Jerusprechrr

Erscheint Dienstag Donnerst» Samstag und Sonntag mit der wSch. Beilage »Der Sonntags-

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Amtliches

Die zweite Dienstprüsung für Volksschullehrer haben u. a. bestanden: Ernst Schußler, Lehrgehilfe in Calw, Christian Knapp Seminarunterlehrer in Nagold.

^ Das WerchsLagswaHLrecHL.

(Nachdruck verboten.)

Bon der Notwendigkeit der Bekämpfung der revo­lutionären Sozialdemokratie sind die bürgerlichen Parteien aller Schattierungen gleichermaßen durchdrungen, Meinungs­verschiedenheiten bestehen uur über Wahl und Zulässigkeit der Mittel, die in dem Kampfe zur Anwendung zu gelangen haben. Mit Recht wird namentlich auf die Gefahr der hoch gestiegenen Zahl sozialdemokratischer Reichstagsmandale htn- gewicsen. Nun har zwar die Zunahme sozialdemokratischer Abgeordneten bisher lediglich auf den Gang der Verhand­lungen, nicht aber auf die Richtung der Beschlüsse des Reichstags Einfluß auszuübeu vermocht; immerhm muß man die Eventualität ins Auge fassen, daß bei einem wei­teren Anschwelleu Ler Zahl sozialdemokratischer Reichstags- Mitglieder ernste Schwierigkeiten und Verwickelungen ent­stehen müßten. Deshalb muß man die sozialdemokratische Gefahr unausgesetzt und aufmerksam verfolgen, zumal die Frage angesichts der Vorbereitungen für den am 18. Sep­tember in Bremen zusammentretenden sozialdemokratische» Parteitag besonders nahe gerückt erscheint. Gestalten sich die Bremer Verhandlungen zu einem Abklatsch der Versamm­lungen in Dresden, was trotz der von der Parteileitung ge­übten Vorsicht sehr Wohl möglich ist, dann ist für das ge­samte Bürgertum aufs neue Anlaß zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit der revolutionären Partei geboten, für die im deutschen Reiche kein Raum vorhanden ist.

Die Frage der Bekämpfung der Sozialdemokratie ist aber seit den vorjährigen Reichstagswahlen und dem er­wähnten Dresdner Parteitage nicht mehr von der Tages­ordnung verschwunden. Seitdem es aussichtslos erscheint, ein neues Ausnahmegesetz nach Art des verflossenen So­zialistengesetzes durchzubringen, bemühen sich namentlich An­gehörige der konservativen Parteien um die Auffindung von Mitteln und Wegen zur Unschädlichmachung der roten Inter­nationale. Die zahlreichen Vorschläge, die bisher gemacht worden sind, bewegen sich fast ausschließlich in der Rich­tung einer Aenderurig des Reichswahlrechts. Das Prinzip der allgemeinen, geheimen und direkten Wahl, das Fürst Bismarck unter dem Druck der Behältnisse ausgenommen hatte, und das der erste Kanzler dann auch späterhin trotz mehrfach an ihn ergangener Gesuche nicht preisgebeu wollte, wird als die Ursache der arschwellenden Sozialistengefahr bezeichnet. Zu einem so idealen Wahlrecht, wie es nicht einmal die Vereinigte» Staaten von Nordamerika besitzen, so sagt man, fei das Volk nicht reif. Die geheime Wahl sei überdies etwas Unmoralisches; Jedermann müsse den Mut besitzen, offen zu sagen, wie er denke, und auch bei der Wahl öffentlich seine Stimme abgeben. Die für das aktive Wahlrecht festgesetzte Altersgrcnze von 25 Jahren müsse mindestens auf 30 Jahre erhöht werden. Unter vielen anderen Vorschlägen ist auch der wieder gemacht worden, die Reichstagswahl vollständig zu beseitige» und in den deut­schen Reichstag Mitglieder der buchesstaatlichen Landtage m entsprechender Zahl zu entsenden.

An eine Verwirklichung dieser und andrer Vorschläge ist nach Lage der Dinge in absehbarer Zeit nicht wohl zu denken. Das deutsche Bürgertum kann aber schließlich auch s>llec dieser künstlichen Mittel entraten, wenn es sich auf sich selbst besinnt und seiner eigenen Kraft vertraut. Es bedarf nur des festen Willens zum festen Zusammen­schluß aller bürgerlichen Elemente und der hohle Bau, den sozialdemokratische Agitatoren aufgerichtet haben, stürzt jämmerlich in sich zusammen. Wir zweifeln nicht daran, daß der nächste sozialdemokratische Parteitag in Bremen frischen Wind in die Segel der staatserhaltenden Parteien treiben wird, und daß die nachfolgenden Reichs­tagsersatzwahlen, gerade so wie es bei den in den ver­gangenen Monaten erfolgten der Fall war, mit bürgerlichen Siegen endrgen werden. Immer auf der Wacht, das muß die Losung sein. Wird sie befolgt, dann kann der Erfolg nicht ausbleiben. Es hieße doch, dem deutschen Volke ein unverdientes Armutszeugnis ausstellen, wollte man behaup­ten, dieses vermöchte aus eigener Kraft der sozialdemokra­tischen Gefahr nicht Herr zu werden.

Tagespolitik.

(Ein Mahnruf.) DieMg. Marine- und Handels­korrespondenz" bringt folgenden beherzigenswerten Mahn­ruf, der in maßgebenden Kreisen nicht »»gehört verhallen möge: Wie der Araberaufstand in Ostafrika im Jahre 1889

Sonntag. 24. Juli.

dazu gehörte, um die deutsche Volksvertretung zu einem energischen Handeln zu bringen, um überhaupt eine geord­nete Basis für die deutsche kolouialpolitische Verwaltungs­tätigkeit zu schaffen, so bedurfte es sitzt, nach 15 Jahren, des Aufstandes der Herero, um in das träge fließende Bäch­lein zwar sehr ordnungsmäßig schematisierter, aber im gan­zen herzlich unproduktiver Bureautechnik eine lebhaftere Strömung zu bringen. Gewonnen hat dadurch zunächst Deutsch-Oftafrika. Zu der Kalturtat der Bewilligung der Bahn Dar-es-SalaamMrogoro hätte der Reichstag sich kaum so einmütig aufgerafft, wenn nicht der Tropfen Kampf­blut unserer Altvordern, den man am Ende auch in den Adern der Reichsboten noch vermuten darf, aufgeregt wor­den wäre. Auch in Südwestafrika wird die Erkenntnis seiner Verwendbarkeit für Kulturzwecke sich Bahn brechen, und zwar desto schneller, je früher sich die Kolonial-Ver- waltunz entschließt, aus der gegenwärtigen Lage die Kon­sequenzen zu ziehen und dem Reichstag em durchgearbeitetes Programm vorzulegen, aus welchem ersichtlich ist, ob und was für Kolonialpolitik nicht Verwaltungspolitik, wir dort treiben wollen. Ans dem System der Behandlung von Fall zu Fall, dem Sichtreibenlassen, ohne selbst den Willen zur kolonialen Ausnutzung Südwestafrikas zu haben, ohne sich ein Programm dafür gebildet zu haben, ist der heutige Zustand geworden, in dem die Kolonie nach dem Ausdruck ^ eines mit den örtlichen Verhältnissen völlig vertrauten Ko- ! lonialkennersein großes Bezirkskommando, regiert von ! Schreibern" ist. Südwestafrika ist daher Beftedclungs-Ko- l lonie, in welcher Tausende von Ansiedlern von Viehzucht l und Landwirtschaft leben können. Wir können aber nicht darauf warten, bis genügend viele ehemalige Angehörige der Schutztruppe sich dort uiedergelasfen haben oder bis genügend viele Auswanderungslustige oder hier nicht er- > wünschte junge Leute, jeder mit lOOOOMk. bewaffnet, dort­hin gegangen sind. So hat noch kein Kolonialvolk eine Kolonie besiedelt. Die Beispiele, wie andere Völker so et­was anfaugen, besonders England, liegen jaHnahe genug. Wir verweisen hier auf Südafrika, besonders auf Austra­lien. Von den alten Sträflingskolonien ist natürlich hier nicht die Rede. Viktoria, Tasmanien, Südaustralien aber sind größtenteils dadurch zu ihrer Bevölkerung und Blüte gekommen, daß das Mutterland die Ansiedelung organisiert hat und daß dasselbe später, nachdem die Kolonien auf Selbstverwaltung basiert waren, durch die Kolonialregierung fortgesetzt wurde. Eiu großer T>.il der Ansiedler ist mit Kind und Kegel umsonst befördert worden. Jeder über 18 Jahre alte Ansiedler auch mehrere Glieder derselben Familie natürlich durften 1000 Acres Land auswählen. Der Kaufpreis betrug nominell 20 Mk. für den Acker (zwei Morgen), wurde aber auf 20 Jahre kreditiert. Alles Land, welches ln 20 Jahren unter geordnete Kultur gebracht wurde, war überhaupt umsonst, der Rest mußte bezahlt oder wieder abgegeben werden. Das Land wurde sofort nach der Auswahl durch Staatslandmesser vermessen und katastriert, der Ansiedler mußte es dann einfenzen. Jeden­falls ist jetzt die Frage aufzuwerfen: Was gedenkt die Ko­lonialverwaltung nach der Niederwerfung des Aufstandes zu tun? Wie will sie solchen Vorkommnisse» in Zukunft Vorbeugen? Soll das etwa durch eine enorme Schutz­truppe in einem leeren Lande geschehen oder wollen wir Südwestafrika endlich zu einer Kolonie machen, wollen wir durch eine organisierte, systematische Besiedelung nicht nur alle Aufstände unmöglich, sondern auch diesen wertvollen Kolonialbesitz ertragreich machen?

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* *

Im selben Augenblick, in dem Rußland seine brutale Hand auf unsere Postdampfer legt, bemüht man sich deutscherseits, ihm Liebesdienste zu erweisen. Es handelt sich um de» sogenannten Hochverratsprozeß in Königsberg. Vor den Gerichtsschrcmken dort steht eine Anzahl Sozialisten, die beschuldigt find, von Deutschland aus durch Flugblätter und sonstige Agitation das russische Volk gegen die rück­ständige Zareuwirtschaft aufgehetzt und den russischen Kaiser beleidigt zu haben. Deutschland spielt dabei eine merk­würdige Rolle. Denn hat man jemals gehört, daß ein russisches Gericht gegen jemand verhandelt hätte, der dem deutschen Kaiser oder seiner Regierung zu nahe trat? Ist es nicht schon dagewesen, daß drüben die Gerichte sogar ihre Hilfe verweigern, wenn es sich darum handelt, Betrüger und Bankerotteure zur Rechenschaft zn ziehen! Der deutsche Michel aber zeigt sich in Königsberg ohne Dank und Lohn als ergebener Diener der Kosaken. Seit Tagen ist das Ge­richt an der Arbeit, aus den von deu Angeklagten nach Rußland geschmuggelten Schriften ihre Schuld zu beweisen. Die angeklagten Sozialisten werden verteidigt durch die be­kannten sozialdemokratischen Rechtsanwälte Haase, Liebknecht

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angenommen.

1904

und Heinemann. Diese suchen mit großer Beredsamkeit die Anklage zu entkräften und nachzuweisen, daß die ver­dächtigen Stellen aus den russischen Schrifteu überhaupt falsch übersetzt seien.

Landesnachvichten.

* Aktensteig, 23. Juli. In den Fahrplanänderungen für den Winterdienst 1904/05 ist vorgesehen, daß auf der Bahn Nagold-Altensteig die Züge zu gleichen Zelten kursieren sollen, wie im letzten Winterhalbjahr, auch sollen in der Richt­ung vou Pforzheim und Stuttgart bezüglich deS letzten Zuges wieder die gleichen Anschlüsse eiugeführt werde». Diese Einrichtung hat bis jetzt zu keiner Bemängelung Anlaß gegeben, ein Zeichen, daß dem Verkehrs-Bedürfnis damit Genüge geschieht.

* Aliensteig, 23. Juli. Gegenwärtig weilt der Beirat der deutschen Talsperre-Gefellschaft, Herr H e mp el, anläßlich einer Urlaubsreife vorübergehend hier. Diese Gelegenheit will Herr Hempel benützen zur Orientierung darüber, ob tatsächlich bei Gemeinden, Werkbesitzern und sonstigen Inte­ressenten des oberen Nagoldtals Geneigtheit zur Ausführung der Talsperre vorhanden ist. Gestern abend versammelte sich nun im Gasthof zumgrünen Baum" auf Einladung des Gewerbevereinsausschusses eine Anzahl hiesiger Bürger um den Herrn Beirat zn einer gemeinsamen Beratung. Herr Hempel ist der Ansicht, daß das Projekt Wohl nicht ver­wirklicht werden könne, wenn man wünsche, daß es der Staat zur Ausführung bringe. Eine andere Gestalt nehme die Sache an, wenn sich die Interessenten zu einer Gruppe ver­einigten, die zunächst die Mittel für Ausarbeitung des Pro­jekts aufzubriugen und die Regierung für Unterstützung des Unternehmens zu gewinnen hätte. Der Regierung müsse man ein fertiges Projekt zur Prüfung Vorleger« können, in dem alle erforderlichen Einzelheiten über Rentabilität, tech­nische Ausführungsmöglichkeit, wirtschaftliches Bedürfnis rc. genau spezifiziert find. Man bedürfe der Mithilfe des Staats tu materieller und gesetzgeberischer Hinsicht. Wenn dann das Projekt zur Ausführung komme, könnten die ausgelegten Kosten für die Vorarbeiten zurückerstottet werden. Vor allem sei also ein energisches Vor­gehen einzuleiten. Herr Hempel machte daun darauf aufmerksam, welche Vorteile die Talsperre für Alten­steig und Umgebung bieten würde; das ganze Erwerbsleben würde eine ganz andere aufstrebende Gestalt annehmen. Wenn man bedenke, daß unser Schwarzwald keine Stein­kohle habe, daß die Industrie die Kohle aus Weiler Ferne herbeiführen müsse, und daß aus dem Wasserreichtum des Schwarzwalds ungezählte Kräfte zu gewinnen seien, so liege klar vor Augen, welch' immensen volkswirtschaftlichen Wert eine Talsperre in sich schließe. Zubern bedinge auch die Zu­nahme der Bevölkerung auf dem Schwarzwald, daß die natürlichen Hilfsmittel dem Erwerb dienstbar gemacht werden müßte». Zu wünschen wäre, daß sich Männer fin­den, welche die Angelegenheit tatkräftig in die Hand nehmen, dann würden sich auch Mittel und Wege finden, das pro­jektierte Unternehme» der Verwirklichung entgegenzuführen.

jf (8. 0.-8.) Stuttgart, 22. Jali. Trotz der enormen Sommerhitze nehmen die Protestversammlungen geaen die Kammer der Standesherren ihren Fortgang. Wo so­ziale Redner die Referenten find, werden kurzer Hand Reso­lutionen angenommen, welche nicht nur die Abschaffung der Ersten Kammer, sondern auch die einfache und ersatzlose Entfernung der Privilegierten aus der Kammer der Abge­ordneten fordern. Ni.bt viel gemäßigter fallen die Reso­lutionen aus in demokratischen Versammlungen, in deneu die verantwortlichen Führer der Bolkspartei fehlen. Letztere dagegen mahnen zur Vorsicht und verlaugen nur eine Re­form der Ersten Kammer, wie dies auch die Redner der Deutschen Partei tun. Neber die Frage, wie eine solche Re­form praktisch ausgeführt werden kann, herrscht aber noch keineswegs Klarheit und Uebereinstimmung. Während die Führer der Volkspartei behaupten, das Gesetz vom 1. Juli 1849, wodurch eine verfassunggebende Landes-Versammluug einberufeu wurde, die aber bekanntlich trotz wiederholter Versuche eine Verfassung zustande brachte, sei nicht erloschen, weist derSchwäbische Merkur" in 2 Artikeln nach, daß das erwähnte Gesetz tatsächlich durch eine verfassungsmäßige, also unanfechtbare kgl. Berordnuug definitiv und dauernd aufgehoben sei, was auch die Zweite Kammer durch Mehr­heitsbeschluß vom 26. Februar 1852 ausdrücklich aner­kannte. Durch Uebergang zur Tagesordnung über alle Pro­teste gegen Wiedereinführung der alten Verfassung hat dieselbe Mehrheit sogar das Beharren der 19köpfigeu Minderheit auf dem Gesetz vou 1849 für unvereinbar mit der Stellung eines Abgeordneten erklärt. Wäre jenes Gesetz nicht erloschen, so wären alle seit 1852 erlasfeuen Gesetze