Jernsprecher Ar. 11.

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Donnerstag. 16. Juni.

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1904.

Amtliches.

(Schwurgericht Tübingen.) Als Ergänzungsgeschworene wurden u. a. gezogen: Darlehenskassier Rath in Egenhausen und Haisch, Müller in Liebenzell.

Zur Ablehnung des Bolksschulgesetzes

Aus Stuttgart wird derN.-Ztg." von sehr ge­schätzter Seite geschrieben: In dem Artikel desMerkur" über dasMäusleiu", das die Volksschuluovelle nach der Ansicht Vieler darftellt, und das den Standesherren doch als ein fürchterliches Ungetüm erschien, ist die Hindeutung Wohl die Hauptsache, daß man nun vermutlich die Ber- fassungsreform an einem anderen Trumm anfassen werde: nicht die Umgestaltung der zweiten Kammer erweist sich als dringlichste Forderung, sondern die der ersten. Mit der Abgeordnetenkammer kann man sogar in ihrer jetzigen Zu­sammensetzung sehr maßvolle und staatsmännische Arbeit liefern; mit den Standesherren ist jede Reform unmöglich, sobald sie gegen die Interessen der katholischen Kirche oder den Standpunkt des Zentrums läuft oder zu laufen scheint. Es fragt sich nun, wie denhohen Herren" Leizukommen ist. So lange man die Kammer der Standesherren als verfassungsmäßige Körperschaft anerkennt, ist ihr Widerstand nicht zu brechen. Sie hat das Recht, zu allem Nein zu sagen, was ihr nicht paßt, und die anderen Faktoren der Gesetzgebung müssen sich damit abfinden. Ganz anders steht die Sache, wenn man die Gesetzlichkeit der Kammer selbst bestreitet. Hiefür fehlt cs an Anhaltspunkten nicht. Wir ziehen die württembergische Geschichte des Archivrats Dr. Schneider (Stuttgart, Metzler, 1896) S. 527 ff. za Rate uud finden hier, daß in Württemberg im Jahre 1849, am 1. Juli, ein Wahlgesetz erlassen wurde, das nur noch eine Kammer kannte. Diese Kammer sollte eine neue Ver­fassung zustande bringen; ehe sie dies getan hatte, war ihre Aufgabe nicht erfüllt, ihre Auflösung also unstatthaft. Sie war im besten Zug, ihren Zweck zu erfüllen, als das Ministerium des Freiherrn v. Linden von ihr einen Rüstungs­kredit verlangte, nn Oktober 1850, um gegen Preußen mobil zu machen; Oesterreich drang darauf, uud König Wilhelm sprach in Bregenz vor Kaiser Franz Joseph das Wort:als alter Soldat folge ich dem Ruf des Kaisers, wohin es auch sei! Es lebe der Kaiser!" (Nämlich der habsburgische, nicht der Hohenzoller!I) Die Kammer (ge­nanntLandesversammlung") lehnte aber am 6. November 1850 die Forderung ab, weil sie nicht begründet sei. Nun löste der Minister die Kammer einfach auf. und durch königliche Verordnung wurde der frühere Zustand, die Ver­fassung von 1819 mit ihren beiden Kammern hergeftellt. D:e Opposition hat damals und immer behauptet, dies sei ein Staatsstreich, dem alle rechtliche Giltigkeit fehle. Die Gerichte gaben allerdings der Regierung recht; aber ob sie das Richtige trafen? Wie man sicht, hätten die Herren in der ersten Kammer allen Grund, das Bolksbewußlseiu etwas weniger zu reizen, als sie es getan haben; sonst könnten die Toten von 1850 auferstehen!

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Wie in Zeutrumsblättern die Fachschulaufficht im Hauptamt mit andern noch absolut nicht spruchreifen Fragen verquickt wird, davon liefert derH. B." ein drastisches Beispiel. Er schreibt: Großes Befremden hat überall der Beschluß der Königsberger deutschen Lehrerversammlung heroorgerufen, nach welchem für alle Volksschullehrer in Zukunft Uuiversitätsbilduug verlangt wird. Das fehlte ge­rade noch, daß unsere A-B-C Schützen künftig von Volks- schulp rofessoren und -Präzeptoren unterrichtet wer­den! Gingen wirklich die Aspirationen des Lehrerstandes auf Univerfitätsbildung in Erfüllung, dann müßten künftig sei es von den Gemeinden, sei es vom Staat. für akademisch gebildete Volksschullehrer Summen aufgebracht werden, die sich auf viele Millionen belaufen, so daß selbst demSchwab. Merkur" die Sache zu bunt wird und er schreibt:Glaubt man wirklich, daß das deutsche Volkreich genug sei, um für die vielen Tausende von Volksschullehrern, deren es bedarsi die Kosten wohlgemerkt aus Privat­mitteln aufzubringen." Mit Beseitigung der geistlichen Volksschulaufsicht fängt man an und mit der Univerfitäts- bilduug der Bolkssch ullehrer hört man auf das Volk wird sich das merken I

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(Unsere Standesherren.) Es erscheint wertvoll zu wissen, aus welchen Herren sich unsere Erste Kammer rekrutiert, die gegen die Schulnovelle, welche die Regierung eingebracht hat, gestimmt haben. Es sind dies folgende 13 Herren: 1. Fürst zu Fürstenberg, preußischer Ritt­meister, österreichischer Oberleutnant der Reserve, Mit­glied des preußischen, badische» und österreichischen Herrenhauses, wohnhaft in Donaueschingen in Bade«.

2. Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein und Jagstberg, Mitglied des bayerischen Herrenhauses, wohnhaft nominell in Württemberg. 3. Fürst zu Oettingen-Wällerstein, baye­rischer Reichsrat, wohnhaft zu Wallerstein in Bayern. 4. Fürst von Thurn und Taxis, Mitglied des preußi­sche», bayerischen und österreichische« Herrenhauses wohnhaft in Regensburg in Bayer». 5. Fürst zu Löwen- stein-Wertheim-Rosenberg (vertreten durch den Erbprinzen zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Referent für die Schul­vorlage) bayerisches Herrruhausmitglied, wohnhaft zu Kleinheubach in Bayern. 6. Fürst von Waldburg Wolf- egg-Waldsee. (Dieser Vertreter wohnt nominell in Württem­berg; seine militärischen und politischen Beziehungen zum Ausland sind nicht genau bekannt.) 7. Fürst von Wald- burg-Zeil-Trauchburg, bayerisches Herrenhausmitglied, wohnhaft nominell in Württemberg. 8. Fürst zu Windisch- krätz, Erbstallmeister von Steiermark, Präsident des österreichische« Herrenhauses, österreichischer Wirk­licher Geheimer Rat, österreichischer Ministerpräsident a. D., kaiserlicher und königlicher Landwehrhauptmanu, wohnhaft in Wien, Prag uud Tachau (Oesterreich) 9. Graf von Königsegg-Aulendorf. (Von ihm gilt dasselbe wie von Nr. 6.) 10. Fürst Quadt zu Mykradt und Jsny, bayerischer Oberst ä 1a auito und Flügeladjutant des Königs von Bayern, wohnhaft in Jsny und München. 11. Graf von Schaesberg-Taunheim. (Wohnsitz und aus­ländische Beziehungen sind nicht bekannt.) Graf Bentick und Waldeck-Limvurg, königlicher großbrittannischer Legationssekretär z. D., wohnhaft Schloß Weldam, Hol­land. 13. Graf von Neipperg. (Von ihm gilt dasselbe wie von Nr. 6. Wohnhaft ist er in Schwaigern.) Kon­fessionell betrachtet sind in der Ersten Kammer 18 Stimmen katholisch und 12 evangelisch in einem zu ?/z evangelischen Lande. Hie gut Württemberg allweg!

Tagespolitik.

Es find fast über 3 Monate vergangen, seit vor de» Toren in Tanger in Marokko der deutsche Untertan Dr. Geuthe ermordet wurde. Aber man hat bis jetzt nichts davon gehört, daß die deutsche Regierung energische Schritte deswegen getan hätte oder daß gar ein Kriegsschiff ausge­sandt worden wäre, um auf Untersuchung und Entschädig­ung zu dringen. Kein Hahn kräht mehr nach diesem deutschen Doktor. Wir sind ja auch die friedfertig-beschei­dene Nation und immer noch derVölkerdünger," mit dem man alles anfanaen kann. Anders die Amerikaner! Wurde da vor einigen Tagen ein gewisser Perdicaris, der angeb­lich Amerikaner sein soll, von der Bande des marokkanischen Räubers Raisuli entführt; gleich läßt Amerika vier Kriegsschiffe nach Marokko dampfen und dem Sultan wird energisch erklärt, daß er für alle Fälle aufzukommen habe. Truppen sollen gelandet und die marokkanischen Zölle sollen beschlagnahmt werden, wenn nicht alsbald für Freilassung des Gefangenen, Perdicaris, gesorgt wird. Das heißt man sich schneidig seiner Landeskinder annehmen! Dabei ist Percidaris noch nicht einmal ein richtiger Amerikaner. Seine Wiege stand in Griechenland, und sein Vater besaß lediglich als amerikanischer Konsul in Athen das ameri­kanische Bürgerrecht. Der Sohn hat sich das amerikanische Untertanenrecht erst in Marokko durch den Bereinigten Staa- ten-Konsul beglaubigen lassen. Perdicaris ist selbst nie in Amerika gewesen. Man argwöhnt, die Nordamerikaner möchten nach Ausschiffung von Truppen die marrokkanische Küste nicht so schnell wieder verlassen. Nordamerika wäre es zuzutrauen, es könnte sich im Mittelmeer einen Hafen- Platz als Stützpunkt aufsuchen wollen, zumal es im Begriff ist, durch den Kanal von Panama Umschlagsplatz und Durchgangsstatton für den Verkehr zwischen Atlantischem und Stillem Ozean zu werden. Der Fall Perdicaris wäre da wie gerufen gekommen. Aber auch ohne ihn weiß die Welt längst, daß es immer Wirkung hat, den amerikanischen Schutz anzurufen. Onkel Sam läßt keinen seiner Söhne im Stich, und daran könnte sich Germania in gewisser

Hinsicht doch ein Beispiel nehmen.

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(Die Karthäuser-Millionen.) Ueber die Verhandlung der französischen Deputiertenkammer, bei denen Minister­präsident Eombes seine aufsehenerregende Mitteilung machte, sei noch berichtet, daß die einfache Tagesordnung der Re­gierung mit 313 gegen 250 Stimmen angenommen wurde. Ferner beschloß die Kammer die Berufung eines Unter­suchungsausschusses zur Aufklärung über den an dem Ministerpräsidenten verübten Bestechungsversuch. Die 33 Mitglieder sollen am Dienstag ernannt werden. Unter den 250 Abgeordneten, die gegen die Regierung stimmten, be­finden sich nur 23 unzufriedene Streber der Linken. Die

Blätter setzen die leidenschaftliche Auseinandersetzung fort, die im Parlament begann. Die Republikaner bewundern die Energie und Ehrlichkeit des Herrn Combrs; die Oppo­sition verdächtigt ihn aufs Neue. Combes hat durch seine Enthüllungen seinen Zweck erreicht; die sozialpolitische De­batte, die Herr Millerand verursachen wollte, wurde sofort abgebrochen uud an deren Stelle trat eine lebhafte Dis­kussion über den Bestechungsversuch, wobei Herr Combes sich als den schwer Beleidigten hinstelleu konnte. Daß es die Klerikalen dabei allerdings nicht an Verdächtigungen fehlen ließen, bezeugt eine Bemerkung des Abg. Pichad, der behauptete, daß die 2 Millionen deshalb nicht zur Aus­zahlung gelangten, weil sie die Karthäuser nicht hergeben wollten. Der Ministerpräsident bezeichnet dies als eine Infamie.

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Auch der Seereichtum Rußlands wird durch die Ja­paner schwer geschädigt. Die russischen Robbeninseln im Ochotskischeu Meere und an der Küste von Kamtschatka sind der Ausbeulung der Japaner verfallen. Während des Krimkrieges in den Jahren 1854/55 wüteten auf diesen Inseln die amerikanischen Walfischfänger unter den Robben. Sie erbeuteten für 30 Millionen Mark Robbenfelle. Der Robbenbestand wurde fast vernichtet. Es dauerte viele Jahre, ehe die Tiere sich wieder so vermehrt hatten, daß die russische Regierung die Ausbeute abermals beginnen konnte. Jetzt ist Rußland in der gleichen Lage wie vor fünfzig Jahren. Seine Besitzungen in Sachalin, im Ochots- kischen Meer, auf Kamtschatka, der Kupfer- und Bering- Jaseln sind ungeschützt. Kein Kriegsschiff wird in diesen die zahlreichen japanischen Schiffe bedrohen oder kapern, die sich jetzt ausrüsten, um der russischen Krone dies kostbare Ju­wel zu nehmen. Rußland kennt diese Gefahr, ist aber hilflos. Es verfügt über kein Schiff, um den Eingeborenen auf den verschiedenen Inseln in dem Kampfe zu helfen. Zudem werden zwei große japanische Kreuzer die Robben­fischerflotte zum Schutze begleiten. Ueber 300 Schiffe wer­den an diesem Zuge beteiligt sein, und der Wert der Pelze und Fische wird sicherlich über 30 Millionen Mark be­tragen. Unberechenbar ist der Schaden, der den Brutplätzen zugefügt werden wird. Eine japanische Flotte von etwa 150 Schonern wird die Flüsse an der Ostküste Kamtschat­kas herauffahren uud sich auch mit Lachsen beladen.

Deutscher Reichstag.

ff Berlin, 14. Juni. Dritte Lesung des Gesetzentwurfs betr. Aenderung des Münzgesetzes. Staatssekretär Stengel erklärt, die vom Reichstag in zweiter Lesung beschlossene Aenderung des Gesetzentwurfs, wonach auch Dreimarkstücke geprägt werden sollen, enthalte, wie er bereits früher aus­geführt habe, einen Bruch mit dem Dezimalsystem. Ein so tiefer Eingriff in das Münzsystem käme nach Auffassung des Buudesrats nur in Frage, wenn ein dringendes Ber­kehrsbedürfnis vorliege. Ein solches Berkehrsbedürfnis sei nicht nachgewiesen. Zu Art. 1 liegt ein Antrag Blell (frs. Vp.) vor, die Dreimarkstücke nicht in das Gesetz einzu­beziehen. Der Antrag wird abgelehnt. Die Ausprägung von Talern soll also bestehen bleiben. Das Gesetz wird bei der Gesamtabstimmung in der Fassung der Kommissions- bezw. der Beschlüsse zweiter Lesung angenommen. Erfolgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betr. Aufnahme einer Anleihe für das Schutzgebiet Togo. Richter (frs. Vg.) tritt der Ansicht entgegen, daß durch den Bahubau Lome- Palime im Togogebiet die Baumwollfrage gelöst werden könnte. Die Baumwollpreise werden nicht in den Himmel wachsen. Die jetzige Höhe sei nur durch die Spekulation herbeigeführt. Die Rentabilität der Bahn sei nicht nachgewiesen. Redner bringt dann eine Reihe finanzieller Bedenken gegen die Vorlage vor und fragt, warum die Interessenten in Togo die notwendigen acht Millionen nicht selbst aufbringen. Arendt (Rp.) tritt für die Kommisfionsbeschlüsse ein und weist darauf hin, daß zahlreiche Handelskammern für das Togobahnprojekt sich ausgesprochen haben. Ledebonr (soz.) wünscht, daß die Kosten des Bahnbaues von den Interessenten getragen werden. I« Deutschland unterbleibe der Bau wichtigerer Eisenbahnstrecken, weil angeblich kein Geld vorhanden sei. Ledebour befürwortet eine von den Sozialdemokraten eingebrachte Resolution, welche die Annul­lierung der dem Lavderwerb der Togolandgesellschaft zu Grunde liegenden Kaufverträge und die Zurückführung des Landes in den Stammesbesttz der Eingeborenen in die Wege geleitet wissen will. Kolonialdirektor Stübel führt aus, trotz der Ausdehnung des Baumwollareals habe die Baum­wollernte der Welt abgeuommeu. Die Bahn Lome-Palime soll nicht in dem einseitigen Interesse der Baumwollplan- tagenbefitzer, sondern in dem der in der Baumwollindustrie