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Donnerstag. 28. Aprit.

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1904.

Tagespolitik.

Holland in Not, so heißt's bei der Reichs-Finanz- Reform in der Reichstagskommisfion. Es ist dringend nötig, das Reich finanziell auf eigene Füße zu stellen, wenn nicht die weniger bemittelten E>nzelstaaten den schwersten Tagen entgegen gehen sollen. Die Herren im Reichstage wollen dos noch immer? nicht recht einsehen, sie sollten aber ein­mal die kleineren Bundesstaaten, in welchen die größeren Steuerzahler recht dünn gesät find, «ufsuchen, sie würden genug zu hören bekommen. Und am Ende ist das deutsche Reich doch auch zu dem Zweck gegründet worden, daß allen Teilen des Reichskörpers Segen zu teil werde. Es ist richtig, als wir die guten Zeiten bei deu Reichs-Finanzen batten, als es Ueberschüsse aus der Reichskasse gab, da haben sie alle gern genommen. Hätten die mittleren und kleineren Staaten aber gewußt, daß sie in die Lage kommen würden, trotz steigender Ausgaben bei sich selbst zu Hause, mehr und immer mehr an das Reich zu leisten, sie würden sich bedankt haben, die früheren Reichsüberschüsse anzu­nehmen. Es ist leicht gesagt, Ihr müßt aufbringen, was gefordert wird! Aber das Wie ist nicht so leicht beant­wortet. Vermögende Steuerzahler sind heute nicht für eine bestimmte Stadt oder für einen bestimmten Staat festzu­nageln, sehen sie, wie für sie die Lasten immer höher wer­den, weil das Gros der Bevölkerung zu wenig steuerkräftig ist, dann wandern sie in einen deutschen Bundesstaat, wo bessere Steuer - Verhältnisse herrschen. Gerade die der finanziellen Schonung am meisten bedürftigen deutschen Mittel- und Kleinstaaten würden also immer tiefer in die Tinte geraten, und auch in den großen Bundesstaaten wür­den die Steuerzahler alles andere eher, denn erfreut sein. Die Neigung für direkte Steuern und Deklarationen darüber ist seit den letzten kritischen Jahren ganz gewiß nicht ge­wachsen; die Herren Reichstagsabgeordneten, welche von einer Reichs-Firianz-Reform natürlich einer gesunden nichts wissen wollen, sollten einmal in eine Steuer-Kommis­sion bei sich zu Hause eintreten, da würden sie genug und übergenug zu hören bekommen. Deutschland steht finan­ziell nicht ungesund da, aber das Geld muß da genommen werden, wo es sich am reichlichsten findet. An Luxus- Steuern ist bei uns noch lange nicht flott gemacht, was vorhanden ist.

* -t-

Der Ausstand der ungarischen Staats-Eisenbahner ist eine rein ungarische Angelegenheit gewesen, gerade so, wie s. Z. der Streik der niederländischen Bahn-Angestellten, aber er hat doch eine weitergehende und prinzipiell-charakte­ristische Bedeutung. Es handelt sich hier, wie nochmals ausdrücklich betont sein soll, nicht um Beamte von Privat­gesellschaften, wie s. Z. in Italien, sondern um Staatsbahn­beamte. Wir werfen die Frage auf: Ist so etwas in Deutsch­land möglich? Denn eine derartige Unterbindung des Ver­kehrs, ein Festlegen der Frachten, eine Vereitelung aller Reisen hat m wenigen Tagen so enorme Schädigungen, so verhängnisvolle Weiterungen im Gefolge, daß sie niemals auch nur als möglich betrachtet werden darf. Die An­nahme einer Möglichkeit wäre schon die halbe Verwirklich­ung. Nun, wir dürfen für Deutschland wohl sagen, daß so etwas bei uns ausgeschlossen ist. Gewiß, auch unseren Eisenbahn-Angestellten sind noch nicht alle und jede Wün­sche erfüllt, es wird noch um manches petitioniert, es wird noch manches erwogen, aber ganz gleichgiltig, ob da noch viel geschehen kann, oder nicht, alle unsere Zug-Beamten find von ihrer Beamten-Verantwortlichkeit und Beamten­pflicht so durchdrungen, daß ihnen ei» Verhalten, wie es in Ungarn beliebt worden, einfach als verrückt erscheinen müßte. Unsere Beamten wissen vor allen Dingen, daß sie bei ihren Oberbehörden einen Schutz haben, wenn es sich um ihr Recht handelt, daß sie wirklich als Beamte estimiert werden, und das gibt ein erhöhtes Ehrgefühl. Ein Be­amter, der unstreitig, wie es bei deu Eiseubahnern der Fall ist, im Dienste der Allgemeinheit steht, kann aus irgend einem Grunde seinen Dienst quittieren, ihn regelrecht ab­geben, aber Plötzlich seine Pflichten unerfüllt lassen, seine Funktionen bei Seite werfen, das geht nicht. Und das tut auch kein deutscher Beamter, weil es unwürdig wäre. Des Dienstes Uhr ist ewig gleichgestellt für Hoch, wie für Nie­der, sie gilt für den Eisenbahn-Minister wie für den Zug­führer.

* *

In den letzten Tagen soll in Petersburg die Zahl Derer zugenommen habe», welche an eine friedliche Bei­legung des ostastatischeu Krieges glauben. Man behauptet sogar, daß auch Japan darauf rechne, den Landkrieg noch vermeiden zu können. Graf Aoki, der in geheimer Sendung nach Berlin gehe, habe deu Auftrag, zu sondieren, ob nicht

Kaiser Wilhelm die Vermittlungsrolle übernehmen wolle. Bei diesen Annahmen handelt es sich jedoch nur um sehr schwache Vermutungen; weit begründeter sind dagegen die Gerüchte über die schwankende Haltung des Zaren. Einem Großfürsten wird der Ausspruch zugeschriebeu, daß der Feldzug durch die Uuschlüssigkeit des Zaren bereits verloren sei und daß es besser wäre, das unglückliche Aben­teuer durch einen anständigen Vergleich adzuschließen. In den wenigen maßgebenden militärischen Kreisen hört man noch viel schärfere Urteile. Der Zar habe bis zum letzten Augenblick nicht an den Ernst der Lage geglaubt. Dann habe er nach dem ersten Angriffe der Japaner die Ent­sendung von Truppenmassen in der Srälke von 300000 bis 400 000 Mann anbefohlen. Es sollten ganze Armeekorps nach Ostasten abgehen. Dann aber schien eine solche Maß­regel zu bedenklich, und es wurde befohlen, daß von jedem Regiment ein Bruchteil nach dem Kriegsschauplätze abgehen sollte. Sehr bald aber stellte sich heraus, daß aus solchen zusammengewürfelten Mannschaften keine einheitliche Armee gebildet werden könne, worauf einige Bataillone und Regi­menter zum Abmarsch bestimmt wurden. Heute nun steht die Sache so, daß nach der Erklärung des Generals Kuro- Vatkin die russischen Truppeu in der Mandschurei noch Mo­nate brauchen, ehe sie eine wirklich schlagfertige Armee im neuzeitlichen Sinne darstellen werden. Jo dem ganzen Auf­märsche, in der Ausrüstung und Verpflegung fehle der ein­heitliche Gedanke. Die letzten Berichte, welche Kuropatkiu nach Petersburg gesandt habe, lauteten in ihrer Aufzählung der vorhandenen Mängel geradezu verzweifelt. Da könne nur der feste unbeugsame Wille des Herrschers durchgreifen. Aber gerade dieser fehle. Der Untergang deSPetropaw- lowsk" habe vollends die Stimmung deS Herrschers ver­düstert. Noch weit trauriger sei der Mangel eines festen Plaues bezüglich der Flotte. Die Entsendung des Mittel- meergeschwaders sei dreimal angeordnet und ebenso oft widerrufen worden. Das baltische Geschwader sollte schon seit vier Wochen auf der Fahrt nach Ostafien sein. Daus wurde die Abreise immer wieder verzögert, und jetzt darf man annehmen, daß in diesem Sommer überhaupt keine Schiffe mehr nach Ostafien geschickt werden. Alle diese Be­fehle und Gegenbefehle werden auf das persönliche Ein­greifen des Zaren zurückgeiührt.

Deutscher Weichstag.

* Merlin, 25. April. Gesetzentwurf betr. Uebernahme einer Garantie des Reiches für eine Eisenbahn Dares-Salaam- Mrogoro. Kolonialdirektor Stübel bezeichnet diese Bahn als unbedingt notwendig für die wirtschaftliche Entwickelung von Deutsch-Ostafrika. Für Ostafrika, das zweimal so groß als Deutschland ist, sei die Bahn umso notwendiger, als es an sonstigen leistungsfähigen Verkehrsstraßen fehle. Auch militärisch sei die Bahn notwendig. Abg. Graf Sto lb er g (kons.): Wenn jetzt die Garantiefrage für die Bahn auf­tauche, so müsse gefragt werden, ob denn überhaupt Kolo­nien nötig seien. Allerdings, wo wir Kolonien haben, müsse man auch für sieaufkommen. Abg. ller-Sagan (frs. Vp.) sympathisiert nicht mit dem Gesetzentwurf und bezweifelt, ob das auf 18 Millionen veranschlagte Anlage- Kapital ausreiche. Abg. Schwarze (Z.): Mit der extensiven Politik hätte man in Afrika großes Fiasko ge­macht, zumal in Südwestafrika. Das sei eine Landwüste mit nur wenigen Plätzen, die entwickelt werden könnten, aber auch nur mit sehr viel Geld. Hätte man das für Südwestafrika ausgegebene Geld für Ostafrika verwendet, so wäre das besser angelegt gewesen. Dort liege der Schwer­punkt und dort müsse eine Bahn unter allen Umständen gebaut werden. Abg. Graf Arnim (Rp.) und Abg. Paasche (natl.) erklären sich mit dem Gesetzentwurf ein­verstanden. Abg. Dasbach (Z.) hebt hervor, daß der Abgeordnete Schwarze nur in seinem eigenen Namen ge­sprochen habe. Das Zentrum habe sich über die Vorlage noch nicht schlüssig gemacht. Kolonialdirektor Stübel: Die Regierung wolle durch die Aenderung der Spurweite der Bahn das Zustandekommen der Vorlage erleichtern. Die Vorlage geht au die Budget-Kommission. Anleihe für das Togogebiet. Der Entwurf nimmt für den Bau einer Bah» von Lome nach Palima eine binnen dreißig Jahre» zu tilgende 3^ prozentige Anleihe von acht Millionen in Aussicht. Auch diese Vorlage geht an die Budget-Kom­mission.

* Merlin, 26. April. Das Haus nimmt in dritter Be­ratung endgiltig die Abkommen über das internationale Privatrecht auf dem Gebiete der Eheschließungen, Ehe­scheidungen und Vormundschaft an. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfes betreffend die Krankeu-Ber- sicherung für die Seeleute. Dazu liegt ein Antrag Auer

und Genossen vor, wonach der Rheeder die Verpflegungs­und Heilkosten tragen soll, auch wenn der Schiffsmann innerhalb drei Wochen nach der Abmusterung erkrankt oder eine Verletzung erleidet. Molkenbuhr (Soz.) begründet diesen Antrag. Rettich (kons.) beantragt, daß daS Gesetz am 15. Mai, »icht am 1. April in Kraft tritt. Patz ig (nlb.) und Bergmann (frs. Vp.) befürworten den An­trag. Nach weiteren Ausführungen Kirschs (Ztr.) und Molkenbuhrs (soz.) begründet Mugdan (frs. Vp.) einen Unterantrag, wonach dem Antrag Auer hinter: »inner­halb drei Wochen" eiuzufügen ist: »ohne angemustert zu sein oder eine kraukenverstcherungspflichtige Beschäftigung angetreten zu haben. Patzig (nlb.) bekämpft den Unter­antrag Mugdan. Der Antrag Auer mit dem Unterantrag Mugdan wird abgelehnt. Artikel 1 des Regierungs-Ent­wurfs wird angenommen. Nach weiteren Bemerkungen Molkenbuhrs (soz.) und Schwarz (soz.) wird auch der zweite Teil des Antrags Auer abgelehnt. Die Regie­rungs-Borlage wird mit dem Antrag Rettich einstimmig an­genommen. Hierauf wird auch die sozialdemokratische Re­solution betr. die Krankenversicherung abgelehnt. Es folgt die erste Beratung betr. Aenderung des 4. Abschnitts des Börsengesetzes. Kamp (frs. Vp.) beantragt gemeinsame Beratung mit dem nächsten Gegenstand der Tagesordnung (Vorlage betr. Aenderung des Reichsstempelgesetzes). Han­dels-Minister Möller begründet die Börsengesetznooelle. Kanitz (kons.) führt aus, die Regierung hätte, statt die Novelle einzubringen, fast ausschließlich den an der Ber­liner Börse hervorgetretenen Widerstand gegen das bisherige Gesetz oiederzwrngen sollen. Ein Regierungskommissar tritt der Ansicht entgegen, als ob der Terminhandel wieder eingeführt werden solle. Auch die Eintragung in das Börsenregister bleibe ja bestehen. Morgen Weiterberatuug und Wahlprüfungen.

LcmbesnachrichLen.

Altensteig, 26. April. Der vom hiesigen-homöopathi­schen Verein auf letzten Sonntag abend im Gasthaus zum Schiff" angekündigt gewesene öffentliche Bortrag war gut besucht. Dem Redner, Herrn Dr. hl, Sekretär der Hahnemania, bot das Thema:Ursachen und Behandlung der Magenkrankheiten" so recht Gelegenheit, die Vorzüge der homöopathischen Heilmethode darzutun. An der Hand eines vorzüglich und künstlerisch ausgeführteu Modells er­läuterte derselbe Bau und Form des menschlichen Magens und entwickelte ein anschauliches Bild von der Funktion dieses Organs. Redner betoute dabei, wie die Speisen durch die Magenröhre und dann in deu Magea gelangen, auf welche Weise die Berdauungsorgane im Magen Mitwirken, um dann in den Zwölffinger-Darm zu gelangen. Ferner trug der Redner über die Magenkrankheiten das vor, was der Laie verstehen kann und verstehen muß, um den Anord­nungen der Aerzte bei derartigen Krankheiten mit Verständ­nis folgen zu können, und in der Lebensweise alles das zu meiden, was dem Magen Schaden bringt. Herr Hähl wirs ebenfalls darauf hin, daß die meiste« Magenkrankheiten auch bisweilen von schlechten Zähnen herrühren, indem die Speisen «icht genügend verkant werden können, ebenso sei übermäßiger Alkoholgenuß meistens die Folge von Magenkrankheiten Redner betonte daun noch, daß der Homöopathie weit mehr Mittel zur Verfügung ständen als der Allopathie, um den Krankheiten gerade in diesen Fällen entgegenzutreteu. Der Bortrag war für die Anwesenden ein sehr lehrreicher und es wäre nur zu wünschen, daß derartige Borträge zu hören noch mehr Gelegenheit geboten würde. Der Vorstand des Vereins, Herr Kupferschmied Frey, dankte dem Redner für seinen interessanten Bortrag und zum Zeichen der An­erkennung erhoben sich die Anwesenden von ihren Sitzen.

* Altensteig, 27. April. Der Frühling treibt sein Wesen verschieden. Uns beschert er bereits blühende Bäume, die in einiger Zeit zu der ganzen vollen Blütezeit führen werden. Wärme und Feuchtigkeit wirke« in der Natur zu­sammen, und wir werden aller Voraussicht nach ein so herrliches Pfingsten haben, wie seit Langem nicht. Der Gärtner offeriert bereits schon frischen Salat, die Brunnen­kresse ist vorhanden, und die Nachfrage wächst von Woche zu Woche. Es gibt «icht leicht eine gesundere Nahrung, als grünen Salat, bei uns wird er noch lange nicht so gewürdigt, wie er es verdient. Unsere Veteranen, die 1871 in Frankreich waren, werden wissen, wie viel gerade die Franzosen drauf geben, in deren Küche er eine außerordentliche Rolle spielt. Das große Konzert in der Flur wird lauter und lauter. Wir sagen, eine Schwalbe macht noch keine« Sommer, aber sie läßt ihn ahnen. Vielleicht können wir auch bald sagen: Eine einzige Nachricht von Friedensvermittluugen endet den Krieg in Ostafien noch nicht, läßt aber doch an ein Ende