Aerrrlprecher Mr. 11.

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Wr. 58.

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Sonntag. 17. ApriL.

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1904.

Tagespolitik.

Die Kommission der württembergische» Abgeordneten­kammer hat einen Antrag auf Einstellung von Schulärzten in den Städter! uud auf dem Lande der Regierung zur Er­wägung übergeben. Kultusminister Dr. Weizsäcker erklärte dabei, er werde gemeinschaftlich mir dem Ministerium des Innern eine Kommission zur weiteren Förderung dieser An­gelegenheit einsetzen.

* *

Deutschland hat auf dem ganzen Erdball nur eine anständige Kohleuftation: Kiautschou. Wir bauen Schiffe über Schiffe, unsere Handelsflotte ist die zweitgrößte der Welt, aber unsere Kriegsschiffe mögen im Kriegsfälle nur ruhig in der Ostsee liegen bleiben, und die Tausende unserer Handelsschiffe mögen sich in neutrale Häfen retirieren. Denn unsere Kriegsschiffe haben außerhalb der heimischen Küste und außer Kiautschou nicht eine Station, wo sie Kohlen einnehmcn könnten. Da bot sich jetzt die Gelegen­heit, im Mittelmeere, an der marokkanischen Küste, sich ei­nige Kohlenstationen zu sichern. Frankreich und England verhandelten über den Besitz dieses Landes, das ihnen ebenso wenig gehört, wie irgend einer anderen Macht. Deutsch­land hätte da auch rin Wort mitreden sollen und sich Kompensationen, oder mindestens einige Kohlenstatioueu sichern sollen. Allein wir habe» zwar einen Reichskanzler, der schöne Reden halten kann, aber wir haben keine ener­gischen Diplomaten. Die Franzosen nahmen das ganze Marokko und Deutschland erhält gar nichts. Noch aus einem anderen gewichtigen Grunde hätte Deutschland sich um den marokkanischen Handel kümmern sollen. DieSLraße von Gibraltar, der Weg durch das Mittelmeer nach unseren Kolonien, wird uns völlig gesperrt, wenn Frankreich der Besitzer von Marokko wird. In Gibraltar sitzen die Eng­länder, gegenüber in Marokko fitzen die Franzosen. Keine Maus kann zwischen den Kanonen beider Mächte hindnrch- schlüpfen, wenn diese Mächte es nicht wollen. Zu dem Nichiwsllen aber kann bei Engländern und Franzosen den Deutschen gegenüber schnell einmal die Gelegenheit kommen. Aus eine andere Seite der Angelegenheit macht weiter die Magdeb. Zeitung" aufmerksam: Schon 1870 haben afri­kanische Eingeborene gegen uns gefochteu. Wenn jetzt Frankreich hofft, nach Angliederung Marokkos aus zwei Millionen Berber-Arabern eine wohldisziplimerte, gut be­waffnete Armee, vor allem eine tüchtige Reiterei zu schaf­fen, um mit ihrer Hilfe alte Scharten auszuwetzen, so dürf­ten wir kaum in der Lage sein, mit Hilfe der Boudels- zwarts und Hereros oder der liebenswürdigen Menschen­fresser des Bismarck-Archipels ihnen den Widerpart zu leisten, Wie sagt aber Sankt Offizwsus?Die deutschen Interessen scheinen für den Augenblick nicht berührt zu wer­den durch die Abmachungen über Marokko, denn die fran­zösische Regierung hat oft genug versichert, daß Frankreich nicht an eine Eroberung oder Besetzung denke, sondern nur bezwecke, die europäische Zivilisation in Marokko einzuführen." Das ist doch das Dümmste, was in den letzten Jahren niedergeschrieben wurde und das will viel sagen. Also die guten und edlen Franzosen wollen nur um eines Gotteslohnes willen die Schulmeister spielen! Der Fuchs will nur aus tiefer Frömmigkeit de» Hühnern predigen.

Deutscher Weichstag.

Merlin, 14. April. (Schluß.) Der Reichskanzler fährt fort: Auf die Befürchtung Bebels, daß wir einer Isolierung entgegengeheu, erwidere ich, daß wir mit zwei Großmächten im sicheren Bundesverhältnis stehen und mit fünf Mächten in freundschaftlichen Beziehungen, und daß unser Verhältnis zu Frankreich ruhig und friedlich ist und soweit es von mir abhängt, bleiben wird. Ich glaube, daß wir vor einer Isolierung uns nicht so sehr zu fürchten brauchen. Deutschland ist zu stark, um nicht bündnisfähig zu sein, wir brauchen niemand zu fürchten, also auch in dieser Beziehung:Bange machen gilt nicht!" Auf die gestrige Debatte eingehend, führt der Reichskanzler aus: Ich verstehe nicht, wie man mir den Vorwurf machen kann, daß ich es an Fürsorge und Entgegenkommen für die Landwirtschaft habe fehlen lassen. Wir traten in die Handelsvertragsverhandlungen mit dem festen Vorsatz ein, ihnen einen Zuschnitt zu geben, wie er im Interesse der Landwirtschaft nur möglich ist. Darin macht mich auch der Angriff nicht irre, daß ich die Interessen des Handels und der Industrie weniger vertrete als die der Landwirtschaft. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir für die Landwirtschaft sorgen, die Industrie und der Handel dabei gut fährt. Die Verantwortung über den Fortgang und den Ausgang der Handelsvertragsverhandlungen trägt lediglich die Regierung.

Ihr liegt es ob, den Zeitpunkt für die Kündigung der Handelsverträge zu bestimmen. Wenn die Verhandlungen nicht den erwarteten Verlauf nehmen, würden wir ohne Schwäche von dem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Den Forderungen bezüglich der staatsrechtlichen Stellung von Elsaß-Lothringen stehen gewichtige Bedenken gegenüber. Sie bedürfen einer eingehenden Prüfung. Auch in dem elsaß-lothringischen Landesausschuß sind die Meinungen noch geteilt. Seitdem die Wiedervereinigung Elsaß-Lothringens mit dem Reiche sich vollzogen hat, waren wir stets bereit, den Wünschen Elsaß-Lothringens nachzukommeu, wenn es möglich und durchführbar war. Hinsichtlich der Stellung Elsaß-Lothringens zum Reich find maßgebend die Fürsorge für die Sicherheit des Reiches und die Rücksicht auf das Tempo der Verschmelzung mit dem Reich. Bezüglich des englisch-französischen Abkommens und speziell hinsichtlich des Marokko betreffenden Teiles derselben glaube ich, daß jetzt, wo im fernen Osten der Krieg entbrennt, wo im näheren Orient noch vieles ungeklärt für uns ist, die Politik der Reserve im Interesse des Reicbes am nützlichsten ist. Ich werde mir weder vom Ausland noch von übelwollenden oder ungeduldigen Kritikern im Inland den Zeitpunkt vor­schreiben lassen, wo wir aus der jetzigen Reserve hervor­treten. Das Schaffen von Reibnngsflächen zwischen Eng­land und Frankreich würde durchaus im Widerspruch stehen mit unseren wohlverstandenen eigenen Interessen. Der Reichskanzler wendet sich dann zu den gestern gegen die deutschen Vertreter im Ausland erhobenen Borwürfe uud führt aus: Unsere Vertreter im Auslande sollen die deut­schen Landsleute mit dem größten Nachdruck schützen. Weil ich weiß, daß diese Instruktion maßgebend sein soll für unsere Vertreter im Auslande, muß ich diese pflichttreuen und ge­wissenhaften Leute in Schutz nehmen gegen die sie erhobenen Borwürfe. Auf vage Behauptungen" hin gebe ich meine Untergebenen nicht Preis. Auf die Frage der Aufhebung des § 2 des Jesmtengesetzes eingehend sagt der Reichs­kanzler: Ich habe mich eben so wenig dem Zentrum mit Haut und Haaren verschriebe», wie der Abg. Spahn es ab­lehnte, daß das Zentrum Regierungspartei sau pbrnss ge­worden sei. Wenn im Reichstag ein Antrag auf Wieder­herstellung des tz 2 einaebracht würde, würde es sich ja zei­gen, ob der gegenwärtige Reichstag eine andere Stellung ein nimmt als sein Vorgänqer. Es kommt weniger darauf an, ob der Zeitpunkt der Aufhebung richtig war, sondern darauf, ob die Aufhebung grundsätzlich richtig, ob sie ein Gebot der Staatsraiso» oder der Gerechtigkeit war, war die Ansicht der Mehrheit des HauseS und die Ansicht der Re­gierungen. Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit des Hau­seS der Ansicht sein wird, daß wir in einer Zeit, wo so manche ernste Symptome am Horizont der inneren wie der äußeren Politik stehen, konfessionellen Hader vermeiden müssen, der uns nach innen wie nach außen schwächen würde. (Lebh. Beif.) Hieber: Man würde es nichtverstehen, wenn wir zu der Aufhebung des tz 2 still wären. Der konfessionelle Gegen­satz, der Streit über konfessionelle Dinge, der geistige Kamps an sich ist noch keine Gefahr für das politische und nationale Gebiet. Er hat sehr segensreiche Wirkungen aus unsere Kultur und unsere nationale Entwicklung gehabt, Wir Protestanten erkennen dabei an, daß auch von kath. Seite segensreiche Wirkungen ausgegangen sind. Die Gefahr be­ginnt erst, wenn die konfessionellen Gegensätze in die Politik hinemgetragen werden. Das ist es, was wir Ultramontanis­mus nennen. (Sehr qnt!) Dr. Spahn bat den Katholiken gestern geradezu zur Pflicht gemacht, zum Zentrum zu stehen, sie schädigen sonst ihre Kirche. Das ist es, was wir dem Zentrum zum Vorwurf machen, diese Verquickung von Kon­fession und Politik. So rücksichtslos ist sie noch selten ver­kündet worden. Von einer künstlichen Mache ist bei der jetzigen Bewegung keine Rede. Der Verdacht ist geweckt, es gibt außer dem Zentrum keine Partei, die nicht unter dem Eindruck stünde, es liegen nennen Sie es Handels­geschäfte oder Konzessionen oder Verabredungen, vor. Dazu die Zulassung der Marianische» Kongregationen in Preußen: wenn solche Dinge Zusammentreffen in bestimmten Wochen und Monaten, wie kann man sich dann noch wundern, wenn ein Zorn, ein Unwille durch das protestantische Deutschland geht? Die Regierung soll über den Parteien stehen, wir haben den Eindruck, daß sie sich von einer Partei ziehen und führen ließ (Lebh. Beifall.) Der Reichskanzler fragt Sattler, welches Rezept er denn habe, wie man regieren solle. Das ist nicht unsere Sache, dafür find die Herren Minister selbst da. (Sehr richtig I) Wie ist's aber mit den Bundesregierungen, die im Bundesrat gegen die Aufhebung des H 2 gestimmt haben? (Sehr gut!) Der sächsische Mi­nister hat erklärt:Wir habe«natürlich" gegen die Auf­hebung gestimmt" (Hört!) und zwar unter Zustimmung des

Königs von Sachsen. (Hört!) Ist bei diesen Stellen so wenig politischer Verstand und so wenig Einsicht für die Bedingungen, unter denen allein die Reichsgeschäfte geführt und gefördert werden können? Mit derselben Politischen Logik, mit der die Aufhebung des tz 2 begründet worden ist, kann mau auch die Aufhebung des tz 1 als nötig be­weisen. (Sehr richtig!) Das Zentrum wird das auch nach wie vor fordern. (Sehr wahr!) BonRuhe" kann keine Rede sein. Auch wenn wir vollständig schweigen würden, würde das Zentrum immer wieder sorge», daß sein Ver­langen nicht emschläft. Die Aufhebung des ß 2 ist nichts als eine SiegeStrophäe am Zentrnmswagen. (Lebhafte Zu­stimmung.) Am 19. April 1871 erklärte Bismarck im Reichs­tag:Wir haben, so groß Preußen ist, von den kleinen und kleinsten Mitgliedern des Buadesrats schon manches Gute lernen können". In diesen kleineren Staaten steht mau schon seit längerer Zeit unter dem Eindruck, daß in den Fragen des geistigen, konfessionelle», kirchenpolitischeu Lebens die Losung:Preußen in Deutschland voran!" ihre Be­deutung verloren hat. Wir bedauern das, es muß den PartikularismnS wieder wachrufen. Wir wollen, daß die Politik des Deutschen Reiches auf der Grundlage eines mo­dernen Staates geführt werde (Sehr gut!), und wir scheuen uns nicht, zu sagen, die tiefsten Grundlagen, auf denen jeder moderne Staat und auch das Deutsche Reich ruht, find auf dem geistigen Gebiet gelegt worden in der Reformation. Die Zeit muß kommen, wo das Gefühl, daß wir Kinder und Brüder eines Volkes find, stärker ist als das, daß wir verschiedenen Konfessionen angehören. (Lebhafter Beifall.) Es sprachen noch Stockmann (kons.), Bachem (Zentr.) Staatssekretär Dr. Nieberding erörterte die Verfassungs­mäßigkeit des Bundesratsbeschlusses : Der Bnudesrat nehme zu alle« Beschlüssen des Reichstags Stellung, eine Frist sei ihm dabei nicht gesetzt.

LsndesncrchrrcHLen.

* Atteakeig, 16. April. In diesen Tagen verläßt uns Hr. Finanzamtmann Dinkelmann nach 4jährigem Auf­enthalte, um in Tübingen das gleiche Amt anzutreten. Gestern abend fand nun im Gasthof zumgr. Baum" für den Scheidenden eine Abschiedsfeier statt, bei der sich Freunde und Bekannte zahlreich einfanden. Der Vorgesetzte, Hr. Kameralverwalter Köhler, sprach dem Beamten seine volle Anerkennung aus und der amtliche und gesellige Verkehr des scheidenden Mannes fand von einigen weiteren Rednern ernste und heitere Würdigung. Hr. Dinkelmann dankte mit der Betonung, daß er den Beamten des K. Kameralamts, mit denen zu verkehren ihm stets eine Annehmlichkeit ge­wesen sei. seinen Freunde« nnd der Stadt Alteusteig stets ein treues Andenken bewahren werde. Eine Reihe kräftiger gemeinsamer Gesänge sorgte für Belebung der Zwischen­pausen. Der Abend verlief nur zu rasch in schöner Ge­mütlichkeit.

* Aktensteig, 16. April. Ein schmerzliches Schicksal ist es, welches in der Familie der Frau Stadtpfleger Henßler's Witwe hier Einkehr gehalten hat und allgemeinste Teilnahme erregt. Vor ca. 3 Monaten verheiratete sich die älteste Tochter nach Oberndorf und gründete einen glücklichen Ehe­stand. Aber es war in Gottes Fügung anders beschlossen; schon einige Tage nach der Eheschließung stellte sich bei der jungen Frau eine unheilbare Krankheit ein, die zum bitteren Tode führte. Frau Klaiber wollte auf dem hiesigen Fried­hof beerdigt sein; dieser Wunsch ist ihr durch Uebersühruug der irdischen Hülle hierher erfüllt worden. Vom Traualtar zum Grabe, kann man diesen tiefes Mitgefühl erweckenden Lebensabschluß tatsächlich nennen. Wie schnell ist es doch oft um das menschliche Dasein geschehen!

-n. Hicherttöach, 15. April. Das seltene Jagdglück, einen prächtigen Anerhahnen zu erlegen, hatte heute früh Herr Hugo Böcking hier.

* Kak«, 14. April. Die Lehrer der Volks-und Mittel­schule haben an die bürgerlichen Kollegien ein Gesuch um Erhöhung der Ortszulagen gerichtet. Die seitherigen Orts­zulagen betrugen 100 bis 450 Mk. Nach eingehender Be­ratung wurden die Ortszulagen aus 400 bis 650 Mk. erhöht, und zwar in der Weise, daß die Ortszulagen der zwei untersten Stellen je 400, der zwei nächsten Stellen je 450 und der zwei oberen Stellen je 500 und der Mittelschule 650 Mk. betragen. Der Mehraufwand beläuft sich auf 1850 Mk., so daß die durchschnittliche Gehaltsaufbesserung eines Lehrers 265 Mk. beträgt.

* Meutttuge«, 14. April. Die Pläne zum Umbau des Bahnhofs Reutlingen find nunmehr soweit fortgeschritten, daß in den nächsten Tagen mit den Ankäufen der in Frage kommenden Gebäude und Grundstücke begonnen werden kann. Bisher waren Personen- und Güterbahnhof zu-