen Kriege, gelandeten japanischen Armee mit leichter Mühe erstürmt. Jetzt warf sich das besiegte China m die weit geöffneten Arme Rußlands, das sich dem Sieges­läufe der Japaner entgegenstellte und als sorgsamster Schützer der weiten, aber schlaffen chinesischen Ländermasse austrat. Ans Dankbarkeit dafür gestattete ihm China, sich in Port Arthur festzusetzen, und so war Rußlands sehnlichster Wunsch erfüllt.

Was weiter geschah, ist bekannt. Nichts wurde uuter-

! lassen, um den Hafen weiter auszubanen, Millionen von i Rubeln wunderten nach Ostasien, um die Festung durch An- » läge von zahlreichen neuen Fortsuneinnehmbar" zu machen; Port Arthur erwies sich denn auch bereits als barte Nuß, die nicht so leicht zu knacken ist wie 1894, als Chinesen die Festung verteidigten, und die russische Be­satzung scheint entschlossen zu sein, bis zum letzten Mann im letzten Fort zu kämpfen. Die nächste Zukunft muß es lehren, ob Rußlands Absicht, eine uneinnehmbare Stellung zu schaffen, erreicht ist, oder ob auch hier die russischen Millionen, wie im benachbarten Dalny ins Meer geworfen sind.

Tagespolitik .

In den letzten Jahren sind jeweils 100 000 Personen aus Ungarn nach Amerika auSgewandert. Die meisten von ihnen nahmen ihren Weg über Hamburg und Bremen, von wo sie das amerikanische Festland in der kurzen Zeit von sechs bis dreizehn Togen erreichten, je nachdem sie schnelle oder langsame Dampfer benutzten. Indessen, diese Bevor­zugung der deutschen Nordseehäfen war der ungarischen Regierung längst ein Dorn im Auge. Hat doch das Magyarenland seinen eigenen Seehafen: Fiume. Liegt derselbe auch im Adriatiscben Meere, hübsch weit von der kürzesten Fahrstraße nach Nordamerika entfernt was macht das? Man dekretiert einfach, alle Auswanderer aus Ungarn haben über Fiume zu reisen. Das bedeutete freilich für die armen Auswanderer, die gewöhnlich über keine überflüssigen Glücksgüter verfügen, eine Verlängerung der Reise um volle zwölf Tage und dementsprechende Verteuerung, aber der ungarischen Regierung war eine solche Nebensächlichkeit höchst gleichgültig. Es wurde also mit der englischen Cunard-Gesellschaft ein Vertrag abgeschlossen, durch welchen sich diese verpflichtete, alle vierzehn Tage einen Dampfer von Fiume nach New-Dork fahren zu lasse». Nun galt es nur noch, durch einige Gewaltmaßreqeln den englischen Schiffen das Menschenmaterial zuzutreiben. Demgemäß wurde die Auswanderung über andere Häfen strenge ver­boten. Und alle ungarischen Behörden, die Ober- und Bizegespane, die Notare, die Kreis- und Stuhlrichter, die Gendarmen, die Eisenbahnbeamten mußten dabei mithelfen. Reisepässe nach Amerika wurden nur poch über Fiume er­teilt, Briefe ausländischer Dampfergesellschaften kurzweg mit Beschlag belegt, Schiffskarten, die schon bezahlt waren, kon­fisziert, den Auswanderern das bischen bare Geld wegge­nommen, das sie etwa noch hatten. Wer sich nicht von vornherein bereit erklärte, über Fiume zu reisen, der mußte sich die peinlichste körperliche Untersuchung gefallen lassen, seine Kleider wurden aufgetrennt uud zerrissen, damit das z * versteckte Geld, Briefe, Fahrkarten ans Tageslicht kämen, i Und das geschah Wider Gesetz und Recht in einem Lande,

^ das sich sonst so gerne seiner fortschrittlichen staatlichen Jn- i stitutionen rühmt. So sieht in Ungarn die Freiheit des j Individuums aus! Die englische Cunard-Lmie, der die j Passagiere dergestalt nach Fiume zugetriebeu werden, hat trotzdem bis jetzt mit ihrem ungarischen Geschäft noch keine Seide zu spinnen vermocht. Sie soll sogar schon etwa zwei Millionen Mark zugesetzt habe», was auch begreiflich er­scheint, wenn man bedenkt, welchen Kohlen- und Proviant- Verbrauch eine Seefahrt von ungefähr drei Wochen erfor­dert. Wer bei der ganzen Sache verdient hat, das ist die Immer DampfschiffahrtsgesellschaftAdria" und das Fahr- kartenburean in Budapest, beides die Agenten der Cunard- Linie. Im morschen Staate des alten, schwachen Kaisers Franz Joseph sind die gröbsten Gewalttätigkeiten und Spitz­bübereien möglich.

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Ein Erlaß des Zaren, der, je ungünstiger sich der Krieg Wendel, um so zugänglicher zu werden scheint für Gewährung lange erbetener und bisher hartnäckig versagter Rechte, än­dert die Bestimmungen über die Aufenthaltsrechte der Inden in Rußlandbis zu einer allgemeinen Revision der Juden­gesetze", wie schon kurz gemeldet, ab und zwar folgender­maßen : Das Verbot, außerhalb der Städte und Flecken inner­halb der Ansäsfi gkeitszone sich onzufiedeln, findet keine Anwend­ung auf Inden mit höherer Bildung nebst Frauen und Kin­dern, auf Kaufleute der ersten Gilde und deren Familien; auf Kaufleute, die 15 Jahre lang zur ersten Gilde zahlten, auf Handwerker, so lange sie ein Handwerk treibe», und auf verabschiedete Untcrmilitärs. Diesen Juden wird gestattet, in Städten und Flecken Immobilien zu mieten, sowohl zum Wohnen, als auch zum Betreiben von Handel uud Gewerbe. Juden, die eine höhere Bildung erhalten haben und unbe­scholten sind, dürfen überall Handel und Gewerbe treibe». Die Juden, die, wenn auch mit Unterbrechung, zehn Jahre

lang außerhalb der Ansässigkeitszone als erste Gilde besteuert gewesen sind, erwerben das Recht, in den inneren Gouverne­ments den Stadtkommunen beizutreten mit samt ihren Fa­milien. Die im Reich lebenden Juden mit den Titeln Kom­merzienrat und Manusakturrat dürfen mit ihren Familien im ganzen Reich, auch Dörfer der Ausässtgkeitszoue nicht aus­geschlossen leben : Juden, welche am Krieg im fernen Osten teilgenommen, Auszeichnungen erhalten und sich im aktiven Dienst tadellos geführt haben, dürfen im Reiche leben. ! Durch weitere Bestimmungen wird den Juden eine gewisse Freizügigkeit gewährt, auch werden die Aufenthaltsbeschränk- ! ungen für Frauen und Kinder von Juden mit höherer Bild- . ung ganz oder zum großen Teil beseitigt. Nur für die Grenz- bezlrke bleiben alle BeschränkuugSbestimmungen für die Ju- , deu bestehen. ,

j LandssncschrichLen.

! * Atteusteig, lO.Sept. Die Staren bereitensich schonzuihrem

Abzug in wärmere Gegenden vor. Geschäftig fliegen sie hin uud her,»wohl auch etwas weiter, um immer wieder mit neuen Reisi­gen asten zurückzukehreu. Manchmal fitzen sie dann in größerer Schar auf ihrem Sammeldach und lassen ihr kreischendes Geschrei hören, wobei sie wahrscheinlich ihren Reiseplan beratschlagen. Voriges und in früheren Jahren wurde beobachtet, daß die Stare erst im Oktober abziehen. Dieses Jahr also um eiuru Moaat früher; sollte das nicht auch wieder eui sicheres Vorzeichen des Heuer sehr bald nahen­den Winters sein? Auch die sonst einsamen Schwalben sammeln sich in diesen Tagen zu ganzen Scharen auf den Telegraphenftaugen, um gemeinsam den Flug nach dem Süden allzutreten. Wss wird dann alles geschehen sein, wenn die Schwalben wieder kommen?!"

* Am Sonntag den 18. September findet iu Krach die Laudesversammlung des württ. Hauptvereins des Evange­lischen Bundes statt. In der öffentlichen Versammlung am Vormittag, die iu der Tyrniz des Schlosses abgehalten wird, spricht der österreichische Reichsratsadgeordnete Dr. Eisenkolb-Ausstg überKämpfe uud Hoffauugeu des Evan­geliums in Oesterreich." Zn der Nachmittagsversammlung find weitere Ansprachen einheimischer und auswärtiger Red­ner in Aussicht genommen.

* Manlvron«, 7. Sept. Heute morgen vor der Bet­stunde entdeckte der Mesner, daß in der Klosterkirche 3 Opferbecken ihres Inhalts, der von den letzten Sonntages her etwa 25 bis 30 Mk, betragen haben mag, beraubt waren. Der Dieb scheint nach den hiuterlassencv Spuren vergangene Nacht seinen Weg durch ein zur Lüftung offen stehendes Fenster genommen und zuerst de« Kasten in der Sakristei, iu dem die Opferbecken, Abendmahls- und Taufgeräte auf-

s bewahrt find, sodann die Opferbüchsen selbst erbrochen zu , haben und auf dem gleichen Weg wieder ins Freie gelaugt zu sein; zweifellos war derselbe mit deu örtlichen Verhält­nissen qenau bekannt.

* Kerkörou«, 9. Sept. Die Zeichnungen für den Bau des Krematoriums, sowohl an Gaden, Stiftungen, Amorti­sationsscheinen und Darlehen, gehen befriedigend ein, und es ist etwa ein Drittel des Baufonds gezeichnet.

* Annähernd 300 000 Mark haben msgesamt die Samm­lungen für Alsfeld ergeben, ausschließlich der Eingänge in den Sammelbüchsen am Brandorte selbst, die sich auch auf mehrere Tausend Mark belaufen. Die obengeoanute Summe wird sicher noch überschritten werden, da fortgesetzt noch Spenden eingehen.

ss Karlsruhe, 9. September. Der Geburtstag Sr. kgl. Hoheit des Großherzogs wurde heute in der üblichen Weise gefeiert. Kauoneudouner uud Festgeläute leiteten dev Fest­tag ei». Nach den Festgottesdiensten fand im Museum ein Festessen statt, an welchem die Spitzen der staatlichen, städtischen und Militärbehörden, darunter Minister v. Dusch, Staatsminister Dr. Schenkel und General von Hoffmeister teiluahmen und bei dem Minister von Dusch iu längerer Rede das Hoch auf den Landesherr» ausbrachte. Der Redner betonte darin u. a.: Innigste Segenswünsche stei­gen heute empor für die ehrwürdige Gestalt des Fürsten, der des Alters abgeklärte Weisheit mit der Tatkraft des Mannes vereinend in unermüdlicher Pflichttreue seines er­habenen Amtes waltet. Unter seiner treuen Fürsorge find Wohlstand und Kultur des Volkes stetig fortgeschritten und haben Kunst und Wissenschaften zu hoher Blüte erhoben. In wahrhaft freiheitlichem Sinn hat sich das staatliche Leben Badens entwickelt. Als eine reife Frucht dieser Ent­wicklung ist die jüngste allgemeine Aeuderung der Verfassung zu begrüßen, welche unter wesentlicher Erweiterung der Volksrechte eine feste Grundlage für ein erfolgreiches Zu­sammenwirken aller für das Volksleben bedeutsamen Kräfte