Jernsprecher

M. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag «tt der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

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Wr. 89.

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Dienstag. 14. Juni.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

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> 1904.

^ Zur Frauenbewegung.

(Nachdruck verboten.)

Obwohl die Frauenbewegung, zumal soweit das Aus­land in Betracht kommt, bereits auf eine recht stolze Reihe von Jahrzehnten zurückblicken kann, ist sie im deutschen Varerlande eine moderne Eischeinung geblieben. Sie vermag sich nicht in das deutsche Volk einzuleben, weil sie dessen innerstem Wesen widerspricht. Der Deutsche erblickt in der Frau das Weib, die Gefährtin und Genossin des Mannes, er kann sie sich nicht als dessen Konkurrentin auf gewerb­lichem Gebiete vorstellen. Die deutsche Ritterlichkeit gegen­über den Frauen steht in Wirklichkeit über der der Franzosen, die so hoch gefeiert wird und doch so häufig garnicht vor­handen ist. Die Vorstellung des deutschen Mannes vom Weibe enthält noch immer einen guten Teil von der Auf­fassung unserer Altvordern, die in der Frau etwas besonders verehrungswürdiges, ja etwas heiliges erblickten. Wir Deutschen schätzen dte Eigenschaften des Weibes zu hoch, als daß wir wünschen könnten, sie würden im harten Kon­kurrenzkämpfe um die Existenz aufs Spiel gesetzt und in die Gefahr gebracht, verloren zu gehen. Wir find uns darüber einig, daß die Frau ihrer Zweckbestimmung im vollen Maße allein im häuslichen Kreife genügen kann, sie findet ihre Mission beschlossen in den Aufgaben der Gattin, der Mutter, in den Pflichten der Hausfrau. Wer das kennt und weiß, und wer wüßte es nicht? der kann in der modernen Frauenbewegung eben nur eine Abirrung von dem zum rechten Ziele führenden Wege erblicken, der em­pfindet es, um welchen Reichtum, um welchen Edelstein das deutsche Volk betrogen werden würde, wenn Stellung und Wesen der deutschen Frau die Wandlung erführen, die in neuerer Zeit von weiten Kreisen angestrebt wird. Wir glauben nicht engherzig und kurzsichtig zu sein, wenn wir das sagen, sondern uns lediglich dem ehernen Naturgesetze beugen, das niemand ungestraft verläßt.

Arbeit schändet nicht, und wenn die Töchter unbe­mittelter Familien, nachdem sie die Schule verlassen, außer dem Hause tätig sind, so ist dagegen nicht nur nichts eiu- zuwenden, ein solches Verhalten vielmehr nur anzuerkennen. Je nach den Verhältnissen mag sich das junge Mädchen einen Wirkungskreis suchen, um nach Bedarf für sich und die Ihrigen zu sorgen. Aber sie darf dabei das Ziel ihrer Bestimmung nicht aus dem Auge verlieren. Ausnahmen, die aus jeuem oder diesem Grunde zur Notwendigkeit wurden, dürfen nicht als allgemeine Norm gelten. Es ist durchaus nicht zu billigen, wenn, wie die moderne Frauenbewegung es will, wo möglich jedes Mädchen in erster Linie danach trachten soll, sich eine selbständige Existenz zu gründen. Dieses Verlangen trug den Keim der Extravaganz von seinem Entstehen an in sich. Wenn jede Frau die Selb­ständigkeit erringen soll, dann müssen auch jeder sämtliche Berute offen stehen. Dann genügen nicht die Gebiete, die dem Weibe von der Natur 'als Feld der Tätigkeit ange­wiesen sind, dann ist die Emanzipation eine zwingende Notwendigkeit. Mädchengymnasien, Studentinnen, Aerztinnen, Juristinnen und warum nicht auch Minister!

Mit dem Bestreben, der Frau alle Berufe zu er­schließen, geht Hand in Hand das, ihr auch alle politischen Rechte, die dem Manu zustehen, zu gewähren. Die Frau soll das Recht haben, an den öffentlichen Wahlen teilzu- nehmen und gewählt zu werden. Nicht nur der inter­nationale Frauenkongrcß hat diese Forderung, als not­wendige Konsequenz seiner Theorien, erhoben, auch im deulschen Reichstage hat es nicht an Stimmen gefehlt, die es als Krähwinkeltum und als eine Unverantwortltchkeit sondergleichen bezeichneten, den Frauen in unserer vorge­schrittenen Zeit das kommunale und staatliche Wahlrecht vorzuenthalten. Die allen diesen modernen Bestrebungen gegenüber beobachtete Stellungnahme der deutschen Reichs­regierung deckt sich erfreulicherweise mit dem deutschen Volksempfinden. Auch der Deutsche hat dem schädlichen Konkurrenzkampf, dem Haften und Jagen der modernen Zeit manches Opfer seiner Eigenart gebracht; die deutsche Frau aber will er sich erhalten so wie sie gewesen ist, Menschenopfer will er dem modernen Moloch nicht schlachten. Das Weib will er als Weib lieben und ehren, als Braut und als Gattin, als Mutter und sorgsam waltende Hausfrau.

Tagespolitik.

(Eine Maus?") Zur Ablehnung der Volksschulgesetz- uovelle in der Kammer der Standesherren bringt derMer­kur"von geschätzter Seite" einen ungewöhnlich scharfen Artikel in dem es u. a. heißt: Der Entwurf ist nicht auf immer, erst nur auf ganz kurze Zeit gefallen. Das Mäus- lein ist begraben, aber es wird in ganz kurzer Zeit eine Maus auferstehen und zwar eine ziemlich kräftige Maus.

ES werden dann Staatsregierung und Staatsoberhaupt finden, daß dasselbe Mäuschen, das heute der Ersten Kam­mer zu groß war, der Zweiten Kammer morgen zu klein sein wird, und dann könnte vielleicht der Tag kommen, wo ein gewisser Konflikt unvermeidlich wäre. Dieser Konflikt ist zur Zeit parlamentarisch nochlatent", aber vorhanden ist er bereits. Sobald der innere Widerspruch zum politi­schen Bewußtsein erwacht, wird er praktisch formuliert wer­den, und es wird dann kein zielloser Kampf mehr auszu­fechten sein. Dieser Kampf wird sich dann dahin zuspitzen, daß die Legitimation der Württembergischen Kammer der Standesherren nicht etwa nur zur Teilnahme au der vom Fortschritt nicht auszuschließenden Bolksschulgesetzgebung, son­dern überhaupt zur Teilnahme an der Landesgesetzgebung einer Prüfung unterzogen werden wird. Diese Prüfung wird einen Charakter annehmen, wie er noch nie da war. Man wird sich der Geschichte der württembergischen Ver­fassung erinnern und wird sie sich näher ansehen: man wird mit einem Wort im Hinblick auf notwendige Zeiterforderois die Verfassungsrevifion in ganz anderer Weise als bisher in den Vordergrund des öffentlichen Interesses zu stellen, gezwungen sein. Wenn es soweit kommen sollte, und die Anzeichen sind bereits vorhanden, dann werden sich auch diejenigen politischen Parteien über ein gewisses Maß von Zusammenwirken verständigen, die bisher mehr das Tren­nende als das Gemeinsame verfochten haben. Dann würde das Tottreten des kleinen Mäuschens eine Lawine ins Rollen bringen, die auch diejenigen niederwcrfen könnte,

denen das kultusministerielle Mäuschen zu groß war.

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(Das Ende der bayrischen Regentschaft?) Am heutigen 13. Juni sind 18 Jahre verflossen, seit König Ludwig von Bayern im Starnberger See jenes tragische Ende fand und Prinz Luitpold für den geisteskranken König Otto die Re­gentschaft übernehmen mußte. Uw die Wende des Jahres 1905/06 werden 100 Jahre seit der Erhebung Bayerns zum Königreich verflossen sein. In Erwartung einer fest­lichen Begehung dieses Gedenktags schlägt Prof. Dr. Dyroff in denAnnalen des deutschen Reiches" vor, endlich an die Beseitigung der Regentschaft zu gehen. Der Landtag möge alsbald bei der Krone vorstellig werden. Um jeden fürstlichen Zartsinn zu besiegen, empfiehlt Dyroff, die Re­gentschaft bei einer Geisteskrankheit des Trägers der Krone höchstens so lange dauern zu lassen, wie die volle Regent­schaft für einen minderjährigen König, also 18 Jahre, und diesen Grundsatz in den Titel II des tz 21 der Verfassungs- Urkunde aufzunehmen. Der Fränk. Kur. hat in München Erkundigungen eivzieheu lassen. Hiernach verhält sich die bayrische Regierung vorläufig abwarteud, bis die Frage wieder in den gesetzgebenden Körperschaften zur Beratung steht. Es könne jedoch heute schon gesagt werden, daß der Prinzregent, der ehemals einer Aenderung des jetzigen Zu­standes durchaus abgeneigt war, im Interesse des Landes auf diesem Standpunkt nicht weiter beharren dürfte. Es sind noch wichtige Verhandlungen notwendig, die aber bis zur Jahreswende, zweifellos aber 1905 erledigt sein können. Prinz Ludwig, der älteste Sohn des Regenten, war von jeher, nachdem unzweifelhaft König Ottos Leiden als un­heilbar erkannt worden war, für die Beendigung der Re­gentschaft. »

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Ein nach Ostasten gesandter dänischer Schriftsteller schreibt seinem Blatte: Deutschland darf mit Fug und Recht auf seine Kulturarbeit auf der Schantunghaldinsel stolz sein. Sie ist einfach überwältigend. Vor 5 Jahre» war Tnngtau ein Fischerneft. Heute erhebt sich dort eine moderne euro­päische Stadt; große angenehme Wohnhänser, boulevard­breite Straßen, riesige, festgefügte Staben, elektrisches Licht, prächtige Hotels, Kasernen und Forts, herrliche Parkanlagen, Eisenbahnen und breite Fahrwege führen ins Land. In Kiautschau wohnen schon 1000 Deutsche außer den Truppen. Allerorts sieht man Scharen Eingeborener mit der Her­stellung öffentlicher Anlagen beschäftigt. Hier werden Rohr­leitungen gelegt, dort Straßen gebaut oder Brücken her­gestellt. Jetzt wird es mir völlig klar, daß die Deutschen die gefährlichsten Kulturkonkurrenten Englands werden ; denn wer ist imstande, Gleiches zu leisten? Das ist die Koloni­sierung im großen Stile. Welche Ordnung herrscht überall I Man glaubt in einer der trefflichsten Kolonien Englands zu weilen, nur daß die gesellschaftlichen Beziehungen hier weniger steif sind. Die deutschen Lehrlinge stehen im Begriff, ihre angelsächsischen Meister zu überflügeln. Sie haben mehr denn ausgelernt. Gewiß zeigt die russische Arbeit in Port Arthur Bewundernswertes, aber die Deutschen find ihr in Kiautschau um eine volle Pferdelänge voraus. Wo Russisch-China Schlendrian und Unordnung zeigt, ist

in Deutsch-China militärische Pünktlichkeit und bürgerliche Zuverlässigkeit.

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Noch ehe der Burenkrieg zu Ende war, gingen 10000 Buren auf die englische Seite über und fochten als sogenannteNational-Scouts" gegen ihre Brüder. Ein Stamm, der das fertig gebracht hat, braucht sich wirklich nicht mehr zu schämen, weil jetzt einige seiner Führer sich von unternehmenden Jankers als Kulissenreißer und Zirkus­reiter nach St. Louis anwerben ließen. Daß verdiente Leute, wie Piet Cronje von Magersfoutein und Ben Biljoev, sich dazu hergaben, ist freilich unerhört. Uns Deutschen aber, die wir für die Buren geschwärmt haben, sollte» Tatsachen wie diese mit unauslöschlicher Schrift den Grundsatz einprägen, daß im 20. Jahrhundert kein Raum mehr übrig ist für eine Politik des Herzens! Die Löwen von Oranjeriver" treten als bezahlte Komö­dianten im Zirkus auf, während ihr PräsidentOhm" Krüger, die Hand auf der Bibel, die Tasche voll Geld, unter dem lachenden Himmel der Riviera in fürstlichen Gemächern die Erinnerungen an sein verwüstetes Land gesund verträgt welche Ernüchterung für die deutschen Schwärmer.

Deutscher Meichstag.

* Aerki«, 11. Juni. Das Haus erledigt zunächst Wahlprüfungen. Es folgen Berichte über Petitionen: Die deutschen Darmhändler und der Verein deutscher Wurst­fabrikanten erbitten Befreiung der Därme von der Fleisch­beschau, sowie Aufhebung des Verbots der Einfuhr von Pökelfleisch unter 4 Kg., ferner von Zungen und Lebern zur Wurftfabrikation. Im Debattelauf verlangt Held (nlb.) eine schärfere Handhabung der Grenzsperre, namentlich gegen Amerika, da Deutschland genügend Schweine erzeuge. Strombeck (Z.) beantragt, die Petition der Darmhändler dem Reichskanzler zur Erwägung zu übergeben, während die.Kommission Uebergaug zur Tagesordnung beantragt hat. Geheimrat Bumm erklärt, den Wünschen der Darm­händler werde möglichst Rechnung getragen werden. Die Arbeiten zur Revision des Fleischbeschaugebührentarifs seien im Gange. Fischer-Sachsen (Soz.) bekämpft die Aus­führungen Hclds. Staudy (Kons.) beantragt, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Erzberger (Z) schließt sich dem Vorredner au. Mülle r-Sagan (frs. Vp.) wendet sich gegen eine weitere Verschärfung der Bestimm­ungen des Fleischbeschaugesetzes. Oriola (nlb.) befür­wortet eine scharfe Grenzsperre im Interesse der Landwirt­schaft. Geheimrat Bumm legt dar, die Angelegenheit liege für die Darmhändler nicht so schlimm, denn die Darmeinfuhr steige fortgesetzt. An der weiteren Debatte nahmen teil Thiele (soz.), Fische r-Sachsen (soz.) und Erzberger (Z.) Darnach wird die Petition auf Antrag Müller-Sagau von der Tagesordnung abgesetzt, eben­so die Petitionen über Einführung des Befähigungsnachweises für das Handwerk und über Unterdrückung schlechter Litteratur- und Kunsterzeugnisfe, sowie auf Antrag des Grafen Hompesch (Z.) die Petition betr. Aenderung des ß 175 St.-G.-B. Eine Reihe weiterer Petitionen werden debattelos nach den Kommissionsanträgen erledigt. Nächste Sitzung Dienstag nachm. 2 Uhr.

LcmdesnachrichLen.

-u. Köhauseu, 11. Juni. Gestern abend veranstaltete der hiesige Gesangverein seinem eifrigen Mitglied Schult­heißenamtsassistent Fr. Kaiserim Waldhorn eine Abschieds­feier, die sehr zahlreich von hiesigen und auch auswärtige» Freunden des Scheidenden besucht war. In verschiedenen Ansprachen wurde der beruflichen Tüchtigkeit, der ange­nehmen geselligen Eigenschaften und der Saugesgabe des uns nach zweijähriger Tätigkeit auf hiesigem Rathaus ver­lassenden jungen Mannes gedacht und ihm die besten Glück­wünsche auf seinen ferneren Lebensweg mitgegeben. Fr. Kaiser wird in den nächsten Tagen als Schultheiß der Gemeinde Rieden OA. Hall beeidigt und in sein neues Amt eingesetzt werden.

ff Gverudorf, 11. Juni. Die Bautätigkeit ist hier eine ganz geringe. Nicht ein einziges größeres Bauwesen bezw. Neubau ist in Angriff genommen worden. Dagegen ist der Verkehr auf dem hies. Güterbahnhof ein sehr lebhafter. In vielen Wagen werden Baumaterialien täglich nach den Be­zirksorten abgeführt.

ss Stuttgart, 10. Juni. Der König hat dem Schiller- Museum in Marbach am Neckar eine Anzahl wertvoller Briefe und Handschriften schwäbischer Dichter gestiftet.

* Stuttgart, 11. Juni. Der engere Landesausschuß der Deutschen Partei beschloß, durch das ganze Land