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Amts- und Anzeigeblatt

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für den Oberamtsbezirk Calw.

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Freitag, den 19. Januar 1912.

87. Jahrgang.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung,

betreffend die Reichstags-Stichwahl.

Angesichts verschiedener Anfragen sieht sich das Ober­amt veranlaßt, nachstehendes zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.

Nach K 7 Abs. 2 des Reichstagswahlgesetzes darf jeder Wahlberechtigte nur an einem Orte wählen.

Wer also bei der Hauptwahl am 12. Zanuar d. Zs. a u ß c r h a l b des 7. Wahlkreises von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. darf auch bei der engeren Wahl am 22. d. Mts. im 7. Wahlkreis nicht wählen. Wer es dennoch versuchen sollte, sein Wahlrecht an mehreren Orten auszuüben, setzt sich der Gefahr aus, wegen Wahl­fälschung im Sinne des 8 108 Abs. 2 des St.E.B. in Untersuchung gezogen und neben dem Verlust der bür­gerlichen Ehrenrechte mit Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft zu werden.

Den 18. Januar 1912.

Regierungsrat Binder.

Stadt und Bezirk.

Vom Rathaus.

(Oefsentliche Sitzung des Eemeinderats unter dem Vorsitz von Herrn Stadtschultheiß Conz am Don­nerstag, 18. Januar, von nachmittags 4 Uhr ab.)

Der Verkauf der Gundertschen und Nonnenmacher- schen Scheuer auf Abbruch an Herrn Bauwerkmeister Alber wurde vom Eemeinderat genehmigt. Herr Alber gibt 450 Ul für den Abbruch des elfteren Gebäudes. Ein kleiner Abort neben dem Gebäude wurde unter Vorbehalt gleichfalls an Herrn Alber zum Abbruch gegeben und zwar für 11 Ul, während Herr Alber für die Hütte 550 auf dem Nonnenmacher- schen Grundstück 16 Ul bezahlt. Der Krankenhaus- zufahrtsweg wird jetzt in Angriff genommen; Stadt­schultheiß Conz erwähnte, daß der Weg noch ge­nauer ausgesteckt werde und daß beim Uebergang über die Althengstetter Steige eine erhebliche Visier­veränderung dieser Steige vorgenommen werden müsse. Auch sonst werden noch Ärbeiten notwendig, an deren Kosten auch die Amtskörperschaft beteiligt sein wird. Es handelt sich um das Beseitigen des Pflasters, wo die Auffahrt zum Gundertschen An­wesen beginnt. Der K. E e w e r b e o b e r s ch u l-

r a l hat als Kostenbeitrag zur hiesigen Gewerbeschule 1431,81 Ul, die Hälfte des Defizits, übernommen.

! Auch die neufestgesetzte Regelung der Eewerbeschulgel- der genehmigte der Eewerbeoberschulrat. Vorläufig zur Kenntnis brachte der Vorsitzende einen Erlaß des Ev. Oberschulrats über die Verhältnisse an der Mittelschule hier und die Anstellungsverhält­nisse von Fräulein Braun. Im Sommer verflos­senen Jahres wurden in der Angelegenheit bereits Beratungen gepflogen. Der Oberschulrat schlägt zwei Wege zur Regelung vor: Ein achtes Schuljahr in aller Form einzuführen. Hiezu würde dann tre­ten ein Jahr Fortbildungsschule als neuntes Jahr. Der zweite Weg soll sein: Die formelle Einführung eines achten Schuljahres unterbleibt; dagegen wer­den die Schuljahre 4 und 5 und 6 und 7 je zu einer Klasse vereinigt. Zweijähriger Fortbildungsschul­unterricht würde sich anschließen. Es dürfte nach Auffassung des Oberschulrats dem zweiten Weg der Vorzug zu geben sein, weil die Mädchen dann schon im vierten Schuljahr den Unterricht der Mittel­schule genießen würden. Die Fachlehrerin würde in die ihren bisherigen Bezügen entsprechende Gehalts­stufe einzusetzen sein, wozu noch das einer ständigen Fachlehrerin zustehende Wohnungsgeld und die Zu­lage als Mittelschullehrerin käme. Aus der ziem­lich eingehenden Debatte, die z. T. rein persönliche Angelegenheiten von Fräulein Braun berührte, ist hervorzuheben, daß ER. Stauden meyer warm dafür eintrat, daß genannte Lehrerin ständig ge­macht wird, schon im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit des Fräuleins an der hiesigen Schule. Im übrigen sprach aus den Worten der Debatteredner ein ernsthafter Wille, die Mittelschule nach Kräf­ten zu heben. Der Erlaß wurde zur Kenntnis ge­nommen. Ein Gesuch von Herrn Drogist Lütt­st a m m e r um Genehmigung von Spirituosen- und Südweinverkauf unter zwei Litern wird vom Ee­meinderat mit der Verneinung der Bedürfnisfrage abgelehnt und in diesem Sinne wird das Gesuch an das Oberamt weitergegeben werden. Genehmigt wurde die vorgeschlagene Verteilung der Zinsen aus einer 400-Gulden-Stiftung. Teilweise trübe Seiten aus den Aufgaben einer Gemeindeverwaltung wur­den aufgedeckt anläßlich der Beratung der O r ts- arm enb eh örde über Armensachen. Was da alles an Verpflichtungen einer Gemeinde aufgeladen wird, die ihre d. h. ihrer Bürger Gelder, schon an

sich Zusammenhalten muß es ist unglaublich. Stadtsch. Conz verlas mehrere Namen, deren Trä­ger sich nur allzu leicht ihrer Verpflichtung, ihren Kindern Lebensunterhalt zu verschaffen, entziehen: da, die Stadt soll zahlen! Am meisten Mißmut er­regte im Kollegium die Mitteilung des Vorsitzenden, daß z. B. der Taglöhner Wohlleber an 104 .kl, die er für Lebensunterhalt seiner Kinder hätte auf­zubringen gehabt, noch Uber 90 -K dem Stadtsäckel zur Bereinigung überlassen werde. Aber auch sonst sind die von der Gemeinde aufzubringenden Unter­haltsgelder nicht gering; so läuft eine Summe von über 70 Ul unter dieser Rubrik. Sehr geklagt wurde über das Fehlen von Stiefeln für die in der Wanderarbeitsstätte Unterkunft suchenden Reisen­den. Die sonstigenLieferanten", verschiedene In­fanterieregimente!, haben scheints versagt (vielleicht aus Sparsamkeitsgründen) und bei den übrigen Stiefelhandlungen sind für diese Zwecke auch keine aufzutreiben. (Hat vielleicht dieser oder jener unse­rer Leser ein Paar tüchtige Stiefel für den guten Zweck übrig?) Einer Witwe wird eine wöchent­liche Unterstützung von 3 ^ zugebilligt; einem Kon­firmanden 40 Ul; usw. usw. Damit waren die Be­ratungen der Ortsarmenbehörde, denen auch Herr Dekan Roos anwohnte, erledigt. Eine längere Besprechung ruft die Angelegenheit der Erbreiterung eines Stücks der Zufahrtsstraße zum neuen Kran­kenhaus hervor. Das betreffende, zur Erbreiterung notwendige Stück gehört zu den Grundstücken des Herrn Gärtners Mast, welcher zu derVerhandlung ge­laden und erschienen war. Vom Herrn Stadtschult­heißen und verschiedenen Eemeinderäten wurde der Preis, den Herr Mast für die Strecke fordert, zu hoch gefunden. Es handelt sich um eine Fläche von 6090 n"l. Herr Mast will den <,,u mit 7 ^ bezahlt haben, Bäume kämen nicht in Betracht. Die Eemeinderarsmitglieder bieten 6 für 1 >,,n; Herr Mast geht schließlich darauf ein. Der alte Vertrag wird in seinen entsprechenden Abschnitten geändert: Das zur Erbreiterung des Krankenhaus- zufahrlsweges auf 7 Meter erforderliche Gelände geht von Herrn Mast in den Besitz der Stadt zu 6 Ul für 1 über. Die Stelle der or­dentlichen Stellvertretung des Ortsvorstandes hat bisher Herr Kaufmann Georgii innegehabt. Herr Eeorgii möchte, nachdem er nun zwei Jahre den Posten versehen hat, diesen abgeben. Er dankt so-

Dje Dame im Peh.

24)"' Kriminalroman von G. W. Applcion.

l^oriseyung.)

Ich kam zu dem Schluß, weiter keine Nachfor­schungen anzustellen, sondern ruhig die Ankunft des Inspektors abzuwarten. Unser Frühstück war an diesem Morgen nur sehr provisorisch und verlief totenstill. Unsere Blicke waren immer auf den lee­ren Platz an unserem Tische gerichtet, und als sie sich unwillkürlich begegneten, drückten sie unseren gemeinschaftlichen Kummer beredter aus, als es Worte vermocht hätten. Während uns Mary Ann bediente, schien sie auf weitere Fragen nach Mar­cellas Verschwinden zu warten. Wir taten ihr die­sen Gefallen jedoch nicht, zeigten auch keinerlei Groll gegen sie, Helen behandelte sie, wie ich bemerkte, im Gegenteil sogar außerordentlich freundlich.

Mortimer und Beale kamen mit demselben Zuge, und ich erzählte ihnen sofort die ganze Geschichte. Aber keiner von den beiden schien sonderlich über­rascht.

Sie sehen, sagte der Inspektor, meine Befürchtun­gen haben sich bewahrheitet. Nun wissen Sie, mit welcher Art Leuten Sie es zu tun haben. Sie schrecken vor nichts zurück, um ihr Ziel zu erreichen.

Das stimmt, erwiderte ich. Aber was ist nun in

! der Sache selbst zu tun? Ich fühlte mich für die ! Sicherheit der Dame persönlich verantwortlich.

: .Oh, versetzte er lächelnd, darüber brauchen Sie ! sich nicht zu beunruhigen; sie befindet sich bestimmt in Sicherheit. Sie ist ein sehr wertvoller Besitz, diese Dame, und es wird Sie ein schweres Stück Arbeit tosten, sie den Klauen Ihrer Feinde zu ent­reißen. Sie repräsentiert meiner Meinung nach einen Haufen Geld und wird dafür als sicheres Pfand festgehalten werden.

Aber, sagte ich, es sollte doch ganz unmöglich sein, ein Weib in dieser Weise direkt unter den Augen der Polizei fortzuzaubern, wie es hier der Fall gewesen ist.

Wie? Was? Die Polizei konnte keine Handbreit sehen bei dem Nebel in der vergangenen Nacht, und es war absolut nicht schwer, sie wegzuschaffen, nach­dem Sie als Arzt und Ihre Schwester sich hatten vergiften lassen. Und damit komme ich auf den springenden Punkt. Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels muß, wenn es überhaupt einen gibt, hier im Hause zu finden sein. Vor allen Dingen muß ich Ihr Dienstmädchen ins Verhör nehmen. Weiß sie schon von Ihrem Verdacht?

Ei, Gott behüte! Wir haben so getan, als ob wir ihren Versicherungen vollkommen Glauben schenkten, versetzte ich. Mir schien es so am besten.

Schön! Wo könnte ich sie denn mal allein spre­chen?

Helen schlug das Eßzimmer vor, weil die tren­nende Schiebetüre gerade geschlossen war. Sie ge­leitete den Inspektor dortihn, klingelte dem Mäd­chen und ließ die beiden dann allein.

Es verging annähernd eine Vietelstunde, ehe er znrückkam. Ich bemerkte sofort an seinem Gesicht, daß die Unterredung ergebnislos verlaufen war.

Ich kann nichts aus ihr herausbringen, sagte er. Sie weicht keinen Zoll breit von der Erklärung ab, die sie Ihnen gegeben hat. Ich habe alle Stränge mit ihr aufgezogen. Ich bin fest überzeugt, daß sie lügt. Das werden wir bald sehen, fügte er im Flüstertöne hinzu, sie wird wahrscheinlich zu fliehen versuchen ich werde sie aber nicht aus dem Gesicht verlieren lassen. Ich habe einen Mann drau­ßen stehen, der dafür sorgen wird. Nun, Herr Dok­tor, fuhr er wieder lauter fort, wollen wir einen kleinen Spaziergang in die Stadt machen, wenn es Ihnen recht ist.

Sehr gerne, antwortete ich. Und was gedenkst du zu tun, Mortimer?

Oh, ich werde die Zeit schon hinbringen, sagte er; ich werde mich Helens annehmen, während du weg bist. Ich habe sowieso was mit ihr zu besprechen.

Diese Worte überraschten mich zwar einiger­maßen, doch erwiderte ich nichts, sondern folgte dem Inspektor nach dem Polizeibureau.

(Fortsetzung folgt.)