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Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag Mit der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast«.
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SonnLclg» 26. Zürn.
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Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
1904
Amtliches,
WM"' Diejenigen Mädchen evangelischer Konfession, welche an der Ende Juli d. Js. in Markgröningen ftatt- findeuden Aufnahmeprüfung teilnehrnen wollen, habe» ihre Bitten um Zulassung muer Darlegung des bisherigen Lebensganges und Verschluß der vorgeschriebeneu Zeugnisse spätestens bis 10. Juli d. Js. an das Evangelische Konsistorium in Stuttgart einzusenden. Bemerkt wird, Laß die Bildungszeit vier Jahre währt.
Tagespolitik.
Der Landtag, welcher Douuerstag geschlossen wurde, hat es iu der ersten Legislatur der Wahlperiode 1901—6 bis jetzt, d. h. in 31/2 Jahren, auf 235 Sitzungen gebracht, eine stattliche Anzahl. Wen« aber auch im Herbst Wohl noch einige Sitzungen auf ihr Konto kommen, so dürfte sie es doch nicht so weit bringen, als die erste Legislatur der Wahlperiode von 1885—1901, die es während ihrer allerdings» 4jährigen Dauer auf 360 Sitzungen brachte. Das war ein Rekord, der so bald nicht wird überflügelt werden. Ein Zufall will es, daß die gegenwärtige Legislatur und die erste von 1895—1901 es nach 3^ Jahren genau auf die gleiche Anzahl von Sitzungen gebracht haben : 234. Am Donnerstag wurde allerdings ganz unerwartet noch eine 235. Sitzung angehängt. Die nächste Legislaturperiode wird zu kurz sein — sie wird sich auf etwa 2 Jahre beschränke« müssen — um es auf eine so große Anzahl von Sitzungen zu bringen, als die gegenwärtige. Aber verhältnismäßig wird sie noch arbeitsreicher werden, vielleicht noch arbeitsreicher, als die erste Legislatur 1895—1901. Rechnet man doch damit, daß die im Herbst beginnenden Sitzungen mit etwa 2—Monatlicher Unterbrechung, während welcher in der Hauptsache die Finanzkommisstou den Etat 1905—7 vorzubereiten hat, sich 9 Monate hinziehen. Vielleicht wird die neue Legislatur, die außer dem Etat bekanntlich auch die Gemeindereform zu erledigen haben wird, sich noch dadurch in die württembergischeu Geschichtstafeln eingraben, daß die Berfassungsreform aus ihr hervorgeht. Wir sagen: Hoffenlich!
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Ueber die Bedeutung des Evangelischen Bundes spricht sich der Generalsuperintendent Kaftan in Kiel in der Evang.- lmh. Kirchenztg. in einem bemerkenswerten Aufsatze aus. Er sagt u. a,: Der Bund muß wesentlich eine politische Bereinigung werden, nicht als Begründer eines evangelischen Zentrums oder Schildknappe einer der bestehenden politischen Parteien, sondern als Förderer der religiös-sittlichen und evangelisch-kirchlichen Interessen in allen nicht ultramontanen Parteien bis zur Freis Volkspartci hin. Kaftan führt sodann die Grundsätze auf, über die eine Verständigung erfolgen müsse: die Unveräußerlichkeit der vom Protestantismus geforderten Staatshoheit gegenüber den kirchlichen Gemeinschaften, wirkliche Parität, Bolkskircke statt Staatskirche, staatliches Schulregimeut über die in der Regel konfessionellen Schulen. Der Bund müsse dahin wirken, daß seine Mitglieder, gleichviel welcher Partei-Angehörigkeit, ihre Kandidaten bei allen Wahlen auf die auti-ultramoutauen Grundsätze verpflichten. Auf diesen Wen werde der Bund durch die Entwicklung des öffentlichen Lebens gedrängt. Betrete er ihn nicht, so Verde er nur die Rolle der Schützenvereine vor 1870 spielen.
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Man redet davon, daß die Chinesen, wenn sie auf- geiüttelt werden, nicht bloß für unsere politische Macht, sondern auch für unsere Industrie verhängnisvoll werden. In China werde bald Fabrik an Fabrik entstehen, und der billige chinesische Kuli werde dem europäischen Arbeiter das Brot wegnehmen. Daran, so versichert ein Sachkenner, sei jedoch nicht zu denken, diese gelbe Gefahr existiere nicht. Den Chinesen fehle jeder Gemeinftun. Jeder denke nur an sich selbst. Wird irgendwo in China eine Fabrik gegründet, so wird einfach drauf los gewirtschaftet, die Betriebsgelder werden unterschlagen und die Arbeiter könne» zusehen, woher sie den Lohn bekommen. Kein Wunder, wenn die von chinesischen Behörden gegründeten 7 große Arsenale nicht vorwärts kommen können und mangels tüchtiger und ehrlicher Beamten krankhafte Treibhauspflanzen bleiben. Der chinesische Arbeiter ist der reine Automat; auf dem Fleck, wo man ihn hinsetzt, da bleibt er. Dabei ist er nur zu der niedrigsten Art mechanischer Arbeiten zu verwenden. Es fehlt ihm die Gabe, sich Neuerungen anzupassen, darum geht auch seine Arbeit nicht vorwärts. Wenn man sich die Arbeit ansieht, d. h. wie die Kulis trippelnd in kleinen Körben die Erde wegschaffen und nicht dazu zu bewegen sind, den Karren auf dem Schienweg zu benutzen, so kann Wohl im Ernste nicht davon die Rede sein, daß diese Arbeiter fähig sind, unseren Arbeitern Konkurrenz zu machen.
Allerdings kann die Leistungsfähigkeit der mongolische» Rasse gesteigert werde», wenn sie, wie es demnächst in der südafrikanischen Goldindustrie der Fall sein wird, uns wie es iu den Zinnminen der Straus-Settlements geschieht, unter scharfe Beaufsichtigung kommen. Ist das nicht der Fall, so würde der Kuli nur in stärkerem Maße dem Opinm- genuß und seinen, in der ganzen gelben Rasse verbreiteten, eckelhafteu, geschlechtlichen Lastern verfallen.
WrrvttenrbeirKifetzen Lrrrr-trrs.
Kammer der Abgeordneten.
* Stuttgart, 23. Juni. Ueber einige Eingaben um Befreiung alkoholfreier Getränke vou der Steuer wird zur Tagesordnung übergegangen. Ueber die Denkschrift des Landesverbandes der Wirte Württembergs zu den Bestimmungen des neuen Umgeldgesetzes berichtet Abgeordneter H a u ß m a n n-Balingen. Er will die allgemeine Frage der Abschaffung des Ümgrldes (der Abgabe für Weine durch die Wirte) heute nicht wieder aufrolleu und bittet, sich auf die einzelnen Wünsche der Wirte zu beschränken. Abgeordneter Reihling (Volkspartei) wünscht, daß zwecks gerechterer Verteilung der Steuer, wenigstens jeder, der Wein einlegt, zu einer Einlagesteuer herangezogeu wird. Abgeordneter Keil (Soz.) hält die Abschaffung des Umgeldes für ganz gut möglrch, wenn man bei einer weiteren Ausgestaltung der Steuerreform die Vermögenssteuer so festsetze, daß der Ausfall gedeckt werde. Er behalte sich die Stellung eines entsprechenden Antrages vor. Abgeordneter Hanß- m a n n-Balingen (Volksp.) wundert sich, daß Kerl seinen Antrag nicht m der Kommission eingebracht hat, sondern hier in der letzten Stunde damit hervortritt. Seine Vorschläge seien ja an sich richtig und verdienten, bei einer weiteren Ausgestaltung der Steuerreform in Betracht gezogen zu werde», aber man könne sich heute nicht darauf festlegen, so lange man nicht die Wirkung drS neues Strner- gesstzes übersehe. Finanzminister von Zeh er: Den Wirten seien wesentliche Erleichterungen gemacht worden, die in drei Jahren 344 000 Mark betragen. Die Steuer sei seit 1900 nicht weiter angewachsen. Sie betrage etwa 2 300 000 Mark. Ohne genügenden Ersatz könne man an eine Abschaffung des Umgeldes nicht denken. Abgeordneter i H artt m an n(Volksp.) spricht sich im Sinne desKeilschen Vorschlages aus.. Abgeordneter von Kiene (Zentr.) und Abgeordneter vou Geß (D. P.) halten die völlige Abschaffung des Umgeldes, das lediglich die Wirte belaste, für unmöglich, sind aber dafür, daß im Einzelnen Erleichterungen geschaffen werden. Abgeordneter Keil (Soz.) beantragt, die Regierung zu ersuchen, bei der weiteren Ausgestaltung der direkten Steuern die völlige Aufhebung des Umgeldes in Aussicht zu nehmen. Abgr ordneter Schäßler (Soz.) befürwortet diesen Antrag. Em Antrag Hauß- maun auf die Verweisung dieses Antrages an die Steuer- kommissirm wird abgelehnt, ebenso der Antrag selbst gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des größten Teiles der Bolkspartei. Die einzelnen Beschwerdepunkte der Denkschrift wurden alsdann, nachdem die Regierungsvertreter entgegenkommende Erklärungen abgegeben hatten, und mit Rücksicht auf Verfügungen der Regierung nach dieser Richtung für erledigt erklärt. Angenommen wurde ein Antrag der Kommission, die Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfs zur Abänderung der durch das Gesetz vom 4. Juli 1900 geschaffenen unverhältnismäßigeu Belastung des billigen Weines zu ersuchen. Dagegen wurde ein Antrag des Zentrums abgelehnt, der die Regiernntz anffordern will, im Bundesrat auf Abänderung des Zollvereinsvertrages hiuzuwirkev, durch den der Höchstsatz des Umgeldes auf l l pCt. des Erlöses von dem ausgescheakten Wein festgesetzt ist. In einer zweiten, sich unmittelvar anschließenden Sitzung wurden alsdann noch die abweichenden Beschlüsse der Kammer der Standesherren zu dem Gesetz über den Leibgedings- vertrag erledigt. Es wurde den Beschlüssen der Ersten Kammer bei den noch vorhandenen drei Abweichungen zugestimmt, darauf wurde das Königliche Reskript verlesen, demzufolge der Landtag vertagt und der Ständische Ausschuß mit der Leitung der Geschäfte betraut wird. Von einer Geschäftsübersicht sah der Präsident mit Rücksicht ans die Kürze dieser Tagung ab. Er schloß mit dem Wunsche, daß alle Abgeordneten im Herbst frisch gestärkt wiederkehreu mögen.
Lcrndesnachrichten.
* Ein hübscher Spaß trug sich Donnerstag vormittag in Köfer» zu, von dem die Insassen des Zuges 659 Zeuge sein konnten. Ein langjähriger Kurgast, Herr 0 . M. aus Stuttgart, war wieder emgetroffen und ließ sich und seine Kinder, denen dies eine Ueberraschung sein sollte, durch
einen mit zwei Kühen bespannten Landauer an der Bahn abholen. Die Muh waren mit Rosen geschmückt und der Kutscher trug Livree. Für den kurzen Weg nach dem „Ochsen" genügte die Schnelligkeit des Gespanns vollkommen.
* (Strafkammer Möingerr.) Schmiedmeister Bihler in Pfrondorf, OA. Nagold, hatte seine Stelle als Kassier des Darlehenskasseuvereins medergelegt. Anläßlich der Uebergabe der Kasse an den neuen Rechner fand Revision statt, wobei sich neben anderen Unregelmäßigkeiten herausstellte. daß Bihler 500 Mk. aus der vou ihm verwalteten Kasse als angeblichen „Kredit auf laufende Rechnung" für sich verwendet hatte. Bihler war geständig, er machte geltend, daß sewe Handlung blos eine Kreditüberschreitung sei, die auch bei anderen Mitgliedern vorkomme. Es ließ sich die Rechtswidrigkeit nicht Nachweisen, worauf Bihler frei- gesprochen wurde.
* Die Güviuger Strafkammer verurteilte den ledigen Bäckergesellen Karl Fr. Schieber von Ernftmühl wegen Erpressung zu 10 Monaten Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust. Derselbe hat in der Nacht zum 2. Mai vor dem Hause des Freifräulein vou Gemmingen in Hirsau die Glocke gezogen und gerufen: „Ihr Geld will ich, wir find fünf Kerls, wir haben das Haus umstellt, wenn Sie nicht Geld hergeben, schlagen wir die Türe ein, dann sind Sie verloren, wir haben Revolver." Durch diese Drohung geäng- stigt, warf Fräulein von Gemmingcn ei« Mark-Stück zum Fenster hinaus, das der Strolch aufhob und das Weite juchte. —
* Hfterdiuge«, 24. Juni. Eine schreckliche Tat setzte heute morgen die Gemüter in Aufregung. Die 24jährige Luise Maier, ein braves Mädchen, ist auf dem Felde, zwischen dem Walde und der Steinlach, ganz in der Nähe des Ortes, unfern der Sägmühle, wo sie mit Kartoffelhackeu beschäftigt w^r, von einem vagicrenden Stromer überfallen und so schwer verletzt worden, daß ein Wiederaufkommen vollständig ausgeschlossen ist. In der Nähe des Tatortes war zur betr. Zeit niemand anwesend, so daß der Mord- bube ungestört sein Verbrechen begehen konnte. Er suchte das Mädchen zu vergewaltigen, dieses setzt- sich zur Wehr und in dem nun folgenden Kampf versuchte der Unmensch, seinem Opfer den Hals zu dnrchschueideu. Er brachte ihr dabei einen sehr tiefen Schnitt in den Hals bei, der den Tod des unglücklichen Mädchens wahrscheinlich zur Folge haben wird. Auf die Angstrufe des Mädchens flüchtete der Mörder in den nahe 1 Wald, die sogen. Eichhalde; hiesige Bürger nahmen sofort seine Verfolgung auf, ob sie von Erfolg gekrönt sein wird, konnte noch nicht festgestellt wer-
i den, da die Verfolger bis jetzt noch nicht zurückgckchrt find.
I Sämtliche Landjägerstationen der Umgebung wurden sofort
! von der grauenhaften Tat in Kenntnis gesetzt und beteiligten sich an der Verfolgung des Täters, so daß man hoffen kann, daß er bald dingfest gemacht wird. Vis zur Stunde lebt das arme Mädchen noch, doch ist, wie gesagt, ihr Zustand hoffnungslos.
* Hlerrtkivgert, 22. Juni. Eine Dampfwalze rannte gestern abend 5^ Uhr in der Rennwieseugasse einen eisernen Brunnen um. Da die Bremse versagte, fuhr die Maschine in das Haus von Johannes Merk und riß die ganze Vorderfront eiu. Durch einen Betonsockel wurde sie dort aufgehalten und zum Stehen gebracht. Der Schaden an dem Hause ist bedeutend.
* Stuttgart, 23. Juni. Die Finauzkommission der Abgeordnetenkammer hielt gestern ihre letzte Sitzung vor der Vertagung des Landtages über die Theatervorlage. Die Kommission beschränkte sich daraus, in einer Resolution die bereits früher mitgeteilten Beschlüsse nochmals festzulegen. Sie anerkennt die Baupflicht des» Staates für ein Theater im Umfang des abgebrannten. Sie ist prinzipiell für eiu Theater, will aber der Zivilliste die Möglichkett, in zwei Theatern zu spielen, offen lassen und erklärt sich aus diesem Grunde gegen ein sogenanntes Kompromistheater. Sie ersucht die Regierung, neben den Projekten eines Doppeltheaters auf dem Waisenhausplatz auch noch andere Projekte vorzulegen und womöglich von der Stadtgemeinde Stuttgart eine Erklärung über einen Beitrag zu de» Kosten zu erlangen.
* Stuttgart, 23. Juni. In der Kammer der Staudesherren mußte man sich noch einmal mit dem Gesetz betr. Waffengebrauch der Landjäger nnd zwar mit dem vou der zweiten Kammer angenommenen Antrag beschäftigen, wonach auf fliehende verhaftete Personen, die sich nnr einer Ueber- tretung schuldig gemacht haben, nicht geschossen werden darf. Berichterstatter Geh. Rat v. Heß bezeichnet? den vom anderen Hause gefaßten Beschluß als unerwünscht und unpraktisch, meinte aber, mau könne ihn schließlich annehmen unter der