der 12. Januar im allgemeinen die Erwartungen der Volkspariei erfüllt habe, denn es habe von vornherein festgestanden, daß der Erfolg in einem zweiten Wahlgang behauptet werden müsse. Das Blatt befaßt sich im übrigen in seiner Besprechung kurz und legt ihr zugleich die Ergebnisse nicht bloß von Württemberg, sondern auch von Baden zugrunde, wo den Liberalen das Bündnis bester zustatten gekommen sei.
Die „Schwäbische Tagwacht" freut sich vor allem über den numerischen Erfolg der Partei und bucht einen Gewinn von 36 500 Wählern als das ruhmvolle Ergebnis des ersten Wahlgangs in Württemberg. Seine Freudensgefühle besonders über den Stuttgarter Sieg entlädt das sozialdemokratischeLan- desorgan hauptsächlich auf Kosten der Nationalliberalen mit der Bemerkung, die ganze nationalliberale Petersilie sei verhagelt.
Der „Schwäbische Merkur" verrät schwere Sorgen über das Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen. Er kritisiert den liberalen Zusammenschluß durch die Feststellung, daß er trotz konservativen Zuzugs weder die Residenz, noch den zweiten Wahlkreis wiedererobern, daß er Naumann nicht retten, den 5. Wahlkreis nicht sichern, Payer und Haußmann nicht vor der Stichwahl behüten und Haußmann besonders das peinliche Los nicht ersparen konnte, von der Gnade des Zentrums abhängig zu werden. Der Zusammenschluß der Liberalen habe nicht ausgereicht, den Vormarsch der Sozialdemokratie aufzuhalten und es sei bitter nötig, die aufgelösten bürgerlichen Reihen nunmehr enger zu schließen und dem jetzt zweifellos gefährlichsten Gegner so geschlossen als irgend möglich entgegen- zurücken. Der „Merkur" bringt dafür auch schon praktische Vorschläge zum Vorschein, derart, daß ein solcher bürgerlicher Block dem Bund der Landwirte in Heilbronn Gelegenheit geben würde, einen Ersatz für Leonberg zu gewinnen, wo die Deutsche Partei einzig und allein auf einen Erfolg hoffen dürfe. Man kann gespannt darauf sein, wie dieser Vorschlag von der Volkspartei und dem Bund ausgenommen werden wird.
Für die Stichwahlen, meint die K. Z., ergibt sich für die Rationalliberalen eine verhältnismäßig einfache Parole. Wenn sie für ihre beiden Kandidaten den'früheren Parteisekretär Keinath und den Rechtsanwalt List in Böblingen dezw. in Eßlingen auf die Wahlhilfe des Bundes der Landwirte rechnen, so werden sie in Heilbronn, wo Naumann unterlegen ist und wo der Lauernbündler Dr. Wolfs in der Stichwahl gegen den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Feuerstein steht, die Parole für den Bund der Landwirte ausgeben müssen. In Heilbronn wird also voraussichtlich die Koalition der beiden liberalen Parteien auseinandergehen, denn dort muß die Volkspartei den Sozialdemokraten unterstützen, wenn sie auf sozialdemokratische Wahlhilfe in den drei Wahlkreisen Freudenstadt, Hall und Ulm rechnen will, wo sie dem Bund der Landwirte gegen- übersteht. Aufrecht erhalten bleibt dagegen das Bündnis der beiden liberalen Parteien für die neun übrigen Stichwahlkreise. Das Schicksal der Demokraten Haußmann in Balingen und Gunsser in Gmünd hängt vom Zentrum ab. Bei den Stichwahlen sind weitere sozialdemokratische Siege Währ
ungen und Gmünd.
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i Gmünd, 14. Jan. Wie uns unser Korrespondent meldet, hat die konservative Partei für die Stichwahl zwischen Volkspartei und Sozialdemokratie die Parole zum Eintreten für den Volksparteiler ausgegeben. Wird die Parole befolgt, dann ist der Sieg der Liberalen über Lindemann sicher. (Was tun die Calwer Konservativen? In unserem Wahlkreis liegen die Verhältnisse ähnlich wie im Gmünder.)
Wer de« Verkehr Calws
vom 1. April 1910 bis 31. März 1911 entnehmen wir dem soeben erschienenen Verwaltungsbericht der Verkehrsanstalten folgende Angaben und fügen zu Vergleichen die Ergebnisse des Vorjahres in Klammern teilweise bei. — Im Personenverkehr betrug die Zahl der in Calw abgegangenen Personen 210 139 (177 225), womit Calw in dieser Beziehung an 55. (59.) Stelle unter den 605 württ. Bahnstationen steht (an 54. Stelle Leonberg, an 56. Stelle Mettingen). Arbeiterwochenkarten wurden insgesamt gelöst: von Calw nach anderen Stationen 2437 (1197) für doppelte und 21 (0) für einfache Fahrt nach Calw,' 2349 (1528) für doppelte und 0 (4) für einfache Fahrt. Arbeiterrückfahrkarten wurden gelüst: Abgang 511 (464) Stück, Ankunft 898 (720) Stück. Der Gesamtgüterverkehr Calws bezifferte sich in Versand und Empfang auf 45 579 (38 352) Tonnen und nimmt Calw in dieser Beziehung die 73. (84.) Stelle ein (die 72. Stelle Mengen, die 74. Jsny). Der Versand betrug 175 Tonnen Gepäck und ländliche Traglasten, 5,5 Tonnen Milch, 186 Tonnen Expreßgut, 3820 Ton ' nen Stückgut, 5059 Tonnen Wagenladungskassengüter und 847 Tonnen Dienstgut. Der Empfang bezifferte sich auf 166 Tonnen Gepäck und ländliche Traglasten, 1,1 Tonnen Milch, 266 Tonnen Expreßgut, 3763 Tonnen Stückgut, 27 905 Tonnen Wagen- ladungsl'lassengiiter und 3385 Tonnen Dienstgut. Unter den empfangenen Wagenladungsklassengütern befinden sich 7906 (8249) Tonnen Steinkohlen, womit Calw an 57. (54.) Stelle steht. Nach einer beigegebenen Warenstatistik war der Ellterversand des Bezirks Calw am bedeutendsten in: Werkholz, Schnittwaren 10 017 Tonnen, Brennholz, Schwellen 4052 Tonnen, Stammholz 3557 Tonnen, gebrannten Steinen, Bruchsteinen 3370 Tonnen,Baumwolle und Baumwollabfällen 774 Tonnen, Obst Gemüse, Pflanzen 408 Tonnen: auch sind 34 Pferde, 4839 Stück Rindvieh, 75 Schafe und 1246 Schweine aufgeführt. Der Eisenbahnkassenverkehr (Verkehrseinnahmen) betrug bei der Station Calw 409 375 (368 523) Mk. und nimmt Calw in dieser Beziehung den 51. (56.) Rang ein (den 50. Rang Urach, den 52. Rang Wildbad). Der Post- und Telegraphenverkehr Calws gestaltete sich nach statistischer Erhebung wie folgt; es sind:
abgegangen angekommen Briefsendungen 604970 706 730
Postanweisungen 34 561 31409
Postauftragsbriefe (nicht ermittelt) 796
Pakete ohne Wert 57171 59 342
Briefe u. Pak. m. Wt. 2791 59452
kömmen
Postnachnahmesend, (nicht ermitt.) 10009 Zeitungsnummern 560 305 432 480
Staats- u. Privattelegr. 3 039 3 323
Der Postscheckverkehr umfaßte 12169 Zahlkarten und 1234 Zählungsanweisungen, Der Fernsprechverkehr bei 133 (108) Teilnehmern im Ortsverkehr 402 323 (105 756) Gespräche, im Fernverkehr 12 786 abgegangene und 13 783 ange- kommene Gespräche. Bei einer Einwohnerzahl des Postbestellbezirks von 10 862 Personen betrug in Calw die Gesamtein- nahmeanPost-, Telegramm-undFern- sp rechgebühren 114934 (111687) Mk. und zwar nimmt das Postamt in Calw in dieser Beziehung die 44. (44.) Stelle unter den 299 Postämtern 1., 2. und 3. Klasse des Landes ein (die 43. Stelle Nürtingen, die 45. Balingen). Der Verkehr der übrigen Eisenbahnstationen des Bezirks weift folgende Ziffern auf:
Liebenzell Ernstmllhl Hirsau Teinach Talmühle Althengstett Ostelsheim Mit einer
gramm- und Fernsprechgebühren von 11 445 (11 150) Mk. steht Hirsau an 193. (191.), Liebenzell mit 25 906 (22 126) Mk. an 122. (135.) und Teinach mit 14 920 (14124) Mk. an 155. (161.) Stelle. Der Post-, Telegraphen- und Fernsprechverkehr bei nachstehenden Postämtern gestaltette sich wie folgt; es sind
ab gegangen: Hirsau
Brieffendungen 110 400
Postanweisungen 9 712 Pakete ohne Wert 4516 Briefe u. Pak. m. Wt. 334 Zeitungsnummern —
Brief- u. Privattelegr. 7
Abgegang.
Güterverkehr
Verkehrs-
Personen-
(Abg. u. Ank.)
Einnahmen
zahi
Tonnen
bach 257247
15 726
100696
174829
15 341
143422
17 912
5
6364
70571
6797
53594
81429
28167
110380
19844
218
7128
21127
14 500
43038
12 465
64
7189
Einnahme
an Post-,
, Tele-
Liebenzell 152260 11144 8 944 584
Teinach
108 840 6758 4874 317
13
Ferngespräche Postwagenreisende
angekommen:
Vriefsendungen Postanweisungen Postauftragsbriefe Pakete ohne Wert Briefe u. Pak. m. Wt. Postnachnahmesend. Zeitungsnummern 104050 Staats- u. Privattelegr. 5 Ferngespräche 5
Vermittelte Ortsgespräche
120850 4 024 317 7 578 455 1600
823
12173
181170 9392 555 14900 607 3273 150120 792 10409 12 849
486 8921 4 930
110 400 4 690 397 9012 386 2 284 134520 530 10036 11911
" Einen Diebstahl leisteten sich am Sonntag früh zwei „Herren" aus Pforzheim. Sie waren in der Samstagnacht im „Badischen Hof" hier eingekehrt und verweilten sich dort längereZeit hindurch. Gegen den Morgen stellte sich heraus, daß zwei im großen Saal abgelegte Ileberzieher verschwunden waren und mit ihnen auch die beiden Pforzheimer. Die umgehend benachrichtigte Polizei konnte die Diebe noch
will sie gar nicht länger stören — Sie brauchen nichts zu befürchten —ich habe keinerlei arge Hintergedanken, das kann ich Ihnen versichern. Sie werden übrigens selbst zugeben, daß sie den Mann, den ich suche, womöglich kennt oder doch schon gesehen hat. Aus alle Fälle möchte ich es versuchen, wenn Sie sie einen Moment hereinführen wollen.
Die zuversichtliche Art des Inspektors und meine feste Ueberzeugung von Marcellas Schuldlosigkeit hatten meine ursprünglichen Befürchtungen rasch verscheucht, so daß ich mich zur Erfüllung seines Wunsches bereit erklärte.
Schön, sagte ich, das will ich tun; und nach ein paar Minuten brachte ich Marcella ins Zimmer.
Sie heftete ihre großen Augen verwundert auf den Beamten, und-er seinerseits betrachtete verwundert und erstaunt die schöne Erscheinung des Mädchens. Ich stellte ihn gleich vor, und bald hatte er seine gewohnte Fassung wiedergewonnen.
Hm! sagte er, indem er sein Notizbuch heroorzog und eine Photographie herausnahm. Wollen Sie die Güte haben, Fräulein, einen Blick auf dieses Bild zu werfen? Damit hielt er es ihr hin.
Sie betrachtete es einen Moment. Dann stieß sie einen Schrei des Entsetzens aus und fuhr zurück.
Bertholdi! seufzte sie leise.
Der Inspektor lächelte.
Ganz recht, sagte er, und reichte mir das Bild.
Ich stieß gleichfalls einen Laut des Staunens aus und rief: Der Mann, dessen Gesicht ich am Fenster gesehen habe!
Stimmt! Besten Dank! Ich brauche die Dame nicht länger aufzuhalten, sagte der Inspektor, noch immer lächelnd, und steckte die Photographie wieder in seine Brieftasche.
Als ich Marcella später nach der Sache fragte, erwiderte sie mir, daß ihr beim Anblick der Photographie ein Name eingefallen sei, an den sich irgendeine schreckliche Begebenheit in ihrem Leben knüpfe, daß sie sich jedoch leider nicht genauer erinnern könne. Dagegen wollte sie von mir gern wissen, was es mit dem Mann, dessen Gesicht ich am Fenster gesehen hätte, für eine Bewandtnis habe. Ich gab ihr darauf zwar nur eine ausweichende Antwort, sie schien sich aber dabei zu beruhigen, und ich war froh, diese Sache fallen lassen zu können, zumal ich wußte, daß sie sich nun in den berufenen Händen des Inspektors Beale befand.
Der folgende Tag verlief ziemlich ruhig und vom Feinde war nichts zu sehen; dafür war aber der übernächste ein solcher, daß ich ihn bis an mein Lebensende nicht vergessen werde. Es war am 19. Dezember, und vom frühen Morgen an lag ein undurchdringlicher, schwarzer Nebel über der Stadt. Den ganzen Tag über mußte man Licht brennen und die Jalousien geschlossen halten, weil es draußen vollkommen dunkel war. Marcella, die einen derartigen Nebel noch nie zuvor gesehen hatte, war zuerst ängstlich, dann machte es ihr aber scheinbar Vergnügen.
Auf alle Fälle, sagte sie scherzend, wird bei einem
solchen Wetter wie heute kein Mensch mich zu stehlen versuchen.
Wenn ich mir hätte träumen lassen, was in wenigen Stunden passieren sollte, würde ich sicher nicht über diese Bemerkung gelacht und erwidert haben:
Ganz gewiß nicht, Marcella; heute sind Sie allerdings vor Nachstellungen sicher.
Helen befand sich, wie ich mich noch erinnere, an jenem Morgen in keiner besonders rosigen Laune. Sie kam schon früh zu mir und klagte über das neue Mädchen.
Ich kann sie wirtlich nicht behalten, sagte sie. Sie versteht absolut nichts, und ich habe den Eindruck, daß sie vorher noch nie in Stellung gewesen ist. Außerdem bekommt sie immer Briefe, die sie rasch liest und dann gleich verbrennt. Sie läuft unter allen möglichen Vorwänden weg und geht, Gott weiß, wo herum. Gestern war sie fast eine Stunde fort.
Das war mir neu und — beunruhigte mich sogar. Wie sich der Leser erinnern wird, gefiel mir das Mädchen gleich vom ersten Augenblick an nicht.
Ich habe schon von vornherein kein rechtes Zutrauen zu ihr gehabt, sagte ich, denn, gelinde ausge- drückl, kam sie unter sehr eigenartigen Umständen zu uns. Wenn ich dir also einen guten Rat geben soll, so mache, daß sie wieder aus dem Haus kommt.
Aber ich kann sie doch nicht an einem Tag wie heute fortschicken, erwiderte meine gutmütige Schwester.
(Fortsetzung folgt.)