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Wr. 33

1904.

Dienstag. 1. Marz.

Tagespolitik.

In München spielen sich zur Zeit Kämpfe ab, welche trotz russisch-japanischem Krieg und Herero-Aufstand das höchste Interesse auf sich ziehen und verdienen Eine Krisis ist dort ausgebrochen, welche bei der Bedeutung Bayerns für Deutschland sehr beträchtliche Folgen haben kann. Was ist die Ursache? Das geltende Laudtagswahlrecht in Bayern hat drei Eigentümlichkeiten. Die eine ist, daß indirekt ge­wählt wird wie in Baden; die Borwähler wählen Wahl- mäuner, und diese erst küren den Abgeordneten. Zweitens: Die Wahlkreise haben meist nicht bloß einen, sondern 2, 3, München sogar 5 Abgeordnete zu wählen. Drittens besteht die Einteilung des Königreichs in Wahlkreise nicht auf Grund eines Gesetzes, sondern ministerieller Verfügung, ist also ins Belieben der jeweiligen Regierung gestellt. Gegen alle drei Punkte besteht nun schon lange allgemeine Ab­neigung. Man möchte, wie in Baden, die direkte Wahl; man findet es ungerecht, wenn eine vielleicht nur aus wenigen Stimmen bestehende Mehrheit gleich 2, 3, 4 und 5 Mandate an sich reißt und die Minderheit völlig leer ausgeht; endlich sieht jede Partei ein, daß sie bei der ministeriellen Vollmacht zu jeder beliebigenWahlkreis­geometrie" einmal, wenn sie m der Opposition ist, unter die Räder kommen kann. Daher der Wunsch nach gesetz­licher Festlegung der Wahlkreise. Nun hat das Mini­sterium Podewils ein Wahlgesetz vorgelegt, das im Wesent­lichen alle drei Anstände beseitigt. Sofort aber zeigt sich, daß die Art dieser Beseitigung große neue Schwierigkeiten schafft. Das Ministerium schlägt vor, daß die Wahlen nach relativer, nicht nach absoluter Mehrheit erfolgen sollen. Dabei find die Liberalen, Bauernbündler und Konservativen in Gefahr, durch ihre Zersplitterung gegenüber den in sich eisern geschlossenen Sozialdemokraten und Zentrumsmännern zurückzubleibeu. Beispielsweise können bei 2000 Sozialisten­oder Zentrumsstimmen 1000 Liberale, 1000 Konservative und 1000 Bündler ausfallen, obwohl sie zusammen stärker find als die Partei der relativen Mehrheit. Die genannten Parteien verlangen also das Prinzip der absoluten Mehr­heit, d. h. die Stichwahl, um eventuell das Zentrum oder die Sozi niederzustimmen, statt ihnen preisgegeben zu sein. Zweitens rechnen Liberale und Bündler auf Grund der Wahlziffern seit etwa 30 Jahren heraus, daß nach der vor­geschlagenen Wahlkreiseinteilung das Zentrum 83, die Sozi etwa 30 Wahlkreise so gut wie sicher haben, ihnen also bloß etwa 50 verbleiben. Da es nun 159 Mandate gibt, so wäre dem Zentrum die feste Mehrheit von 83 gegen 76 aller andern Parteien gesichert. Die Sozi find von dem ihnen winkenden Zuwachs so geblendet, daß sie die Ein­teilung gleichwohl annehmen wollen. Die anderen Parteien aber weigern sich, den Hals in die Schlinge zu stecken, und da sie die Zweidrittelmehrheit verhindern können, so wird das Gesetz wohl fallen. Dann aber droht Podewils mit eigenmächtiger ministerieller Einteilung und das beantworten die Liberalen mit offener Kriegserklärung.

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München gehört nicht zu den reichen Großstädten, 60 Proz. der Münchener leben in Wohnungen von zwei Zimmern und noch weniger Raum. Trotzdem werden in der Karuevalszeit Hunderttaufende verlumpt. Bedenkt man, daß während der Karnevalszeit nicht nur in München und Bayern, sondern in ganz Süddeutschland nud nament­lich am Rhein gesumpft und Schaden an Leib und Seele genommen wird, so muß man die folgenden Ausführungen gut heißen, die Pastor Petersen in Düsseldorf in einer SchriftWider den Karneval" erhebt:Wenn ein ruhig, ernst und nüchtern urteilender Mensch, der dem Christentum ganz fern steht, solchem Treiben gegenüber sich fragen möchte: Ist denn das Leben eine Komödie und die Welt ein Narrenhaus? Ist es nicht eine Erniedrigung des Menschen, sich zu geberden, als sei er dem Jrrenhause ent­sprungen?, so wird ein Christ, dem sein Glaube mehr ist als eine bloße Redensart, »och ganz anders fragen: Ist es nicht eine Schande, daß die, die berufen find, den Adel der Gotteskindschaft an ihrer Stirn zu tragen, sich also ge­berden? Könnte der Satan selbst etwas erfinden, was schändlicher den leidenden Heiland verhöhnte, als Karneval an der Spitze der Passionszeit? Hier der gekreuzigte Christus und dort Narren und unziemliche Scherze; hier die ewige Liebe, die sich für uns in den Tod gibt, und dort die Schellenkappe des Narren! Und die Schlußfolgerung aus dem allem? Mag der Katholik sich damit beruhigen, daß ihm der Aschermittwoch und die folgende Fastenzeit Vergebung für alle Tollheiten und Narrheiten eintragen wird, ein rechter evangelischer Christ, der die Vorstell­ung von der vergebenden und heiligenden Kraft des Fastens als unbiblisch verwerfen muß, hat um seines Glaubens,

seines Heilandes willen die Pflicht, nicht nur sich persön­lich, souder» auch andere, namentlich das Heranwachsende Geschlecht, vom Karneval fern zu halten und, wo immer sich Gelegenheit daz« bietet, durch sein Wort aufklärend und gewissenschärfeud zu wirken.

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In den Verhandlungen zwischen den Vertreter» der einzelstaatlichen Eisenbahnverwaltungen und dem preußischen Eisenbahnministerium über die Frage der Umleitung des Güterverkehrs ist, wie die Nat. Korresp. hört, eine Ver­ständigung dahin erreicht worden, daß man sich allerseits bemühen will, den Güterverkehr über die wirtschaftlich leistungsfähigsten Linien zu leiten. Württemberg dürfte davon jedenfalls den Hauptvorteil haben.

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Nicht alle Geistlichen Frankreichs find Gegner des Ministerpräsidenten Combes, der die geistlichen Orden aus Frankreich vertreibt, die sich den Bestimmungen des neuen Bereinsgesetzes nicht fügen wollen. Der Bischof von Dijon eiferte nicht gegen die Regierung. Dafür wollten ihn die Seminaristen des Dijoner Priesterseminarsbestrafen," in­dem sie sich weigerten, sich von ihm zu Priestern weihen zu lasfea. Als der Bischof Maßnahmen dagegen traf, ver­ließen mehr als hundert Seminaristen das Seminar. Das Ministerium machte aber wenig Federlesens mit diesen Widerhaarigen. Es ordnete an, daß sämtliche militär­pflichtigen Zöglinge, die das Seminar verließen, sofort zu dreijährigem Dienst eingezogen werden, da sie die Vergün­stigung des Lazarettdienstes verloren haben.

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He

Nach den vielen amtlichen russischen Kriegsberichten ist nun auch ein solcher von japanischer Seite an die Oeffentlichkeit gelangt. Er betrifft die japanischen Verluste vor Port Arthur im Verlauf der verflossenen Woche und stellt in Uebereinstimmuug mit den amtliche» russischen Be­richten fest, daß die Unternehmungen Japans erfolglos ge­blieben und besonders die Brander nicht an den beab­sichtigten Punkten versenkt worden seien. Die amtliche japanische Meldung berichtet von der Vernichtung eines russischen Torpedojägers, worüber der Bericht des Statt­halters Alexejews schweigt, und der russische Bericht ver­meldet die Zerstörung eines japanischen Torpedobootes, worüber wieder der amtliche Bericht aus Tokio keine Mit­teilung enthält. Sonst stimmt alles überein. Bei Kriegs­berichten gewiß eine Seltenheit. Die Erfolglosigkeit der japanischen Unternehmungen vor Port Arthur hat in Japan hochgradige Besorgnis erweckt. Es verlautet, daß bei dem Sperruugsversuch nicht 4, sondern sogar 5 japanische Transportschiffe zwecklos geopfert worden sind. Das ist immerhin ein empfindlicher Mißerfolg.

Deutscher Weichstag.

* Aerkir», 27. Febr. Bei Eröffnung der Sitzung macht der Präsident Mitteilung vom Ableben des jüngsten Sohnes des Prinzen Heinrich und erbittet und erhält die Genehmig­ung, die einleitenden Schritte zu treffen, um dem tiefen Bei­leid des Hauses Ausdruck zu verleihen, sowohl gegenüber dem Kaiser, als auch gegenüber dem Prinzen Heinrich. Das Haus setzt die zweite Beratung des Justizetats fort. In einer zu dem TitelGehalt des Staatssekretärs" einge- brachten Resolution fordern Bergmann (fr. B.) und Träger (fr. V.) die Vorlegung eiues Gesetzentwurfs, wo­nach den wegen politischer oder Preßvergehen in Ünter- suchungs- oder Strafhaft befindlichen Personen gestattet werden soll, sich während der Dauer der Haft selbst zu beköstigen und eine Tageszeitung zu halten, und daß solche Personen nur mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, welche ihrem bisherigen Beruf und ihrem Bildungsgrad ange­messen sind. Bergmann (fr. V.) begründet die Resolu­tion und nimmt Bezug auf den Fall des Redakteurs Brie- mann, der wegen Beleidigung des oldenburgischen Justiz- miuisters Ruhstrat angeklagt und verurteilt wurde. Olden- burgischer Bundesratsbevollmächtigter Buchholtz gibt seiner Genugtuung Ausdruck, daß der Vorredner seiner Regierung nicht die Berechtigung zu ihrem Vorgehen gegen Briemann abgesprochen habe. Brieman» sei als Redakteur und Verleger eines Skandalblatts niedrigster Sorte ein so trauriges Exemplar seiner Gattung, daß er Wohl kaum zur Begründung einer solchen Resolution herangezogen werden könne. Abg. Frohme (soz.) erwähnt dann den Fall Brie­mann und bemerkt, der Oldendurgische Justizminifter gehöre auf die Anklagebank. Präsident Graf Ballest rem rügt dies, und fordert den Redner auf, nicht in diesem Ton fortzufahreu. Frohme sagt weiter, in einer Oldenbur­gischen Strafanstalt sei sein Freund Fischer am Kopf, Ober­lippe und Kinn kahl geschoren worden; ja man habe ihn,

einen gebildeten Mann, gezwungen, am Schulunterricht im Gefängnis teilzunehmen. Staatssekretär Nieberding bittet, ihm Einzelfälle vorher mitzuteilea, sonst könne er nicht darauf eiugeheu. Die gesetzliche Regelung deS Strafvoll­zugs werde vorgenommen werden, sobald das materielle Strafrecht revidiert werde. Man dürfe auch für die Re­dakteure kein Privileg verlangen, verläumderische Beleidigung sei doch ebenso gemein als irgend ein anderes Verbrechen. Träger (freis. Bp.) führt aus, schon vor 27 Jahren habe es geheißen, eine Novelle betreffend dir Vollstreckung der Freiheitsstrafen befinde sich in Vorbereitung. Nach dem Gesetzbuch bestehe eigentlich ein Zwang zur Arbeit für Ge- fäugnisgefangene überhaupt nicht; dagegen müsse der ArieitS- lust möglichst gewillfahrt werden, auch in der Art der Ar­beit, wenn auch Luftschiffer und Kunstreiter sich nicht in ihrem Beruf üben könnten. (Heiterkeit.) Aber das Ge­fängnis dürfe den Gefangenen nicht von der Arbeit, die er verstehe, entwöhnen. (Sehr richtig.) Staatssekretär Nieber­ding weist den Borwurf des Vorredners zurück, der Bundes­rat habe bisher Geneigtheit gezeigt, Reformen auf diesem Gebiet einzuführen. In den 70er Jahres habe dem Bundes­rat ein Gesetzentwurf Vorgelegen, der aber Kosten von 150 Millionen erfordert, deshalb habe man dann im Wege der Verordnung einheitliche Grundsätze ausgestellt. Das Ansehen des deutsche» Reiches sei durch den bisherigen Mangel an einheitlichen gesetzlichen Bestimmungen nicht gefährdet. Be­züglich des Gefängniswesens seien wir allen Kulturstaaten weit voraus. Gröber (Ztr.) erkennt an, daß die Reform des Strafvollzuges auf Schwierigkeiten stoße, weil die Reichswisfeuschaft im Zweifel sei, ob die Freiheits­strafen überhaupt einen Wert haben und in wie weit die Abstufung derselben erfolgen sollte. Gröber brachte einen Antrag ein, welcher für Untersuchungs­gefangene Selbstbeköstigung und Selbstbeschäftigung all­gemein and für Gefäugnisgefangene insoweit, als ihre Handlung nicht eine ehrlose Gesinnung bekundet, fordert. Dieser Antrag wird angenommen. Es folgt die Beratung des Themas: Reichsgesetzliche Regelung deS Fremdenver­kehrs. Abgeordneter Haase (Soz.) kommt auf die kürz­lich im Abgeorduetenhause stattgehabte Debatte über das Treiben der russischen Geheimspitzel in Preußen zurück und wiederholt seine frühere Behauptung russische Polizeispitzel seien in die Wohnung der ihnen verdächtig erscheinenden Personen eingedrungen. Die Regierung habe zwangsweise Fremde der russischen Regierung ausgeliefert. Miuister Frhr. v. Hammerstein erklärt: obwohl die Angelegenheit eine rein preußische sei, sei er doch erschienen, um das Rück- zugsgefecht der Sozialdemokratie zu einer dauernden Nieder­lage zu machen. Ein Nachweis, daß irgend einer der bei der russischen Botschaft mit der Ueberwachung russischer Anar­chisten beschäftigter Beamter sich obrigkeitliche oder polizei­liche Befugnisse angemaßt habe, sei nicht erbracht worden. Solange die Sozialdemokraten dafür keine« Beweis erbracht hätten, müsse man überzeugt sein, daß sie die Sache zu agitatorischen Zwecken aufgebauscht hätten. Nach Be- merkuugen des Justizminifter Dr. Schönstedt vertagt das Haus die weitere Beratung des Etats auf Montag 1 Uhr.

Landesnachrichten.

* Altensteig» 29. Febr. Der landwirtsch. Bezirksvereiu Nagold hielt gestern Sonntag nachmittag unter dem Vorsitz des Herrn Oberamtmann Ritter eine zahlreich besuchte Versammlung ab und zwar im Saale des Gasthofs zum grünen Baum. Hiebei hielt Herr Privatdozeut Dr. Haupt­fleisch aus Stuttgart einen Vortrag ÜberDie Entnahme der Pflanzeunährstoffe aus dem Boden und ihr Ersatz." Der Vortragende betonte einleitend, daß die Landwirtschaft in wissenschaftlicher Weise zu führen sei, und es müsse ihre Aufgabe sein, aus der teuren Scholle möglichst viel mit möglichst wenigen Mitteln hrrauszuwirtschaften. Durch graphische Darstellung führte nun Redner in gemeinver­ständlicher Weise aus, wie jede Pflanze 7 verschiedener Nähr­stoffe bedürfe und daß, wenn nur ein Nährstoff nicht oder nicht in genügender Menge der Pflanze zur Nahrung diene, diese verkümmere oder ganz absterbe. 3 Nährstoffe biete die Luft umsonst, 4 biete die Erde dar und wo ein Nährstoff mehr oder weniger mangle, müsse durch Düngung des Bodens nachgeholfen werden. Aufgabe des Landwirts sei eS nun, durch Düngungsversuche auszukundschaften, welcher Nährstoffe zu einer speziellen Anpflanzung der Boden bedürfe uud m welchem Verhältnis. Zuviel des Guten sei ebenso nach­teilig, wie zu wenig, namentlich müsse darauf gesehen wer­den, daß «an keine zu großen Gaben Stickstoff gebe, denn hierdurch erhalte man Lagerfrüchte. Der beste Dünger sei zweifelsohne der Stallmist, da er den Boden verbessere, was beim Kunstdünger nicht zutreffe, leider sei es jedoch eine alte