Jerosprecher Ar. 11.

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Sonntag- 28. Jebruar

Tagespolitik.

Das sächsische Volk muß «z mit einem hohen Stcuer- zuschlag büße«, was ein leichtfertiger Landtag und eine von niemand gehemmte Regierung sündigte. In den letzten Jahr­zehnten ist in Sachsen gewirtschaftet worden, als schwimme man im Golde. Ganz überflüssige Eisenbahnlinien wurden gebaut, die Bahnhofs- und Regiernugsgebäude wurden Palastbauten. Der Dresdener Bahnhof, der nach de« Vor­anschlag 38 Mill. Mark kosten sollte, kostete 80 Millionen. Ein Gymnasiumsbau in der sächsischen Provinzstadt Grimma kostete 31/2 Mill. Mark. In diesem Stile wurde viele Jahre gesündigt, bis der Karren so verfahren war, daß der Finanz- minister gehen und ein hoher Steuerzuschlag eingeführr wer­den mußte. Dieser, im Verein mit einer neuen Landtags­wahlordnung, welcde das Wahlrecht der nieder« Steuer­zahler beschränkte, führte u. a. dahin, daß bei der vorigen Reichstagswahl in Sachsen 22 sozialdemokratische und ein freisinniger Reichstagsabgeordneter gewählt wurden, während vorher die Mehrzahl der Abgeordneten der konservativen Partei angehörte. Nnn lautet die Parole der Regierung: sparen! Im Landtage verkündete der Finanzminister, daß nur uoch diejenigen Eisenbahnlinien gebaut würden, welche unbedingt notwendig seien. Gebaut werde« vorerst nur noch diejenigen Linien, welche früher in reicher Fülle bewilligt wurden. Das Budget des Jahres 1904 wird dafür allein mit 33 Mill. Mark belastet.

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Die Zirkularnote, in welcher Rußland die japanische Regierung der Verletzung des Völkerrechts beschuldigt, ist den Mächten bereits zugestellt und auch schon amtlich im Wortlaute veröffentlicht worden. Die Note ist vom russi­schen Minister des Auswärtigen, Grafen Lamsdorff, unterm 22. Februar abgefaßt worden. Seit dem Abbruch der di­plomatischen Beziehungen, so sagt sie im Eingänge, zeigt das Kabinett von Tokio offenbare Verletzungen der allge mein gebräuchlichen Sitten, welche die Beziehungen zwischen zivilisierten Staaten bestimmen. Ohne auf einzelne Verletzungen einzugehen, hält es die Regierung für not­wendig, die allerernsteste Aufmerksamkeit der Mächte aus die Gewaltakte der japanischen Regierung hinzulenken, uud zwar hinsichtlich Koreas. Die Selbständigkeit Koreas wurde seit dem Frieden von Shimonoseci durch wiederholte Ver­träge festgelegt und von allen Mächten anerkannt. Die Gefahr eines Konfliktes voraussehend, richtete der Kaiser von Korea im Januar ds. Js. ein Rundschreiben an die Mächte, worin er seine Neutralität erklärte. Dieses Schrei­ben wurde von allen Regierungen, mit Wohlwollen ausge­nommen. Trotzdem hat Japan 1) vor Eröffnung der Feindseligkeiten seine Truppen in Korea gelandet, 2) am 8. Februar mit starker Uebermacht die beiden russischen Kriegsschiffe bei Tschemulpo angegriffen, 3) vor Eröffnung der kriegerischen Aktion russische Handelsschiffe weggenommen, 4) dem Kaiser von Korea angekündigt, sein Palast würde besetzt werden, wenn er sich nicht füge und 5) durch Ver­mittlung des französischen Botschafters den russischen Ge­sandten in Söul, Pawlow, aufgefordert, Korea zu verlassen.

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(Der russisch-japanische Krieg.) Das russische Budget ist auf eine zweijährige Kriegführung eingerichtet, da man in Petersburg mit weiteren Komplikationen rechnet. Auch ohne diese wird, wie man aus den bisherigen Kriegsereig- uissen schließen muß, der Krieg zwischen Rußland und Japan sehr lange dauern. Wer erwartet hatte, Japan würde im Stnrmlauf die russische Kriegsflotte vernichten und auf dem Festlande entscheidende Erfolge an seine Fahnen heften, bevor noch die russischen Verstärkungen eingetroffen wären, der sieht sich heute bereits bitter enttäuscht. Auch Japan hat gewaltige Schwierigkeiten zu überwinden, trotz­dem es beim Abbruch der diplomatische» Beziehungen kriegs­fertig war und keinen Augenblick verlor, nm dem Gegner zu Leibe zu gehen. So «lange es den Japanern nicht ge­lingt, an dem nordöstlichen Zipfel der Liautongbai Truppe» zu landen, solange kann auch eine entscheidende Feldschlacht nicht erwartet werden. Bei der Stärke Port Arthurs kann es aber noch recht lange dauern, bis den Japanern die Truppenlandung glückt. Also Geduld und nochmals Ge­duld!

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Eine Nachricht, die für den Verlauf des Krieges wichtig ist, verdient besondere Hervorhebung. Nachdem der bisherige Kriegsminister Kuropatkin zum Oberbefehlshaber der russischen Landtruppen in Ostasten ernannt worden ist, wurde nunmehr der Kommandant und Gouverneur von Kronstadt, Vizeadmiral Makaroli zum Oberbefehlshaber der Flotte des Stillen Ozeans ernannt. Damit ist der bis­herige Oberbefehlshaber und Statthalter der Mandschurei,

Admiral Alexejew vollkommen kalt gestellt. Er maß sich als die Unfähigkeit selbst bewiesen haben, da der Zar andernfalls seine Beseitigung nicht so schnell und gründlich

vollzogen haben würde.

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Es ist kein Zweifel, daß der Krieg für Rußland Ver­änderungen in seiner inneren Organisation zur Folge habe» wird. Nicht nur die revolutionäre Bewegung, welche sich überall regt und zahlreiche Verhaftungen zeitigt, deutet darauf hin, sonder» auch Schiebungen in den hohen Ber­ts altungskreisen. Es heißt, der Statthalter Alexejew und der Kriegshetzer Besobrasow seien beim Zaren in Ungnade gefallen, weil sie Rußland fälschlich als erzbereit geschildert und vorzeitig zum kriegerischen Vorwärtsgehen gedrängt hätten. Der Kriegsminister Kuropatkin hat sich früher ge­weigert, als Kommandant nach Ostasten zu gehen und sich Alexejew zu unterstellen. Daß er jetzt doch geht, beweist, daß Alexcjews Herrschaft zu Ende geht.

Deutscher Weichstag.

* HSerkia, 25. Febr. Auf der Tagesordnung steht zu­nächst die dritte Lesung des Gesetzentwurfs betreffend den Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen; der Entwurf wird debatteloS unverändert angenommen. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Be­ratung des Etats über die Verwaltung der Eisenbahnen bei den einmaligen Ausgaben des Ordinariums, dessen einzelne Titel nach einem Referat Bebels debattelos an­genommen werden. Beim Extraordinarium beantragten Schlumberzer (Hosp. d. Nlb.) und Genossen, die von der Kommission abgesetzten Titel betr. Anlage eines Rangier­bahnhofs bei Straßburg und viergleistgen Ausbau der Strecke Straßburg-Vendenheim, Erweiterung des Bahnhofs in Colmar, Bau einer zweigleisigen Bahn Metz7Bigy-An- zelingen wiederherzustellen, Nachdem Titel 1 des Extra- ordinariums angenommen ist, wird bei Titel 2, nachdem Bebel als Referent die Ablehnung des Antrags Schlum- berger empfohlen hat und Minister Budde für die An­nahme desselben eingetrete» ist, der Antrag Schlumberger abgelehnt. Titel 2 wird sodann gemäß den KommisfionS- beschlüssen angenommen. Ebenso werden die Übrigen Titel des Extraordinariums bewilligt und der Rest des Etats debattelos genehmigt. Es folgt die Beratung des Etats der Reichsjustizverwaltung. Auf Antrag Gröbers (Ztr.) wird bei dem Titel:Gebalt des Staatssekretärs" über die Fragen: Heimstätten, Automobile, Banhandwerker, politische Gefangene, reichsgesetzliche Regelung des Fremden-Berkehrs, die zum Teil in Resolutionen niedergelegt find, einzeln und getrennt debattiert werden, nachdem der Präsident Graf Ballestrem im Interesse einer schnelleren Erledigung der Geschäfte sich damit einverstanden erklärt hat. Äbg. von Riepenhausen (kons.) begründet seine Resolution, dem Reichstag in der nächsten Session den Heimstättengesetzentwurf für das deutsche Reich vorzulegen. Staatssekretär Nieber­din g legt Verwahrung dagegen ein, daß aus dem langen Zögern der Regierung, auf die durch den Antrag ange- deutere Materie einzugehe», der Schluß gezogen werde, daß sie dagegen sei. Die verbündeten Regierungen seien von der wirtschaftlichen Bedeutung des kleinen Grundbesitzes durchdrungen, würden aber niemals den Weg gehen, der nach ihrer Ueberzeugung keinen Erfolg hätte. Die Mehr­zahl der wirtschaftlichen Zentralvereine Deutschlands standen, wie sich bei einer früheren Gelegenheit zeigte, einer Gesetz­gebung in der vom Antragsteller gewünschten Art feindlich gegenüber. Auch der deutsche Lasdwirtschaftsrat riet ent­schieden von einer Intervention durch die Reichsgesetz­gebung ab und verwies auf die Landesgesetzgebuug. In dieser Hinsicht sei ja auch viel geschehen mit der Bildung von Rentengütern und dem Anerberecht. Ueber die Frage, wie man praktisch der Verschuldung des kleinen Grund­besitzes näher treten könne, schwebten Erwägungen. Das Beste wäre, den Antrag beim Etat der landwirt. Verwaltung im preuß. Abgeordnetenhause zu stellen. Wenn der Antrag an­genommen würde, würden die verbündeten Regierungen diesem Beschluß ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden. Gothein (frs. Bgg.) führt aus, für die Ansiedelung des kleinen Grundbesitzes seien auch seine Freunde. Das sei aber viel eher durch Parzellierung der großen Güter und Domänen erreichbar. Dem würden aber die Freunde des Antragstellers widersprechen. Pohl (frs. Bp.) spricht sich gegen den Gesetzentwurf auS, durch den der Bauer noch mehr unfrei werde. Bachem (Ztr.) tritt für den Antrag ein. Man müsse den Großgrundbesitz konsolidieren und ihn gegen das Verteilen unter viele Erben versichern lassen. Man müsse den Kleingrundbefitz aber auch sichern gegen die Aufsaugung durch den Großgrundbesitz. Stadthagen