I«r»lvrecher Nr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag M der wöch. Beilage .Der SonntagS- Gast".

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Donnerstag. 28. Jut'i.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

angenommen.

1904.

Versetzt wurde Oberförster Harsch in Horb nach Hirsau.

^ Die Dardanellen Frage.

(Nachdruck verboten.)

Die russische Regierung sitzt in der Klemme. Die Ereignisse auf dem ostastatischen Kriegsschauplätze haben nicht nur das Prestige Rußlands schlimm herabgedrückt, sondern der russischen Herrschaft auch weit über Erwarten schwere Verluste bereitet. Die Notlage treibt Rußland, sich seine europäischen Freunde möglichst warm zu halten. Sie hat den Präsidenten des Ministerkommitees v. Witte nach Norderney geführt und ihm die Zustimmung zu dem deut­schen Zolltarif abgenötigt, sie hat die Regierung in Peters­burg auch veranlaßt, dem Entrnstungssturm, der sich in­folge der Zwischenfälle lm Roten Meere erhoben hatte, za weichen. Rußland hat in dieser Beziehung den Rückzug auf der ganzen Linie angetreten, bat damit aber nicht die Aufrollung einer Frage zu verhindern vermocht, die es im gegenwärtigen Augenblicke so Peinlich wie möglich berührt. Obwohl die russische Regierung in richtiger Erkenntnis der Lage den Kreuzern ihrer Schwarzen Meev Flotte das Recht aberkannte, neutrale Schiffe überhaupt anzuhalten, wird sich England nach den Zwischenfällen im Roten Meere bei die­ser Erklärung nicht begnügen. An der Themse ist man vielmehr entschlossen, speziell diesen Teil der Angelegenheit dem europäischen Areopag zu nntertreiben und durch inter­nationale Vereinbarung feststellen zu lasten, wie die Frage der Meerengendurchfahrt in Zukunft gehandhabt werden solle.

In Sachen der Meerengenfrage sind im Laufe der Jahre wenigstens schon ein halbes Dutzend Verträge ge­schlossen und nicht gehalten worden. Schon t809 schloß England mit der türkischen Regierung einen Vertrag, in dev, es feierlich ar erkannte, daß fremden Kriegsschiffe» in Friedens- wie in Kriegszeiten die Durchfahrt durch die im Besitze der Türkei befindlichen Meerengen verboten sei. 1833 erlangte Rußland in einem geheimen Vertrage mit der Hohen Pforte das Recht der Durchfahrt. Als die Ge­schichte ruchbar wurde, gab es einen Mordsspektakel, es wäre beinahe sogar zu einem englisch-russischen Krieg ge­kommen, dessen Verhütung nur der Vermittelung Oestreichs zu danken war. Aber schon wenige Jahre später, im Juli 1841 wurde Rußland genötigt, sich einer internationalen Vereinbarung über die Meerengenfrage anzuschließen, wo­durch es sich der 1833 genommenen Vorrechte plötzlich be­raubt sah. Im Pariser Frieden, der dem Krimkriege ein Ende machte, wurde Rußland zu noch weiterer Einschränk­ung seiner Vorrechte im Schwarzen Meere gezwungen. Diese Einschränkungen streifte es im Jahre 1870 ab, als Frankreich durch den Krieg mit Deutschland zur Ohnmacht verurteilt worden war. In der etwas später abgehalteuen Londoner Konferenz wurde dem Sultan das Recht zuge­sprochen, in Friedenszeiten Kriegsschiffen befreundeter Mächte die Meerengen öffne« zu dürfen. Auf dem Berliner Kon­greß 1878 wurden über die Frage keine definitiven Be­schlüsse gefaßt, es wurden nur Seitens Englands und Ruß­lands Erklärungen abgegeben. Die englische Auffassung von der Sache ist die, daß die Türkei das alleinige Recht besitzt, Kriegsschiffen die Durchführt durch die Meerengen zu verbieten, resp. zu gestatten. Die russische Auffassung geht dahin, daß sich die Türkei auch in dieser Beziehung den Forderungen der Mächte zu fügen habe. Klare und bestimmte Regeln über die Meerengendurchfahrt existieren zur Zeit also nicht, es herrscht einfach das Recht des Stärkeren.

Bon diesem Rechte hat Rußland bisher reichlich Ge­brauch gemacht. Es hätte aus der Weitmaschigkeit der de-, stehenden Bestimmungen auch noch fernerhin Nutzen ge­zogen, wenn es nicht in schier unbegreiflicher Kurzsichtigkeit die Zwischenfälle im Roten Meere provoziert hätte. Es hat damit Anstoß zu einer erneuten Revision der Darda- nellen-Frage gegeben, deren Finale die Erneuerung und Be­kräftigung des Verbotes der Durchfahrt von Kriegsschiffen durch die Meerengen sei« wird.

Tagespolitik.

Unsere Kolonie Kamerun ist fast so groß wie Deutsch­land. Während Deutschland aber 56 Millionen Bewohner zählt, hat Kamerun etwa 4 Millionen, trotzdem es ein überaus fruchtbares Land ist und mehrere hundert Millionen Menschen ernähren könnte. Die Bevölkerung von Kamerun vermehrt sich nicht, weil sie von bösartigen Seuchen geplagt v>ird. Die Hauptseuchen sind Malaria, Pocken, Dysentrie und Aussatz. Der Regierungsarzt Dr. Ziemann empfiehlt iu seiner Schrift verschiedene Mittel gegen die Seuchen. Der

Malaria könne man entgegenlreten durch Ausrottung der; Sümpfe und durch Belehrung, was in Duala mit Erfolg versucht worden ist. Den Pocken trete man durch Masseu- impfungen entgegen. Dr. Ziemann hat in einem halben Jahre 20 000 Neger geimpft. Ferner muß den Eingeborenen untersagt werden, ihre Toten in ihren Hütten zu bestatten ; man richte außerhalb der Dörfer Friedhöfe ein. Dem Al­koholismus ist man durch Errichtung von Sodawasserfabriken entgegengetreten. Der Neger trinkt Limonade sehr gern. Nötig ist ferner, die Frauen ihrer Arbeit zu entlasten, sie auch daran zu gewöhnen, ihre Kinder besser zu ernähren. Die entwöhnten Kleinen werden mir schwer verdaulichen Bananen oder Pifung vollgestopft, wo Suppenernährung am Platze wäre. Die Bakosst pumpen ibren Kindern, um den Magen stark zu machen, literweis Wasser hinein. Scharf muß man den Wegelagerern, die gegen friedliche Eingeborene Vorgehen, aufpassen. Die Duaianeger sollten am besten aus dem ganzen Lande von Nyanga bis Bakossi und dem linken Mungo-Ufer verbannt werden, wo sie geradezu eine Land­plage für die Buschneger sind.

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Der Kaiser von Otsterreich-Uugaru hat eine Zivil­liste von jährlich rund 13 Millionen Mark. Damit kommt er nicht mehr aas und oeshalb verlangte er als König von Ungarn vom ungarischen Landtage eine Einkomwenserhöh- uug von 2 Millionen Kronen. Es gab großen Spektakel. Abg. Eötvös schlug vor, es solle nur so viel genehmigt werde», als der König für seine Person au Wem, Bier, Kleidung und nächtlicher Herberge benötige. Bon derselben Seite wurde dem Kaiser der Rat gegeben, die überzähligen Erzherzöge und Prinzessinnen sollten ms Kloster gehen und so das Staatsbudget patriotisch entlasten. Trotz alle» Ge­schreis wurde die Erhöhung genehmigt.

Rußland ha? eine neue Zollschererei eingeführt. Es hat bestimmt, daß alle im Auslaad ausgestellten Ursprungs- atteste, auch für die Postpakete, mit einer Stempelmarke im Wert von 60 Kopeken, etwa 1 Mk. 30 Pfg., versehen sein müssen. Für Geschäfte, welche öfters kleine Sendungen nach Rußland machen, ist diese Bestimmung recht lästig. So schreibt beispielsweise eine Schlittschuhfabrik, daß sie in der Saison täglich 3040 Postpakete an verschiedene Adresseu nach Rußland zu versenden habe. Es würden in vorliegen­dem Fall also täglich 40 Mk. unnötige Unkosten entstehen. Wenn eine der billigsten Sorten Schlittschuhe bestellt wird, so gehen auf ein Postpaket 5 Paar dieser Schlittschuhe im Werte von je 40 Pfg. Dann stehen dem Gesamtwerte des Postpakets von 2 Mk. gegenüber 60 Kopeken 1 Mk. 30 Pfg. Stempelgebühi^ abgesehen von Porto und Ver­packung. Aetwliche Klagen erheben cn-ch andere Industrien. Der deutsche Handelsvertrags-Verein hat deshalb die Re­gierung ersucht, bei dem Haudelsvertragsabschluß mit Ruß­land auszubedingen, daß solche besondere Scherereien künftig Wegfällen.

L-anö§sn a ch vichten.

* Nagold, 25. Juli. Während des Gewitters, das sich heute nachmittag Über unserer Stadt entlud, wollte der 80 Jahre alte Grpser Schüler die Läden seiner Bühne schließen; er stürzte dabei in die Scheuer ab und starb nach einer Viertelstunde. In Güudringen warf der Sturm, der dasselbe Gewitter begleitete, das Trockengebäude des Pappdeckelfabrikanten Wolf, in dem letzterer sich eben be­fand, um, wodurch Wolf lebensgefährliche Verletzungen erlitt.

-u Oagvkd, 25. Juli. Ein edler musikalischer Genuß wurde gestern hier den Liebhabern kirchlicher Tonkunst ge­boten durch die Ausführung des ersten Teils von dem OratoriumPaulus" und F. Mendelssohn durch den Semiuarchor unter Mitwirkung der auswärtigen Solisten Frl. Silcber aus Stuttgart (Sopran), Frl. M. Nagel (Alt) von Nagold, H. Sanier (Tenor) von Ludwigsburg,

A. Birk (Baß) von Gmünd. Zu Beginn des Konzerts spielte Mustkoberlehrer Schaffer mit bekannter Meister­schaft eine Orgelphautafie von S. Bach. Die Aufführung desPaulus" darf im allgemeinen als gelungen bezeichnet werden. Chor, Orchester und Orgel klangen sehr gut zu­sammen. Auch die Solopartien mit Ausnahme der Sopran­solos waren gute Leistungen. Frl. Silcher hat zwar eine liebliche Sopranstimme, die in einem kleineren Lokal Wohl angenehm klingen mag, aber für eine Kirche ist das Organ doch zu dünn um zu durchdringen. Offenbar war die Sängerin, die, wie wir hörten, zum erstenmal öffentlich als Solistin austrat, zu sehr befangen, nm mit der nötigen Ton­stärke einzusetzen Dem Dirigenten Schäffer gebührt vor allem auch Anerkennung für die tüchtige Einübung und Leitung der Chöre, sowie Begleitung der Gesänge.

* Kmmingeu, 24. Juli. (Gedenktafel.) Ein längst ge­hegter Wunsch vieler Mitglieder unseres Militär- und Veteranenvereins wurde nunmehr verwirklicht. Um kommen­den Geschlechtern zu verkünden, welche Opfer auch unsere kleine Gemeinde dem Vaterland vor 34 Jahren gebracht, wurde eine Gedeuktafel in der Kirche geweiht. Diese ist in Glasguß stilvoll ausgeführt und zeigt in Goldbuchstabeu die Namen der ausmarschierten 13 Krieger, von denen 3 im Felde blieben. Za der Feier selbst Marschierten iu militärischer Anordnung der Kriegerverein und der Gesang­verein, je mit Fahne, zur Kirche. Der Ortsgcistliche hielt eine Gedächtnisrede und der Liederkranz sang:Wie sie so sauft rnh'n." Im VereiuSlokal,Gasthaus zum Lamm", hatten die Veteranen ein gemeinsames Essen. Reden und patriotische Gesänge verschönten das gesellige Zusammensein.

* Ileuöukach, 23. Juli. Heute ist wieder, wie im Vor­jahr, eine Ferienkolonie von Stuttgart hier emgetrvffeu: 22 Mädchen unter der Leitung von Frl. Germann. Sie haben in derSonne" gute Aufnahme gefunden. Die fröhliche Schar ist herzlich willkommen geheißen worden. Möge sie eine ungetrübt schöne und erfolgreiche Zeit auf unserer Höhe zubringen dürfen I

* Kerreualö. 23. Juli. In den letzten Tagen fanden hier umfassende Vernehmungen statt, die mit dem Ver­schwinden eines reichen Amerikaners, der vor 15 Jahren als Kurgast hier weilte, im Zusammenhang stehen. Ver­wandte de-Lselbeu find zu diesem Zweck aus Amerika herüber gekommen.

* Hlotteuöurg, 25. Juli. Bei der heutigen Versteiger­ung des städtischen Obstes wurden erzielt 7866 Mk. 60 Pfg.

* (Der Hungerlohn im Gegenwartsstaat".) Eine interes­sante Gegenüberstellung bringt derBeob.": DerSchwäb. Tagw." wird ausTuttlingen" ein Artikel geschrieben, in dem u. a. folgende Sätze zu finden sind: Die Armenlasten betrugen in den letzten zwei.Etatsjahren jeweils rund 30 500 Mk., also bei kaum 14000 Einwohnern über 2 Mk. pro Kopf der Bevölkerung! Diese Zahlen reden eine deutliche Sprache. Die Ursache schieben verbohrte Köpfe einfach der mangelnden Sparsamkeit der arbeitenden Bevölkerung iu die Schuhe. Wer aber die Verhältnisse kennt, kommt zu einem andereu Schluß. Am allerschärfstcn tritt hier die Tatsache in Erscheinung, daß einzelne Wenige es sind, die sich Reich- tümer ansammeln, während die beschäftigten Arbeiter das Notwendigste zum Leben haben . . Die weiteren Folgen find, daß der Ernährer der Familie frühzeitig dem Siechtum auheimfällt, die Arbeitskraft geschwächt und dann endlich der Ernährer hiuwegzerasft wird. Die Familie fällt der Armenkasse zur Last. Ist es nicht geradezu ein Hohn, daß Arbeiter, während sie in einem Arbeitsverhältnis stehen, ge­zwungen sind, infolge Kraukbeit eines Kindes die Armen­kasse in Anspruch zu nehmen? Damit nun diese Worte in ihrem Eindruck verschärft werden, bringt dieselbe Nummer derSchwäb. Tatzw." gerade auf der Rückseite dieses Artikels einen weiteren aus der Nachbarstadt Schwenningen, der besagt: DaS diesjährige Waldfest der Vereinigten Gewerk­schaften war vom Wetter außerordentlich begünstigt und erfreute sich eines sehr zahlreichen Besuchs. Letzterer läßt sich am Konsum von Bier und Eßwaren ziemlich feststeüen. Es wurden 23 Hektoliter Bier, über 700 Portionen Wurst und Emmenthaler Käse, sowie 2 000 Brote abgegeben; dazu kommen noch Limonade und massenhafter Verbrauch von Obst. Mußte gerade diese Konsum-Statistik gegeben werden? DieGenossen" sind mitunter doch mehr als ungeschickt und taktlos: und dieTagw." tut mit!" Und nichts zeigt deutlicher die systematische Verhetzung der Arbeiter durch die Sozialdemokratie als jene beiden Notizen. Auf einer Seite wird behauptet, sie hätten nicht das Notwendigste zum Leben, auf der anderen, daß sie, was wir ihnen gern gönnen, einen Durst und Appetit entwickelt haben, den man sich in Mittel­standskreisen gewöhnlich versagen muß. Die Tagwacht täte besser daran, anstatt in einem fort zu Hetzen, zur Sparsam­keit anzuspornen, dann hätte sie sich wenigstens ein Verdienst auf sozialem Gebiet erworben. Daß solche möglich ist bei den heute durchschnittlich gezahlten hohen Löhnen kann nicht bestritten aber durch zahlreiche Beispiele erläutert werden.

* Stuttgart, 26. Juli. Aus bisher unbekannte«: Ur­sache entgleiste gestern sbend 5 Uhr 40 Min. gegenüber dem Karlshof ein Zug der Filderbahn. Der Heizer wie der Lokomotivführer trugen lebensgefährliche Verletzungen davon; außerdem wurden nach der Schilderung eines Mit­reisenden 18 Fahrgäste durch Glassplitter und herabstürzende Gepäckstücke mehr oder minder verletzt. Der Unfall erfolgte auf ebener Strecke, an der gleichen Stelle, wo schon einmal ein Unglück passierte. Der aus der Lokomotive, einem Personen- und einem Güterwagen bestehende Zug wurde vollständig umgeworfen.