Aerrrlprecher Nr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Vellage »Der Sonntags- Gast".

Bestellpreis für das Vierteljahr im Bezirk § n. Nachbarortsverkehr Mk. 1.1b, außerhalb Mk. 1.38.

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Einrückungs-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmal. je 6 Pfg.. auswärts je 8 Pfg. die ein­spaltige Zeile oder deren Raum-

Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei den K. Postämtern und Postboten.

Sonntag. 8. Mai.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Ber- j träge werden dankbr angenommen.

1904

«nrtNches

Durch Erlaß der K. Kreisregierung Reutlingen vom 2. d. M. Nc. 2849 sind die ortsüblichen Taglöhne gewöhn­licher Tagearbeiter im Oberamtsbezirk Nagold mit Wirkung vom 1. Januar 1905 ab bis auf weiteres in folgender Weise festgesetzt worden:

Löhne d. erwachse-

Löhne der jugend-

Gemeinden.

nen Arbeiter

lichen Arbeiter

männlich

weiblich

männlich

weiblich

Enzthal, Haiterbach,

Spielberg ....

Beuren, Effringen, Emmingen, Garrwei-

2

40

1

50

1

60

1

10

ler, JselShausen, Min­dersbach, Oberthal-

heim, Pfrondorf, Rohrdorf, Schön-

bronn, Sulz, Unter­thalheim, Wenden .

1

80

1

30

1

10

70

Die übrigen Ge­meinden ....

2

1

40

1

30

1

Tagespolitik.

Für die allgemeine Zulassung der Realgymnafial- abiturienten zum Studium des Rechts tritt noch eine sehr beachtenswerte Stimme ein. Der Rektor des Nikolai- gymnafiums in Leipzig, Professor Rektor Otto Kümmel, schreibt in demGrenzboten" u. a., jdie Aufgabe des Ju­risten sei heutzutage nicht bloß die, das geltende Recht auf einen vorliegenden Fall logisch richtig anzuwenden. Gerade diese rein äußerliche, sozusagen scholastische Behandlung der Sache, bei der mitunter der gesunde Menschenverstand ganz ausgeschaltet zu sein scheint, veranlassen zuweilen Urteile, die weithin Befremden, ja Entrüstung erregten. Der Jurist solle auch das Leben kennen, denn er habe oft genug höchst verwickelte Fälle zu entscheiden, und wenn er dazu eine tiefere, ausgebreitetere Kenntnis lebender Kultursprachen und die Fähigkeit, sich in technische oder kaufmännische Fragen hineinzufinden mitbrächte (man denke an den Leipziger Bankprozeß, vor dessen Spezialitäten sich die Juristen völ­lig als Laien fühlte»), so werde das der Sache mehr from­men, als die scharfsinnige Anwendung des geltenden Rechts. Außerdem habe die Universität doch nicht nur künftige Richter und Staatsanwälte vorzubilden, sondern auch Ber- waltungsbeamte, für die diese Kenntnisse noch viel wich­tiger seien, als für die eigentlichen Juristen. Daß gerade für künftige Verwaltungsbeamte die heutige Vorbildung lückenhaft, daß sie so einseitig juristisch sei, das lehrten die fortwährenden Klagen über bürokratische Erscheinungen vom grünen Tisch und über den Assessorismus in unseren Kolo­nien, die durch nichts mehr geschädigt worden seien, als

durch den juristischen Formalismus.

* *

*

(Kaiser Wilhelm über das Spracheustudium.) Bei seinem kurzen Aufenthalte in Mailand hat der deutsche Kaiser im Gespräch mit einem italienischen Gymnasiasten über den Sprachunterricht auf den höheren Schulen eine bemerkenswerte Aeußerung getan. Der Kaiser hatte den Grafen Jacini, der jahrelang als italienischer Gesandtschafts­rat in Berlin gelebt hat, mit seiner Familie auf den Bahn­hof gebeten und unterhielt sich während des Aufenthaltes in Mailand mit diesen Herrschaften. Das Gespräch kam dabei auch auf den Gymnafialunterricht. Der Kaiser fragte einen Sohn des Grafen Jacini, ob er auf dem Gymnasium auch moderne Sprachen lerne. Die Antwort lautete ver­neinend.Ueberall wie bei uns!" rief der Kaiser, und fügte dann hinzu, daß nach seiner Meinung schon in den ersten Klassen der höheren Schulen die modernen Sprachen gelehrt werden müßten, womöglich auch russisch, chinesisch und japanisch.

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»

Welch haarsträubenden Gerüchten das Pariser Publi­kum oft zugänglich ist, geht aus folgenden Auslassungen des Pariser Mitarbeiters der Kölnischen Zeitung hervor, die von dem hartnäckigen Glauben der Pariser erzählen, daß der deutsche Kaiser schon wiederholt in Verkleidung in Paris geweilt habe: Schon 1896, als der Zar zum ersten Male nach Frankreich kam, wußte Paris aufs allerbestimm­teste, daß auch Wilhelm II. da war, in Verkleidung natür­lich, um sich mit eigenen Augen den Empfang anzuseheu, den es Nikolaus II. bereitete. Bei dem Abendfest in Ver­sailles hielt sich der Kaiser im Gebüsch des Parkes versteckt.

Man glaube nicht, daß es ein Ulk sein soll. Nein, den

Parisern ist es bitterer Ernst.

* *

Ueber die Lage in Deutsch-Südwestafrika schreibt ein mit den dortigen Verhältnissen vertrauter Offizier: Die der­zeitige Lage ist recht ernst. Die anfänglichen schönen Er­folge der Oftkolonne unter Major Glasenapp berechtigten zu allen Hoffnungen. Ein Abtreiben der geraubten Biehheerden auf englisches Gebiet bet Gobabis war rechtzeitig verhindert. Die Herero waren von der Oftgrenze abgeschnitten und schienen von der Ostabteilung einerseits, der Haupt- und der Westabteilung andererseits so eingekreist, daß man berechtigt schien, in Kürze einen entscheidenden Schlag zu erwarten. Bor allem aber war den Herero der am längsten für sie offen gebliebene Answeg nach Nordosten in das Gebiet des Okavango verlegt. Alle diese Vorteile sind wieder zu Nichte geworden. Das Ostdetachement hat sich unter Aufgabe der bisher errungenen Erfolge vollständig vom Kriegsschauplatz zurückgezogen. Das bei Otjihaenent weitab bezogene Lager ist kaum mehr als ein großes Lazarett, in welchem der Typhus und vielleicht noch andere Krankheiten herrschen. Die Herero sind wieder Herren der Lage, wie vor Monaten; der Rückzug mit allen geraubten Heerden in nordöstlicher Richtung steht ihnen offen, wie ehedem. Weder die Feld­kompagnie in Otjo noch die kleine Schar von Schutztrupp- lern und Freiwilligen und Leutnant Bolkmann am Omu- zamba werden in der Lage sein, sie am Durchbruch zu hin­dern, wenn sie denselbeu ernstlich beabsichtigen sollten. Leicht wird dem energischen und tapferen Major von Glasenapp sein Entschluß nicht geworden sein. Nur die dringendste N t kann ihn gezwungen haben, nach Otjihaeneua zurück­zugehen. Das Eine kann nicht oft genug wiederholt werden: die Truppe und ihr Führer haben alles Mögliche geleistet. Diese Gewaltmärsche einer unberittenen Truppe in der Glut­hitze des afrikanischen Sommers in einem Lande, in dem nur die ärmsten Eingeborenen zu Fuß laufen, sind bewun­dernswerte Leistungen, die dem guten Geist in der Truppe wie der Entschlossenheit des Führers ein gleich gutes Zeug­nis ausstellen. Eia Gegenstück finden stein unserer Kolonial­geschichte nur in den Kämpfen des damaligen Hauptmanns v. Francois mit seiner kleinen JnfauterietruPPe gegen Witboi. Den schnellen Märschen und der energischen Verfolgung der Herero durch die Kolonne Glasenapp gegenüber könnte das Verhalten der beiden anderen Abteilungen (des Haupt- und des Westdctachements) fast als Untätigkeit erscheinen, wenn man nicht annehmen müßte, daß zwingende Gründe diese beiden Abteilungen bei Okahandja feftgehälten haben. EL mag die Gefahr nahe gelegen haben, durch einen verfrühten Vorstoß von dieser Seite her gegen die von der Kolonne Glasenapp allmählich nach Süden gedrängte Hauptmacht der Herero diese zu früh auf die beabsichtigte Einkreisung aufmerksam zu machen.

Deutscher Weichstag.

* ZLerli«, 6. Mai. Es folgt die Beratung der Reso­lution Gröber (Z.) betr. Aenderung des Militärstrafgesetz­buches, die einer besonderen Kommission überwiesen war. Gröber (Z.) als Referent beantragt die Annahme einer Resolution, worin die Regierungen um Vorlegung eines Ge­setzentwurfs ersucht werden, welcher im Milttärftrafgcsctzbuch tz 97 Abs. 1 die Minimalstrafsätze über Verfehlungen Unter­gebener gegen Vorgesetzte erheblich herabsetzt, da sie im Miß­verhältnis ständen zu den Strafsätzen wegen Verfehlungen von Vorgesetzten gegen Untergebene. Staatssekretär TirPitz erklärt, trotzdem die Resolution in der Kommission abge­schwächt worden sei, würde ihre Annahme von sehr schwer­wiegender Bedeutung sein. Er glaube empfehlen zu sollen, daß das Haus der Resolution nicht beistimme. Normann (kons.) sagt, seine Freunde lehnen die Resolution ab, weil sie nie an der Disziplin des Heeres rütteln lassen wollen. Hagemann (nlb.) sagt, die Nationalliberalen wollen eben­falls an der Disziplin nicht rütteln, werden aber für die Resolution stimmen, da ihre Bedenken gegen dieselbe in der Kommission abgeschwächt worden seien. Müller-Mein­ingen (frs. Bp.) erklärt die Zustimmung seiner Partei zu der Resolution, die allerdings nicht weit genug gehe. Wünschens­wert sei eine baldige zeitgemäße Revision des Militärftraf- gesetzbuchs. Singer (soz.) äußert sich im selben Sinne. Dasbach (Z.) tritt im Interesse der Soldaten für die Resolution em. von Kardorff (Rp.) sagt, er könne es nicht verantworten, die Militärverwaltung auf einen Weg zu drängen, den sie selbst für bedenklich halte. Bayrischer Generalleutnant v. End res erklärt: Gegenüber der Bemerkung Dasbachs, daß der Reichstag sich zum An­walt des Soldaten aufwerfen müsse, erkläre ich namens des bayrischen Offizierkorps, daß der einzige Anwalt der Sol­

daten der Offizier ist. (Gelächter der Sozialdemokraten.) Diese Aufgabe wird der Offiziersstand auch stets erfüllen trotz der schlimmen Verleumdungen und Beschimpfungen dieses Standes hier im Hause. (Lebhafter Widerspruch links.) Präsident Graf Balle st rem bemerkt: Diese Aeußerung widerspricht der Ordnung des Hauses, von Endres (fortfahrend): Der Offiziersstand wird sich seine Aufgabe, der Anwalt der Soldaten zu sei», nicht aus der Hand nehmen lassen. Gerade heutzutage ist die Disziplin im Heere gefährdet, da die politischen Kreise der scharfen Disziplin feindlich gesonnen find. Nach wei­teren Bemerkungen Spahns (Zentr.), Gotheins (frs. Vgg.) und Müllers-Sagan (frs. Vp.) sagt von Endres: Ich sehe immer mehr ein, daß man den Reichstag sehr sorgfältig behandeln muß. (Zurufe: Sehr richtig! Heiterkeit). Ich bleibe dabei: der natürliche Anwalt des Soldaten ist der Offiziersstand. Singer (soz.) entgeg­net : dann müßte ja jeder andere Anwalt des Soldaten ein unnatürlicher sein. (Heiterkeit.) Gegenüber der Erklärung des Generals von Eabres, daß die politischen Parteien der Disziplin feindlich gesonnen seien, konstatiere ich, daß die Sozialdemokraten von militärischen Autoritäten als tüchtige Soldaten bezeichnet wurden. Generalleutnant von Endres bemerkt: der Gegensatz von natürlich ist künstlich. Singer ist allerdings ein künstlicher Anwalt des Soldatenstandes. Nach weiteren Bemerkungen Hagemanns (nlb.) und Kardorffs (Rp.) wird die Resolution gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Sodann beginnt die Beratung von Petitionen. Eine längere Debatte entsteht bei einer Petition von Malern und Lackierern usw. betr. Erlaß eines Verbots der Verwendung von Bleifarben. Die Kommission beantragt Ueberweisuug zur Erwägung. Ferner beantragt die Kommission eine Resolsttou, welche den Reichskanzler ersucht, sofort dahin zu wirken, daß durch Verordnung des Bundes-- rats ausreichende Schutzvorschriften gegen die Gefahren der Bleiweißverwendung erlassen werden. Ein Regierungsver­treter teilt im Lauf der Debatte mit, daß dem Bundesrat in nächster Zeit eine Vorlage betr. die Bekämpfung der Ge­werbekrankheiten der Maler zugehen werde. Der Kommissions­autrag und die Resolution werden hierauf angenommen. Die Petition betr. Neuregelung des Apothekenwesens wird zur Erwägung überwiesen. Ueber mehrere andere Petitionen geht das Haus gemäß den Kommisstonsanträgen zur Tages­ordnung über.

Landesnachrichten.

* Aeseufekd, 5. Mai. Die Arbeiten an der neuen Nagoldtalstraße, die am 1. November fertig sein soll, wurden heute plötzlich eingestellt. Die 150 au dem Straßenbau be­schäftigten Italiener haben den Ort verlassen.

* Bei Hroßelskinge« unweit Göppingen wurde der Bauer Vetter im Wald überfallen. Vetter hatte in einer Wirtschaft einem ihm bekannten Tazlöhner gesagt, daß er der schlechten Zeit wegen Geld ausgenommen habe. Nach dieser Aeußerung muß der Taglöhner geglaubt haben, daß Vetter das Geld bei sich führe. Er ging Vetter, als dieser aus der Wirtschaft sich entfernt hatte, nach, schlug ihn nieder und zog ihm den Geldbeutel aus der Tasche. Es entspann sich dabei ein Kampf, in dem der Räuber dem Vetter einen mächtigen Stich in den Hals versetzte; außer­dem fügte er ihm noch eine Bißwunde über dem Auge zu. Der Üeberfallene konnte sich noch bis zum nächsten Haus schleppen, um Hilfe zu suchen. Der Täter machte sich aus dem Staude. Der Taglöhner, namens Späth in Eislingen wurde verhaftet und nach Göppingen abge­liefert.

ff Alm, 6. Mai. Das Reichsverstcherungsamt hat ent­schieden, daß die Lehrerinnen an Arbeitsschulen der Invaliden­versicherung beizutreten haben. Hier will mau zum Vor­teil der Lehrerinnen diese in die städtische Bersorguugskasfe aufnehmeu, so daß ein Beitritt zur genannten Versicherung nicht notwendig wäre. Doch fürchtet man, daß die Lehrer­innen durch diese Maßnahmen der Anwartschaft auf das ihnen im Falle ihrer Dienstunfähigkeit in Aussicht gestellte staatliche Gratia! verlustig gehe». Sollte eine Anfrage bei den einschlägigen Instanzen diese Vermutung bestätigen, so würde nichts übrig bleiben, als die Lehrerinnen in die In­validenversicherung einzubeziehen. Die Stadtverwaltung wird auch Erkundigungen darüber an zuständiger Stelle einziehen, ob nicht bald ein gesetzlicher Anspruch der Lehrerinnen auf das staatliche Gratial geschaffen werde.

* München, 6. Ma». Professor Franz v. Lenbach ist heute früh 4 Uhr gestorben. Man hatte schon seit einigen Tagen das Ende erwartet, es war Bewußtlosigkeit und Agonie eingetreten. In Franz Lenbach verliert die Kunst-