Jeritsprecher Ar. 11.
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Tagespolitik. ;
Die Abordnung der südwestafnkamschen Ansiedler ! wird von unserem Kaiser nun doch in Kiel empfangen. ! Es handelt sich in den Wünschen dieser praktischen Leute bekanntlich darum, daß sie für den schweren Schaden, den ihnen der von ihnen nicht verschuldete Herero-Aufstand brachte, eine Entschädigung von Reichswegen wünschen. Es läßt sich natürlich in diesen Angelegenheiten nicht jede Einzelheit auf Heller und Pfennig berechnen, aber das ist auch nicht nötig. Das deutsche Reich kann und darf nicht feilschen, wenn es besondere Ausgaben hat. Die Ansiedler wären nie und nimmer nach Afrika gegangen, wenn sie nicht das Vertrauen gehabt hätten: „Im Notfall hilft das Reich Euch aus!" Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist wichtiger, als alles Andere. (Das heißt auf dem gleichen Standpunkt steht die Entschädigung der einstigen Ansiedler in den Boernstaaten durch England.) Wir haben auch noch daran zu denken, daß die Verwaltung einer überseeischen Kolonie sich nach deren praktischen Bedürfnissen richten muß. Die Ansiedler find einfache, keine studierten Leute. Aber — und darauf kommt es in diesem Fall an, die Ansiedler bebauen das Land, die gelehrten Herren schauen zu. Und wenn sie es am Besten meinen, sie bleiben Theoretiker, werden niemals Praktiker werden.
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H:
In Italien hat mau sich dieser Tage über die allgemeinen Kriegslasten der verschiedenen Staaten wieder sehr lebhaft unterhalten. Die Unterschiede in den Heeres-Aus- gaben find allerdings recht bedeutend. Italien gibt für feine Waffenrüstung jährlich 400, England 1200, Frankreich 1100, Deutschland 950 und Oesterreich 400 Millionen aus. In England sind die hohen Ausgaben durch die Flottenausgaoen beüingt, in den andern Staaten erklärt sich die Höhe und Tiefe der Ausgaben von selbst, aber Oesterreich-Ungarn nimmt mit seinem mäßigen Satz noch immer Wunder. Die Ursache liegt hier, wie bet so manchem Anderen an den Magyaren. Sie rechnen viel zu sehr auf die persönliche Tapferkeit. Dieser Glaube ist gewiß viel wert in einem Feldzüge, aber er ist nur zu sehr abhängig von der Vollkommenheit der eigenen Ausrüstung und von der Nichtvollkomwcnheit des Gegners. Daß man im letzteren Punkte sich täuschen, arg täuschen kann, hat Rußland im laufenden Kriege zu sehr erfahren. Gewiß wünscht Deutschland seinem treuesten Verbündeten das Allerbeste, aber wer nicht in den Schaden kommen will, hat sich vorzu- fehen, daS ist auch eine alte Geschichte, die schon mancker erprobt hat.
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In Italien gibt es eine Partei, welche darauf ausgeht, die italienisch sprechenden Bezirke Oesterreichs, Frankreichs und der Schweiz, vor alle»! aber Welschtirol, Trient und Triest, dem Königreich Italien anzugliedern. Diese Partei nennt sich die „Jrredenta", die Partei der Uner- löften, an Italien Nichtzurückgegebenrn. Wiederholt haben die Umtriebe der Jrredentisten das gute Verhältnis zwischen Oesterreich und Italien bis zur Kriegsgefahr getrübt. Die Dreibunds-Freundschaft litt dabei große Not. Jetzt ist der Jrredenta im eigenen Lande ein Gegner entstanden. Das find die Sozialisten, die in Italien eine große Macht bedeuten. Ihr Führer Euriko Fern weist jetzt gerade in der Presse auf die große Torheit hin, das Militärbudget a« allen Ecken und Enden beschneiden und trotzdem kriegerischen Erweiterungsplänen Italiens nachhängen zu wollen. Er sagt, das Ideal der Jrredentisten, die Zusammenfassung aller italienisch Sprechenden, würde von der sozialistischen Partei durchaus verworfen. Die Vergrößerung Italiens sei nur durch Krieg möglich, namentlich wenn es sich um Oesterreich handelte. Denn Oesterreich braucht das welsche Gebiet als Zugangspforte zum Mittelmeer. Triest sei der einzige große Hafen Oesterreichs und sein Besitz für das habsburgische Reich eme Lebensfrage. Triest habe unter österreichischer Herrschaft eine kommerzielle Blüte erreicht, welche Oesterreich niemals opfern würde. Die Verfolgung der irredentistischen Ziele könne nur zu ungeheuren Verlusten an Gut und Blut, zu militärischer und politischer Reaktion führen. Riccotti Garibaldi, der Sohn des Helden vcn Marsala, welcher der Dalai Lama der Jrredentisten ist, wird durch diese Stellungnahme der Sozialisten eines großen Anhangs beraubt.
Landesnachrrchren.
* Aichekverg, 27. Juni. Der landwirtschaftliche Bezirksverein Calw hält am Mittwoch, 29. Juni, 1*/z Uhr in der „Sonne" eine Versammlung, in der Landwirtschaftsinspektor Dr. Wacker aus Leonberg einen Vortrag über Wiesenkultur hält. Da hier selten Gelegenheit geboten ist, derartige
Dienstag. 28. Zuni.
Vorträge zu hören, dürfte der Besuch der Versammlung durch die Landwirte von hier und Umgebung ein sehr starker werden.
* Stuttgart, 24. Juni. Der Landjäger Blanz, der am 3. Juni in Jngelfingen eine Frau infolge fahrlässiger Handhabung seines Dienstgewehrs durch eineu Schuß in das Herz getötet hat, wurde heute dafür von der Strafkammer zu 1 Jahr und 4 Monaten Gefängnis verurteilt.
Stuttgart. 26. Juni. Der Verband der Inhaber des Eisernen Kreuzes im Königreich Württemberg hielt heute im Bürgermuseum seine jährliche Generalversammlung ab. Der I. Vorsitzende, Reichsvankbeamter Karl Witte- Stuttgart, erstattete den Rechenschaftsbericht, wonach der Verband im abgelaufeuen Geschäftsjahr Geldunterstützungen im Gesamtbetrag von 325 Mk. an 6 bedürftige Kameraden und 4 Witwen verstorbener Kameraden zur Verteilung bringen konnte. Der Verband zählt zur Zeit 107 Mitglieder, darunter 25 Offiziere. Die edelmütigen Bestrebungen des Verbands, denen durch die Zuwendungen des Königshauses tatkräftige Förderung zu teil wird, verdienen umsomehr Anerkennung, als den Veteranen von Seiten des Reichs keinerlei Beihilfe gewährt wird. Es wäre daher dringend zu wünschen, daß auch weitere Kreise den Verband in seinem Liebeswerk unterstützten.
* Göppingen, 24. Juni. Die heutige Protestversammlung der Volkspartei, Deutschen Partei, der Jungliberalen und Sozialdemokraten war etwa von 1000 Personen besucht. Redner waren Blumhardt, Jllig und Poehler, letzterer für die Deutsche Partei, außerdem ein weiterer sozialdemokratischer Vertreter, sowie ein Vertreter der Jungliberalen und Juug- demokraten. Alle Redner fanden stürmischen Beifall. Die Resolution, welche die Beseitigung des unzeitgemäßen Instituts der Kammer der Standesherren verlangt, wurde einstimmig angenommen.
* Wackrravg, 22. Juni. Bor einigen Tagen wurde ein hiesiger Einwohner, ein verheirateter Manu in mittleren Jahren, beim Rasieren ganz unbedeutend verletzt. Da sein Gesicht sofort in beängstigender Weise anschwoll, nahm er ärztliche Behandlung in Anspruch und wurde letzten Montag nach Stuttgart gebracht. Heute nacht ist er dort an Blutvergiftung gestorben.
* Mo« der Po«««, 24. Juni. Auch die ältesten Leute erinnern sich nicht, daß je einmal soviel Heu eingeführt und daß es in solch guter Qualität Angebracht werden konnte. Auf den Wiesen ist der Ztr. zu 1 Mk. bis 1 Mk. 20 Pfg. zu kaufen.
! * * IlkM, 22. Juni. Das Proviantamt läßt gegenwärtig
durch oie Oberämter.feststellen, welcher Vorrat von Weizen,
! Roggen und Hafer vom Monat August ab noch vorrätig sein wird, um diesen Vorrat dann auskaufen zu können.
! ff Iriedrichshafe«, 25. Juni. Bei der Witwe Koch - löffel in Britzenhofen wurden am Hellen Mittag ca. 800 Mk.
! im Spezereiladen gestohlen. Die zwei darin befindlichen ! Hunde wußte der freche Dieb hiaauszulockeu.
ss Aus München wird mitgeteilt, daß der Prinz-Regent Luitpold sich deshalb sträube, auf den Antrag, die bayerische Königswürde anzunehmen, einzugehen, weil die von dem unglücklichen König Ludwig stammenden und auf der königlichen Ctvilliste ruhenden Schulden noch zu groß seien. Man hatte längst angenommen, daß diese Schulden, dies. Z. eine stattliche Reihe von Millionen betrugen, getilgt seien, weil zu der sehr sparsamen Verwaltung der Civilliste noch die wesentlichen Eintrittsgelder hinznkämen, die für den Besuch der bayerischen, weltberühmten Königsschlösfer m Her- ren-Chiemsee, Neu-Schwaustein, Lindenhof bezahlt wurden. Allein es ist da vielfach vergessen, in welchem Klima und in welcher Höhenlage sich diese Schlösser befinde». Das rauhe Klima haust da ganz gewaltig, und die Eintrittsgelder genügen noch nicht einmal, die Unterhaltungskosten der Schlösser zu decken, geschweige denn die lastenden Schulden zu tilgen.
* Wenn man von den fortwährenden Weinschmier- Prozessen in der Mfakz liest, möchte mau schleunigst Abstinent werden. Den Rekord in der Weinpantscherei haben der 37 Jahre alte Weinkommissiouär Georg Wambsganns von Nußdorf und der 53 Jahre alte Großkaufmann Andreas gen. Karl Eisenhard von Landau erreicht. Sie werden beschuldigt, Wein hergestellt zu haben unter Verwendung von Glyzerin, Pottasche, Milchsäure, Weinsteinsäure, Tamarinden und Zuckerlösung. In der Gerichtsverhandlung wurde festgestellt, daß so, wie es in diesem Falle geschehen ist, noch nicht gepantscht wurde. Die Angeklagten leugneten, wobei einer die Schuld auf den andern schob. Während Wambsganns behauptete, daß er im Aufträge Eisenhardts gehandelt habe, versicherte dieser, zu der Schmiererei von Wambsganns verleitet worden zu sein. Das Urteil lautete gegen Eisenhardt auf eine Woche Gefängnis
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
1904
und 1000 Mk. Geldstrafe, gegen Wambsganns auf eine Woche Gefängnis und 100 Mark Geldstrafe. Der beschlagnahmte Wein (32,000 Liter, sowie 12 Halbstückfäsfer „Südwein", die noch in Ludwigshafeu liegen, wurden eingezogen.)
* Der Sohn wohlfituierrer Eltern in Mirmaseus studierte in München und verliebte sich dort in eine Werkmeisterstochter. Trotz des Widerstands seiner Eltern oerlobte er sich auch mit der Geliebten. Vor einigen Monaten begab sich der junge Mann spät nachts in seine Wohnung in der Georgenstraße, wurde aber, wie die Münchener N. Nachr. mitteilen, vor der Haustür von drei Männern gepackt und gewaltsam in eine bereit gehaltene Droschke gesetzt. Das Fuhrwerk fuhr in schnellstem Tempo zur Dachauerstraße, wo ein Automobil den jungen Mann und seine drei Begleiter aufnahm. Die Versuche des Studenten, zu schreien, wurden von den Entführern dadurch verhindert, daß sie ihm die Hand auf den Mund Preßten und ihn überhaupt derart festhielten, daß er sich nicht zu rühren vermochte. In rasendem Tempo ging die Fahrt die Nacht hindurch bis Neu-Ulm, wo ein Defekt zu« Aufenthalte zwang. Während der Chauffeur das Fahrzeug in Ordnung brachte, unternahm der Entführte einen Fluchtversuch; seine Begleiter holten ihn aber ein und oerbläueten ihn derart, daß er jeden weiteren Versuch, seine Freiheit zu gewinnen, aufgab. Die Entführer und der Student setzten ihre Fahrt hierauf per Bahn bis Pirmasens fort, wo es zwischen den Eltern und dem Sohne zu einer stürmischen Szene kam. Der Leser wird erraten, daß es die Eltern selbst waren, welche die gewaltsame Entführung ins Werk gesetzt hatte», um den Sohn au der Heirat mit der Werkmeisterstochter zu verhindern. Der junge Mann verblieb unter strengster Aufsicht iu seiner Vaterstadt und durfte nur unter scharfer Bewachung ausgeheu. Währenddessen hatte iu München das spurlose Verschwinden des Studenten Aufsehen erregt, und die trostlose Braut, die zuerst an einen Unfall dachte, kam schließlich auf den Gedanken, daß die Eltern des Studenten die Hand bei der dunklen Affäre im Spiel hätten. Ein Vertrauensmann wurde nach Pirmasens gesandt, dem es auch gelang, den Verschwundenen dort ausfindig zu machen und ihm bei günstiger Gelegenheit einen Zettel m die Hand zu drücken, durch den ihm mitgeteilt wurde, daß in nächster Nähe zn bestimmter Zeit ein Fahrrad zu seiner Flucht bereit gehalten werde. Dem Studenten gelang es, das Rad zu erreichen, und er und sein Begleiter fuhren davon, um einige Stationen von Pirmasens entfernt die Eisenbahn zu besteigen und nach Müuchen zurückzukehren. Diese geradezu romanhafte Eritsührungsgeschichte hätte nun keinerlei Folgen gehabt, da der jnnge Mann selbstverständlich seine eigenen Eltern nicht in Üngelegev- heiten bringen wollte. Als aber die Sache gelegentlich einer Beleidigungsklage zur Sprache kam, griff sie die Münchener Staatsanwaltschaft auf. Die Entführer wurden bereits ermittelt. Der Chauffeur, der das gemietete Automobil leitete, wird aber nicht unter Anklage gestellt werden, da er glaubwürdig versichert, mau habe ihm gegenüber behauptet, es handle sich darum, einen Geisteskranken fortzuschaffen.
* Leipzig. 22. Juni. Aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Firma Ged. Brehmer in Leipzig-Plagwitz stiftete der Inhaber derselben, Fr. Rehwoldt, für feine Beamten und Arbeiter 300 000 Mark. Es erhielt z. B. jeder Arbeiter für jedes Jahr, welches er bei der Firma beschäftigt war, 40 Mk. iu einem Sparkasseubuche ausgezahlt. Mehrere Jubilare, die von Anfang des Bestehens der Firma «»gehörten, erhielten außer 1000 Mk. noch ein besonderes Jubiläumsgeschenk von 1000 Mk., so daß für diese Geschenke allein 130000 Mk. zur Auszahlung kamen.
* 7*lerkt«, 24. Juni. Der „Reichsanzeiger" meldet: In der gestrigen Sitzung des Bundesrats wurde den Beschlüssen des Reichstags zum Entwurf eines Gesetzes wegen Aender- uug des Münz ges etz es die Zustimmung versagt. Annahme fanden die Reichstagsbeschlüsfe zu den Gesetzentwürfen zur Aenderung des Gesetzes über das Reichsschuldbuch und über die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft. Zustimmung fanden die Ausschußberichte der Resolution des Reichstags über die Lohnbeschäftiguug von Kindern im Haushalt sowie in der Landwirtschaft und deren Nebenbetrieben, ferner die Vorlage über die Anerkennung französischer Prüfungszeichen für Handfeuerwaffen und zu den Ueberstchten der Einnahmen und Ausgabe» der Schutzgebiete für die Rechnungsjahre 1900 bis 1902 und den hierzu gefaßten Rei'chstagsbeschlüssen.
* Merkt«, 24. Juni. Am 2. Juli werden 14 Offiziere und mobile Kompagnien der Eisenbahntruppeu nach Südwestafrika abgehe». Mit diesem Transporte wird zugleich eine beträchtliche Menge von Eisenbahnmaterial hinausge-