Fernsprecher Nr. 11 .

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1904

^ In einen fast ««glaublichen Abgrund von Charakterloftgkeit

läßt der Freispruch der Geschworenen bücken, welche in Florenz den großen fiziliauischen Maffia-Pcozeß gegen den früheren Abgeordneten Palizzolo und seine Mitschuldigen beendet haben. Es handelt sich bekanntlich um die Er­mordung des Marquis Noterbartolo, welcher der auf der Insel Sizilien herrschenden Verbrecher- und Erpresser-Bande mannhaft Widerstand leistete und daher auf Betreiben des Maffia-Häuptlings Palizolo während einer Eisenbabnfahrt aus dem Wege geräumt wurde. Jedermann in Italien weiß, wessen Opfer der Ermordete war, zweimal, in Mailand und in Bologna, wurden die Angeklagten verurteilt, bis sie nun in Florenz freigesprochen wurden. Die ganze an­ständige italienische Presse ist tief beschämt über ein solches Verdikt, die Bande der Maffia und ihre Organe stoßen ein Freudeogeheul aus, als b dies Schwurgerichts-Erkenntnis eine moralische Großtat wäre. Und was das Aergfte ist, die Maffia wird nun noch viel größere Ausdehnung auf dem ausgesogenen Sizilien gewinnen, als sie bisher sckon besaß, und das war genug.

Ein Jeder, der die italienischen Verhältnisse nicht kennt, wird erstaunt fragen, wie es kommt, daß ein auf der Insel Sizilien, die ihre eigenen Gerichtshöfe besitzt, be­gangener Mord iu dem oberitalienischen Mailand und nach­her in den mitielltalienischeir Städten Bologna und Florenz vrrbandelt wird. Die Entfernung dieser Städte von Sizilien ist sehr beträchtlich, die zahlreichen Zeugen müssen weite Reisen unternehmen, welche die Kosten in hohem Maße verteuern. Der Grund dafür ist, daß es auf Sizilien selbst unmöglich ist, in einem Prozeß gegen die Maffia wahrheits­getreue Zeugen-AuSsageu vor Gericht zu erlangen; die Zeugen werden dermaßen ewgeschüchiert, mit dem Tode bedroht, daß sie lieber Meineide schwören, als daß sie sagen, was sie wissen. Dieser Einfluß, der in Mailand und Bologna abgewehrt war, hat sich dann wieder in Florenz geltend gemacht. Das ist noch möglich in der modernen Großmacht Italien im Jahre 1904.

Diese Geheimbüudelei, die den zur ernsten Arbeit wenig geneigten, aber jedem Lebens-Genuß stöhnenden Süd- Italienern ün Blute liegt, ist ein Krebsschaden der schönen Länder. M Neapel wirtschaftet die Kamorra, in Sizilien die Maffia. Erpressungen und Brandschatzungen sind ihr Lieblingsgewerbe; für uns Deutsche war es von besonderem Interesse, daß dies Gesindel auch nach dem unglücklichen Krupp seine Schlingen ausqeworfen hatte. In Neapel ist die Spitzbüberei und Durchstecherei schon oft so arg gewesen, daß die ganze Stadtverwaltung von der Kamorra beherrscht ! wurde, Niemand einen städtischen Posten erhielt, der nicht! dieser Räuberbande seinen Tribut eutrichtete. Dann und wann ist die italienische Regierung mit einem Donnerwetter! dazwischen gefahren, hat sogar die Leitung der neapolitanischen Stadtverwaltung in die eigenen Hände übernommen, aber ^ bauernde Ordnung hat sie nicht schaffen können, Geldgier ^ und Bestechlichkeiten sind zu groß.

Weit schlimmer noch treiben es die Banditen der Maffia auf Sizilien ; wer Geld hat und nicht freiwillig der Maffia beitritt, wird and irgend einem Grunde gebrand- schstzt, und ist kein Grnnd vorhanden, erfolgen die Er­pressungen ohne Grund. In den meisten Fällen gelingen diese Raubzüge, und daher ist es verständlich, daß energische Persönlichkeiten, welche diesen Blutsaugern kräftigen Wider­stand entgegensetzen, von ihnen mit wütendem Hasse verfolgt werden. Der unglückliche Noterbartolo hat sein Bewußt­sein, ein ehrlicher Mann zu sein, mit dem Leben bezahlen müssen, und so ist es nicht Wenigen ergangen, über deren Plötzlichen Tod einfach Schweigen beobachtet wurde. Kein Staatsanwalt, der sich die Bekämpfung der Maffia zur Aufgabe stellte, hat sich bisher dauernd aus Sizilien be­hauptet, der Geheimbnnd erwies sich als mächtiger; früher wurden sogar die Namen von italienischen Ministern mit ihm in Verbindung gebracht.

Wie kann ein Geheimbund eine solche Macht ge­winnen? Sie ist geschaffen durch seine bis zu Dolch und Revolver gehende Rücksichtslosigkeit, durch die Zahl seiner, Mitglieder, die alle äus der großen Bundeskrippe mit- ' gefüttert werde». Der Prozeß gegen Palizzolo, der all- s gemein als das Haupt der Maffia gilt, sollte diesem modernen Brigantentum den Todesstreich versetzen; die Geschworenen von Florenz haben diese Absicht wieder einmal vereitelt.

Tagespolitik.

Der Königsberger Geheimbunds- und Hochverrats- Prozeß ist beendet. Die augeklaqten Deutschen wurden wegen Geheimbündelei gegen Rußland zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt. Von dem Verbrechen des Hochver­

rats wurden sie freigesprochen. Wäre doch dieser Prozeß nicht verhandelt worden! Rußland würde nicht so kraß als ein Land der rohen, gemeinen Gewalttätigkeiten bloß­gestellt worden sei», und Deutschland müßte es nicht dul­den, daß man ihm nachsagen darf, es habe knechtselig und demütig sich um die Gunst der Russen bemüht. Was war dieser Prozeß anders als das Bemühen, Rußland dienst­willig zu sein? Und man war dienstwilliger, als man es nach dem Gesetz verantworten kann. Es wurden deutsche Staatsbürger in hochnotpeinliche U ttersuchung genommen wegen des angeblichen Verbrechens, mitgeholfen zu haben, daß russische Schriften nach Rußland hinübergeschmuggelt wurden. Wohlgemerkt, diese Schriften waren nicht etwa in Deutschland verboten, auch ihre Hinüberschaffung nach Ruß­land ist an sich nicht verboten. Aber weil begreiflicher Weise Rußland gegenüber diese Schriftenseudungen geheim­gehalten wurden, sollte das strafbare Geheimbündelei sein, und der Inhalt der Broschüren, von dem die deutschen Ver­mittler keine Ahnung hatten, sollte Zarenbeleidigung und Hochverrat gegen den Zaren enthalten. Die Polizei gab die verdächtigen Schriften zur Begutachtung dem russischen Generalkonsul in Königsberg, und dieser mit seinen russischen Begriffen von Untertanenpflicht und Preßfreiheit behauptete, daß die Schriften einen hochverräterischen Inhalt hätten. Nunwehr wurde die russische Botschaft angegangen, einen Strafantrag gegen die deutschen Staatsbürger zu stellen, und als dies geschehen war, wurden die Leute 9 Monate in Untersuchungshaft gesperrt. Dann kam es zur Verhand­lung. In dieser aber stellte es sich heraus, daß der rus­sische Generalkonsul die ihm zur Begutachtung vorgelegten Schriften falsch übersetzt, Verdächtiges hinzugefügt und da­durch die deutschen Richter gerauscht hatte. Auf die Fälsch­ung hin wurde die Anklage aufrecht erhalten. Dann wurde das genannte russische Generalkonsulat abermals angegangen um eine Uebersetzung des Gegenseitigkeitsparagraphen aus dem russischen Strafgesetzbuch. Diese Uebersetzung wurde geliefert, aber wiederum falsch. Es wurde in ihr die gegen­seitige Verpflichtung der Verfolgung staatsfeindlicher Um­triebe zwischen Rußland und Deutschland als bestehend er­klärt, in Wirklichkeit aber besteht diese Verpflichtung nicht. Das deutsche Gericht unterließ die Nachprüfung, und so wurde denn der Prozeß ohne jede Berechtigung weiter ge­führt. Es erscheint unglaublich, und doch mußte das Ge­richt selbst die Fälschungen und die Haltlosigkeit der An­klage konstatieren. Der Hauptteil der Anklage, der Hoch­verrat brach kläglich zusammen, wegen der Geheimbündelei kam aber doch noch ein Urteil zustande. Der Königs­berger Prozeß bedeutet, wie dieFranks. Ztg."- urteilt, nach seiner ganzen Vorbereitung eine schwere Schädigung unserer Rechtspflege.

(Präsident Krüger ist im Haag beigesetzt.) Die Kö­nigin sandte einen Kranz und lreß sich bei der Beisetzung vertreten. Auch die Regierung hatte Vertreter entsandt. Es war ein gewaltiger Zug, der dev Alten zu seiner Ruhestätte geleitete. Im Burenvolk wird auf Anregung Bothas der 17. Juli, der Sterbetag Krügers hinfort als nationaler Trauer- und Gedächtmstag begangen werden. Als Ver­treter der alten Bevölkerung hat General Botha in einer Kundgebung an die früheren Offiziere, Beamten und Bürger -er südafrikanischen Republik das Land gebeten, 30 Tage Trauer zu tragen um den Mann, der wie kein andrer eine Macht war für das Bureuvolk und dem man inmgsten Dank schulde für die Energie und die Opfer, die er daran gewandt, das Afrikanervolk zu einer Nation zu machen. Daß Krüger viele Millionen hinterlassen habe, wird von Pastor Schowalter in derTäglichen Rundschau" als ge­hässige Lüge bezeichnet.

Lcmdesnachxichten.

(Eingesandt.) Die Familie des Bauern Johann Bürkle in Iüuförou« wurde dieser Tage ia großes Leid versetzt. Ein Sohn derselben, jung und hoffnungsvoll, stand im Adler" in Loffenau (OA. Neuenbürg) im Dienst. Als er vergangenen Montag abend noch im Hofe seines Dienst­herr» zu tun hatte, trat ein betrunkener Kamerad, eben von einem Streit aus einer anderen Wirtschaft kommend, hinzu und versetzte ihm auf den freundschaftlichen Rat, er solle sich daheim ausschlafen, einen so wuchtigen Messerstich in die Schläfe, daß das Messer nur sehr schwer entfernt wer­den konnte und der Tod nach einigen Stunden eintrat. So hatte, wie der Messerheld sich kurz zuvor im Ueber- mute äußerte,an diesem Abend noch einer sterben müssen." Der Leichnam des so jäh aus dem Leben Abgerukenen wurde zur Beerdigung nach Fünfbronn übergcführt. Allgemeine

Teilnahme wendet sich den schwergeprüften Angehörigen zu.

* Neüeuvärg, 28. Juli. Verwaltungskandidat Treiber auf dem Rathaus in Wildbad hat die Entwendung von Konponbogen württ. Staatsobligationen und die Fälschung der Verfalltermine der Koupons eingestandev. Der leicht­sinnige junge Mann, der am 1. Aug. austreten wollte, wan­dert nun ins Gefängnis. (Die Staatsglanbiger haben weaen der vorgekommenen Conponsälschungen nach obiger Mit­teilung keine» Anlaß zur Beunruhigung. Nur einige echte Zinsscheine (alle der gleichen Schuldverschreibung avgehörend) find bei der Staatsschuldenkasse angehalten worden, weil aus ihnen die später liegenden Versalliermine radiert und mit Tinte in frühere Vecfalltermine geändert worden find.)

* In Mstteukurg, dem Sitze des Bischofs Keppler, soll ein Dom erbaut werden. In etwa 5 Jahren soll, nach derWartburg," diese Kirche im romantischen Stil mit den Kosten, die annähernd auf eine Million berechnet sind, auf­geführt werden. An einem reichen Grundriß soll es dabei nicht fehlen ; es sollen zwei hohe Türme die zu Tal sehende Fassade schmücken. Der Baufonds beträgt bis jetzt 150 000 Mark, nicht gerechnet ein bei dem Jnterkalarfonds ange­legte? Kapital. Das ganze katholische Württemberg soll dazu beisteuern. Stadtschultheiß Windhofer von Retten- burg sprach den Wunsch aus, daß schon in zwei Jahren der Grundstein gelegt würde, da Rottenburg am 29. Mai 1906 das Jubiläum seines Anschlusses ar» Württemberg feiere und deshalb gerade dieses Jahr sich besonders dazu eignen würde.

* Schroevniuge«, 25. Juli. Ein Hagelwetter vernichtete zwischen Brllingen und Schwenningen die ganze Korn- und Gerstenernte. Aus vielen Aeckern steht keine einzige Aehre mehr. Der Hagel fiel so dicht, daß binnen einer Viertel­stunde eine 30 Ctm. dicke Eisschichte den Boden bedeckte. Seit dem Jahr 1866 hat kein ähnliches Hagelwetter hier stattgefunde».

* Stuttgart, 25. Juli. Der Gemeinderat erklärte sich in seiner heutigen Sitzung bereit, das vom hiesigen Verein für Feuerbestattung projektierte Krematorium unter den vom Ministerium ausgestellten Bedingungen iu städtische» Betrieb zu übernehmen, Hai aber gleichzeitig an das Ministerium ein Gesuch um Minderung dieser Bedingungen gerichtet. Insbesondere bittet er, die Bestimmung falle« zu lassen, wonach vor jeder Feuerbestattung die Erlaubnis der Stutt­garter Stadtdirektion, also einer staatlichen Behörde, ein­zuholen ist, und die Erlaubnis des Stadtpolizeiamts oder des Oberbürgermeisters als genügend auznicbrn.

* Kofingen, OA. Leonberg, 28. Jali. Mord! Heute früh 2 Uhr wurde die Nachtwächtersehefrau Reichert in einer Blutlache außerhalb ihres Bettes ermordet aufge- fundeu. Schläge mit einem Wetzsteinkumpf auf den Hinter­kopf hatten den Tod herbeigefübrt. Gerichtliche Untersuch­ung ist eingeleitet.

* Tverrieringe«, 26. Juli. (Blitzschlag.) Nach einem heißen Tag zogen gestern abend drohende Gewitterwolken heran, die sich in Blitzen und Regen entluden. Die Fa­milie des auf dem Felde beschäftigten Ortssteuerbeamten Wild, 5 Personen, suchten unter einem Obstbamn an der Sersheimer Straße Zuflucht vor dem Gewitter. Kaum hatten sie sein Blätterdach erreicht, so schlug der Blitz in den Baum und warf die fünf Personen zu Boden. Sie kamen zwar mit dem Schrecken davon, doch war der Familien­vater längere Zeit betäubt.

* Neckars«!«» 25. Juli. Eine Barbe im Gewicht von 13 Pfund fing am letzten Sonntag früh' beim Baden im Neckar ohne weitere Hilfsmittel, also nur mit den bloßen Händen, Weingartner Aug. Bauer hier. Der gänzlich ab­gemagerte Fisch, welcher infolge des niederen Wosserstands Wohl bald verendet wäre, hätte bei seinem normalen Körper­gewicht mindesteos 20 Pfund gewogen.

* A!m, 26. Juli. Trotzdem es kürzlich hieß, daß das Haupt der spanischen Schatzgräberbande avgefaßt und unschädlich gemacht worden sei, blüht das Geschäft derselben, wie mehrere hiesigen Bürgern zugesandte Schreiben ersehe« lassen, lustig weiter. Den Adressaten wird in den Briefen erzählt, daß der Schreiber wegen Bankerott gefangen gesetzt wurde und höflichst aufrageu wolle, ob man geneigt sei, ihm be­hilflich zu sein, einen mit 800 000 Mk. in Banknoten ge­füllten und im Depot eines französischen Bahnhofes befind­lichen Koster auszulösen. Um dies zu ermöglichen, sei die persönliche Anwesenheit des Adressaten in Madrid notwendig, denn es müßten die Prozeßkosten des Gefangenen bezahlt und sein mit Beschlag belegtes Handgepäck, in dessen Ge­heimfach der Gepäckschein für den Geldkoffer verwahrt sei, ausgelöst werden. Als Belohnung wird dem Dummen, der auf diesen Leim kriecht, ein Drittel des Geldes versprochen.