Arrvsprecher Mr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag and Sonntag «it der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast«.

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Dienstag-16. August.

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1904

Tagespolitik.

(Die Stiefkinder der heutigen Zustände.) Unter dieser Ueberschrift veröffentlichtDer Hammer" einen Artikel, dessen Schlußsätze lauten : Die wahren Stiefkinder des mo­dernen Staates find die kleineren Handels- und Gewerbe­treibenden. So ein Handwcrkrmeifter oder Ladeninhaber ! hat es oft zehnmal schlechter, als sein Verufsgenosse, der als Meister oder Arbeiter in einer Fabrik tätig ist. Gewiß, an einigen Wohlfahrrseinrichtungeu des Staates hat auch er teil oder kann freiwillig daran teilnehmen. Aber un­streitig ist für den Arbeiter hier mehr gesorgt, als für den selbständigen Klein-Gewerbetreibenden. Er muß sich ab- rackern und abplagcn, um sein Leben dnrchzuschlagen. Zwar ist er sein eigener Herr, weiß aber mitunter nicht, wenn er - seine Arbeiter ausgezahlt hat, ob etwas für ihn und seine Familie übrig Lleibr. . . . Bleibt es, wie es jetzt ist, so kann man Voraussagen, daß Handwerk und Kleinhandel in l gar nicht ferner Zeit zu Grunde gehen. Warum verdienen diese Stiefkinder nicht das Mitleid des Sozialpolitikers? Selbst find sie nicht fähig, sich zu helfen, und doch ist es "ötig, fie zu erhalten, sie zu kräftigen. Sie sind ja das naturgemäße Bollwerk gegen den Umsturz.

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Ueber Religion uud Politik sprach der zum badischen Bundesratsbevollmächtigten ernannte Frhr. v. Bodmann, ein überzeugungstreuer Katholik, in einer öffentlichen Ver­sammlung in Konstanz. Er führte aus, daß er eS für eine schwere Versündigung an der Seele unseres Volkes halte, wenn man unseren Mitbürgern sage, die Religion mache es zur Pflicht, einer bestimmten Partei anzugehören. Die Re­ligion berühre unser Verhältnis zu Gott und unsere sittlichen Pflichten, und sie könne nur gewinnen, wenn sie von der Politik scharf getrennt werde. Auch er wünsche von Herzen, daß unser Volk bei seiner religiösen Gesinnung treu beharre, aber es solle und dürfe sich niemand deshalb politisch ge­bunden fühlen. Jeder solle frei und ungehindert seine po­litische Tätigkeit ausüben dürfe». Die wichtigste politische Aufgabe der Gegenwart sei es, dahin zu wirken, daß der Gewissensdruck in politischen Dingen von unserem Volke ge­nommen werde.

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(Englands Tibetpolitik.) Im englischen Unterhaus erklärte im Laufe der Besprechung des Budgets für Ostindien der Staatssekretär für Indien, Brodrick, General Kitchemr habe einen Plan für die Reorganisation des Mobilisations­systems und der Ausrüstung des indischen Heeres ausge­arbeitet, den die indische Regierung gegenwärtig erwägt. Was die Tibetmission betrifft, hält die Regierung an der in der Depesche vom 6. November 1903 enthaltenen Politik fest. Wir haben Lhassa mit der aufrichtigen Absicht erreicht, die Stadt zu verlassen, sobald ein Abkommen getroffen ist, und die Expedition wird nicht dort bleiben, ausgenommen während eines Zeitraums, während dessen nach militärischem Urteil eine Zurückziehung der Truppen gefährlich sein würde. Es ist schwierig, die Frage der Bedingungen zu erörtern; es muß aber eine Entschädigung irgend einer Art für ver­schiedene Vorkommnisse geben. Wir müssen hinsichtlich der Frage der Bedingungen das Haus aufsordern, uns zu ver­trauen. Wir find nicht in Lhassa zum Zweck einer per- ,

manenten Besetzung oder zur Errichtung eines Protektorats. Wir beabsichtigen auch nicht, dort einen Residenten einzu­setzen. Wir find aber entschlossen, den britischen Namen geachtet zu machen und solche Vereinbarungen zu treffen, die in Zukunft unsere Selbstachtung sichern. Unsere Position haben wir der russischen Regierung völlig auseinanderge­setzt und von ihr für die Regierung befriedigende Versicher­ungen erlangt. Auf Grund dieser Versicherungen hoffe ich aufrichtig, daß wir im stände sein werde», mit den Tibeta­nern ein Abkommen zu treffen, das die Notwendigkeit einer weiteren Intervention unsererseits ansschließt und den Feind­seligkeiten ein Ende macht. Betreffs Afghanistan erklärt Brodrick, daß keine neuen Vereinbarungen mit dem jetzigen

Emir hinsichtlich einer Subvention getroffen worden seien. * *

Die Kunde von der Geburt eines Thronfolgers in Rußland ist auch vom deutschen Volke mit aufrichtiger Freude begrüßt worden. Es waren nicht sowohl politische als rein menschliche Beweggründe, die namentlich in der deutschen Frauenwelt eine warmherzige Anteilnahme an dem Glück des Zarenhauses erregten. Der deutschen Prinzessin, die seit 10 Jahren als Zarin den russischen Kaiserthron ziert, gelten die Glück- und Segenswünsche besonders, die nach dem Schloß von Peterhof gesandt wurde». Groß und allgemein ist die Freude darüber, daß laut amtlicher Bulletins die Kaiserin und der junge Thronfolger sich des allerbesten Wohlseins erfreuen. Das russische Volk ist rein närrisch vor Jubel. Die Kaiserin, der weite Kreise der Na­tion kühl gegenüberstanden, eben weil cs ihr versagt zu sein schien, den Kaiser und das Reich mit einem Thron­erben zu beschenken, wird jetzt vergöttert.

Lomdesnachrichfen.

-r. Aerueck, 14. August. Ein schweres Unglück ist gestern nachmittag 4 Uhr hie.- passiert. Der 14jährige, dieses Frühjahr aus der Schule entlassene älteste Sohn des « Fuhrmanns Karl Hauser war mit dem Knecht beim Ausladen ! von Steinen beschäftigt, als plötzlich der beladene Wagen in Lauf kam. Der Sohn, der durch sein stilles und be­scheidenes Wesen allgemein beliebt war, hatte das schreck­liche Unglück, unter ein Rad des Wagens zu kommen, so daß ihm der Brustkorb eingedrückt wurde, was den augen­blicklichen Tod zur Folge hatte. Der Viter des unglück­lichen Knaben wollte gerade auf den Arbeitsplatz gehen, als der Knecht den toten Sohn auf den Armen heimbrachte; die Mutter war auf dem Felde beschäftigt und wurde da vom Unglück überrascht. Allseitige Teilnahme wendet sich der so schwer heiwgesuchten Familie zu.

* ßalw, 12. August. Das K. Ministerium der aus­wärtige» Angelegenheiten, Vrrkehrsabtcilmig, hat angeordnet, die Vorarbeiten zum Bau von 48 Dienstwohnungen in hiesiger Stadt so zu beschleunigen, daß am 1. Okt. d. I. mit den Bauarbeiteu begonnen werden kann. Die vom Verband der württcmbergischen Eisenbahn- und Dampf­schiffahrtsunterbeamten in Calw ins Leben gerufene Bau­genossenschaft Hot daraufhin ihre Tätigkeit vorläufig einge­stellt, da dem dringendsten Bedürfnis durch den Bau dieser 48 Wohnungen abgeholfm wird.

* Irevdenkadt, 12. Aug. Gestern abend wurde der 46 Jahre alte verheiratete Tuchmacher Karl Valdenhoser

von hier in seiner in Friedrichstal gelegenen Mietwohnung erhängt aufgefunden.

* Ireudenstadt, 12. Aug. Heute nacht ist im nahen Christophstal ein dem Fabrikanten I. Schüler gehöriges unbewohntes Wohnhaus abgebraunt. Zweifellos liegt Brandstiftung vor. Bei der gestrigen Beratung des städtischen Etats habe» die hiesigen bürgerlichen Kollegien folgende bemerkenswerte Beschlüsse gefaßt: Das gesamte Luftkurwesen wird in die Hände eines zu diesem Zwecke aufgestellten Karkomitees gelegt, das den bürgerlichen Kollegien verantwortlich ist. Dem Theaterverein wird auf sein Ge­such ein Beitrag von 400 Mk. verwilligt. Auf dem Rat­haus wird eine weitere ständige Beamtenstelle errichtet. (Diese wurde dem seitherigen Stadtschultheißenamtsassistenten Rößler übertragen.) Für den Umbau einer Straße auf dem Marktplatz werden 2800 Mk. allsgeworfen, für den Vau einer Dohle von der Hirschkopf- zur Murgtalstraße 16 700 Mk. ausgesetzt und auf dem Friedhöf ein einfaches Leichenhaus erbaut. Im letzten Jahr wurde aus den städtischen Waldungen ein Holzerlös von 281,650 Mk. erzielt, und die Kurtaxe hat pro 1903 10 000 Mk. einge­tragen.

* Stuttgart, 15. Angnst. Ein Defizit von über

2'/s Millionen Mark weisen die vor einigen Wochen dem Ständischen Ausschuß übergebenen, jetzt im Druck erschienenen Rechnungserzebnisse des württembergischen Staatshaushalts für das Rechnungsjahr 1902 (1.

April 1902 bis 31. März 1903) ans. Gegenüber dem Etat betrugen die Ausgaben mehr 2 340426 Mk. und die Einnahmen weniger 288 792 Mark, das Gesamtergebnis der laufenden Verwaltung stellt sich daher gegen den Etat ungünstiger um 2 629 218 Mark. Da aber im Etat ei» Ueberschuß von 34 315 Mark angenommen worden war, so verringert sich der rechnungsmäßige Fehlbetrag für das Rechnungsjahr 1902 auf 2 594 903 Mark. Da Restmittel in dieser Höhe nicht zur Verfügung standen, ist der Fehl­betrag vorläufig durch eine» Vorschuß aus dem Betriebs­und Vorratskapital der Staatshauptkasse gedeckt worden. Von den größeren Abweichungen gegenüber dem Etat find heroorznheben: Mehrausgaben bei den Pensionen im Be­trag von 247 091 Mark (der Zuschuß an die Volksschul- lehrer-Penfionskasse erhöhte sich um 62 749 Mark, die Pensionen katholischer Geistlicker um 17133 Mark, der evangelischen Geistlichen um 60 297 Mark, der Staatsbe­amten um 102 101 Mark rc.), bei dem Justizdepanement 264 000 Mark, beim Departement des Innern 820 000 Mk., bei dem des Kirchen- uud Schulwesens 170 000 Mark, bei dem der Finanzen 298 000 Mark, bei der Ständischen Kasse 43 769 Mark, bei den Leistungen an das Deutsche Reich 309 000 Mark., Mehraufwand au Pastporto 127 474 Mk. Mehreinnahmen ergaben sich: bei den Salinen 263 000 Mark, bei den Jagden 12 000 Mark, bei dm Einkommen­steuern 297 000 Mk., bei der Hundeabgabe 100 000 Mark, bei den Sporteln und Gerichtsgedühren einschließlich Erb­schafts- und Schenkungssteuer 620 000 Mark. Bei den direkten Steuern ergab sich eine Mehreinnahme von 298 317 Mark, bei den indirekten Stenern 320655 Mark, bei den Steuern insgesamt ein Mehr von 618 972 Mark. Die Eisenbahnverwaltung hatte gegenüber den im Etat zur Ab­lieferung an die lausende Verwaltung und den Eisenbahn-

^ Dirrchgebrochen.

Von Georg Paulsen. (Nachdr. verb.)

Der Ausbruch des russischen Geschwaders aus dem Hafen von Port Arthur durch die sperrende feindliche Flottille ist eine jener Leistungen, die sich sei es zu Wasser oder zu Lande im Kriege nicht allzuoft ereignen, denu dabei wirdva bangus" gespielt. Es bleibt kein anderes Miitel bei der verzweifelten Sachlage übrig, aber in seiner Anwendung muß von vornherein immer damit gerechnet werden, daß der Schritt ebenso gut, sogar wahr­scheinlicher, zum Tode führen muß, als zur Freiheit.Friß Vogel, oder stirb I"

Der letzte Ausbruch von Kriegsschiffen zur See, bei welchem die Sachlage genau derjenigen von Port Arthur entsprach, erfolgte im Kriege zwischen den Vereinigten Staaten von Ichrdamerika und Spanien. Das spanische i Geschwader hatte glücklich das umstrittene Kuba erreicht, j ohne von den feindlichen Panzern angegriffen zu werden,

^ und ging dann im Hafen der Festung San Jago de Cuba

vor Anker, um die sich dann der Krieg zusammenzog. Kohlenmangel hinderte den spanischen Admiral an großen Unternehmungen und so sah er sich denn eines Tages von den nordamerikanischen Kriegsschiffen eingeschlossen und von der Außenwelt abgesperrt. Der bei der feindlichen Ueber- « macht von vornherein aussichtslose Durchbruchsversuch j

endete bald, unter einem wahren Höllenfeuer der Amerikaner , mußten die Spanier die Flagge streichen und das ganze Geschwader fiel dem Feind zur Beute. Dagegen bildete das Seetreffen vor Carite auf den Philippinen-Jnseln nur eine Komödie, standen doch hier jammervolle hölzerne spanische Wachschiffe den schweren nordamerikanischcn Kriegsfahrzeugen gegenüber. Im japanisch-chinesischen Kriege bohrten die Japaner bei Wei-Hai-Wei verschiedene chinesische Panzerschiffe, als diese dem emschließenden Kreise entweichen wollten, in den Grund. Bei friedlichen Manöver- Uebungen haben solche Durchbruchsversuche zur See öfter mit Erfolg ftattgefundeu; hinterher wurde in der Regel dann gesagt, im Ernstfälle sei dies Entkommen doch nicht möglich, aber dieser neuste Vorgang von Port Arthur be­weist, daß ein entschlossener Führer auch gegen einen er­heblich überlegenen Feind manche und große Chancen hat.

Viel häufiger, weil wir mehr Landkriege halten, sind solche kühnen Unternehmungen zu Lande! Wem fallen da nicht Christian Dewets waghalsige Leistungen im Buren- Kriege ein, der wieder und immer wieder, trotz der viel­fachen Uebecmacht der Engländer, trotz ihrer umfassenden Absperrungs-Maßnahmen, die feindlichen Linien durchbrach und selbst Flußübergänge mit seinem Häuflein Streiter unter dem feindlichen Schnellfeuer ausführte? Uud dabei waren die von ihm erlittenen Verluste noch verhältnismäßig I

) gering. Freilich mußte Jeder von seinen Leuten auf solchem Todes-Rüt damit rechnen, daß ihn die Kugel traf. In unserem großen Nationalkriege haben wir auf beiden Seiten derartige kavalleristische Durchbruchs-Versuche gehabt. Auf deutscher Seite die berühmte Attacke der Halbrrstädter Kürassiere, deren Uniform Bismarck trug, und der alt- märkischen Ulanen vor Metz, die sich dem andrängenden Feind entgegenwarfcn, iho aufhielten, aber den Rückweg sich mitten durch die Franzosen bahnen mußten.Von alledem, was ritt und was stritt, unser zweiter Mann ist geblieben!" Fast vernichtend war auch der Durchbruchs- Versuch der französischen Kavallerie unter General Gallifet bei Sedan, als die Kapitulation unvermeidlich geworden war. Zu Hunderten stürzten Roß und Reiter unter dem deutschen Schnellfeuer in die Steinbrüche. Ueberhaupt das ganze Schluß-Ringen vor Sedan!

Der größte direkte Durchbruchs-Versuch zv Lande in der neuesten Kriegsgeschichte war der der türkischen, in Plewna eiugeschlossenen Armee unter Osmann Pascha, die daselbst den Russen so gewaltige Schwierigkeiten bereitet halte. Unter einem verheerenden Geschützfcuer wehrten sich die Türken in ihrem Fanatismus, bis sie, nachdem ihr Führer verwundet war, unter Bergen von Leichen die Waffen streckten. Es ist das ein Pendant zu Sedan, nur daß dort keine eigentliche Belagerung stattfand.