Aer«l?recher ^ Ar. I I.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast".
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Donnerstag. 2!. Aprit.
Bekanntmachungen aller Art finden die er- ^ a HNel.
folgreichste Verbreitung. I *
Amtliches
Zur Bewerbung ist ausgeschrieben die Pfarrei Rohrdorf.
Vom 1. Mai ab wird zwischen Wildbad und Enzklösterlc ein Postbotengang eingeführt.
Die Zukunft -er Reichsfinauzen.
(Nachdruck verboten.)
! In dieser schönen Frühlingszeit, wo alle Welt sich
! des erwachenden Lebens in der Natur freut, soll die Reichs-
j Finanz-Verwaltung eine harte Nuß knacken und berauszu-
! bekommen suchen, wie sich die Zukunft unserer Reichs-Fi
nanzen gestalten wird. Solche Fragen sind schon oft aufgeworfen, sie werden noch oft aufgeworfen werden; daß sie beim allerbesten Willen und mit dem allergrößten Scharfsinn niemals völlig zutreffend beantwortet werden können, liegt an der ganzen heutigen Entwicklung. Wirtschaftliche und politische Zwischenfülle können kommen, welche die Einnahmen vermindern, die Ausgaben vermebrrn. Ereignisse können ohne alles Verschulden eines einzelnen Staates sich geltend machen, welche für den ganzen Weltmarkt einen Stillstand bedeuten und damit auf alle Kultur- Nationen eine Rückwirkung ausüben. Der russisch-japanische Krieg ist am letzten Ende doch über Nacht gekommen, so kann auch ein größerer Krieg entstehen, bei dem Deutsch- ! land gar nicht beteiligt zu sein braucht, hoffentlich auch nickt beteiligt sein wird, und der für uns doch eine Unter- ! bindung vorzüglicher Absatzguelle» bedeutet. Wir können ^ in einem solchen unerfreulichen Falle aber noch lange nicht die Reichsmaschinerie zum Stillstand bringen, um zu sparen, nicht allein der einzelne Mensch, auch die Völker müssen haben, was sie gebrauchen. Darum ist es bester, man baut sich kein festes Rechen-Exempel für die Zukunft auf, man hält sich vielmehr an die jeweiligen Tatsachen. Und daß diese bei uns nicht mit einer Abenteuer-Politik verknüpft sein werden, ist ganz selbstverständlich. Wenn mit uns keine Macht Krieg anfängt, wir fangen sicherlich mit keiner Streit an.
Deutschland ist in finanzieller Beziehung viel stärker, als so viele Leute glauben, als die politischen Schwarzmaler glauben machen wollen. Wir haben dafür schlagende Beweise. Ende der siebziger Jabre entschied sich Fürst Bismarck zu seiner neuen Zollpolitik, und daß nichts anderes übrig blieb — von den Grundsätzen des Freihandels und Schutzzolls ganz abgesehen, ergab sich zweifellos aus der Folgezeit: Das deutsche Reich gebrauchte zu seiner Ausbildung mehr Geld, irgendwo mußten die Mittel her- ! kommen, und bei uns sind sie nicht anders gewonnen als wie überall. Der erste Reichskanzler hat keine neue Finanzwirtschaft erfunden, er hat sie nur zur rechten Zeit in Anwendung gebracht. Was sollte alles darnach kommen? Wenn man sich die Mühe geben wollte, alte Zeitrmgsbände mit einer Zusammenstellung von Preßstimmen aus jener Zeit aufzuschlage», man könnte die greulichsten Geschichten lesen. Und wie ist's geworden? Nicht trauriger, sondern — den ganzen Zeitraum berechnet — in wirtschaftlicher Beziehung bester und immer besser. Ein einwandfreier Zeuge dafür ist die total veränderte Lebenshaltung, keine Arbeiterfamilie lebt heute mehr so, wie sie damals lebte, die gewaltige Ausdehnung der industriellen und gewerblichen ! Tätigkeit, die in diesem Umfange kein Mensch geahnt hat.
^ Wir haben die letzte, sehr harte Krisis gehabt; ihre Nach
wehen sind noch heute nicht ganz überwunden, aber wo wird denn äußerlich viel daran gemerkt? In der Lebensweise ist gerade bei den breiten Bolksklasten keine einschneidende Aenderung eingetreten, große öffentliche Arbeiten sorgen neben den privaten für Tätigkeit und für Verdienst, j Und wer seine Arbeit sich gar nicht zu peinlich aussuchen i oder etwa einer übervölkerten Großstadt nicht den Rücken drehen will, braucht über Brotlosigkeit nicht zu klagen. Wenn Deutschland heute so dasteht, mästen wir, unserer ganzen Auffassung und Vergangenheit nach, nie ei» Gefühl der Verantwortung der Vorsicht verlieren, aber was die Zeit erfordert, unbedingt haben muß, das können wir auch leisten, darüber kommen wir fort, es ist noch lange nicht alles, was ganz bequem zum Reichsbesten »bluten* kann, ln Steuern »«gesetzt.
Wir haben auch auf finanziellem Gebiete die Umwandlung der Werte ins Auge zu fasten. Was heute in dle Reichskaffe an Geld fließt, wird nicht für geheimnisvolle, unkontrollierbare Ausgaben verwendet, sondern alles Geld fließt wieder in die Bevölkerung zurück. Auch der Reichskanzler kann nicht sagen: „Meine hunderttausend Mark Jahresgehalt schließe ich in mein Geldspind, da habe lch sie sicher!* sondern er muß sie hübsch wieder für Lebensunterhalt, Repräsentation:c. ansgebe».
Tagespolitik.
Der deutsche Evangelische Kirchcnausschuß veröffentlicht im Hinblick aus die Aushebung des h 2 des Jesuttrn- gesetzes eine Knndgebung an die evangelischen Gemeinden worin es heißt: Nicht die Aufhebung des ß 2 ist in Wirk- lichkeik der alleinige Gegenstand und Grund der tiefgehenden Erregung im evangelischen Volke, wenn auch mit jenem Paragraphen für die evangelische Kirche ein vorsorglich aufgerichtetes Schutzmittel und eine Waffe der Abwehr zur Wahrung ihrer Interessen weggefallen ist. Ihr eigentlicher Grund liegt zugleich in der Befürchtung, daß die Beseitigung des ß 2 nur ein weiteres Glied in der tasachlichen Entwickelung der kirchenpolitischen Verhältnisse im deutschen Reiche bilde; eine Reibe von Einräumungen zugunsten der römischen Kirche seit längerer Zeit bedeute eine Gefahr für die evangelische Kirche und vermöge dem öffentlichen Frieden, sowie dem ungetrübten Nebeneiuanderleben der Konfessionen nicht zu dienen. Im Zusammenhang mit der anmaßenden, auch die Ehre Luthers und der Reformation nicht schonenden Haltung des Ultramontanismus empfinden wir die Entscheidung des Bundesrats als eine ernsteMahnung,daßden maßlosen, stets wachsenden ultramontanen Ansprüchen und dem Poteftantismus feindlichen Bestrebungen, welche auf die Alleinherrschaft der römische« Kirche gerichteten Ziele auf jede Weise durchzusetzen suchen, die gebührende Zurückweisungen zuteil werde.
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Zu den Fehlern der deutschen Kolonialpolitik gehört auch das Abtreten großer Landstrecken an fremde Spekulationsgesellschaften. In Südwest- und Ostafrika sind große gold- und diamanthallende Gebiete an englische Gesellschaften abgegeben worden, ohne daß diese eine irgendwie nennenswerte Gegenleistung übernahmen. In Deutsch-Südwestafrika besitzt die German South West Africa Co., oder sagen wir rundweg die englische Rhodes-Klike, fast alles, was überhaupt befitzenswert ist. Infolgedessen ist die Kolonialverwaltung in der Besiedelung der Flächen mit paffenden Leuten behindert. Auf diese Weise ist natürlich der Entwickelung und der baldigen Selbständigkeit unserer Kolonien ein Riegel vorgeschoben. Ferner: Als deutsche Zeitungen die Nachricht brachten, daß in der Nähe von Viktoriasee in Deutsch- Ostafrika auf deutschem Gebiet reiche Goldfelder entdeckt worden seien, wußten die Johannesburgcr Blätter das schon einnndhalb Monat früher und berichteten noch nebenbei, daß sich infolge dieser Funde massenhaft Leute aus Johannesburg und Umgegeng dorthin aufmachten, um sich bei Zeiten einen Gewinn zu sichern, denn die Waschproben erwiesen sich als außerordentlich reich. Die zeitiger als andere Leute unterrichteten Engländer ließen sich dann von der deutschen Kolomalverwaltung die goldhaltigen Gebiete »verkaufen". Kommt es zum Abbau, daun ernten die Engländer den Gewinn, den Deutschland selbst aus feinen Kolonien so notwendig braucht, denn seither hatten wir nur Kosten. Außerdem bedeutet das Ueberwuchern der Engländer in unseren Kolonien eine Gefahr für deren Besitz. Die Engländer sind überaus anspruchsvoll. Versteht z. B. der deutsche Beamte ihre Sprache nicht, so genügt das schon zu Beschwerden nach England über mangelndes Entgegenkommen. Es kommt zu Nörgeleien, zu Jntriguen. Es wird in kolonialfreund- lichen deutschen Zeitungen angeregt, den mit der Landverschleuderung gemachten Fehler wieder gut zu machen durch ein Verfahren, welches im englischen Natal angewendet wurde. Dort wurde alles Land im Zwangsverfahren enteignet, welches zu einem zivilisierten Betrieb mit Ackerbau und Weidewirtschaft, oder zu gewerblichen Zwecken zu groß war. Auch ließe sich in Südwestafrika eine hohe Kriegsaufwandssteuer einführen, die nach dem Umfange des Landbesitzes von den Eigentümern erhoben werden könnte und diese zum Abtreten des Besitzes mürbe machen würde. Wir Deutschen müssen lernen, mit den Engländern energisch umzugehen und in Geschäftsangelegenheiten unsere Feinfühligkeit und unfern Ehrsamkeitsdusel abzulegen, sonst werden wir diesen Leuten nie gewachsen sein.
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Eine bemerkenswerte Folge hat das Unglück Rußlands vor acht Tagen bereits gehabt; sie ist von der »Petersb. Zeitung" mit den Worten festgestellt worden: »Das Gefühl für die russisch-deutschen Freundschaftsbeziehungen beginnt unstreitig in unserer Presse aufzuleben." Charakteristisch d afür ist die Aeußerung der „ Birsh. Wjedom.": »Rußland und Deutschland find dazu bestimmt, das Antlitz dieser Welt zu verändern." Es ist noch nicht so lange her, daß in der russischen Presse diese Erinnerungen nicht sehr lebendig gewesen sind. Wenn die Russen sie jetzt auffrischen und die Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland wieder recht innig gestalten wollen, so können sie sich auf keinen Geringeren berufen als auf Kaiser Wilhelm, der dem
Zaren zum Verluste der „Petropawlowsk" und des Admirals Makarow kondoliert und wörtlich gesagt haben soll: „Russische Trauer ist deutsche Trauer." Das Wort ist bis jetzt nicht dementiert worden, also wird es wohl wahr sein. Es ist begreiflich, daß andererseits die Gefühle der Franzosen für die Russen stets kühler werden. Wenn die Japaner noch weiter siegen, wird jede ihrer Kugeln ein Loch in die französisch-russische Allianz reißen.
Deutscher Weichstag.
* Aerki«, 16. April. Bachem (Zentr.) wendet sich gegen den Antrag Müller-Meiningen. Derselbe lause allzu sehr aus ein Mißtrauens-Votum gegen den Bundesrat hinaus. Redner geht nun des näheren auf die Friedhof- Affäre von Fameck ein und betont, daß die Schuld an alle» diesen Schwierigkeiten nur bei der Regierung liege, denn diese habe ihre Pflicht versäumt, die politischen Gemeinden zur Abtrennung protestantischer konfessioneller Teile von Friedhöfen aufzufordern, da wo ein Bedürfnis vorliege. Wenn bei solcher Rechtslage die Beerdigung eines Protestanten auf dem unzweifelhaft konfessionellen katholischen Friedhofe erzwungen worden sei, so sei das unbedingt eine Rechtsverletzung. Wolfs (Bund der Landwirte) verbreitet sich über die Notlage der Landwirtschaft. Krzyminski (Pole) fragt, ob die Art, wie die Preußen die Polen behandeln, einer Knltnrnation würdig sei. Redner exemplifiziert namentlich auch die Brutalitäten der Posener Postbehörden. von Oldenburg (kons.) ist mit der Antwort des Staatssekretärs Richthosen Wege» der Handelsverträge nicht zufrieden. Unter allen Umständen müsse mit dem Meiflbegünstigungsmodus aufgeräumt werden. Der Reichskanzler babe in den vier Jahren seiner Täiigkeit für die Landwirtschaft nichts getan, auch gegen die Sozialdemokraten habe er nur schöne Reden gehalten. Aber hinter den Reden sei kein chfekt. Das Vertrauen zu der Regierung gehe verloren. Singer (Soz.) kritisiert das Verhalten des Bundesrats gegenüber den Beschlüssen des Reichstags abfällig und erklärt namens seiner Partei, daß sie der Resolution Müller- Meiningen zustimme. Das Amendement erscheine seiner Partei sachlich unberechtigt. Staatssekretär Posadowskh: Es liege dem Bundesrat fern, die Anregungen des Hauses zu vernachMstaen. Die Gesetzgebung habe in den letzten zehn Jahren bei uns etwas gestockt, aber in keinem anderen Lande habe sich in Wirklichkeit die Gesetzgebung auf so verschiedenen Gebieten betätigt, wie bei uns. Der Bundesrat müsse die Beschlüsse des Hauses erst eingehend Prüfen, weil sie meist schwieriger Natur seien. Müller-Meiningen (Fr. BP.): Seine Partei wolle mit ihrer Resolution keine große Neuerung schaffen, sondern eine Lücke der Verfassung ausfüllen. Gröber (Ztr.) führt Klage über die Ausweisungen der französischen Kongregationen aus Elsaß-Lothringen. Es sei eine Ehrenpflicht des Reiches, die in Elsaß geborenen, jetzt aus Frankreich ausgewiesenen Ordeusleute anfzunehmen. Reichskanzler Graf Bülow: Er richte seine Politik nickt darnach ein, Dank zu ernten. Dem Abgeordneten von Oldenburg gegenüber erwidere er, daß der Zolltarif für die Landwirtschaft eine nützliche Tat sei und eine weitere nützliche Tat wäre es, wenn auf der Basis des Zolltarifs Handelsverträge zustande kämen. Gegen das Zentrum wird die Resolution Müller-Stockmann angenommen und der Etat des Reichskanzlers genehmigt.
* Serkia. 18. April. Zur Beratung steht die Resolution Gröber betr. Vergebung von Arbeiten und Lieferungen durch die Reichsverwaltuugen im Submissionswege und Auer betr. Ergänzung der Ueberstchten über die Arbeits-Verhältnisse in den Heer- und Marine-Betrieben durch eine Denkschrift, welche Auskunft geben soll über etwaige Bestimmungen über Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen in den mit den Unternehmern abgeschlossenen Verträgen. Abg. Gröber (Zentrum) befürwortet seine Resolution und rügt das vielfach bisher schädliche Submissions- Verfahren. bei dem der Staat seine sozialen Pflichten vernachlässige. Die Submisfionsbedingungen seien vielfach viel zu hart. Ein solider Handwerker könne darauf nicht Angehen. Eine gewissenlose Schmutzkonkurrenz füge sich zwar i« die Bedingungen aber zum Schaden der von ihr beschäftigten Arbeiter. Auf keinen Fall dürfe bei den Submissionen die billigste Entlohnung an die Spitze gestellt werden, sondern die gerechte Entlohnung. Ferner müsse die Vergebung nicht erfolgen in einem kleinen Kreise bevorzugter Unternehmungen, sondern in einem möglichst weiteren Kreis. Ferner empfehle eS sich, so weit als möglich zu gehen in der freihändigen Vergebung an gewerbliche Genoffenschafte«. Die Abgabe an einen General-Unternehmer möge ja ab und zu eine Notwendigkeit sein, aber als Regel sei fie ein Krebsschaden. So denke mau wenigstens mit Recht in