Ier»f-ttcher Nr. 11.

Einrückung«-Gebühr für Altensteig und nahe Umgebung bei einmal. Einrückung 8 Pfg., bei mehrmal. je 6 Pig., auswärts je 8 Pfg. die ein spaltige Zeile oder deren Raum-!

Men^eig.Mdl.

undAnterhaltuntzZblatt

oberen ^1/ö.qvIü

Erfcheinr Dienstag Donnerst., Samstag und Ssnntag mL der wöch. Beilage Der Sonntags Gast-.

MmMalt für

Wgemeine5-RnMe-

'/ön öon

Bestellpreis für daS BierteWhr im Bezirk u- Nachbar ortsverkebr »«. I^L, außerhalb Mk. 1LS.

Verwendbare Bei träge werden dankbar angenommen

Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei den K. Postäurtern und Postboten.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Wr. 34.

1904.

Donnerstag. 3. Marz.

Amtliches

An der unter Aufsicht der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel stehenden staatlichen Fachschule für Feinmechanik in Schwenumgen beginnen am 2. Mai d. I. wieder neue Uuterrichtskurse. Anmeldungen sind zu richten an den Schul­vorstand Professor Dr. Göpel in Schwenningen, von wel- chem auch Schulprogramme und Auskünfte zu erhalten sind.

Für Schmiede, welche die Prüfung im Hafbeschlag

erstehen wollen, finden au den Lehrwerkstätten des Landes wieder Prüfungen statt und zwar u. a. iu Reutlingen am 6. April d. I.

Uebertragenwurde eine Finanzamtmannstelle beim Kameral- amt Tübingen dem Finanzamtmann Dinkelmann in Altensteig; die zweite evangelische Pfarrstelle in Dettingen, Dekanats Urach, dem Pfarrer Mohr in Schömberg; die Schulstelle in Wörnersberg, dem Untcrlehrer Morlock in Weissach.

(Auszug aus der Geschworenenliste des Schwurgerichts Tü­bingen pro 1. Quartal 1904) Holder, Mühlebesttzer in Jselshausen, Hatsch, Müller und Gemeinderat in Ltebcuzell, Walz, Kirchenpfleger in Oberschwandorf, Roh, Lammwirt in Emmingen, Staudenmayer, Verwaltungsaktuar in Ealw, Lampart, Färber in Rohrdorf, Secaer, res. Apotheker in Calw.

Deutschland in Ostafien.

(Nachdruck verboten.)

Was foll das deutsche Reich in Oftasien tun, wo wir außer unseremPachtgelder" Kiautschou zur Sicherung un­serer Interessen noch in verschiedenen wichtigeren Plätzen Garnisonen haben? Die Antwort auf diese Frage erscheint uns sehr einfach: Kalt Blut bewahren! Im deutschen Reichstage ist die baldmöglichste Zurückziehung des Restes unseres Expeditionskorps, also der Garnisonen außerhalb des Kiautschougebietes, angeregt, aber wir meinen, selbst dann, wenn es wirklich mit der Sparsamkeit so ungemein nötig wäre, so wäre der heutige Zeitpunkt für eine solche Maßnahme der allerungeeignetste. Ostafien ist, gerade wie der Orient, eine Art von Wetterwinkel, ein größerer sogar, wie die Balkanhalbinsel; man verhindert kein Hineinzieheu in den Trubel, wenn mau sich fernhält, mau erstickt ihn besser, wenn geeignete Kräfte vorhanden sind, ja, man beugt durch eine ruhige Machtentfaltung vor und verhindert sonst unvermeidliches Blutvergießen. W're zum Beginn der Boxer-Bewegung in Peking oder auch nur in Tieutstu eine Achtung gebietende militärische Besatzung aller in China interessierten Staaten vorhanden gewesenes wäre aller Wahr­scheinlichkeit nach es niemals zu dem großen Boxer-Feldzuge und der Ermordung des deutschen Gesandten in Peking ge­kommen. Und dieser Gedanke kann auch nur für jetzt allein maßgebend sein. Die Luft in Ostasien ist gewitter­schwül, und unter solchen Verhältnissen wacht jeder. Wären wir nicht dort bereits, hätten wir gar keine Interessen zu vertreten, so lägen die Dinge anders, dann möchte ge­schehen, was da wollte. Aber nun haben wir unfern dor­tigen Handel, die bestehenden Beziehungen zu schützen, und da kommen wir am sichersten, unblutigsten und schließlich am billigsten fort, wenn wir auf der Wacht verharren.

Der deutsche Handel und der deutsche Unternehmungs­geist haben in Ostasien unter dem Schutz der Reichs-Poli­tik eine Saat ausgestreut, welche ergiebige Früchte zeitigen wird. So schnell, als wenn in Deutschland irgend eine zeitgemäße Gründung veranstaltet wird, geht es mit dem Erfolge natürlich nicht, aber alles beweist, daß der rechte Weg eingeschlagen ist. Deutschland hat, seitdem die Er­mordung unseres Gesandten, welche der chinesische Fana­tismus verschuldete, gesühnt ist, von allen fremden, in China interessierten Mächten am wenigsten von sich reden gemacht; das ist kein schlechtes Zeichen, sondern das denkbar beste. Was britische Zeitungen verschiedene Male über in Schan- tung, dem HinerlanSe von Kiautschou, herrschende Aufreg­ung verbreiteten, war Lug und Trug, und wo unsere Garnisonen in chinesischen Städten sich. befinden, ist ein durchaus freundliches Verhältnis zu den Langzöpfen be­wahrt worden. Deutschlaud's Name wird geachtet, unsere Produkte werden gern gekauft, die deutsche» Schifffahrts- Linien in den ostastatischen Gewässern sind bekannt. Wel­chen Eindruck würde es machen, wenn das Reich nun mit einem Male sichdünne machen wollte," während dir übrigen Mächte sich verstärken? Wir brauchen uns natürlich um Niemand zu bekümmern, aber mit Anstrengung und Eifer gemachte Handels- und sonstige Eroberungen giebt man doch nicht ohne Grund wieder auf. Der Reichstag hat manche Ausgabe für die ostasiatische Expedition zu hoch befunden und daran gestrichen. Das ist sein Recht, und wir mögen ja auch Einschränkungen vornehmen, wenn Ord­nung geschaffen ist. Aber jetzt haben wir aufzumerke», und im Uebrigen wären wir töricht, wenn wir China und um­liegende Länder als Luft behandeln wollten. Die Zeit, in der dort tüchtig Geld zu verdienen ist, kommt.

Mit anderen Kulturftaaten suchen wir dort keinen Streit, und wir werden Ostafiens wegen auch mit Niemandem zu einem Zwist gelangen. Wenn während des Waldersee- Kommaudo's eine Politische Verträglichkeit aufrecht erhalten wurde, so wird sie dies auch in Zukunft sicher werden. Aus Mißtrauen gegen einen fremden Staat hätten wir iu Ostasien außerhalb Kiautschou's keine besondere Garoison nötig, strategische Positionen, wie die Engländer in Weihei- wai, die Russen seither in Port Arthur rc., haben wir nicht. Nur die eingeborene Bevölkerung zwingt uns zur Vorsicht. Sollten unter den Mächten nach Abschluß des Japan- Krieges Wünsche wegen einer neue-, territorialen Befitz- regeluug entstehen, so wird diese sicher friedlich erfolgen. Die Umständlichkeiten der ostasiatischea Kriegführung sind schon hiuglänglich erkannt.

Tagespolitik.

Die Deutschen werden wenig Freude an ihren Kolonien erleben und wenig Gewinn aus ihaen ziehen, wenn diese überseeischen Unternehmungen weiter noch so bürokratisch ge­leitet werden wie jetzt und wenn Reichstag und Regierung in den Kolonien keinen Spatenstich tun lassen ohne ihre Genehmigung. Die Leitung unseres Kolonialwesens hat einen Stich ins Doktrinäre und Unpraktische. Wir haben zu viele Juristen und europäisch dressierte Beamte dort, und weiter versäumen wir es, praktische Leute vom Pflug und aus der Werkstatt zu veranlassen, sich drüben niederzulassen. Balbao, der Entdecker des Stillen Ozeans, richtete einst an den König von Spanien die Bitte,Se. Majestät möge allen studierten Leuten, außer den Aerzteu, das Betrete« des neuen Weltteils verbieten, denn sie hätten alle den Satan im Leibe und stifteten tausenderlei Klagen uud Ver­wicklungen." Gewiß gefaßte doktrinäre Meinungen find überall vom Uebel, am meiste» jedoch in den Kolonien. Der englische Beamte und Offizier bringt infolge der praktischen Erziehung der Nation einen ganz anderen Vorrat von wirt­schaftlichem Scharfblick mit, als die entsprechenden Klassen der Festlandesvölker. Daher macht auch das Kolonisations- Werk in Britisch-Ostafrika beneidenswerte Fortschritte, wo­gegen die langsame und schwerfällige Weise, wie man iu Deutschland zu Werke geht, jeden Kolonisator entmutigen muß. Man denke, was die Rührigkeit der Engländer aa- geht, nur an den Eiseabahnban nach dem Viktoria-See! Freilich kommt den Engländern auch auf diesem Gebiet ein mehrhundertjähriger Vorsprung zu statten. Schon im Jahre 1612 schrieb Franz Bacov, Großkanzler von England, folgende goldene Worte: »Mit dem Aapflanzen einer Ko­lonie geht es wie mit dem Anpflanzen von Wäldern man muß zwanzig Jahre lang auf jeden Gewinn verzichten." Das sollten alle beherzigen, welche das Werk in Afrika verwerfen, weil es nicht gleich reichen Ertrag bringt, und welche deshalb gar einer Veräußerung der Kolonie das Wort reden, zur Freude der Engländer. Ferner schrieb Bacon:Die Menschen, mit welchen man eine Kolonie anlegensollte, sind Ackerbauer, Gärtner, Taglöhner, Schmiede, Zimmerleute, Tischler, Fischer, Vogelsteller, nebst einigen» Apothekern (Pflanzenkundigen), Wundärzten, Köchen und Bäckern." Und weiter: Die Regierung lege man in die Hände eines Einzigen, unter dem Beisitz einiger Räte, uud erteile dieser Regierung die Vollmacht, die Rechtssachen in Form eines Kriegsgerichts zu verhandeln, doch freilich mit Einschränkungen." Der leitende Gedanke darin ist, daß die Kolonialregierung möglichst selbstständig sein solle, und diese Grundanschauung wurde in England sehr bald maßgebend. In der Tat schadet der Entwickelung der Kolonie nichts so sehr, wie der Parlamentarismus mit seinen vor allem .konseqaenten", d. h. auf ein Programm eingeschworeneu Parteien, welche nur zu oft das Staats­interesse in ihre Kämpfe mit hineinziehen. Aber nicht minder nachteilig wirkt unausgesetzte Bevormundung durch die Regierung des Mutterlandes.

*

Warum wird plötzlich von Stockholm aus daran er­innert, daß vor beinahe 20 Jahren zwischen den drei nordischen Staaten ein Uebereinkommen getroffen wurde über die Frage der Neutralität und der gemeinsamen Ab­wehr von Feinden? Warum wird in Italien eia Plötzlicher Umschwung, der zuerst für Japan so enthusiasmierten Bolks- stimmuug sichtbar? Warum legt das altersgraue und finanziell ausgesaugte Spanien Plötzlich eine stählerne Rüstung an? Weil überall ein ungeheures Mißtrauen gegen England vorherrscht. Es besteht das Gefühl, daß eine Niederlage Rußlands den Ucbermut der Engländer in einer für alle schwächeren Völker gefährlichen Weise auf­stacheln würde. Denn die Neberzeugung herrscht Wohl allgemein, daß dort hinten im fernen Osten nicht nur um

Söul und Port Arthur, um Korea und die Mandschurei gerauft wird, sonder» daß sich jene unausbleibliche Ent­wickelung vorbereitet, an deren Ende der Entscheidunzs­kampf zwischen England und Rußland harrt. Die nordischen Reiche wissen es, daß der Schlüssel ihrer Stellung iu Kopenhagen ruht, Italien hat an den Hängen des Balkans Interessen zu verteidigen, die bisher von russischer Seite eine Förderung, von England aus stetige Hindernisse er­fahren haben, und Spanien bangt um die Kanarischen Inseln, um die galizische Küste, um Centn, um die Balearen, und ist von schwerer Sorge erfüllt, durch einen Handstreich, wie ihn die Geschichte Albious nicht gerade selten zu ver­zeichnen hat, um den letzten Schimmer der Selbständigkeit gebracht zu werden. Nlchr von Rußland her, sondern von seinem alten Rivalen England her fühlt sich das euro­päische Festland bedroht. In allen englischen Marine- Werkstätten wird Tag und Nacht, sogar deS Sonntags, mit äußerster Anspannung gearbeitet. Als der Bnrenkrieg tobte, da hat vielleicht Rußland de« psychologischen Moment vorübergeheu lassen, um seine Rechnung mit England auszugleichen. Die Friedseligkett des Zaren, die ja auch jetzt noch bis zum letzten Augenblick sich gegen eine kriegerische Auseinandersetzung in Ostasten sträubte, wird vielleicht jetzt, vielleicht erst in der Zukunft ihre letzten verhängnisvollen Folgen zeitigen.

Deutscher Weichstag.

* Aertt«, 29. Februar. Reichsgesetzliche Regelung des Fcemdearechts. Nor mann (kons.) lehnt es namenS der Konservativen ab, an der Erörterung teilzunehmen, da die Ministererklärnngen befriedigende Aufschlüsse gegeben habe». Müller-Meiningen (frs. Vp.) wirft dem preußischen Mi­nister vor, durch wochenlaages Schweigen der sozialdemo­kratischen Agitation «»freiwillige Schlepperdieaste geleistet zu haben. Was den Köaigsberger Geheimbundprozeß an­gehe, so sei es uncrwiesen, daß revolutionäre Schriften von russischen Spitzeln eingeführt worden seien. Eingegangen ist eine Resolution der Sozialdemokraten, betr. die reichs­gesetzliche Regelung des Fremdenrechts. Minister von Hammer st ein: Ueber die preußische Polenpolitik lehne er es ab, hier zu sprechen. (Zuruf links: Sie haben ja selbst davou angefangen! Lärm, Glocke des Präsidenten.) Ich sprach ja nur von einer in der Presse als russisch- polnisch bezeichnten Versammlung, welche übrigens gegen den Fürsten Radizwill besonders gehässig sich äußerte und ihn als einen untauglichen Vertreter des Polenvolkes be­zeichnte. Die Tapferkeit der Polen erkenne ich voll an. Schräder (frs. Vgg.): Die Vertreter der angegriffenen Einzelregierungen verweigern ja doch sonst nicht die Ant­wort. Wie oft spricht doch nur der Gcheimrat Fischer- Sachse» ! Ich glaube Wohl, daß die Regierung den rus­sischen Spitzeln Beamtearechte nicht einräumte, fordere aber daß die russischen Beamten keinen unberechtigten Druck auf, uns ausüben dürfen. Ausgewiesea soll nur der werden, welcher unsere Gesetze verletzt. Sattler (nlb.) freut sich, daß die preußischen Minister hier ausreichende Aufklärungen gaben. Wir dürfen nunmehr annehmen, daß die ganze Sache teils sich um ein Phantafiegebilde, teils um uner- wiesene Behauptungen handelt. Daß die Regierungen ge­gen die Terroristen Zusammenwirken, ist selbstoerständlich be­rechtigt. Bebel (Soz.): Nicht die Sozialdemokraten, sondern der Minister haöe in dieser Sache den Ruckzug au­getreten. Ein Sozialdemokrat, der sich mit Terrorismus be­faßt, fliege aus der Partei hinaus. Die Behandlung der Studenten in Rußland sei eine gleiche wie die Behandlung der Burschenschafter nach den Freiheitskriegen. Der Bor­wurf der freien Liebe, der den russischen Studenten gemacht werde, sei haltlos. Haben wir nicht freie Liebe in Forbach, Pirna, Chemnitz uud Dresden? Wollte man alle Anhänger der freien Liebe ausweisen, so würden die meisten vornehmen Villen in den Berliner Vororten leer werden. Die Sozial­demokraten und nicht die preußische Regierung tragen durch ihre Tätigkeit in dieser Sache dazu bei, das Ansehen und die Ehre des deutschen Reiches zu wahren. (Lebhafter Wider­spruch u. Gelächter I Reichskanzler Bülow: Die Sozialdemo­kraten haben sich an dem Vertrieb der russischen Schriften be­teiligt, und unter diesen Schriften befinden sich tausende terrori­stischer und anarchistischer Brochüren. Der Zweck der ganzen Mache ist auch nur der, uns mit Rußland zu verhetzen, die Revolution und de» Krieg zu entfesseln. Wir werden verhindern, daß von deutschem Gebiete aus solche Mani­pulationen betrieben werden, und wir werden die vertrauens­vollen freundlichen Beziehungen aufrecht erhalten, die uns jetzt mit anderen Staaten verbinden. (Lebhafter Beifall.) Das Haus lehnt den Antrag der Sozialdemokraten auf reichsgesetzliche Regelung des Fremdenrechtes ab.