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M. U.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag «tt der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast«.
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Sonntag, 4. September.
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l 1904.
Tagespolitik.
Von der Bismaick'schen Politik der kalten Wasserstrahlen sind wir bei der Bülow'schen Politik der internationalen Höflichkeiten angelangt. Mennetpolitik nennt sie Maximilian Harden: zwei Schritte rechts — Verbeugung, zwei Schritte links — Verbeugung. Diese Art Diplomatie hat uns noch keinen Deut Gewinn eingebracht, dafür sehr oft Verstimmung bei demjenigen Nachbar, dem wir den Rücken kehrten, während wir uns vor dem anderen liebenswürdig verbeugten. Das ist umso ärgerlicher, als die Auf- ' merksamkeiten, die wir erwiesen, meist überraschend und unerwartet, oft sogar ungewöhnlich waren. In fast allen Fällen aber haben wir schlechten Dank geerntet. Ein neuerlicher Vorgang illustriert diese Tatsache besser, wie alle scharfsinnige Beweisführung. Als bei Hamburg das internationale Automobil-Rennen um den Gordon-Bennett-Preis stattfand, hatte mau auch den Präsidenten der französische» Republik, Loubet, eingeladen. Herr Loubet dankte höflich, sagte aber ab und entschuldigte sich schließlich mit Arbeits- Überhäufung. Man konnte ihm das glauben, denn Herr Loubet nimmt es sehr ernst mit den Staatsgefchäften und ist schwer abkömmlich. Nun haben die Franzosen bei dem Rennen zewonuen, und infolgedessen wird satzungsgemäß der nächste Wettbewerb in Frankreich stattfinden. Frankreich ist aber ParB ; außerdem ist die Umgebung von Paris ein geradezu ideales Terrain für den Automobilsport. Was tut die französische Regierung, dessen Residenz die Verkehrszentrale der Vergnügungsreisenden der ganzen Welt darstellt? Sie verbietet die Abhaltung des Rennens in Paris! Wenn man noch im Zweifel über ibre Beweggründe wäre, so würde eine Notiz des »Rappel" jede Unklarheit aus der Welt schaffen. Sie lautet: „Die französische Automobil- iudustrie und unsere einheimischen Sportkreise werden so viel Vaterlandsliebe besitzen, um d'e Entscheidung des Kabinetts bezüglich des nächstjährigen Gordon-Bennett-Rennens zu würdigen. Würde dieses Rennen 1905 in Paris abgehalten werden, so würde der Automobilklub nach den ihm von Kaiser Wilhelm erwiesenen Liebenswürdigkeiten nicht umhin können, den Kaiser zur Teilnahme an den Pariser Rennen einzuladeu. Und da nicht anznnehmen wäre, daß Kaiser Wilhelm, ebenso wie Präsident Loubet bei dem diesjährigen Rennen in Homburg, wegen Geschäftsüberhäufung den persönlichen Besuch bet dem Rennen ablehnen würde, so blieb der französischen Regierung nichts anderes übrig, als die Abhaltung des Rennens in Paris überhaupt zu verbieten. Jedenfalls ist es auch anzuerkennen, daß unsere Regierung schon jetzt diese Veröffentlichung erlassen hat, da auf diese Weise allen weiteren Kundgebungen der kaiserlichen Sympathien für Paris bei Zeiten ein Riegel vorgeschoben wird." — Wir können tatsächlich weiter nichts tun, als diesen frechen Nasenstüber ruhig einsteckeu.
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Wie man dem Berliner Lokal-Anzeiger berichtet, soll nunmehr, wie in politische» Kreisen behauptet wird, die Abberufung des Gouverneurs Leutwein von seinem Posten in Südwestafrika beschlossen sein. Als sein Nachfolger wird der Generalkonsul in Kapstadt, von Lindequist genannt. —Die neue Meldung des Generalleutnants v. Trotha läßt erkennen, daß die verschiedenen Abteilungen, nachdem es ihnen gelungen ist, einen Durchbruch der Hereros nach Westen zu verhwderu, nun konzentrisch gegen den Oberlauf des Eiseb westlich von Epukiro vormarschieren, denn dort scheinen die Hereros, nachdem sie Oljekonga geräumt haben, in großer Zahl Stellung genommen zu haben. — Major von Mühlenfels und Oberleutnant Winkler mußten infolge Erkrankung ihr Kommando in Südwestafrika adgeben.
LandesnoctzvichLen.
* Altevsteig, 3. Sept. Der Kriegerverein ließ den Sedantag nicht vorüdergehen ohne seiner zu gedenken. Zahlreich versammelte sich der Verein gestern abend im .Rößle," wo wir unter den Teilnehmern auch ein halbes Dutzend Veteranen erblickten. Der Vorstand, Hr. Oberförster Weith hielt eine Ansprache, in welcher er betonte, daß das Sedanfest offiziell nicht mehr gefeiert werde, ob mit Recht oder Unrecht wolle er dahin gestellt sein lassen. Grund, etwas pessimistisch angehaucht zu sein, habe man ja gegenwärtig schon? aber, daß ein August Bebel beim letzten Sozialistenkongreß in Amsterdam die Nichtswürdigkeit begehen durfte, unserem deutschen Baterlande dasselbe Sedan zu wünschen, das Frankreich 1870 fand, gehe doch über alle Kritik. Die Zuversicht dürfe man jedoch haben, daß die deutschen Soldaten auch jetzt noch, wie jene Tapferen im 70er Kriege, wenn das Vaterland rufe, ihre Pflicht voll und ganz erfüllen. In ein dreimaliges Hoch auf das
deutsche Vaterland stimmte die Versammlung begeistert ein. Sodann konnte der Vorstand die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Kollekte für die Jlsfclder abgebrannten Kameraden den schönen Betrag von 42 Mk. 60 Pfg ergeben habe. Innigsten Dank sprach er den Gebern aus.
* Kttensteig» 3. Sept. Viele Jahre war Hr. Schullehrer Fi nckh Direktor unseres Liederkranzes. Er hat nun, genötigt durch Arbeitsüverbürdung die Stelle niedergelegt. Der Liederkrauz gab seinem Dank und der Anerkennung für die ersprießlichen treuen Dienste Hrn. Finckh beredten Ausdruck und überreichte ihm als Angebinde erne hübsche Remontoir-Taschennhr. An die Stelle des Hrn. Finckh ist Hr. Lehrer Böhmler getreten und ist nur zu wünschen, daß der Liederkranz unter dessen Direktion ebenfalls blühen vnd gedeihen möge.
* Atterrüeig, 3. Sept. Unsere Stadtverwaltung nimmt unablässig darauf Bedacht, den Waldbesitz zu vergrößern oder wo es die Verhältnisse zweckmäßig erscheinen lassen, den Besitzstand za arrondieren. So wurden bei dem Eber'schen Waldverkauf in Besenseld 8 Morgen gutbestockter Tannenwald im Wulzenteich um die Summe von 19000 Mk. angekaust. Dabei harte man den Schutz des Stadtwaldes im Auge. Man sagte sich, wenn dieser Waldtcil in Privat- besttz übergehe, werde er abgeholzt und ein auftretender Sturm hätte dann im Stadtwald freies Spiel. Durch den Zukauf ist dieser schadeudrohenden Eventualität vorgebeugt worden.
* Altevsteig, 3. September. Nächsten Montag beginnt hier ein theoretischer und Praktischer Kursus für Gerber. Der Unterricht wird erteilt von dem früheren Direktor der deutschen Gcrberschule, Herrn Heinze aus Fniberg in Sachsen. Der Kurs verfolgt in der Hauptsache den Zweck, die Gerber mit den neuesten Errungenschaften auf chemischem und technischem Gebiet vertraut zu machen. Wir wir hören, haben sich zurTeilnahme an dem Unterricht ca. 35 Gerber (Meister und Meistersöhne) bereit erklärt. Die Kosten betragen 600 Mk., zu denen die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel die schöne Summe von 400 Mk. beisteuert.
* WKstrrgea, 2. September. Die Gastwirtschaft des Philipp Waidelich zum Rappen hier, ging durch Kauf um die Summe von 28 100 Mark samt Inventar und Gütern an Johannes Hindennach von Herzogsweiler OA. Freuden- stadt über; die Uebernahme des Geschäfts erfolgt am 1. Oktober ds. JZ.
* Güvivger Strafkammer vom 31. August. Wegen Unterschlagung und Untreue hatte sich vor der Ferienstrafkammer zu verantworten der verheiratete Kaufmann August Dollinger in Calw. Seit Anfangs der achtziger Jahre war der Angeklagte von der Lotz'schen Kunstmüble in Calmbach auf Grund schriftlichen Vertrags als Verkaufsagent ausgestellt. Außerdem hatte er Inkassovollmacht, wonach er die von den Kunden für die Mehllieferung geschuldeten Beträge einziehen durfte. Hatte er 500 Mk. eingezozen, so hatte er das Geld für die Firma Lutz an die Kreditbank in Calw abznliefern. IffzO/g Provision konnte er an den zum Eingang gebrachten Geldern in Abzug bringen. Nach seinen Einräumungen nahmen die Veruntreuungen des Angeklagten im Jahre 1894 ihren Anfang, als Karl und Leopold Lutz das Geschäft zusammen hatten. Im Jahre 1900, als verschiedene Kunden von der Firma zur Zahlung gemahnt wurden, stellte sich heraus, daß diese schon an den Angeklagten gezahlt hatten und dieser das Geld in seine Tasche gesteckt hatte. Dabei hat der Angeklagte von den jeweils eingezogenen Geldern immer die älteren Posten, die von ihm schon eingezozen waren und die er hätte abliefern sollen, gedeckt, so daß die Firma nur schwer auf die Unterschlagungen kommen konnte. Bei der Abrechnung am 1. Juni 1900 stellte sich ein Fehlbetrag von 5000 Mk. heraus, "gegen welche der Angeklagte dann eine Hypothek auf sein Anwesen in Calw eintragen ließ. In der Folge setzte der Angeklagte seine Unterschlagungen fort, die mr März 1901 auf weitere 2200 Mk. und im Oktober 1901 aus noch weitere 2277 Mk. 90 Pfg. angewachsen waren, wofür er dann eine weitere Hypothek von 4000 Mk. bestellte. Der Angeklagte will die Unterschlagungen aus Not begangen haben. Urteil 1 Monat und 15 Tage.
* Stuttgart, 2. Aug. (Ferienstrafkammer.) Der Buch- und Steindruckereibefitzer Karl Schnabel von Ludwigsburg und sein Sohn und Prokurist Eugen Schnabel, in deren Betrieb etwa 40 Personen beschäftigt find, worunter 6—8 weibliche und 8—10 Lehrlinge, waren vorgeladen wegen folgenden Zuwiderhandlungen gegen die Gewerbeordnung, nämlich 1) Lehrlinge unter 14 Jahren länger als 6 Stunden täglich beschäftigt, 2) die vorgeschriebenen halbstündigen Pausen vor- und nachmittags nicht gewährt, 3) jugendliche
Arbeiter anstatt wie von der K. Kreisregierung daselbst verfügt, von ?Vr bis 12 Uhr und 1—5ffz Uhr, von 7—12 Uhr vormittags und 1—6 Uhr nachmittags beschäftigt, 4) den vorgeschriebenen Aushang über die Größe der Arbeitsräume und die Zahl der Arbeiter unterlassen, 5) die vom Gewerbeinspektor angeordneten Schutzvorrichtungen nicht innerhalb der gestellten 14Lägige« Frist angebracht,. 6) die für Fabrikbetriebe mit mehr als 20 Arbeitern vorgeschriebene Arbeitsordnung und die Vorschriften über die Beschäftigung von Arbeiterinnen nicht ausgehäugt, 7) einen minderjährigen Arbeiter vorschriftswidrig ohne Arbeitsbuch beschäftigt zu haben und zwar teilweise trotz wiederholter amtlicher Belehrung und Verwarnung. Die Ferienstrafkammer verurteilte Eugen Schnabel als Betriebsleiter wegen 5 Vergehen, unter Freisprechung in einem Falle betr. Arbeitsbuch zu der Geldstrafe von 220 Mk., während der Vater als an der Betriebsleitung unbeteiligt freigesprocheu wurde.
* Stuttgart, 2. Sept. Der König wohnte heute den Hebungen der bei Ludwigsburg zusammengezogenen Kavallerie- Division bei, an welcher auch der Geueralinspekteur der dritten Armeeinspektion teilnahm.
ff Alm, 2. Sept. Auf Veranlassung des Stadtvorstands fanden dieser Tage bei den hiesigen Metzgereien Visitationen statt. Laut nunmehr bekannt gegebenem Bericht wurden in 5 Betrieben Beanstandungen gemacht. In 3 Fällen waren die Lokalitäten, namentlich die Wurftküche unsauber und in zwei wurde das Äorhandensein schlechten Fleisches konstatiert.
* (Werschiedeues.) In Uigendorf fiel der Sonnenwirt Josef Blersch so unglücklich in der Scheuer rücklings die Leiter herunter, daß er ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, starb. — In Hausena. Z. wurden — vermutlich von jungen Burschen, denen man jedoch bisher nicht näher auf die Spur kommen konnte — 2 große, im Feld etwa 800 Meter vom Ort entfernt lagernde Strohhaufen und weiterhin ein Weinberghäuscheu nahe au der Straße nach Nordhausen angezündet und rasch zu Asche verwandelt.
ff Werttu, 2. Sept. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine erneute Bekanntmachung des Kriegsministeriums. Darnach ist den Unteroffizieren, Mannschaften und den zu Uebungen eingezogenen und für Kontrollversammlungen eiuberufeueu Personen dienstlich verboten jede Beteiligung an Vereinigungen, Versammlungen, Festlichkeiten und Geld- sammluugeu ohne dienstliche Erlaubnis, jede Betätigung revölutionärer oder sozialdemokratischer Gesinnung, auch das Halten und die Verbreitung derartiger Schriften sowie die Einführung derselben in Kasernen und sonstige Dievstlokale. Sämtlichen aktiven Soldaten ist befohlen, vom Vorhandensein solcher Schriften in Kasernen und Dienstlokalen sofort Anzeige zu erstatten.
ff Werttu, 2. September. Bei der heutigen Paradetafel im Weißen Saale des kgl. Schlosses hielt der Kaiser folgende Ansprache: „Am heutigen Tage kann ich mich freudig aussprechen über die Leistungen, die ich am Gardekorps gesehen habe. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß die Heimgegangenen Könige und Frldherru auch mit hoher Freude heute herabgeblickt haben auf die jüngere Generation, die zu friedlicher Entwicklung ihre Kräfte angespannt hat. Ganz besonders beglückwünsche ich das Gardekorps zu der Ehre, die ihm heute zu Teil geworden, daß so viele deutsche Fürsten hergekommeu find, um in seinen Reihen am heutigen Tage teilzunehmen. Es ist Wohl in der Geschichte des Korps noch nicht dagewesen, daß achtzehn schwarze Adler in seiner Front gestanden haben. Ich danke den Herrn von ganzem Herzen für ihr Erscheinen; vor allem aber danke ich kgl. Hoheit Frau Großherzogin, daß Sie die Gnade gehabt habeu, die Chefstelle anzunehmen bei meinem alten, guten Leibgrenadierregimeut, dessen Chef schon einmal die Schwester Kaiser Wilhelms des Großen, eine Großherzogiu von Mecklenburg, gewesen ist. In all diesem erblicke ich eine Fortsetzung der ruhmreichen Traditionen, der heute versammelt gewesenen Truppen. Ich vereinige alle meine Gefühle, meiuen Dank und meine Wünsche für die Armee in dem Ruf: „Es lebe das Gardekorps und alle, die seine Uniform tragen. Hurrah!"
* (Vom Siegerländer Eisenmarkt.) Die gesamte Eisenindustrie des Siegerlaudes befindet sich in einer ernsten Krisis. Das Ausbleiben der Aufträge auf Lieferung von Spiegeleisen »ach Amerika, die erhebliche Reduktion des Bedarfs au Puddelroheisen, wie auch die Verminderung des Bedarfsau allen anderen Sorten Siegerländer Roheisens haben Verhältnisse geschaffen, unter denen die Eisensteiugrubeu und die Hochöfen ihre Betriebe um nahezu die Hälfte etnschränken mußten. Den Hochöfen ist es nicht einmal möglich, die so