Jervfprecher Nr. H.

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Nr. «7.

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1904.

Umschlag «nd Einigkeit.

(Nachdruck verboten.)

Bei verschiedenen Neuwahlen in den letzten Monaten har die radikale Partei im deutschen Reiche weniger gut abgcschnitten, als sie erwartet hatte. Dies Ergebnis kann nicht überraschen, wenn man den Charakter der deutschen Wähler außerhalb der Großstädte und der eigentlichen Jn- dustriebezirke in Betracht zieht; die große Menge hat dort bei den Hauptwahlen zum Reichstage im Jahre 1903 eine erhebliche Zahl von Stimmen sür die sozialdemokratischen Kandidaten abgegeben, die bewirkten, daß mehr als 80 so­zialistische Abgeordnete in den Reichstag einzogen; aber wenn Herr Bebel und seine Mitstreiter aunehmen, alle die Leute, welche einen »roten« Wahlzettel abgegeben hatten, seien nun auch überzeugte Anhänger seiner Partei, daun war das ein Irrtum. Der Ausfall verschiedener Ersatz­wahlen hat das bestätigt, es kam anders, als erwartet worden war. DieProvinzial«-Wähler, um diesen Aus- druck zu gebrauchen, sind Wohl bei unausgesetzter Agitation zu gewinnen, einmalüber die Schnur zu hauen« und sozialdemokratisch zu wählen, vielleicht um irgend Jemand zu ärgern, um zu sehen, was nunihr" Abgeordneter sagt, aber dauernd dabei zu bleiben, dazu wird ihnen die Sache zu teuer, sie haben keine Lust, fortwährend Beiträge z» zahlen.

Die Sozialdemokratie hat diese Tatsachen absolut nicht gelten lassen wollen, aber sie wird sie anerkennen müssen. In den großen Städten und ausschließlichen Industrie- Zentren ist die Politik eine Art Leidenschaft ge­worden, ruhigere Elemente werden zu oft mitgerisfeu, sie mögen wollen oder nicht. Hier gegen die Herrschaft des Herrn Bebel etwas auszurichten, wird nicht so bald möglich sein, obwohl die sozialistische Wahl-Niederlage in dem stark industriellen Reichstagswahlkreise Forst in der Lausitz be­weist, daß bei energischer Einigkeit recht Wohl mancher kaum geahnte Erfolg zu erzielen ist. Aber in der Haupt­sache bleibt die Eroberung dieser sozialistischen Hochburgm Loch ein bitteres Stück Arbeit, eben weil die OrganisatiW eine zn straffe ist. Aber anderswo kann die sozialistische Wahl-Agitation recht gut nur einen Uebergaug bilden, die Provinz-Arbeiter lassen sich nicht in eine enge Organisation einschnüren, dazu haben sie ihr verdientes Geld zu lieb, be­sitzen sie zu viel gesunden Egoismus.

Das gute Vertrauen, welches zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Interesse einer gedeihlichen, wirt­schaftlichen und gewerblichen Entwickelung unbedingt be­stehen muß, ist in den Jahren des vorigen Jahrzehnts, als die industrielle Hoch-Konjunktur keine Grenzen kannte, et­was erschüttert. Es soll keinem Teil die überwiegende Schuld dafür zur Last gelegt werden, in solchen Jahren schleichen sich von selbst allerlei Strömungen in das Arbeits­leben ein, die unerfreulich wirken müssen, denen zu wider­stehen aber doch die rechte Energie fehlt. Hinterher hat man sich überzeugt, daß es mit dem Sich-Vertragen doch besser geht, wie mit dem Sich-Schlage», und die radikalen Belehrungen und Prophezeiungen, was getan werden sollte, und wie es kommen würde, haben nichts gefruchtet, weil die Leute sich von der Haltlosigkeit der aufgestellten Be­hauptungen handgreiflich überzeugten. Wir können nur wünschen, daß dies sich «»bahnende bessere und gute Ver­hältnis Stich hält; das wird für die materielle Lage des Nährstandes und seiner Arbeiter, wie für die politische Ent­wicklung des Reiches von den besten Folgen begleitet sein. Heute wird in Deutschland Jedem sein Recht! In unse­rem Zeitalter wäre es auch gerade unmöglich, es Jemand böswillig dauernd zu verkümmern!

Tagespolitik.

Als das deutsche Reich gegründet war, mußte vor allem ans die Schaffung eines einheitlichen Münzwesens Bedacht genommen werden. An Stelle der bis dahin gül­tigen Landeswährungen wurde deshalb am 9. Juli 1873 eine Reichswährung mit der Mark als Rechnuugseinheit eingeführt. Silbergeld kam seitdem nur noch als Scheide­münze in Betracht und brauchte lediglich in einer Höhe bis zu 20 Mark in Zahlung genommen zu werden. Der Gesamt­betrag der Reichsstlbermünzen sollte bis auf weiteres 10 Mk. für den Kopf der Bevölkerung nicht übersteigen. Durch­brochen wurde die so geschaffene Goldwährung allerdings insofern, als Talerstücke unter Berechnung ihres Wertes zn 3 Mark, dem Golde gleich, als Zahlungsmittel gelten sollten. Das Gesetz hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Ab­änderungen erfuhr es nur in Einzelheiten. So verschwan­den die 20-Pfennig-Stücke, und zwar sowohl diejenigen aus Silber wie die ans Nickel. Die Münznovelle von 1900

setzte die Kopfmenge der Reichsstlbermünzen von 10 auf 15 Mark herauf und traf Anstalten, daß die Talerstücke all­mählich aus dem Verkehr zurückgezogen werden In vier bis fünf Jahren dürften die alten Taler mit ihrer unbe­grenzten Zahluugskraft der Vergangenheit angehören. Ein Bedürfnis nach Münzen von dem dreifachen Werte der Mark hat sich nicht herausgestellt. Die Reichsbank konnte vielmehr wiederholt mitteilen, daß Talerstücke, kaum aus- gegeben, alsbald wieder in die Zentralkassen zurückflteßen. Auch Frankreich, England und andere Nationen kommen ohne eine dem Taler gleichwertige Silbermünze aus. Die früher beliebteste Münze des deutschen Südens war der Gulden, nicht der Taler. Deshalb will man neuerliche An­regungen, außer dem silbernen 5- und 2-Markstück noch ein silbernes 3-Markstück zu Prägen, unbeachtet lassen.

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Die Vorlage zur Entlastung des Reichsgerichts besteht laut derKöln. Bolks-Ztg.« aus zwei Teilen. Der erste Teil sieht eine Einschränkung des Beschwerderechts vor. Die Beschwerden haben im Lauf der Jahre einen so großen Umfang angenommen, daß sie das Reichsgericht wirklich belästigen und dies geschieht iu der Mehrzahl der Fälle ohne nennenswerten Zweck, weil sie doch meist zurückgewiesen werden. Ihre Einschränkung scheint ohne Schaden für die Rechtspflege möglich. Beschwerden in armenrechtlichen Sa­chen sollen mit Rücksicht ans die soziale Bedeutung dieser Beschwerden nach wie vor ohne Einschränkung zugelassen werden. Die Einschränkung des Beschwerderechts bedeutet indessen nur eine nebensächliche Entlastung des Reichsgerichts. Die Hauptsache wird durch Erhöhung der Revistoussnmme erreicht werden. Die hierauf bezüglicken Vorschläge bilden den zweiten Teil der Novelle. Der Entwurf geht in dieser Beziehnng v'cht so weit wie der von 1897. Dieser wollte alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter 3000 Mk. aus­nahmslos von der Revision ausschließen. Der jetzige Ent­wurf tut dies nur für die Sachen bis zu 2000 Mk. Steuer- wert. Die Sachen zwischen 2000 und 3000 Mk. sollen nur daun von der Revision ausgeschlossen werden, wenn zwei Instanzen vorher übereingekommen sind. Es wird von der Annahme ausgegangen, daß, wenn die Parteien zwei gleich­mäßige Urteile erlangt haben, damit ei« Gewähr für die richtige Entscheidung gegeben ist. Alle Sachen über 3000 Mk. bleiben, wie bisher, unbedingt revisionsfähig. Die Begründung des Entwurfs bezeichnet dies als einzigen Weg der Abhilfe. Sie wendet sich gegen die Vorschläge auf Beschränkung oder Einschränkung des mündlichen Verfahrens und auf Erweiterung des Reichsgerichts durch Senate, die schon aus räumlichen Rücksichten nur möglich werde, wenn neben dem jetzigen ein zweites Reichsgericht erbaut würde. Ebenso wendet sich die Begründung gegen den Vorschlag auf Ueoerweisung der Streitigkeiten in landesrechtlichen Pro­zessen an die obersten Landesgerichtshöse und aus Umgestal­tung der Revision in ein Rechtsmittel nach Art der alten preußischen Nichtigkeitsbeschwerde.

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Ganz unglaubliche Dinge berichtet dieTägl. Rund­schau" aus Deutsch-Südwestafrika. In Swakopmund muß­ten die deutschen Truppen und der Stab, die gegen die Hereros marschieren sollten, eine Zeit lang liegen bleiben, weil ihnen die deutschen Zollbehörden Zollscherereien mach­ten. Sogar die Offiziere sollten angeblich ihre mitgebrachten Schußwaffen, besonders die Büchsen, verzollen. Die Offi­zierskantinen mußten die gesamten Vorräte an Wein, Bier, Zigarren, Konserven usw. verzollen. Nicht nur die Trup­pen, die ihr Blut vergießen sollten, litten unter diesem Büro­kratismus, sondern auch die Kranke« und Verwunderen, da Sanitätsrüstungen, Arzneien und Kraukeuproviant im Schup­pen liegen bliebe» und dort zum teil gestohlen wurden. Die vorhandenen Lazarette befanden sich in einem ziemlich ver­wahrlosten Zustande. Grund: Streitigkeiten des früheren Chefarztes mit der obersten Verwaltung der Kolonie. Es wird dann in derTägl. Rundschau« noch versichert, diese Dinge hätten den ohnehin Herzkranken Oberst Dürr, welcher den Feldzug leiten sollte, so angegriffen, daß er gleich wie­der umkehrte.

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Der russisch-japanische Krieg vollendet Ausgangs dieser Woche das erste Vierteljahr seiner Dauer. Geht es so weiter, wie bisher, dann kann noch manches Quartal und noch manches runde Jahr im Ozean der Zeit versinken, ehe die Entscheidung erfolgt. Bisher haben sich die Gegner überhaupt noch nicht miteinander gemessen. Trotzdem hat Rußland bereits ernste Verluste zur See erlitten, denen frei­lich auch japanische Einbußen gegenüberstehen, und keines­wegs so ganz unerhebliche. Nun wird den Japanern ja

allerdings vorläufig nicht wieder so hartes Mißgeschick be­gegnen, wie es sie in der vergangenen Woche vor Gensan betraf. Durch Schaden klug geworden, hat Admiral Togo eine Flotille zur Absperrung des Wladiwostok» Geschwaders entsandt, die dauernd vor der Ussnribucht stationiert worden ist. In dem Augenblick, als man in Wladiwostok diese Flottille sichtete, erschien vor Port Arthur ein 10 Kreuzer und 6 Torpedoboote starkes japanisches Geschwader. Die russische Kriegsverwaltnng hat das Erscheinen dieses Ge­schwaders mit japanischen Landuvgsversuchen ans der Halb­insel Liaotoug in Verbindung gebracht. Diese Deutung kann zutreffen. Daß Japan endlich Ernst machen will, haben ja auch seine Anstrengungen im Aalugebiete bewiesen. In Korea ist jedenfalls der Flaggendieust soweit geordnet und gesichert, daß die erste japanische Armee sich an die Lösung der Aufgabe, die die Voraussetzung für alles weitere ist, an den Uebergaug des Jalu, machen kann. Ueber größere Aktionen wird von amtlicher russischer Seite sofort Bericht erstattet. Ueber die viele» Privatmeldungen, die lediglich nur dem Sensationsbedürfnis genügen sollen, nimmt man dagegen am besten gar keine Notiz.

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Im uordamerikanischen Senat wurde darüber ge­klagt, daß Roosevelts Bestreben, die Union zur Weltmacht zu erheben, sie iu Schulden stürze. Man rechnet Roosevelt nach, daß die Ausgaben sür das Heer der Vereinigten Staa­ten im abgelaufenen Jahre um 32 Millionen Dollars höher waren, als die Englands, ausschließlich der Ausgaben für Südafrika, um 101 Millionen höher als die Deutschlands und um 139 Millionen größer als die Frankreichs. Nach der Meinung eines Senators würden die Heeres aus gaben der Vereinigten Staaten im Jahre 1905 die Höhe von 337 Millionen Dollars erreichen.

Deutscher Weichstag.

ss Aerli«, 30. April. Das Haus berät die Börsen­gesetznovelle weiter. Semler (nlb.) führt aus : Die Vor­lage ist ein guter Ausgleich der vorhandenen wirtschaftlichen Gegensätze. Nach einem mühelosen Spielgewinn trachtet der ernste Kaufmann keineswegs. Die Interessen der Warenbörse und der Fondsbörse sind nicht voneinander zu trennen. Die Entrüstung über den Rechtszustand, der aus der bestehenden Gesetzgebung in Verbindung mit der Aus­legung des Reichsgerichts sich herausbildete, ist in den hanseatischen Kanfmaanskreisen ebenso groß wie in Berlin. Die Vorlage entspricht durchaus dem, was Treu und Glauben im Geschäftsleben verlangen. Hamburg wurde gerade durch die Einführung seines KaffeeterminhandelS einer der größte« kontinentalen Kaffeestapelplätze, während früher das ganze Kaffeegeschäft durch Frankreich beherrscht wurde. Der Termtuhandel bedeutet für den Kaufmann lediglich eine Assekuranz gegen unvorhergesehene Schädig­ungen. Die vorgeschlagene diskretionäre Befugnis des Buudesrats betr. den Produktenzeithandel hält Redner keineswegs sür verkehrt. Auch der Terminhandel in Effekten ist durchaus notwendig. Die amerikanische Gefahr ist nur abzuwenden, wenn unser Kapital der heimischen Industrie zugeweudet wird. Redner spricht sich für unveränderte Annahme der Vorlage aus. Arendt (Rp.) führt aus, für ihn sei der Entwurf unannehmbar, wenn nicht an Stelle der Befugnis des Bundesrats eine bindende Gesetzesbestimmung trete. Staatssekretär Graf Posadowsky führt aus: Die Beurteilung des Entwurfs hängt davon ab, ob man die Börse für eine wirtschaftliche Notwendigkeit hält oder nicht. Ihre absolute Notwendigkeit wird bewiesen dadurch, daß sie seit Jahrhunderten besteht. Wenn eine gewisse Bolksstimmung sich gegen die Börse entwickelte, so legt man der Börse manches zur Last, was auf anderen Gründen beruht. In den letzten Jahren trat leider in der Verwaltung mancher Banken eine unglaubliche Unklughcit, Leichtsinn und Ge­wissenlosigkeit hervor. Durch diese traurigen, teilweise ver­brecherischen Vorgänge entstand eine Unsicherheit und Miß­trauen bei dem kaufenden Publikum, wodurch die Kurse mancher Papiere herabgrdrückt wurden, auch die Beurteil ung der Börse überhaupt ungünstig beeinflußt wurde. Der Ge­setzgeber aber muß die Folgen persönlicher Untreue von der wirtschaftlichen Aufgabe der Börse vollkommen getrennt halten. Redner erläutert dann die Bestimmungen des Ent­wurfs und schließt: Wir müssen eine starke Börse haben, sonst stehen wir gegenüber dem Auslande benachteiligt da. In der weiteren Debatte erklärt Wolfs (Bd. d. L.), er sei bereit, mit seinen Freunden an einer Aenderung des Gesetzes miizuarbeiten unter der Voraussetzung einer stärkeren Ver­schärfung der Strafbestimmungen. Nach kurzer Debatte schließt die Diskussion. Das Haus verweist die Vorlage an eine 21gliedrige Kommission. Sodann beginnt die erste