Jernsprecher Ar. 11.
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Sonntag. 14. August.
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1904.
Tagespolitik.
(Flotten- und Heerespläne.) Neuerdings werden wieder Nachrichten über Einstellungen von Heeres- und Marineforderungen in den nächstjährigen Etat kolportiert und besprochen. die dem wirklichen Sachverhalt zwar uahe kommen, ihn aber doch nicht decken. Seit den Erklärungen im letzten Winter ist keine offiziöse Verlautbarung erfolgt, die auf eine Aenderung in den Regierungsentschlüsfen, soweit solche überhaupt schon vorltegen, schließen ließe. Wir haben also eine Novelle zu erwarten, die ein drittes Doppelgeschwader mit den dazu gehörigen Kreuzern fordern und deu beschleunigten Bau neben den in deu Flottengesetzen vorgesehenen Schiffsbauten verlangen wird. Eine Verquickung zwischen der neuen Marinevorlage und der verhältnismäßig unbedeutenden Heeres- forderung wird unter keinen Umständen stattfinden. Falsch ist es, wenn behauptet wird, man wolle noch länger zögern und die Erfahrungen des ostasiatischen Krieges abwarteu. Diese Erfahrungen hat man bereits im ersten Teile des Krieges gemacht, neue Ueberraschungen auf maritimem Gebiete find schwerlich mehr zu erwarten.
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Warum Frankreich im Jahre 1898 England gegenüber so schmählich im Faschodaftreit nachgeben mußte, als es sich um koloniale Besitzergreifungen in Afrika handelte, das erfährt man jetzt ganz genau: Seine Seeoerteidiguug war total verlottert, denn Frankreich hatte seit 1871 nur der Racheidee an Deutschland gelebt und England wurde darüber ganz vergessen. Der damalige Mariueminister Lockroy äußerte über den schlechten Zustand der Flotte, wie das Buch „Tischgespräche Felix Faure's" erzählt: „Im Jahre 1899 hatten unsere Batterien weder Bedienung noch Munition. Zu Cherbourg, zu Brest, überall war die Hälfte unserer Kanonen nicht benutzbar wegen Mangel an dienenden Artilleristen. Korsika war sehr schlecht verteidigt, Biserra konnte durch einen Handstreich fallen. Die Zahl der Truppen in Tunesien war sehr beschränkt. Die Küsten von Algier besaßen nicht ein einziges Marinegeschütz. Keine unserer Kolonien war bewaffnet. Alle, vielleicht mit Ausnahme von Tonkin, waren in einem beklagenswerten Zustande." — Das ist ein erschreckendes Bild, wie sehr Frankreich seine maritimen Interessen vernachlässigt hatte. In fast krankhafter Weise haben die Franzosen ihren Blick auf die Oftgrenze gerichtet, über ihre Kräfte hinaus suchten sie ihr Laudheer zu verstärken gegen Deutschland. Sie mußten mit bezug auf ihre Flotte und Häfen die Beleidigung von Faschoda einstecken und haben ihren alten Stolz so vergessen, daß sie sich über das Einvernehmen mit den Briten jetzt freuen. Die französischen Erlebnisse und Stimmungen müssen für uns eine Lehre fei». Die Erhaltung und Verstärkung unserer Flotte ist die wichtigste und dauerndste Aufgabe für das Reich.
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Im englischen Oberhaus erklärte auf eine Anfrage des Marquis of Rigons der Staatssekretär of Lans- downe: Ich bin gefragt worden 1. betreffs der Durchfahrt von Schiffen der russischen Freiwillige» - Flotte durch die Dardanellen; 2. hat Rigons auf die Art und Weise hingewiesen, in I welcher die russische Regierung jüngst die Frage hinsichtlich der Kriegskontrebande behandelt hat, und 3. berührte Rigons die Art und Weise, in welcher gewisse neutrale Schiffe, besonders der „Cnight Commander", von der russischen Regierung behandelt wurden. Was die Freiwilligen-Flotte betrifft und die Durchfahrt durch die Dardanellen, so weiß das Haus, wie die Frage von der Regierung betrachtet wird. Wir haben auseinandergesetzt, daß nach unserer Ansicht Schiffe dieser Flotte nicht berechtigt sind, die Dardanellen als Kriegsschiffe zu passieren und da sie als friedliche Schiffe passierten, so waren sie nicht berechtigt, fast unmittelbar nachher in der Gestalt von kriegerischen Schiffen zu erscheinen und in den neutralen Handel einzugreifen. Soweit die aus der Durchfahrt der „Petersburg" und „Smolensk" entstandenen Zwischenfälle in Betracht kommen, so glaube ich, wir können sagen, daß die Angelegenheit das akute Stadium verlassen hat. Diese beiden Schiffe find aus dem Roten Meere zurückgezogen, und wir hören jetzt, daß die ihnen gesandten Weisungen von ähnlichen Wegnahmen abzusehen, ihren Bestimmungsort erreicht haben. Wir nehmen daher an, daß keine weiteren Wegnahmen stattfinden werden. Hinsichtlich der Durchfahrt anderer Schiffe der Freiwilligen-Flotte durch die Dardanellen glaube ich, daß die Zeitungsberichte darüber im wesentlichen korrekt find. Die Darstellung der Bedingungen, auf welchen die türkische Regierung bestanden hat, entspricht,den Tatsachen. Die türkische Regierung scheint von der russischen amtlich die Erklärung erlangt zu haben, daß die Schiffe während ihrer ganzen Reise die Handels
flagge führen und keine Munition an Bord haben und daß sie nicht in Kreuzer verwandelt werden. Betreffend die zweite und die erste Anfrage über die Art, in welcher die russische Regierung die Angelegenheit der Kriegskontrebande behandelt hat, so hat die russische Regierung bei Beginn des Krieges Reglements über diese Frage erlassen und ohne Zweifel haben diese Reglements die bisher von England und den meisten anderen Ländern acceptierte Definition der Kriegskontrebande in sehr großem Maße erweitert. Die russische Definierung umfaßt eine Anzahl Artikel, die wir natürlich als unbedenklich ohne Hinblick auf ihre schließlich? Bestimmung betrachteten, und diese erweiterte Defiuier- uug ist von einer amtlichen Erklärung begleitet, daß die gesamten im Reglement 6 aufgezählten Artikel nicht nur als Kriegskontrebande, sondern als bedingungslose Kontrebaude zu betrachten sind. Die Artikel, die uns besonders berühren, sind die in den Unterabschnitten 8 und 10 aufgeführten. Unterabschnitt 8 nennt jede Art von Feuerungsmaterial, wie Kohle, Naphta, Spiritus usw., Unterabschnitt 10 führt im allgemeinen alles auf, was zur Führung des See- und Landkriegs bestimmt ist, wie auch Reis, Mundvorräte, Pferde, Lasttiere und andere Tiere, die für Kriegszwecke gebraucht werden können, wenn diese Dinge für Rechnung des Feindes befördert werden oder für ihn bestimmt find. Dieses Reglement an und für sich, ohne die Angabe, daß alle diese Artikel als bedingungslose Kontrebaude betrachtet werden, würde keine so ernste Sache gewesen sein; aber indem wir das Reglement zusammen mit der amtliche» Erklärung in Betracht zogen, schien es uns eine Sache von so hoher Wichtigkeit, daß wir es als Pflicht ausahen, die Aufmerksamkeit der russischen Regierung auf die Schwere der Frage zu lenken. Wir wrescn besonders auf die Anführung der Mundvorräte in den Artikeln über die bedingungslose Kontrebaude hin, wobei England sehr bedeutend interessiert ist, und hoben hervor, daß die Einbeziehung allen Proviants in diese Kategorie eine sehr ernste Neuerung ist. Wir fügten unserer Depesche die Erklärung hinzu, daß wir uns verpflichtet fühle» uns unsere Rechte vorzubehalten, indem wir sofort gegen die Lehre Einspruch erhoben, daß den Kriegführenden die Entscheidung darüber zustehe, daß gewisse Artikel ohne weiteres und ohne Rücksicht auf die guten Rechte Neutraler als Kriegskontrebande zu betrachten find. Wir führten ferner aus, daß wir uns nicht gebunden machen könnten, eine Entscheidung irgend eines Prisengerichts als giltig anzuerkennen, die jene Rechte oder die anderweitig anerkannten Grundsätze des Völkerrechts verletze. Marquis of Rigons hat bezüglich dieses Punktes gefragt, ob wir an den von Lord Grenvi^e im Jahre 1870 ausgedrückten Ansichten hinsichtlich dieser Frage festhalten. Unsere Politik in dieser Frage bleibt dieselbe wie damals.
Landesn«ctzrictzrsn.
>n. Altenkeig, 12. Aug. Gestern wurde durch einen beauftragten Kommissär die 108 a große Wiese des K. Luz zur Linde, an der Nagold gegenüber der hiesigen Bahnstation gelegen, um die Summe von 11 000 Mk. angekauft vorbehältlich der Genehmigung des K. Ministeriums. Au der Wiese sollen durch Ausgrabungen Vorkehrungen getroffen werden, daß der Bahnhosplatz vor Hochwasserschäden geschützt bleibt.
' Akteusteig, 13. August. Gegen die übermäßige Kreditgewährung richtet sich der soeben erschienene Jahresbericht der Osnabrücker Kammer mit folgenden Sätzen: „Wir können nicht nachdrücklich genug immer wieder darauf Hinweisen, daß nur die Barzahlung die gesunde Grundlage eines ordentlichen Zahlungswesens bilden kann und daß die Kreditgewährung nur dort am Platze ist, wo es sich um das geregelte Handelsgeschäft oder um Abschlüsse im großen handelt. Gewiß kommen Fälle vor, in denen auch außerhalb der gewerblichen Kreise umfangreiche Beschaffungen erforderlich werden, für deren Begleichung die ausreichenden Barmittel nicht gleich zur Verfügung stehen. Selbst dann aber erscheint es wirklich richtiger, für diese fehlenden Barmittel ein vorübergehendes Darlehen aufzuuehmen, als bei dem Handwerker und Kaufmann länger laufenden Kredit zu nehmen, für den fast immer größere Opfer gebracht werden müssen, als für das geliehene Geld an Zinsen und Provisionen erfordert werden. Freilich dürfen Kaufleute und Handwerker es in dieser Beziehung nicht an der nötigen Mitwirkung fehlen lassen, die zur Zeit in zahlreichen Fällen noch sehr vermißt wird. Die Klagen darüber, daß Rechnungen über gelieferte Arbeiten und Waren oft erst dann zu erhalten sind, wenn ernstlich mit der Entziehung der Kundschaft gedroht wird, haben eher zu- als abgenommen. Andererseits scheint man in einzelnen Zweigen des Groß
handels selbst die Unsitte großzezogen zu haben, mit den Abnehmern nur einmal, nach Jahresschluß, abzurechnen, und die Folge ist, daß bei solcher Sachlage auch die betreffenden Handwerker an der zeitigen Berechnung ihrer Leistungen und Lieferungen kein Interesse nehmen." Der Jahresbericht weist weiter mit Recht darauf hin, daß die Festigung des Volkswohlstandes mit der Durchführung der Barzahlung aufs innigste zusammenhäugt. Die bisherigen Versuche haben freilich gezeigt, wie schwer es ist, alte Unsitten im wirtschaftlichen Verkehr auszurotten.
* Geinach. Der Sommerverkehr der Fremden ist zu einer hier lange nicht mehr erlebten Höhe gestiegen. Die letzte Kurliste weist über 400 Namen auf und Tag für Tag wächst die Zahl der Passanten und Kurgäste.
* WikdSad, 11. August. Gestern abend spielte daS vierjährige Mädchen des Kutschers Egon Haisch vor dem elterlichen Hause. Dabei machte es sich auch au einem Handkarren zu schaffen, welcher vorn in die Höhe ging und beim Herunterschnappen das Kind so unglücklich auf den Kopf traf, daß die Hirnschale zerschmettert wurde und der Tod sofort eintrat. Allgemeine Teilnahme wendet sich deu schwer getroffenen Eltern zu.
* Wildvad, 12. August. Die K. Badverwaltuug wird am nächsten Sonntag den 14. ds wieder eine Beleuchtung der K. Anlagen mit großem Feuerwerk veranstalten. Abends 9,50 geht ein Sonderzug nach Pforzheim, der an allen Stationen hält und tu Brötzingen so rechtzeitig eintrifft, daß Anschluß ins Nagoldtal gegeben ist.
* Stuttgart, 12. Aug. Wie der „Staats-Auz." mitteilt, hat Seine Majestät der Kaiser für die Abgebrannten von Jlsfeld 1000 Mk. gespendet.
js Stuttgart, 12. Aug. (Ferienstrafkammer.) Wegen Vergehens im Sinne des h 10 Z. 1 des Nahrungsmittelgesetzes war der Küfer Adolf Müller von Cannstatt vorgeladen. Die frühere Wirtin zu den 3 Hasen in Cannstatt, Frau Schweizer, hatte im Februar 150—200 Liter trüben Weißwein, welchen Müller auf ihren Wunsch verbessert hat, indem er zur Verschönerung der Farbe etwas Cichorie beimengte und ihn dann schönte. Der Angeklagte wandte ein, daß die Verwendung von Cichorie als Färbemittel weit verbreitet sei und er darin nichts Verfängliches oder Strafbares gesehen habe, um so weniger, als er ja auch allgemein zur Kaffeeberettung diene. Durch Gutachten der K. Weinbauschule zu Weinsberg wurde aber dieses Färbemittel für unzulässig erklärt, und der Sachverständige, Weinkontrolleur Schäfer sprach sich dahinaus, daß der Geschmack des Weins dadurch verschlechtert worden sei. Das Urteil lautete hiernach auf eine Geldstrafe von 20 Mk.
* Itsfekd, 11. August. Unermüdliche Tätigkeit herrscht nicht nur in den verschiedenen Bauabteilungen, sondern auch in der neuen Schule, dem Proviaothaus der Gemeinde und in dauebenliegenden Magazinen, wo täglich Liebesgaben abgeladen, sortiert und verteilt werden. Unter die Last dieser Arbeiten teilen sich mit selbstloser Aufopferung die Lehrer des Orts, barmherzige Schwestern und Diakonissinnen, Gemeindebeamte und vor allem die Heilbronuer Sanitätskolonne, von der einige Mitglieder ihre Heimat seit Samstag nicht wieder gesehen haben. Vor dem Schulhaus wird den ganzen Tag unaufhörlich gekocht; die Heimatlosen erhalten hier Kaffee oder Suppe, zum Vesper Brot, Wurst oder Käse; oft fitzt eine Familie um einen großen Blechtopf uud läßt sich das Gebotene dankbar munden; Häuflein Kinder fitzen in den Schulbänken und sprechen dem Dargereichten kräftig zu ; Männer, Weiber und Kinder treten aus dem Schulhaus, jedes beladen mit Kleidungsstücken, Leibwäsche, Stiefeln, Hüten und dergl.: ein malerisches Bild. Fassung und ruhige Ergebung ist in die Gemüter zurückgekehrt; weiß doch jeder, daß das Unglück Millionen von Herzen gerührt hat, die bereit find, die Not zu lindern, daß in der engeren Heimat, wie überall in deutschen Gauen und auch im Ausland, wo uur Deutsche wohnen, ein edler Wetteifer entstanden ist in brüderlicher Handreichung; nicht vergessen sei das tatkräftige und zielbewußte Eingreifen aller Regierungsorgaue, das die Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit des Bürgers in kürzester Frist aufzulichten vermochte.
* Schorndorf, 11. Aug. (Der vertrauensvolle Bäcker.) Vorgestern mittag haben zwei Zigeunerinnen bei Bäcker Walz in Oberurbach Brot gekauft. Beim Herausgeben auf ein Zweimarkstück gestattete der Bäckermeister einer Zigeunerin, aus seinem gefüllten Zugbeutel ein neues Markstück und ein Fünfzigpfennigstück herauszunehmen, das sie angeblich zu einem besonderen Zweck nötig habe. Als der gutmütige Bäcker sein Geld nachzählte, ergab sich ein Abmangel von rund 32 Mk.
* Alm, 11. Aug. Die Kommerzienratswitwe Mathilde